History of the Peloponnesian War
Thucydides
Thucydides. Geschichte des Peloponnesischen Kriegs. Braun, Theodor, translator. Leipzig: Insel-Verlag, 1917.
Solange das feindliche Heer noch bei Eleusis und in der Ebene von Thria stand, durften die Athener immer noch hoffen, daß es nicht weiter vorrücken würde. Erinnerte man sich doch, daß auch König Pleistoanax, Pausanias' Sohn, als er vierzehn Jahr vor diesem Kriege mit einem peloponnesischen Heere in Attika bis nach Eleusis und Thria vorgedrungen, hier umgekehrt und wieder abgezogen war. Allerdings war er dafür auch aus Sparta verbannt worden, weil man glaubte, er sei zu diesem Rückzug? bestochen gewesen. Als sie aber das Heer schon bei Acharnai, sechzig Stadien von der Stadt, sahen, wurde es ihnen doch zu viel. Daß das Land so unter ihren Augen verwüstet wurde, wie das die Jüngeren noch nie, die Älteren nur in den Perserkriegen erlebt hatten, schien ihnen begreiflihcerweise entsetzlich, und namentlich die Jüngeren meinten, man könne das unmöglich länger mit ansehen, sondern müsse dem Feinde zu Leibe gehen. Immerhin waren die Mei nungen geteilt, und es kam zu lebhaften Erörterungen, indem die einen verlangten, man solle den Feind draußen angreifen, andere aber sich dagegen erklärten. Wahrsager ließen sich mit allerlei Prophezeiungen hören, die jeder sich auf seine Weise zurechtlegte. Die Acharner aber, die in Athen denn doch auch was zu bedeuten glaubten und nun die Verwüstung ihres
Perikles sah recht gut, wie widerwillig sie diesen Zustand ertrugen und wie schlecht sie auf ihn zu sprechen waren, blieb aber nach wie vor bei seiner Ansicht, daß man sich draußen auf keine Schlacht einlassen dürfe. Er ließ es deshalb weder zu einer Volksversammlung noch zu anderen Zusammenkünften kommen aus Furcht, daß eine so vielköpfige Versammlung, statt die Sache verständig zu erwägen, sich von ihrer Stimmung hinreißen lassen und Dummheiten machen könnte. Inzwischen ließ er jedoch die Stadt sorgfältig bewachen und die Ruhe möglichst aufrechterhalten. Auch schickte er beständig Reiter aus, um zu verhindern, daß feindliche Streifpartien in der Nähe der Stadt die Felder verwüsteten. Bei der Gelegenheit kam es bei Phrygioi mal zu einem Gefecht zwischen einer Ab teilung athenischer und thessalischer Reiter und der böotischen Reiterei, in dem sich die Athener und Thessaler gut hielten, bis sie sich dann doch zurückziehen mußten, weil den Böotiern schweres Fußvolk zu Hilfe kam. Die Athener und Thessaler hatten dabei einige Tote, die sie jedoch noch an demselben Tage auch ohne Waffenstillstand wieder mitnehmen konnten. Die Peloponnesier aber errichteten am Tage daraufein Siegeszeichen. Die Thessaler waren auf Grund des alten Bundesverhält nisses zu den Athenern gestoßen, infolgedessen sich Larisaier, Pharsaler, Parasier, Kranonier, Pyrasier, Gyrtonier und Pheraier bei ihnen eingefunden hatten. Ihre Anführer waren aus Larisa Polymedos und Aristonus, von jeder Partei einer, aus Pharsalos Menon, und ebenso hatten auch die übrigen alle ihre eigenen Befehlshaber.
Da die Athener doch nicht zur Schlacht herauskamen, brachen die Peloponnesier von Acharnai auf und verwüsteten noch einige Deinen zwischen Parnes und Britessos. Während
Nach ihrem Abzüge richteten die Athener über Land und See einen Wachdienst ein, wie sie ihn für die Dauer des Krieges beibehalten wollten. Auch beschlossen sie, aus dem Burgschatz tausend Talente als unangreifbaren Bestand zurück zulegen und die Kriegskosten nur aus dem übrigen zu bestreiten, auch jeden, der vorschlagen oder dafür stimmen würde, dies Geld anzugreifen, es sei denn, daß man die Stadt gegen den Angriff einer feindlichen Flotte verteidigen müsse, mit Todes strafe zu bedrohen. Weiter beschlossen sie, alljährlich aus den s hundert besten Trieren und den für sie bestimmten Befehls habern ein besonderes Geschwader zu bilden, von dem, wie von jenem Gelde, nur in solchem äußersten Notfall Gebrauch gemacht werden sollte.
Die inzwischen noch durch fünfzig Schiffe aus Kerkyra und andere Bundesgenossen aus jener Gegend verstärkten Athener auf den hundert Schiffen kreuzten um die peloponnesischen Küsten und richteten dort mancherlei Schaden an. Sie landeten auch bei Methone in Lakonien und machten einen Angriff auf die nur schwach befestigte und unbesetzte Stadt. Zufällig be fand sich der Spartaner Brasidas, Tellis' Sohn, als Befehls haber eines Postens dort in der Nähe, der, als er davon hörte, den Einwohnern mit hundert Hopliten zu Hilfe kam. Auch gelang es ihm, sich durch die athenischen Truppen, die sich in
Um dieselbe Zeit schickten die Athener dreißig Schiffe in die lokrischen Gewässer, welche zugleich die Ausgabe hatten, Euboia zu decken. Den Oberbefehl darüber führte Kleopompos, Kleimas' Sohn. Er landete wiederholt an der Küste, ver heerte einige Ortschaften und eroberte Thronion, wo er sich von den Einwohnern Geiseln geben ließ; auch schlug er einen lokrischen Heerhaufen, der sich ihm bei Alope entgegenstellte, in die Flucht.
In demselben Sommer vertrieben die Athener die Ägineten mit Weib; und Kind von ihrer Insel, da sie ihnen schuld gaben, sie seien die Hauptursache an diesem Kriege. Auch hielten sie es zu ihrer Sicherheit für besser, die so nahe am Peloponnes gelegene Insel Ägina mit eigenen Ansiedlern zu besetzen, die sie zu dem Ende denn auch bald darauf dorthin schickten. Die Lakedämonier aber räumten den vertriebenen Agineten Thyrea als Wohnort ein und wiesen ihnen dort Land
In demselben Sommer trat bei Neumond, wo es an scheinend auch allein möglich ist, nach Mittag eine Sonnen-' finsternis ein. Hinterher nahm die Sonne ihre vollständige Gestalt wieder an, nachdem sie eine Zeitlang wie eine Mond sichel ausgesehen hatte und auch einzelne Sterne sichtbar ge worden waren.
In demselben Sommer machten die Athener auch Nympho doros, Pythes' Sohn, aus Abdera, dessen Schwester mit Sitalkes verheiratet war, und bei dem er viel galt, zu ihrem Staats gatsfreunde. Während sie ihn früher als ihren Feind angesehen hatten, luden sie ihn jetzt nach Athen ein, weil ihnen daran lag, den Thrakerkönig Sitalkes, den Sohn des Teres, als Bundesgenossen zu gewinnen. Dieser Teres, Sitalkes' Vater, hatte den Odrysen erst die Herrschaft über den größten Teil von Thrakien verschafft; gutenteils nämlich sind die Thraker immer noch unabhängig. Übrigens hat dieser Teres mit Tereus, welcher Prokne, die Tochter Pandions aus Athen, zur Frau hatte, nichts zu tun; beide waren gar nicht mal aus dem selben Thrakien. Denn Tereus lebte in Daulia, jener damals von Thrakern bewohnten Landschaft, welche jetzt Phokis heißt. Hier war es auch, wo die Weiber die Untat an Jtys verübten, wie denn auch manche Dichter, welche die Nachtigall erwähnen, diese den daulischen Vogel nennen. Wahrscheinlich gab doch auch Pandion seine Tochter lieber einem Manne in der Nähe zur Frau, wo beide was voneinander hatten, als einem dort in dem viele Tagereisen entfernten Odrysenlaude. Teres da gegen, der ja auch nicht mal denselben Namen mit ihm führte, war der erste mächtige König der Odrysen. Dessen Sohn Sitalkes also wollten die Athener gern zum Bundes genossen haben, weil sie auf seine Hilfe gegen Perdikkas und
Die immer noch um den Peloponnes kreuzenden Athener auf den hundert Schiffen eroberten die korinthische Stadt Sollion und räumten Stadt und Land Akarnaniern, jedoch nur den Palaireern, zum Wohnsitz ein. Astakos, wo Euarchos Tyrann war, nahmen sie mit Sturm, vertrieben den Tyrannen und zwangen die Stadt, dem Athenischen Bunde beizutreten. Darauf fuhren sie nach der Insel Kephallenia, die sich ihnen ohne Schwertstreich ergab. Kephallenia liegt Akarnanien und Leukas gegenüber und besteht aus vier Stadtgemeinden, Paleis, Kranioi, Same und Pronnoi. Bald nachher fuhren die Schiffe nach Athen zurück.
Gegen Ende dieses Sommers fielen die Athener mit ihrem ganzen Heere, Bürger und Schutzverwaudte, unter Perikles, Lanthippos' Sohn, nach Megaris ein. Als die auf ihrer Rück fahrt vom Peloponnes grade bei Hgina angelangten Athener auf den hundert Schiffen hörten, daß ganz Athen in Megaris wäre, hielten sie auch dahin ab und vereinigten sich dort mit ihren Landsleuten. Und so wurde dies das größte Heer, welches die Athener noch in ihrer Blütezeit vor Eintritt der Pest auf den Beinen gehabt haben; denn ganz abgesehen von den dreitausend bei Potidäa stellten die Athener selbst mindestens zehntausend Hopliten und ihre Schutzverwandten mindestens dreitausend; dazu kam dann noch die große Menge der Leicht
Gegen Ende dieses Sommers wurde auch die bisher un bewohnte Insel Atalanta an der Küste der opuntischen Lokrer von den Athenern besetzt und zur Festung ausgebaut, um räube rischen Unternehmungen aus Opus und dem übrigen Lokrien gegen Euboia einen Riegel vorzuschieben. Das waren die Ereignisse dieses Sommers nach dem Abzüge der Peloponnesier aus Attika.
Im folgenden Winter überredete der Akarnanier Euarchos, der sich der Herrschaft in Astakos wieder bemächtigen wollte, die Korinther, ihn mit vierzig Schiffen und fünfzehnhundert Hopliten dahin zurückzuführen, wozu er selbst auch eine Anzahl Söldner geworben hatte. Euphamidas, Aristonymos' Sohn, Timoxenos, Timokrates' Sohn, und Eumachos, Chrysis' Sohn, befehligten den Zug. Sie führten Euarchos auch wirklich nach Astakos zurück und hofften, sich nun auch sonst noch eines oder des anderen Platzes an der akarnanischen Küste bemächtigen zu können, machten dazu auch einige Versuche. Da es ihnen damit jedoch nicht glückte, fuhren sie wieder nach Hause. Als sie aus dem Rückwege an Kephallenia vorbeikamen, landeten sie im Gebiet der Kranier, ließen sich durch deren scheinbare Unter werfung täuschen und verloren infolge eines unerwarteten Überfalls der Kranier eine Anzahl Leute. Sie machten des halb, was sie konnten, daß sie wieder unter Segel kamen, und fuhren nach Hause.
In diesem Winter wurden in Athen, wie es dort altes Herkommen ist, die im ersten Kriegsjahre Gefallenen von Staats wegen feierlich bestattet, und zwar in folgender Weise: Drei Tage vorher werden die Gebeine der Gefallenen in einem dazu hergerichteten Zelte zur Schau gestellt, und jeder bringt seinem Toten, wie ihm ums Herz ist, eine Gabe dar. Wenn sich der Leichenzug in Bewegung setzt, werden Särge aus
„Die Redner, welche vor mir an dieser Stelle gesprochen, sind in der Regel des Lobes voll darüber gewesen, daß man bei unserer Totenfeier auch diese Rede eingeführt habe, sei eS doch eine schöne Sitte, unsere gefallenen Helden durch eine Rede am Grabe zu ehren. Nach meinem Gefühl hätte man eS lieber dabei lassen sollen, die Verdienste, die sich diese Männer durch ihre Taten erworben, auch nur durch eine Tat zu ehren, ich meine, durch solch ein ehrenvolles Begräbnis, wie ihr es heute wieder mit angesehen habt, anstatt es für die Beginn bigung der Verdienste so vieler Helden darauf ankommen zu lassen, ob einer eine gute oder eine schlechte Rede hält. Eine solche Rede zu halten, ist schwer, und eS wird dem Redner kaum gelingen, seine Zuhörer zu überzeugen, daß er jene Ver
„Ich beginne mit unseren Vorfahren; denn wir sind es ihnen schuldig, und es geziemt sich, bei einer solchen Feier ihrer dankbar zu gedenken. Als alteingesessene, mit dem väter lichen Boden von jeher festverwachsene Bevölkerung dieses Landes haben sie dessen Freiheit von Geschlecht zu Geschlecht bewahrt und auf uns vererbt. Haben schon unsere Altvorderen Anspruch aus unseren Dank, so vollends unsere Väter. Denn sie haben zu dem altererbten Besitz noch das weite Reich, das jetzt unser ist, hinzuerworben und uns hinterlassen. Wir selbst aber, das jetzige Geschlecht, haben es dann freilich noch weiter vermehrt und die Stadt mit allem, was sie für Krieg und Frieden bedarf, überreichlich ausgestattet. Von den Helden taten, denen wir unsere heutige Machtstellung verdanken, und von der Tapferkeit, die wir selbst und unsere Väter in den Kämpfen mit Barbaren oder Hellenen bei jeder Gelegenheit bewiesen haben, will ich nicht weiter reden; es sind das ja euch allen genügend bekannte Dinge. Wohl aber will ich euch, bevor ich mich zur Ehrung unserer Toten wende, ein Wort über den Geist unseres StaatSwesens und der Einrichtungen sagen, worauf die Größe Athens beruht. Denn ich glaube, daß ein Wort darüber bei dieser Gelegenheit nicht unangebracht ist, und daß allen Anwesenden hier, Einheimischen und Fremden, damit gedient sein wird.
„Wir haben bei unserer Verfassung keine fremden Ein richtungen zum Muster genommen; im Gegenteil, wir haben anderen eher als Vorbild gedient, als ihnen was nachgemacht. Und weil das Regiment bei uns nicht in der Hand weniger, sondern der Gesamtheit liegt, nennt man unsere Verfassung demokratisch. Denn wie in den Angelegenheiten der einzelnen gleiches Recht für alle gilt, so gibt auch in Beziehung auf Geltung und An sehen in Staat und Gemeinde nur persönliche Tüchtigkeit einen Vorzug, nicht aber Zugehörigkeit zu einer bestimmten Klasse, und selbst Armut hindert keinen, der was kann, aus seiner Unansehnlichkeit zu Amt und Würden zu gelangen. Wir sind im öffentlichen Leben nicht engherzig und im täglichen Verkehr untereinander keine Duckmäuser, nehmen es unserem Nächsten nicht übel, wenn er mal über die Stränge schlägt, und machen darüber kein sauertöpfisches Gesicht, um ihn da durch, wenn auch nicht umzubringen, doch moralisch zu ver nichten. Im persönlichen Verkehr sind wir nichts weniger als Splitterrichter, im öffentlichen Leben aber schämen wir uns jeder Ungesetzlichkeit und gehorchen der jeweiligen Obrigkeit und den Gesetzen, vorzüglich den zum Schutz der Bedrängten gegebenen, und den, wenn auch ungeschriebenen Gesetzen, deren Übertretung jedermann für Schande hält.
„Auch für Gelegenheit zur Erholung von Mühe und Arbeit ist bei uns reichlich gesorgt, durch Spiele und Feste, wie sie hier jahrein jahraus gehalten werden, aber auch durch unser schönes Familienleben, dessen tägliche Freuden die Sorgen vershceuchen. Bei der Größe unserer Stadt kommen die Er zeugnisse aller Länder hier zu Markte, die wir so gut als unser Eigentum ansehen können wie die Erzeugnisse unseres eigenen Landes.
„Auch in Beziehung auf das Kriegswesen befolgen wir insofern andere Grundsätze als unsere Gegner, als wir niemand den Aufenthalt hier in der Stadt verwehren. Es kommt nie vor, daß jemand ausgewiesen oder daran gehindert wird, sich hier umzutun und zu belehren, aus Furcht, die Feinde könnten uns Geheimnisse absehen und sich zunutze machen. Denn
„Denn wir pflegen die Künste, aber nicht um eiteln Prunkes willen, und lieben die Wissenschaft, aber ohne uns dadurch verweichlichen zu lassen. Wir schätzen den Reichtum als ein Mittel, um nützlichen Gebrauch davon zu machen, nicht aber um damit zu protzen. Seiner Armut braucht sich niemand zu schämen, es sei denn, daß er sie durch Faulheit selbst verschuldet hat. Der Politiker kann sich bei uns auch seinen eigenen Angelegenheiten widmen und der Geschäfts mann, der sein Gewerbe treibt, dabei sehr wohl auf Politik