History of the Peloponnesian War

Thucydides

Thucydides. Geschichte des Peloponnesischen Kriegs. Wahrmund, Adolf, translator. Stuttgart: Krais and Hoffmann, 1864.

Die aber von den Argivern solche Anträge machten, redeten nur auf ihre eigene Verantwortung und nicht auf Befehl des Volkes, und auch Agis nahm die Vorschläge ganz auf eigene Hand an, ohne sich mit Mehreren zu berathen; vielmehr machte er nur einem der mit ausgezogenen Beamten davon Mittheilung und schloß einen Waffenstillstand aus vier Monate ab, binnen welcher Frist jene das Versprechen erfüllen sollten. Auch führte er das Heer sogleich zurück, ohne einem der übrigen Bundesgenossen etwas zu sagen, und die Lakedämonier und die Verbündeten folgten zwar auch seiner Führung aus Achtung vor dem Gesetz, allein unter sich ließen sie viele Beschuldigungen gegen den Agis laut werden, da sie glaubten, die Gelegenheit zum Schlagen sei für sie sehr günstig gewesen, und obgleich die Feinde von allen Seiten von Reitern und Fußvolk eingeschlossen gewesen seien, so hätten sie selbst doch wieder abziehen müssen, ohne etwas solcher Rüstung Würdiges ausgeführt zu haben. Und in der That war dieß das schönste Hellenische Heer, das bis dahin vereinigt gewesen. Das war am besten zu sehen, so lange es in seiner ganzen Stärke in Nemea vereinigt stand, wo die Lakedämonier mit gesammter Macht erschienen und Arkader und Böoter und Korinther und Sikyonier und Pelleneer und Phliasier und Megarer, und zwar alle mit ihrer auserlesensten Mannschaft, — zum Kampfe nicht allein den Argivischen Bundesgenossen gewahcsen ershceinend, sondern auch noch Andern dazu, wenn sie am Platze gewesen wären; — das Heer also zog unter solcherlei Anschuldigung gegen den Agis wieder ab und zerstreute sich dann,, ein Jeder in seine Heimat.. §

Die Argiver aber beschuldigten ihrerseits die noch viel härter, welche ohne Auftrag der Menge den Waffenstillstand abgeschlossen hatten, denn auch sie waren der Meinung, es hätte sich für sie die Gelegenheit gar nicht besser treffen können, und doch seien ihnen die Lakedämonier wieder entwischt; der Kampf würde ja ganz in der Nähe ihrer eigenen Stadt und im Beisein so vieler und trefflicher [*]( Thukydides V. ) [*]( 4 )

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[*]( 4l8 v. Chr. ) Bundesgenossen Statt gefunden haben. Auch fingen sie aus dem Rückzüge bei Charadron, wo von ihnen die Rechtshändel des Feldzuges vordem Eintritt in die Stadt abgemacht werden, an, den Thrasyllos mit Steinen zu bewerfen. Zwar gelang es ihm selbst sich zu retten, indem er zu dem dortigen Altar floh,, sein Vermögen jedoch wurde eingezogen.

Als danach auch aus Athen ein Zuzug von Tausend Geharnischten und drei Hundert Reitern unter Führung des Laches und Nikostratos ershcien, trugen die Argiver gleichwohl Bedenken, den Waffenstillstand mit den Lakedämoniern zu, brechen, und hießen jene wieder abziehen. Auch ließen sie sie nicht vor die Volksversammlung, wo jene ihre Sache vertreten wollten, bis die Mantineer und Eleer — denn diese waren noch anwesend — sie durch ihr Drängen dazu zwangen. Da sagten nun die Athener, bei denen Alkibiades als Gesandter war, vor den Argivern und ihren Bundesgenossen, es sei -Unrecht einen Waffenstillstand ohne die andern Verbündeten auch nur abzuschließen, und jetzt, wo sie selbst zu so gelegener Zeit erschienen seien, müsse man erst recht zum Kriege greisen. Mit solchen Worten überredeten sie die Bundesgenossen und marschirten sogleich Alle, mit Ausnahme der Argiver, gegen das Arkadische Orchomenos; denn obgleich sich auch diese hatten umstimmen lassen, so blieben sie doch Anfangs zurück; später indessen rückten auch sie nach. Nun setzten sie sich Alle insgesammt um Orchomenos und belagerten und bekannten die Stadt, denn sie hatten sowohl andere Gründe den Platz zu gewinnen, als auch weil die Arkadischen Geißeln hier von den Lakedämoniern waren untergebracht worden. Die Orchomenier nun fürchteten bei der Schwäche ihrer Mauern und der großen Zahl der Angreifer, und da auch Niemand ihnen zu Hülfe kam, sie möchten noch zuvor unterliegen, und ergaben sich deßhalb unter der Bedingung, daß sie in den Bund aufgenommen würden, für sich selbst Geißeln an die Mantineer stellten und die auslieferten, welche die Lakedämonier bei ihnen in Verwahrung gegeben hatten.

Danach nun, als sie Orchomenos gewonnen hatten, beraths schlagten die Bundesgenossen unter sich, gegen welche der übrigen Städte man zuerst ziehen solle. Die Eleer nun verlangten, gegen Lepreon, die Mantineer aber gegen Tegea, und Argiver und Athener

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fielen den Mantineern zu. Da zogen nun die Eleer aus Zöi5n dar- [*]( 418. v. Chr ) über,' daßijene nicht den Marsch gegen Lepreon beschlossen hatten, < nach-Hause ab ,- die übrigen Verbündeten aber trafen in Mantinea ihre Anstalten zum Zuge gegen Tegea. Auch wären einige von den Tegeaten in der Stadt selbst bereit, ihnen dieselbe zu verrathen.

Die Lakedämonier aber,'als sie nach Abschluß des viermonatlichen Waffenstillstandes von Argos abgezogen waren, zürnten sehr auf Agis, daß er ihnen Argos nicht unterworfen habe, obwohl die Gelegenheit so günstig gewesen sei wie^ früher niemals; denn es sei nicht leicht, Tso viele und so treffliche Bundesgenossen'wieder zusammenzubekommen^ Als nun aber auch noch die Einnahme von Orchömenos gemeldet wurde, so erzürnten sie sich noch mehr und beschlossen in ihrer Erbitterung gegen ihre Gewohnheit allsogleich man solle des Agis Haus niederreißen -und ihn um Hundert Tausend Drachmen 48) tsrafen. Doch wandte er durch seine Bitten noch ab, daß eins oder das-andere geschah, indem er verhieß, durch eine tapfere That im Feldzug die'Schuld wieder gut zu machen; wenn aber nicht, so könnten sie dann thun, was sie wollten. Darauf hin nun schoben jene die Geldstrafe und das Niederreißen seines Hauses aus, machten aber bei-diesem Anlasse ein Gesetz, wies es früher bei ihnen nie gegolten hatte: sie wählten.ihm nämlich zehn Spartiatische Männer zu Beiräthen, ohne deren Gutheißen er nicht die Besugniß"haben sollte, ein Heer aus'der Stadt zu führen.

Da kam ihnen nun Botschaft von ihren Freunden in Tegea, wenn sie nicht schleunigst erschienen, so werde Tegea zu den Argivern und deren Bundesgenossen übergehen, ja es sei fast schon so gut wie übergegangen. Nun fand in Uebereile ein Hülfszug der Lakedämonier Statt/mit gesammter Macht, sowohl von ihnen selbst als von den Heloten, wie früher nie'einer geschehen war. Sie marschirten aber gegen das Orestheion in der Mänalischen Landschaft und ließen ihren Arkadischen Bundesgenossen ansagen, sie sollten sich sammeln und ihnen auf dem Fuße nach gegen Tegea ziehen. Sie selbst, als sie [*]( 47) Ueber das sonst behutsame Verfahren der Spartaner unter und gegen einander vergl. die Geschichte des Pausanias B. I, 132. ) [*]( 48) Je nachdem hier die Peloponnesische oder die Attische Drachme gemeint ist, belies sich diese Summe aus ungefähr M.VVO oder 40,RX1 rhein. Gulden. ) [*]( 4* )

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[*]( 418 v. Chr. ) mit gesammter Macht bis zum Orestheion gekommen waren, entließen von hier aus den sechsten Theil ihrer Truppen nach Hause, darunter die Aeltesten und die Jüngsten, um die Heimat zu bewachen; mit dem übrigen Heere rückten sie nach Tegea. Nicht lange danach erschienen auch die Arkadischen Bundesgenossen. Auch sandten sie Botschaft nach Korinth und zu den Böotern und Phokiern und Lokrern, mit der Aufforderung, schleunig gegen Mantinea zu Hülfe zu ziehen. Doch kam diesen der Befehl zu plötzlich, und überdieß war es nicht leicht, das feindliche Gebiet zu durchziehen, wenn sie sich nicht erst sammelten und. auf einander warteten, denn dasselbe erstreckte sich in der ganzen Länge zwischen ihnen und den Lakedämoniern; gleichwohl beeilten sie sich möglichst. Die Lakedämonier indessen zogen die anwesenden Arkadischen Bundesgenossen an sich und machten einen Einfall in das Gebiet von Mantinea. Leim Herakleion schlugen sie ein Lager und verwüsteten das Land.

Die Argiver und die Verbündeten, als sie jener ansichtig wurden, besetzten einen festen, schwer zugänglichen Ort und stellten sich wie zur Schlacht auf. Die Lakedämonier gingen nun sogleich aus sie los, und schon waren sie ihnen bis auf Stein- oder Speerwurfsweite nahe gekommen, da rief.Einer von den Aelteren, als er sah, wie sie auf die starke Stellung losgingen, dem Agis zu: er denke ein Uebel durch ein anderes Uebel zu heilen, —^womit er sagen wollte, der jetzige unzeitige Eifer solle wohl den. getadelten Rückzug auS Argos wieder gut machen. , Und jener, sei es nun dieses Zurufs wegen, oder daß ihm von selbst plötzlich ein anderer Gedanke kaut,- führte, das Heer in Eile wieder zurück, bevor es zum Zusammenstoß gekommen war. Nun ging er wieder in das Gebiet, von Tegea und leitete das Wasser in das Mantineische hin ab.,j Wenn dieß nämlich geschieht, sei es nun, daß die Wasserströmung nach dem einen oder dem anderen Gebiet hin geleitet wird, so gerathen die Mantineer und Tegeaten jedesmal unter einander in Kampf, da,sehr viel Schaden angerichtet wird. Auf diese Weise wollte er die Argiver und ihre Verbündeten von dem Hügel herablocken, indem er dachte, sie würden zur Verhütung der Wasserableitung, wenn sie davon erführen, schon herunterkommen, und dann' wollte er die Schlacht in der Ebene lie^ fern. Diesen Tag über blieb er daselbst und leitete die Gewässer ab.

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Die Argiver nun und ihre Verbündeten waren über den plötzlichen [*]( 418 v Chr. ) Rückzug jener zuerst ganz betroffen und wußten nicht, was sie daraus, machen sollten; dann aber, als jene im Rückmarsch ihnen bereits aus dem Auge kamen und sie selbst immer noch ruhig stehen blieben ohne zu verfolgen, so beschuldigten sie wieder'um^ihre Feldherren, sie'hätten früher schon bei Argos die Lakedämonier-so schön in der Falle gehabt und sie entwishcenlassen, und jetzt, wo sie von selbst davonliefen, verfolge sie Keiner,' sondern man lasse jene in aller Ruhe ihre Hautsalviren, während man'sie selbst verrathe. - Die Feldherrn nun geriethen darüber für-den Augenblick in Verlegenheit, danach aber führten sie das Heer von dem Hügel in die Ebene hinab und lagerten"isch dort, bereit den Feind anzugreifen.

Am folgenden Tag stellten sich die Argiver und ihre Verbündeten wieder in Ordnung auf, um jenen eine Schlacht-zu liefern, wenn sie auf sie stoßen sollten; die Lakedämonier aber marschirten von dem Wasser wieder nach ihrem alten Lager beim Herakleion, als sie plötzlich der Feinde ansichtig wurden, die vom Hügel her sich genähert hatten und alle schon in Schlachtlinie standen. Damals nun geriethen die Lakedämonier in die größte Bestürzung, deren sie sich erinnern, denn in kürzester Frist mußten sie-ihre Anstalten treffen. Und sogleich stellten sie sich,in aller Eile in ihre hergebrachte Schlachtordnung, so wie Agis, der König, Alles dem Gebrauche gemäß anordnete. Denn wenn der König im,Felde anführt, gehen alle Verfehle ivon ihm aus: er sagt, was geschehen soll, den Unterfeldherrn (Polemarchen),.die den Obristen (Lochagen), die den Hauptleuten (Pentekonteren), die den Rottenweibeln (Enomotarchen) und diese endlich den Rotten (Enomotien) -Und auch mündliche°Anweisangen, wenn solche nöthig befunden werden, machen denselben Weg und kommen schnell an die Truppe; denn das Heer der Lakedämonier besteht fast ganz aus'Befehlshabern.über andere Befehlshaber, so daß die Sorge um das, was geschehen soll, sehr Vielen am Herzen liegt.

Damals nun standen auf ihrem linken Flügel die Skiriten, welche allein unter den Lakedämoniern immer diese Stellung haben; [*]( 49) Vergl. Kap 68. )

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[*]( 418 v. Chr. ) nächst ihnen die Soldaten des Brasidas, die in den Thrakischen Gränzlanden gefochten hatten, und bei ihnen die Neubürger; danach hatten die Lakedämonier selbst ihre Schaaren der Reihe nach aufgestellt und neben ihnen, von den-Arkadern die Heräer, danach die Mänalier, und aus.dem rechten Flügel die Tegeaten, und eine geringe Zahl Lakedämonier an der Spitze des Flügels; die Reiterei war auf beide Flügel vertheilt. Dieß war die Aufstellung der Lakedämonier; bei den Gegnern aber standen auf dem rechten Flügel die'Mantineer,weil auf ihrem Grund und Boden geschlagen wurde; neben ihnen die Bundesgenossen von den. Arkadern , danach die Tausend Mann Kerntruppen der Argiver, welche die Stadt seit langer Zeit auf öffentliche Kosten im Kriegswesen üben ließ 5"); an diese'reihten sich die übrigen Argiver und mit ihnen ihre Bundesgenossen, die Kleonäer und Orneaten, danach zuletzt an der Spitze des linken Flügels die Athener und bei ihnen ihre eigene. Reiterei.

Dieß war Aufstellung und Macht beider Theile; und das Heer der, Lakedämonier zeigte sich als das stärkere; die Zahl aber angeben, entweder wie viele auf jeder Seite, oder wie viele im Ganzen in's Gefecht kamen, könnte ich nicht mit Genauigkeit. Die-Zahl der Lakedämonier nämlich wußte Niemand, weil sie überhaupt-alle Staatssachen geheim halten, und den Angaben über die Zahl der Andern konnte ich hinwieder keinen Glauben schenken, weil die Menschen die Stärke.der eigenen Macht immer prahlerisch zu übertreiben pflegen. Doch kann Einer wohl aus der folgenden Berechnung auf die Zahl der Lakedämonier schließen, die damals bei-einander waren: Ohne -die sechs Hundert Skiriten nahmen an dem Gefecht Theil sieben Schaaren (Lochen), jede.Schaar hatte vier Haufen (Pentekostyen), jeder Haufe vier Rotten (Enomotien). In jeder Rotte aber fochten im ersten Glied vier Mann; die Tiefe der Aufstellung war nicht bei Allen gleich, sondern hing von den Obristen ab; im Durchschnitt jedoch standen sie acht Mann hoch.'" Die Skiriten abgerechnet standen im Ganzen in der Front vier Hundert und acht und vierzig Mann. [*]( 50) Ein stehendes Heer in Miniatur, erlesen auS Jünglingen der reicheren Klassen und daher später Handhabe der Aristokratie (Kr.). )

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Als es nun bereits zum Zusammenstoß kommen sollte, [*]( 418 v. Chr. ) wurde jegliche Abtheilung von ihren eigenen Feldherrn auf folgende, Weise ermuntert. Den Mantineern sagten sie, daß sie für das Vaterland kämpften, und es handle sich jetzt darum, ob sie die Herrschaft über Andere behalten oder selbst in die Knechtschaft fallen wollten; jene, die sie bereits genossen, sollten sie sich nicht entreißen lassen,, diese aber nie mehr vershcmecken wollen; — die Argiver wurden er-mahnt, sie dürften nicht dulden, daß sie ihrer alten Herrschaft über den Peloponnes und dann des gleichen Einflusses mit den Lakedämoniern ganz und gar beraubt würden, und sie sollten jetzt auch an feindlich gesinnten und ihre Stadt so nahe bedrohenden Männern für viele Beleidigungen Rache nehmen. Den Athenern sagten sie, wie ruhmvoll es sei, mit zahlreichen und tapferen Bundesgenossen in einer Reihe, zu fechten und hinter Keinem zurückzustehen; wenn.siemitten im Peloponnes die Lakedämonier besiegt hätten, so würden sie ihre Herrschaft stärken und erweitern, und es werde dann künftig! Keiner mehr in ihr Land einfallen. Den Argivern nun und ihren Bundesgenossen wurde Solcherlei zur Ermuthignng gesagt; die Lakedämonier aber ermunterten Einer den Andern selbst, und mit den kriegerischen Gesängen, die sie unter sich lernen, ermähnten sie eingedenk zu sein, daß sie tapfere Männer seien, wohl wissend, daß, wo/ die Entscheidung schon so nahe steht, lange Uebung der That eher Rettung gewähre als Wortermunterung in zierlicher Rede

Danach'gingen beide Theile aus einander los, die Argiver rasch und in Aufregung, die Lakedämonier aber langsam und nach den Weisen zahlreicher Flötenbläser , die nicht des göttlichen Dienstes halber vom Gesetze aufgestellt sind, sondern damit Alle gleichmäßig im Takte vorrücken und die Schlachtlinie nicht zerrissen wird, wie es großen Heeren beim Anmarsch zum Kampf gern geschieht. [*]( 51) Die Verbündeten forderten sich gegenseitig auf. tapfer zu fechten; d.ie Lakedä-, monier erinnern sich daran, daß sie ja wirklich tapfer seien, folglich nicht anders als tapfer kämpfen könnten. ) [*]( 52) Nach Herodot IV, Kl) waren bei den Lakedämoniern die Flötendläser eine erdliche Kaste. )

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[*]( 4l8 v. Chr. ) Erst während schon beide Heere auf einander losgingen, entschloß sich der König Agis zu folgender Maßregel. Bei allen Heeren nämlich kommt es vor, daß beim Zusammenstoße die rechten Flügel sich mehr in die Länge dehnen, und so Beide mit ihrem rechten Flügel über den linken der Gegner hinausreichen, weil Jeder aus Furcht seine ungedeckte (rechte) Seite dem Schilde seines Nebenmannes zur Rechten möglichst nahe zu bringen sucht, und weil Alle glauben, daß der gedrängte Anschluß den besten Schutz gewähre. Die erste Veranlassung hiezu gibt der Flügelmann des rechten Flügels, der immer seine Blöße dem Feinde zu entziehen sucht, und die Andern machen es ihm nach, weil Alle dasselbe fürchten. Damals nun überflügelten die Mantineer die Skiriten um Vieles, und noch mehr die Lakedämonier und Tegeaten die Athener, da ja auch ihr Heer zahlreicher war. Da besorgte nun Agis, sein linker Flügel möchte eingeschlossen werden, und in der Meinung, die Mantineer ragten zu weit über, befahl er den Skiriten und den Soldaten des Brasidas, weiter hinaus zu rücken und sich mit der Stellung der Mantineer auszugleichen; und in die so entstandene Lücke befahl er zwei Unterfeldherrn vom rechten Flügel, dem Hipponoldas und dem Aristokles, mit ihren Abtheilungen einzurücken und sie auszufüllen; denn seinen rechten Flügel hielt er auch so noch für überlegen, und die Aufstellung gegenüber den Mantineern werde auf diese Weise sicherer sein.

Nun geschah es aber, daß Aristokles und Hipponoi'das, weil der Befehl mitten im Anmärshce und so ganz plötzlich gegeben wurde, sich weigerten, nach der andern Seite zu ziehen, weßhalb sie auch später angeklagt und aus Sparta verbannt wurden, weil man es ihnen als Feigheit auslegte. Da also die beiden Abtheilungen dem Befehle, sich auf die Skiriten hinzuziehen, nicht gehorchten, so fand der Anprall der Feinde eher Statt, als die Skiriten wieder an die Andern anrücken und die ganze Schlachtlinie sich wieder zusammenschließen konnte. Aber wie sehr nun auch nach aller Kriegserfahrung die Lakedämonier im Nachtheil waren, so zeigten sie jetzt doch, daß sie auch durch bloße Tapferkeit zu siegen wußten. Als sie nämlich mit den Gegnern handgemein geworden waren, so schlug der rechte Flügel der Mantineer auf ihrer Seite die Skiriten und die Soldaten des Brasidas, und die Mantineer mit ihren Bundesgenossen

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und die Kerntruppen der Tausend Argiver drangen in die ungeschlos- [*]( 418 v. Chr. ) sene Lücke, hieben in die Lakedämonier ein, umringten sie und trieben, sie fliehend bis zu den Wagen, wo sie auch einige der dort aufgestellten älteren Soldaten tödteten. Auf dieser Seite also wurden die Lakedämonier geschlagen; bei den übrigen Heerestheilen aber und besonders in der Mitte der Stellung, wo der König Agis und um ihn die sogenannten drei Hundert Ritter tsanden, griffen sie die älteren Argivischen Truppen und die sogenannten fünf Schaaren und die Kleonäer und Orneaten an, und was von den Athenern bei jenen stand, und trieben sie in die Flucht, so daß die Meisten nicht einmal Stand hielten, bis es zum Handgemenge kam, sondern wie nur die Lakedämonier anrückten, sogleich Fersengeld gaben und Einige sogar niedergetreten wurden, weil sie sich dem Anprall der Feinde nicht rechtzeitig entziehen konnten.

Als nun hier das Heer der Argiver und Bundesgenossen gewichen war, war eS damit auch nach beiden Seiten von der Schlacht- ordnung losgerissen, und gleichzeitig umringte der rechte Flügel der Lakedämonier und Tegeaten mit ihrem überragenden Theile die Athener, so daß diese von'beiden Seiten Gefahr bedrohte, denn hier waren sie umringt, dort schon geschlagen; und sie hätten wohl von dem ganzen Heere am meisten gelitten, hätte sich nicht ihre anwesende Reiterei nützlich erwiesen. Und dazu kam noch, daß Agis, als er seinen linken Flügel gegenüber den Mantineern und den Tausend Argivern hart' bedrängt sah, dem ganzen Heere den Befehl gab, sich auf den geschlagenen Theil hinzuziehen. Als dieß nun geschah und das Heer sich entfernte und seitwärts von den Athenern abbog, so fanden diese und der bei ihnen stehende geschlagene Theil der Argiver Zeit sich zu retten. Die Mantineer aber mit ihren Bundesgenossen und die Kerntruppen der Argiver dachten weiter nicht mehr daran, dem Feind Stand zu halten, sondern als sie ihre eigenen Leute besiegt und die Lakedämonier anrücken sahen, wendeten sie sich zur Flucht. Von den Mantineern fiel die größere Zahl, von den Tausend Argivern aber retteten sich die Meisten. Flucht und Rückzug waren jedoch nicht bedrängt, [*]( 53) Die hier genannten Ritter waren unberitten. Von den fünf Schaaren ist nichts Weiteres bekannt. ^ ... )

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[*]( 418 v. Chr. ) noch erstreckten sie sich weit. Denn die Lakedämonier pflegen die Schlacht selbst, bevor es (ihrerseits) zum Fliehen kommt, durch Standhalten langdauernd und hartnäckig zu machen; haben sie aber, erst den Feind geschlagen, so machen sie die Verfolgung nur kurz und nicht auf lange Strecken.

So, oder doch nahezu wie hier erzählt ist, verlief die Schlacht, und sie war die bedeutendste, welche seit langer Zeit zwischen Hellenen vorfiel, und zwar zwischen den mächtigsten Staaten. Die Lakedämonier aber häuften die Waffen der feindlichen Todten zusammen, errichteten sogleich ein Siegeszeichen und zogen die Leichname aus. Die ihrigen hoben sie auf und brachten sie nach Tegea, wo sie auch begraben wurden; die der Feinde lieferten sie unter einem Waffenstillstand aus.. Gefallen waren von den Argivern, Orneaten und Kleonäern sieben Hundert, von den Mantineern zwei Hundert und von den Athenern und Aegineten zwei Hundert, worunter auch die beiden Anführer. Die Bundesgenossen der Lakedämonier waren nicht so in's Gedränge gekommen, daß sie einen nennenSwerthen Abgang erlitten hätten, und in Betreff ihrer selbst war eS schwer die Wahrheit zu erfahren, doch wurde behauptet, daß ihrer gegen drei Hundert gefallen seien.,

Als die Schlacht noch bevorstand, zog auch Pleistoanax, der andere König, mit der älteren und jüngeren Mannschaft zu Hülfe, und er war bereits bis nach Tegea gekommen, als er den Sieg erfuhr und wieder zurückmarfchirte. Auch den Bundesgenossen von Korinth und von jenseits der Landenge ließen die Lakedämonier absagen, und auch sie selbst, nachdem sie die Verbündeten entlassen hatten, zogen nach Hause um das Fest der Karneen zu feiern, welches gerade eingetreten war...Den Vorwurf, den ihnen die Hellenen machten, daß sie seit dem Unglück auf der Insel feig, in allen Dingen rathlos und schwerfällig geworden seien, hatten sie so mit einem Male von sich gewälzt, und man hielt jetzt dafür, daß sie damals eben nur einen Unglückstag gehabt hätten, der wirklichen Gesinnung nach aber immer noch dieselben seien.

ES ereignete sich auch, daß am Tage vor dieser Schlacht die Evidaurier mit gesammter Macht in das von Vertheidigern entblößte Gebiet von Argos einfielen und viele Leute von den Besatzungen

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niedermachten, welche.die ausrückenden Argiver zurückgelassen hatten. [*]( 413 v. Chr. ) Als danach von,den Eleern drei Tausend Schwerbewaffnete nach, der Schlacht den Mantineern zu Hülfe kamen, und auch von den Athenern zu den früheren noch andere Tausend, so'zogen alle diese Bundesgenossen sogleich gegen Epidauros zu.Felde, so lange noch die Lakedämonier die Karneen ..feierten, und fingen an die Stadt mit Verschanzungen einzuschließen, indem sie die Arbeit unter sich vertheilten. Die Andern nun .wurden der Arbeit bald müde, die Athener aber vollendeten rasch, wie, ihre Aufgabe gewesen war, die Befestigung der Anhöhe, welche das, Heraheiligthum bildet. Und in dessen Verschanzung ließen Alle eine gemeinsame Besatzung zurück und zogen dann wieder ab, Jeder in seine Heimat. Damit ging der Sommer zu Ende.

Im folgenden Winter, gleich zu dessen Anfang, unternahmen die Lakedämonier einen Heereszug, und als sie nach Tegea gekommen waren, ließen sie Friedensvorschläge an die Argiver abgehen. Schon früher nämlich zählten sie befreundete Männer in Argos, welche damit umgingen, die demokratische Verfassung zu stürzen, und seit die Schlacht vorgefallen, konnten sie das Volk um so leichter zu einem Vergleiche-bereden. - Ihr Plan war, zuerst einen Waffenstillstand mit den Lakedämoniern abzuschließen und danach ein Waffenbündniß/und dann wäre es an der Zeit, der Volkspartei zu Leibe zu' gehen. Es kam nun nach Argos der Staatsgastfreund der Argiver, Lichas/ des Arkesilaos Sohn, mit zweierlei Vorschlägen von Seiten der Lakedämonier, einem für den Fall, daß sie weiter noch Krieg führen, und dem andern, wenn sie Frieden wollten. Und obgleich nun Viel dagegen geredet wurde, — es war nämlich auch Alkibiades anwesend—, so wagten die Männer, welche im Sinne der Lakedämonier wirkten, sich doch schon offen heraus und überredeten die Argiver, den Friedensvorschlag anzunehmen. ^ Es lautete derselbe aber also:

- „Unter diesen Bedingungen beschließt die Volksversamm-' lung der Lakedämonier Frieden'zu machen mit.denIrgivern."

„Sie sollen den Orchomeniern ihre Kinder und den Mäna-' [*]( 54«) Kinder, vielleicht auch Sklaven.' Die Männer in Mantinea sind die' von Orchomenvs nach Mantinea gebrachten Geißeln der Arkadier- Vergl. V, St. Der Mänalier geschieht sonst nicht Erwähnung. )

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[*]( 418 v. Chr. ) liern die Männer zurückgeben, und auch den Lakedämoniern die Männer, die in Mantinea sind. Und von Epidauros sollen sie abziehen und die Verschanzung niederreißen."

„Wenn aber die Athener von Epidauros nicht weichen wollen, so sollen sie der Argiver.und der Lakedämonier und der Lakedämonischen Bundesgenossen-und der-Argivischen Bundesgenossen Feinde sein."

„Wenn die Lakedämonier einen Mann in Händen-haben, so sollen sie ihn herausgeben, einer Stadt wie der andern."

„In Betreff des Opfers für den Gott wollen'sie den Epidauriern die Eidesleistung zuschieben, aber es auch gestatten, wenn die Argiver den Eid schwören wollen." - ^ ^ '

„Die Städte im Peloponnes, kleine wie große, sollen alle frei sein, nach Weise der Väter." ... , -

„Wenn Einer von außerhalb des Peloponnes gegen Peloponnefisches Gebiet zieht in feindlicher Absicht, so sollen sie zu gemeinsamer Abwehr sich berathen, wie es den Peloponnesiern am besten scheint."

„So Viele außerhalb des Peloponnes der Lakedämonier Bundesgenossen sind, sollen ebenso gehalten werden wie die, welche den Lakedämoniern und Argivern verbündet sind, und sollen an denselben Dingen Theil haben."

„Dieß wird man den Bundesgenossen mittheilen, damit sie beitreten können, wenn es ihnen gut dünkt. Wenn aber die Bundesgenossen anderer Meinung sind, so soll man sie gehen lassen."

Diesen Vorschlag nahmen die Argiver zuerst an, und das Heer der Lakedämonier zog.von Tegea nach Hause zurück. Als nun so der freundliche Verkehr zwischen beiden Theilen wieder hergestellt war, so setzten nicht lange danach wieder eben dieselben Männer durch, daß die Argiver die Bundesgenossenschaft der Mantineer und Athener und Eleer fahren ließen und einen Vertrag und Waffenbund mit den Lakedämoniern abschlössen. Dieser lautete also:

„Unter diesen Bedingungen haben die Lakedämonier und Argiver beschlossen, daß Friede und Waffenbündniß sei zwischen ihnen aus fünfzig Jahre, mit völliger Gleichheit, indem sie Recht sprechen lassen zwischen sich nach Weise der Väter "

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„Die andern Staaten im Peloponnes sollen Theil haben an [*](418 v. Chr. ) dem Frieden und der Bundesgenossenschaft und ihre eigenen Gesetze und freie Verfassung behalten und im Besitz des Ihrigen verbleiben, indem sie nach väterlicher Weise Recht sprechen lassen mit völliger Gleichheit für Alle.?

„So Viele außerhalb des Peloponnes der Lakedämonier Bundesgenossen sind, sollen gleich gehalten sein wie die Lakedämonier selbst; und so sollen auch der Argiver Bundesgenossen gleich gehalten sein den Argivern, behaltend, was ihnen gehört."

„Wird einmal ein gemeinsamer Feldzug nöthig, so sollen Lakedämonier und Argiver darüber Beschlüsse fassen, in der Weise, daß sie allen Bundesgenossen nach Möglichkeit gerecht werden."

..„Entsteht Streit zwischen den Städten, sei es innert oder außerhalb.des Peloponnes, sei es wegen der Gränzen oder aus einer andern Ursache, so soll im Wege Rechtens entschieden werden. Wenn aber von den Städten der Bundesgenossen eine mit der andern Streit hat, so sollen^ sie sich an eine Stadt wenden, welche ihnen beiden Theilen gegenüber unparteiisch zu sein scheint. Zwischen den Bürgern unter einander soll Recht gesprochen werden nach der Väter Weise.?!.