History of the Peloponnesian War
Thucydides
Thucydides. Geschichte des Peloponnesischen Kriegs. Braun, Theodor, translator. Leipzig: Insel-Verlag, 1917.
Die Mauer der Peloponnesier aber war auf folgende Weise gebaut. Sie bestand aus zwei Ringmauern, von denen die eine gegen Platää, die andere, äußere, gegen einen etwaigen Angriff von Athen her gerichtet war. Der Abstand zwischen beiden betrug ungefähr sechzehn Fuß. Dieser Zwishcenraum von sechzehn Fuß war zu Wohnungen für die Besatzung ein geteilt und ausgebaut, alle so dicht beieinander, daß das Ganze wie eine einzige dicke Mauer aussah, die auf beiden Seiten mit Zinnen versehen war. Bei jeder zehnten Zinne befand sich ein hoher Turm von derselben Breite wie die Mauer, der von der inneren bis zur äußeren Seite reichte, so daß man an den Türmen nicht vorbeigehen konnte, sondern mitten durch sie hindurch mußte. Bei Sturm und Regenwetter aber blieb die Mannschaft nachts nicht an den Zinnen, sondern versah den Wachdienst von den Türmen, die ziemlich nah aneinander standen und oben ein Dach hatten. So war die Mauer be schaffen, mit der die Platäer eingeschlossen waren.
Diese warteten, nachdem sie ihre Vorbereitungen getroffen, zu ihrem Ausfall eine mondlose, nasse und stürmische Nacht ab, bei dem dann die Männer, welche den Plan angegeben, auch die Führung übernahmen. Zuerst durchschritten sie den Graben, der um die Stadt ging; darauf gelangten sie an die Mauer
Unterdessen hatten diese gleich, nachdem die ersten oben angekommen waren, die Wachen niedergestoßen und sich beider Türme bemächtigt, zur Sicherung gegen Angriffe von der anderen Seite die Durchgänge besetzt, auch von der Mauer Leitern an die Türme gelegt und eine Anzahl ihrer Leute hinaufsteigen lassen, um sich durch Schießen von unten und oben die Feinde vom Leibe zu halten. Mittlerweile setzten auch alle die übrigen drunten am Fuße der Mauer immer mehr Leitern an, rissen die Zinnen ab und stiegen zwischen den Türmen durch über die Mauer. Wer glücklich hinüber war, stellte sich gleich am Grabenrande auf, um jeden Feind, der sich etwa an der Mauer vorwagen und das Übersteigen hindern wollte, mit Pfeilen und Wurfspießen zu beschießen. Als alle hinüber waren, kamen zuletzt auch die Leute wieder von den Türmen herunter und gelangten mit knapper Not an den Graben grade in dem Augenblick, wo die Dreihundert mit Fackeln in den Händen auf sie zukamen. Die Platäer aber im Dunkeln am Grabenrande konnten diese besser sehen und zielten mit Pfeilen und Wurfspießen auf ihre ungeschützten Körperteile, während sie selbst im Dunkeln beim Fackelschein nicht so gut zu sehen waren. So gelangten sie dann alle bis auf den letzten Mann glücklich über den Graben, allerdings nur unter großen Schwierigkeiten und Anstrengungen; denn er war zwar zugefroren, aber das Eis hielt nicht, sondern war bloßes Wassereis, wie es sich bei dem herrshcenden Nord- oder Ostwinde gebildet hatte, und infolge des dabei die Nacht durch gefallenen Schnees war das Wasser im Graben so gestiegen, daß es ihnen fast bis an den Kopf ging. In mancher Hin sicht freilich kam ihnen das Unwetter bei ihrer Flucht auch zustatten.
Vom Graben auS schlugen die Platäer nunmehr in Reih und Glied den Weg nach Theben ein, wobei sie den Tempel
Aus Lakedämon schickte man gegen Ende dieses Winters den Lakedämonier Salaithos auf einer Triere nach Mytilene. Nachdem sein Schiff bei Pyrrha angelegt, ging er von da zu Lande weiter und gelangte durch ein Rinnsal an eine Stelle, wo man über die feindliche Umwallung kommen konnte, un bemerkt nach Mytilene. Hier teilte er der Regierung mit, daß wirklich ein Einfall nach Attika gemacht werden solle und die zu ihrem Entsatz bestimmten Schiffe bereits unterwegs seien. Er selbst sei deswegen vorausgeschickt und solle sich überhaupt ihrer annehmen. Nun faßten die Mytilener neuen Mut und wollten von Verhandlungen mit den Athenern nichts mehr . wissen. Damit endete dieser Winter und das vierte Jahr des Krieges, den Thukydides beschrieben hat.
Im folgenden Sommer schickten die Peloponnesier Alkidas, den Befehlshaber ihrer Flotte, mit zweiundvierzig Schiffen nach Mytilene; gleichzeitig fielen sie und ihre Bundesgenossen nach Attika ein, um die Athener von zwei Seiten zu beschäf tigen und an der Verfolgung der nach Mytilene gehenden Schiffe zu hindern. Den Oberbefehl führte diesmal Kleomenes an Stelle des noch unmündigen Königs Pausanias, Pleisto anax' Sohn, dessen Oheim er war. Sie verwüsteten Attika überall, wo in den früher verheerten Gegenden wieder was gewachsen, oder wo es bei den vorigen Einfällen verschont geblieben war, und dieser Einfall wurde nächst dem zweiten der schlimmste für die Athener. Denn die Feinde, die immer auf Nachricht von Mytilene warteten, ob ihre Schiffe dort glücklich angekommen, durchstreiften mittlerweile das ganze Land und verheerten es weit und breit. Als sie aber immer ver gebens warteten und die Lebensmittel ihnen ausgingen, zogen sie wieder ab, ein jeder in seine Heimat.
Inzwischen sahen sich die Mytilener, da die Schiffe vom Peloponnes immer noch nicht ankamen und die Lebensmittel ihnen ausgingen, doch genötigt, sich den Athenern zu ergeben, und das kam so: Salaithos, der selbst schon nicht mehr auf die Schiffe rechnete, beabsichtigte, einen Ausfall gegen die Athener zu machen, und hatte dazu dem Volke, das bis dahin nur leichte Waffen führte, schwere Rüstungen geben lassen. Als die Leute solche Waffen hatten, wollten sie jedoch der Regierung nicht länger gehorchen, rotteten sich zusammen und verlangten, die großen Herren sollten mit ihrem Kornvorrat herausrücken und ihn unter das Volk verteilen, sonst würden sie sich mit den Athenern in Verbindung setzen und ihnen die Stadt übergeben.
Die Mitglieder der Regierung sahen ein, daß dagegen nichts zu machen war, und daß es gefährlich für sie sein würde, wenn der Vertrag ohne sie zustande käme. Sie schlossen des halb im Namen der ganzen Bürgerschaft mit Paches und dessen Heere einen Vergleich, wonach sich die Stadt den Athenern auf Gnade und Ungnade ergab, die Mytilener die Truppen in die Stadt aufnehmen, ihrerseits aber Gesandte nach Athen
Die Peloponnesier auf den vierzig Schiffen hatten, statt sich möglichst zu beeilen, schon in den peloponnesischen Ge wässern viel Zeit verloren und auch nachher ihre Fahrt nur langsam fortgesetzt. In Athen aber hatte man weiter nichts mehr von ihnen gehört, bis sie bei Delos ershcienen waren. Als sie von da nach Mykonos und Ikaros kamen, erhielten sie die erste Nachricht, daß Mytilene genommen wäre. Um sich darüber zu vergewissern, fuhren sie weiter nach Embaton bei Erythrai, wo sie etwa acht Tage nach der Einnahme von Mytilene eintrafen. Nachdem sie hier die volle Gewißheit er halten hatten, überlegten sie, was nun zu tun sei, wobei Tautiaplos aus EliS sie also anredete:
„Alkidas und ihr peloponnesischen Befehlshaber hier, ich schlage vor, jetzt auf der Stelle nach Mytilene zu fahren, ehe dort etwas von unserem Kommen verlautet. Denn sicherlich werden wir die Athener in der eben eroberten Stadt in größter Sorglosigkeit überraschen, zumal sie einen feindlichen Angriff von der See für gänzlich ausgeschlossen halten, wo wir ihnen grade jetzt völlig gewahcsen sind. Wahrscheinlich werden sich auch ihre Truppen im Hochgefühl des Sieges ganz sorglos in die Häuser zerstreut haben. Wenn wir also plötzlich und bei Nacht über sie herfallen, so wird es uns hoffentlich mit Hilfe unserer unter der Einwohnerschaft doch wohl immer noch
Alkidas wollte sich jedoch darauf nicht einlassen. Nun wurde ihm von anderen, ionischen Flüchtlingen und Lesbiern, die mit auf der Flotte waren, empfohlen, wenn er den Vor schlag für zu gefährlich hielte, so möge er wenigstens eine der ionischen Städte oder auch das äolische Kyme besetzen und von dort aus Jonien zum Abfall zu bringen suchen. Hoffnung dazu sei vorhanden; denn unerwünscht seien sie hier keinem gekommen. Den Athenern aber würde damit ihre ergiebigste Einnahmequelle entzogen, und wenn sie dann gar zu einer Blockade schritten, würden sie sich obendrein noch in Unkosten stürzen müssen. Wahrscheinlich würde sich auch Pissuthnes wohl zu einem Bündnis mit ihnen verstehen. Aber auch darauf ging Alkidas nicht ein; denn nachdem er bei Mytilene doch einmal zu spät gekommen, war ihm nur darum zu tun, so schnell wie möglich wieder nach dem Peloponnes zu gelangen.
Er ging also von Embaton wieder in See und fuhr an der Küste entlang nach Myonnesos im Gebiete der Tejer, wo er die unterwegs gemachten Gefangenen größtenteils umbringen ließ. Als er darauf bei EphesoS wieder vor Anker ging, er schienen bei ihm Gesandte der Samier aus Anaia und er klärten ihm, das sei eine schöne Befreiung von Griechenland, Leute umbringen zu lassen, die keine Hand gegen ihn erhoben, Leute, die gar nicht einmal seine Feinde seien, sondern es nur gezwungen mit den Athenern hielten; wenn das so weiter- ginge, so werde er schwerlich viel Feinde auf seine Seite ziehen, wohl aber-sich viele alte Freunde zu Feinden machen. DaS ließ er sich denn auch zur Lehre dienen und setzte eine Anzahl Chier und einige andere, die er noch bei sich hatte, auf freien Fuß. Denn wenn die Leute seine Schiffe kommen sahen, er griffen sie nicht etwa die Flucht, sondern gingen ganz un
Von Ephesos machte sich Alkidas mit der Flotte eiligst davon auf die Flucht. Schon als er noch bei Klaros vor Anker lag, war er nämlich von der Salaminia und der Paralos, die grade von Athen kamen, gesehen worden. Aus Furcht, daß man ihn verfolgen werde, hielt er sich deshalb von nun an immer in offener See in der Absicht, bis zum Peloponnes ohne Not nirgends wieder anzulaufen. Paches und die Athener aber hatten aus Erythrai und auch sonst von allen Seiten Nachricht davon erhalten. Denn da die Städte in Jonien nicht befestigt waren, fürchtete man, wenn auch die Peloponnesier sich dort nicht dauernd festsetzen wollten, so könnten sie doch auf ihrer Fahrt die Städte gelegentlich überfallen und brand- schätzen. Nun versicherten ihn die Paralos und die Salaminia, daß sie ihn bei Klaros selbst gesehen hätten. Er machte sich also eilig auf, um ihn zu verfolgen, und kam dabei auch bis zur Insel Patmos. Da er hier einsah, daß er ihn doch nicht mehr einholen würde, kehrte er wieder um. Immerhin war es ihm erwünscht, daß er die feindliche Flotte, die er auf hoher See nicht mehr erreicht, nicht noch irgendwo an Land betroffen hatte, wo er sie in ihrem Schiffslager hätte bewachen und beobachten müssen.
Als er auf dem Rückwege an der Küste entlang fuhr, legte er bei Notion an, der Hafenstadt von Kolophon, wo sich Kolophoner aus der oberen Stadt angesiedelt hatten, als diese von Itamenes und den Persern erobert worden war, welche eine Partei in der Stadt bei einem Aufstande gerufen hatte. Erobert war sie etwa um die Zeit, als die Peloponnesier zum zweitenmal nach Attika einfielen. In Notion aber waren die Ansiedler unter sich von neuem in Streit geraten. Die einen, die sich von Piffuthnes arkadische und barbarische Söldner er beten hatten, behaupteten einen festungsartig abgeschlossenen Stadtteil und bildeten im Verein mit einer Anzahl persisch
Nachdem Paches in Mytilene wieder angekommen war, eroberte er auch Pyrrha und Eresos. Den Lakedämonier Sa laithos, der heimlich in der Stadt geblieben und ihm in die Hände gefallen war, und die nach Tenedos in Verwahrung ge gebenen Mytilener sowie alle, die seiner Meinung nach sonst noch an dem Abfall schuld gewesen, schickte er nach Athen. Den größten Teil seines Heeres entließ er; mit dem Reste blieb er auf Lesbos und ordnete die Verhältnisse von Mytilene und der übrigen Insel nach seinem Ermessen.
Als die Mytilener und Salaithos in Athen angekommen waren, ließen die Athener diesen sogleich hinrichten, obgleich er ihnen allerlei Anerbietungen machte, so namentlich, daß er die Peloponnesier zum Abzüge aus Platää bewegen wolle, das noch immer belagert wurde. Danach überlegten sie, was sie mit detl Mytilenern machen wollten, und beschlossen in ihrer Erbitterung, nicht nur die nach Athen gebrachten, sondern alle erwahcsenen Mytilener zu töten, Weiber und Kinder aber als Sklaven zu verkaufen. Hatten sie ihnen den Abfall schon an sich schwer verdacht, da sie nicht wie die übrigen als Unter
„Auch sonst habe ich schon oft Gelegenheit gehabt, mich davon zu überzeugen, wie unfähig ein demokratisches Gemein wesen ist, über andere zu herrshcen, aber noch niemals so wie heute bei euern Gewissensbissen über Mytilene. Weil ihr im täglichen Leben gemütlich und arglos miteinander verkehrt, meint ihr, es mit den Bundesgenossen ebenso machen zu können, und wenn ihr euch durch sie zu Dummheiten beschwatzen oder durch Mitleid dazu verführen laßt, bedenkt ihr nicht, daß euer gutes Herz euch nur Gefahren, aber keinen Dank der Bundes genossen eintragen wird. Daß eure Herrschaft Gewaltherrschaft ist, eure Bundesgenossen euch hassen und nur widerwillig ge horchen, kommt euch nicht in den Sinn. Nicht, wenn ihr sie
„Ich bin immer noch meiner früheren Meinung und be greife nicht, daß man euch noch einmal über Mytilene ver handeln läßt und dadurch einen Aufschub herbeiführt, der nur den Schurken zustatten kommt; denn er dient nur dazu, den gerechten Zorn des Beleidigten gegen den Übeltäter abzu schwächen, während das Unrecht nur durch eine Vergeltung, die ihm auf dem Fuße folgt, angemessen aufgewogen und ge sühnt wird. Es soll mich wundern, wer mir widersprechen wird und euch zu beweisen wagt, daß die Verbrechen der Mytilener uns zum Vorteil, unsere Niederlagen aber den Bundesgenossen zum Nachteil gereichten. Der müßte sich entweder für einen
„Ich werde versuchen, euch anderes Sinnes zu machen, und euch zeigen, daß Mytilene sich so nichtswürdig gegen euch benommen hat wie keine andere Stadt. Fällt einer von euch ab, weil ihm eure Herrschaft unerträglich war oder der Feind ihn dazu zwingt, so kann auch ich das verzeihen. Diese Leute aber auf ihrer Insel, hinter festen Mauern, die nur von der See einen Angriff unserer Feinde zu fürchten hatten und sich dagegen mit ihrer vortrefflichen Flotte auch selbst sehr wohl wehren konnten, politisch unabhängig und von euch in jeder Weise verzogen, - wenn die das taten, was war das anders
„Wir dürfen ihnen also keine Hoffnung machen, daß wir für Geld und gute Worte zu bewegen sein würden, ihnen für diesmal noch durch die Finger zu sehen. Denn sie haben uns nicht unabsichtlich geschadet, sondern es bewußt und vorsätzlich auf unser Verderben angelegt, und nur, was nicht in böser Absicht geschieht, kann verziehen werden. Ich trete also, wie schon das erstaunt, auch jetzt wieder für den Beschluß ein und warne euch, ihn zu ändern, und euch nicht durch Mitleid, Wohl gefallen an Redekünsten oder übergroßes Zartgefühl, für einen herrshcenden Staat drei der gefährlichsten Schwächen, zu einer Torheit verleiten zu lassen. Mitleid gehört sich gegen seines- gleichen, aber nicht gegen Leute, die mit uns kein Erbarmen haben würden und notwendig immer unsere Feinde sein werden. Die Redner, die euch einen Ohrenschmaus bereiten möchten, werden schon ein andermal Gelegenheit finden, ihre Künste zu zeigen, auch bei minder wichtigen Dingen als heute, wo die Stadt für das kurze Vergnügen schwer wird büßen müssen, jene Herren selbst freilich für ihre schönen Reden auch schön bezahlt werden. Zartgefühl aber ist nur da angebracht, wo man künftig auch selbst auf eine entsprechende Gesinnung rechnen kann, nicht aber Leuten gegenüber, die nichtsdetsoweniger nach wie vor unsere Feinde bleiben werden. Kurz, wenn ihr meinem Rate folgt, so behandelt ihr die Mytilener, wie sie es verdient, und wie es zugleich zu eurem Besten gereicht; wenn ihr aber