History of the Peloponnesian War

Thucydides

Thucydides. Geschichte des Peloponnesischen Kriegs. Braun, Theodor, translator. Leipzig: Insel-Verlag, 1917.

Aus diesem seinem mächtigen Reiche also bot Sitalkes nun den Heerbann auf, und als alles fertig war, setzte er sich damit nach Makedonien in Marsch, erst durch eigenes Gebiet, dann durch das wilde Kerkinagebirge auf der Grenze zwischen Sintern und Päoniern, und zwar auf demselben Wege, den er dort früher schon auf seinem Feldzuge gegen die Päonier hatte durch den Wald hauen lassen. Auf dem Zuge aus dem Odrysenlande über dieses Gebirge hatte sein Heer die Päonier zur Rechten, die Sinter und Maider zur Linken und gelangte dann auf der andern Seite nach Doberos in Päonien. Ab­ gang an Mannschaft, soweit er nicht etwa durch Krankheit verursacht war, hatte er unterwegs nicht gehabt; im Gegenteil, er hatte noch Zuzug erhalten; denn in der Aussicht auf Beute hatten sich noch viele von den unabhängigen Thrakern frei­ willig angeschlossen, so daß das ganze Heer nunmehr mindestens hundertfunfzigtausend Mann stark gewesen sein soll. Das meiste davon war Fußvolk, nur ungefähr ein Drittel Reiterei. Die Reiterei hatten größtenteils die Odrysen gestellt. Unter dem Fußvolk waren die freien Säbelträger vom Rhodope die streitbarsten. Das übrige war ein buntes Völkergemisch, haupt­ sächlich durch die Menge furchtbar.

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Bei Doberos, wo das Heer sich sammelte, machte man Anstalt, von hier oben in das von Perdikkas beherrschte untere Makedonien einzufallen. Zu den Makedoniern gehörten nämlich auch die Lyukester und Elimioten und andere Stämme des Oberlandes, welche ihnen zugetan und untergeben sind, aber eigene Könige haben. Das heutige Makedonien an der Küste hatten Alexander, der Vater des Perdikkas, und dessen Vor­ fahren, ursprünglich Temeniten aus Argos, zuerst an sich ge­ bracht und ihrer Herrschaft unterworfen, indem sie die Pierer mit Waffengewalt aus Pierieu vertrieben, die sich später jen­ seits des Strymon am Pangaion in Phagres und anderen Orten niederließen, wie denn auch jetzt noch der Landstrich vom Pangaion abwärts bis an die See der Pierische Grund heißt. Aus der noch immer Bottiaia genannten Landschaft aber verdrängten sie die Bottiaier, die jetzt Nachbarn der Chal- kidier sind. In Päonien erwarben sie am Axios einen schmalen Strich Landes, der abwärts bis nach Pella und an die See reicht, und jenseits des Axios bis an den Strymon das Gebiet, welches Mygdonien genannt wird, aus dem sie die Edoner vertrieben. Aus der jetzt Eordia heißenden Landschaft ver­ drängten sie die Eorder, von denen die meisten umkamen und nur wenige sich bei Physka wieder ansiedelten, und die Al­ moper aus Almopia. Aber auch noch andere Stämme unter­ warfen sich diese Makedonier, welche noch jetzt unter ihrer Herrschaft tsehen, so Anthemus, Grestonia, Bisaltia und viele, die selbst auch zu den Makedoniern gehören. Alles das heißt jetzt Makedonien, und darüber war Perdikkas König, als Sital­ kes seinen Zug dahin unternahm.

Da diese Makedonier es mit dem großen Heere, das gegen sie heranzog, nicht aufnehmen konnten, zogen sie sich in die im Lande vorhandenen Schlösser und festen Plätze zurück. Allzuviel gab es deren freilich damals nicht. Später erst hat Archelaos, der Sohn des Perdikkas, nachdem er König ge­ worden, die jetzt vorhandenen Festungen gebaut, gebahnte Wege angelegt und die Einrichtungen für den Krieg überhaupt vervollkommnet und dabei für Ausbildung der Reiterei und

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des Fußvolks mehr getan als alle acht Könige vor ihm. Die Thraker rückten mit ihrem Heere zunächst in die früher von Philipp beherrschten Landesteile ein und nahmen Jdomene mit Sturm, während ihnen Gortynia, Atalense und einige andere Plätze freiwillig die Tore öffneten und aus Liebe zu Amynthas, dem im Heere befindlichen Sohne Philipps, zu ihnen über­ gingen. Europos belagerten sie, konnten es aber nicht nehmen. Darauf drangen sie auch in die übrigen Teile von Makedonien vor, links von Pella und Kyrrhos; darüber hinaus aber nach Dottiaia und Pierien kamen sie nicht; dagegen verheerten sie Mygdonien, Grestonien und Anthemus. Die Makedonier dachten gar nicht daran, es mit ihrem Fußvolk gegen sie aufzunehmen; die Reiter aber, die sie sich von ihren Verbündeten im Ober­ lande hatten kommen lassen, brachen bei Gelegenheit trotz ihrer geringen Zahl in die Masse der Thraker ein, und wo diese tapferen Panzerreiter einsetzten, warfen sie alleS vor sich nieder. Jedoch liefen sie dabei doch immer Gefahr, von der so vielfach überlegenen Masse umfaßt zu werden, und so gaben sie es schließlich auf, weil sie sich der Menge gegenüber zu solchen Wagnissen zu schwach fühlten.