History of the Peloponnesian War

Thucydides

Thucydides. Geschichte des Peloponnesischen Kriegs. Wahrmund, Adolf, translator. Stuttgart: Krais and Hoffmann, 1864.

So lautete der Vertrag und der geschlossene Waffenbund. Was nun beide Theile im Kriege, einander abgenommen oder sonst im Besitz hatten, darüber verglichen sie sich. Und da sie nun alle ihre Angelegenheiten im gemeinsamen Wege abmachten, so beschlossen, sie, von den Athenern weder einen Herold noch Gesandtschaften anzunehmen, wenn diese nicht aus dem Peloponnes abzögen und die Festungen räumten; und auch weder Frieden, schließen noch Krieg führen mit irgend Einem wollten He anders als gemeinsam..Und auch allem Uebrigen unterzogen sie sich mit Eifer, und schickten auch Beide Gesandtschaften nach den Thrakischen Gränzlanden und zum Perdikkas und beredeten diesen, zu ihrem Bunde zu schwören. Er fiel jedoch nicht sogleich von den Athenern ab, obwohl er den Entschluß schon damals faßte, als er die Argiver es thun sah; er stammte nämlich von Alters her auch' aus Argos ab. Auch mit den Chalkidiern bekräftigten sie die alten Eide'bs^und schwuren ihnen neue dazu. Zu [*]( . 55) Vergl. V, ZU. Die Lakedämonier werden schon nach dem Abfall l. SS einen Vertrag mit ihnen geschlossen haben (Poppo). )

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[*]( 418 v. Chr. ) den Athenern aber schickten die Argiver Gesandte und verlangten, sie sollten aus der Festung von Epidauros abziehen. >Da diese nun sahen, daß sie gegenüber der zahlreicheren Mitbesatzung im Nachtheil seien, so schickten sie den Demosthenes dahin >. um ihre Leute abzuführen. Der nun veranstaltete zum Schein bei seiner Ankunft ein Ringwettspiel außerhalb der Mauern,'und als die übrigen Besatzungstruppen deßhalb in's Freie strömten, so ließ er hinter ihnen'die Thore schließen, und später übergaben sie selbst die Festung an die Epidauriet, nachdem sie mit ihnen den Vertrag erneuert hatten. ' '

Nach dem Abfall der Argiver von der Bundesgenossenschaft sperrten sich zwar die Mantineer anfangs: da sie sich aber ohne die Argiver nicht halten konnten / so vertrugen auch sie sich mit den Lakedämoniern und gaben die Oberherrschast über ihre Städte auf. Dann unternahmen Lakedämonier und Argiver, Tausend Mann von jedem Theil, zusammen einen Feldzug und änderten in Sikyon, wohin die Lakedämonier selbst kamen, die Verhältnisse mehr im Sinne einer oligarchischen Verfassung;-und danach hoben beide zusammen in Argos die Volksregierung auf, und es trat an deren Stelle eine Oligarchie, wie sie den Lakedämoniern entsprechend war. Dieß ereig- [*]( 417 v. Chr. ) nete sich am Ende des Winters und gegen Frühlings-Anfang, und damit ging das vierzehnte Jahr des Krieges zu Ende.

Im folgenden Sommer gingen die Dur am Athos von den Athenern zu den Chalkidiern über; und die Lakcdämonier änderten in Achai'a die Verhältnisse, welche ihnen früher nicht nach Wunsche gewesen waren. Die Volkspartei der Argiver, die allmälig sich wieder zu regen begonnen und Muth geschöpft hatte, machte einen Angriff auf die Oligarchen, wozu sie die Zeit abgewartet Hatte, wo die Lakedämonier die Gymnopädien feierten. Es kam darüber in der Stadt selbst'zu einem Gefecht, worin die Volkspartei siegte und ihre Gegner theils tödtete, theils auStrieb. Die Lakedämonier nun, während ihre Freunde um Hülfe sendeten, kamen zwar längere Zeit nicht, doch schoben sie endlich das Fest auf und rückten aus. Als sie aber in Tegea erfuhren, daß die Oligarchen unterlegen seien, wollten sie trotz der Bitten der Flüchtlinge nicht weiter vorrücken, sondern zogen wieder nach Hause ab und feierten die Gymnopädien. Danach, als sowohl aus der Stadt selbst wie auch von den

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ausgetriebenen Argivern Gesandte kamen, so gaben sie zwar, nachdem [*]( 417 v. Chr. ) in Gegenwart der Bundesgenossen von beiden Seiten Viel hin- und hergeredet worden war, die Entscheidung, daß die in der Stadt im Anrecht seien, und es wurde auch der Feldzug gegen Argos beschlos-' sen; allein es traten Hemmnisse und Verzögerungen ein. Das Volk der Argiver unterdessen, welches aus Furcht vor den Lakedämoniern .sich wieder die Bundesgenossenschaft der Athener sicherte, von der es die größten Vortheile erwartete, baute lange Mauern bis zum Meere hin, damit, im Fall ihnen das Land abgesperrt würde, die Zufuhr der Lebensmittel zur See mit Hülse der Athener Erleichterung gewähre. Dieser Mauerbau geschah mit Gutheißen einiger andern peloponnesischen Städte, und die Argiver selbst arbeiteten daran mit ihrer ganzen Bevölkerung, Männern, Weibern und Sklaven, und auch aus Athen waren.ihnen Zimmerleute und Steinmetzen zugeschickt worden. So ging dieser Sommer zu Ende.

Im folgenden Winter zogen die Lakedämonier, als sie von dem Mauerbau gehört hatten, selbst und mit ihren Bundesgenossen, ausgenommen die Korinther, gegen Argos zu Felde. Auch in Argos .selbst wirkte eine kleine Partei für sie. Agis, des Archidamos Sohn, König der Lakedämonier, führte das Heer. Was man nun von der Mitwirkung jener in der Stadt erwartete, führte noch zu keinem Erfolge; die neugebauten Mauern jedoch nahmen die Lakedämonier und rissen sie nieder, und dergleichen nahmen sie auch Hysiä/ einen Platz im Argivischen, wobei sie alle Freigebornen tödteten, die in ihre Gewalt sielen, und dann sich wieder in ihre Städte zerstreuten. Danach machten auch die Argiver ihrerseits einen Zug in das Gebiet von Phlius und zogen wieder ab, nachdem sie es verwüstet, weil dort ihre Flüchtlinge Aufnahme gefunden hätten; die Mehrzahl derselben wohnte nämlich daselbst.

In demselben Winter hielten die Athener auch Makedonien blokirt. Grund war, daß Perdikkas zum Bündniß der Argiver und Lakedämonier geshcworen hatte. Auch hatte er, als die Athener einen Zug gegen die Ehalkidier in den Thrakischen Gränzlanden und gegen Amphipolis ausgerüstet, welchen Nikias, des Nikeratos Sohu, anführen sollte, nicht als Verbündeter gehandelt, wodurch er die Hauptursache wurde, daß dieß Heer ganz unverrichteter Dinge wieder auseinander

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ging. Er galt also als Feind. So ging dieser Winter zu Ende und damit das fünfzehnte Jahr dieses Krieges.

[*]( 416 v. Chr. ) In dem folgenden Sommer segelte Alkibiades mit zwanzig Schissen nach Argos, hob unter den Argivern diejenigen auf, welche noch verdächtig waren und es mit den Lakedämoniern zu halten schienen, — drei Hundert Männer an der Zahl, — und die Athener gaben dieselben auf die Inseln in der Nähe in Verwahrung, die unter ihrer Hoheit tsanden.

Danach gingen die Athener unter Segel gegen die Insel MeloS. Ihre Flotte, bestehend aus dreißig eigenen Schissen, fechsen der Chier und zweien der Lesbier, führte aus ihnen selbst zwölf Hundert Schwerbewaffnete, drei Hundert Bogenschützen und zwanzig berittene Pfeilschützen, und von den Bundesgenossen und Inselstaaten ungefähr fünfzehn Hundert Schwerbewaffnete. Die Melier aber sind ein Pflanzvolk der Lakedämonier und wollten sich nicht wie die andern Inselbewohner den Athenern unterwerfen, sondern verhielten sich zuerst ganz ruhig, ohne eine der beiden Parteien zu ergreifen, dann aber, als die Athener sie zum Beitritt zwingen wollten, indem sie ihr Land verwüsteten, führten sie gegen diese offenen Krieg. Mit jener Macht also legten sich die Athener in ihr Gebiet; die Anführer Kleomedes, des Lykomedes Sohn, und Tisias, Sohn des Tifimachos, wollten jedoch, bevor sie das Gebiet schädigten, zuerst eS mit Unterhandlungen versuchen und schickten deßhalb Bevollmächtigte. Die Melier aber ließen dieselben nicht vor der Volksversammlung austreten, sondern befahlen ihnen,' vor den Oberbehörden und den oligarchischen Machthabern auszurichten, wozu sie gekommen seien. Die Athenischen Gesandten nun sprachen, wie folgt: "

„Obgleich wir schon nicht vor dem ganzen Volke reden dürfen, — natürlich damit die Menge nicht in einer zusammenhängenden Auseinandersetzung VerlockendeS und Unwiderlegliches auf einmal zu hören bekomme und dadurch von unS hinter's Licht geführt werde, — denn wir sehen recht gut, daß unsere Vorladung vor die Minderzahl der Reichen und Mächtigen eben daraus hinausläuft —, so habt ihr, die ihr dahier versammelt seid, euch noch weiter sicher gestellt. Denn auch ihr wollt nicht in zusammenhängender Rede, sondern aus jeden einzelnen Punkt, wenn er euch unrichtig gefaßt

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scheint, sogleich einfallend eure Entscheidung abgeben.So sagt [*]( 4l6 v. Chr. ) denn zuerst; ob ihr an dem, was wir da sagen, etwas auszusetzen > habt."

- Darauf gab die Versammlung der melischen Bevollmächtigten zur Antwort:

„Daß ihr durch eure Nachgiebigkeit es möglich gemacht habt, uns gegenseitig in Ruhe zu belehren,' kann nicht getadelt werden. Im Widerspruch damit aber stehen die kriegerischen.Anstalten, die-ihr bereits, schon getroffen habt und nicht erst von der Zukunft abhängig machen wollt. Wir sehen, daß ihr.gekommen- seid, um über das, was wir vorbringen werden,-selbst als Richter zu entscheiden; und das, Ende davon wird sein, daß ihr uns den Krieg bringt, wenn uvir — wie natürlich in Vertretung unseres Rechtes hie obsiegen und eben, deßhalb auch nicht nachgeben' wollen,— lassen, wir, euch aber das Recht.-iso,bringt ihr.uns.Knehctschaft." v . '

Athener: -j,Wenn:ihr,denn also hier zusammengekommen seid, um argwöhnischen Vermuthungen'über das, was kommen kann, nachzuhängen, oder wenn euch irgend ein anderer Zweck hieher geführt hat als der: nach Maßgabe der wirklichen Verhältnisse, wie ihr sie vor-Augen seht, übet die Erhaltung eures Staates zu berathen, so können wir.gleich aufhören.^. Wollt ihr aber Nichts als dieses, .so können wir weiter reden.". i s

Melier: „Wenn man unter Umständen, wie die unsrigen jetzt sind, sich in Worten und Gedanken vielfach zu wenden und. zu drehen sucht, so ist das wohl natürlich und verzeihlich. Diese Zusammenkunst, ist aber.in der That auch unserer Rettung wegen geschehen, und die Unterredung möge, wenn es euch beliebt, auf die Art vor sich gehen? wie ihr vorschlagt." ' - - .s

Athener: „Gut! Und so wollen?denn auch wir nicht mit schönen,Worten eine lange.Rede halten,.die euch doch nicht überzeugen würde, wie z. B., daß wir die Herrschaft mit Recht besitzen, weil'wirken,Meder unschädlich gemacht haben, oder daß wir erlittenes,Unrechts wegen.euch zu Leibe gehen; dafür erwarten wir aber, daß auch ihr euch nicht der Täuschung ,hingebet,- uns mit solchen Dingen überreden zu können,- wie wennuhr vorbringt,.daß ihr ja Mit den [*]( Th'ukydili' V. )

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[*]( 416 v. Chr. ) Lakedämoniern nicht zu Felde gezogen seiet, obgleich ihr von ihnen abstammt, oder daß ihr uns ja Nichts zu Leide, gethan hättet. Sucht vielmehr nur das durchzusetzen, was nach Maßgabe von unser beider wirklichen Gesinnungen möglich ist. Ihr so gut wie wir wisset, daß nach menschlicher Denkart die Gerechtigkeit nur da in Betracht gezogen wird, wo auf beiden Seiten die Zwangsmittel sich die Wage halten; der Mächtige aber setzt durch, was durchzusetzen möglich ist, und der Schwache fügt sich."

Melier: „Wir unserseits halten für nützlich — denn ihr zwingt uns ja den Nutzen hervorzuheben, da ihr ihn mit Beseitigung der Gerechtigkeit zu eurem Grundsatz macht — wenn ihr das nicht aushebt, was für Alle gemeinsamer Nutzen ist. " Es versteht sich ja doch von selbst, daß wer immer in Gefahr ist, den Ändern überreden darf, ihm auch wohl über das strenge Recht hinaus eine Begünstigung zu Theil werden zu lassen.. Und von euch erwarten wir .das um so mehr, als ihr ja, im Fall ihr überwunden werdet, für die Andern als ein Beispiel der furchtbarsten Bestrafung dienen würdet."

Athener: „Wenn auch unserer Oberherrschaft einmal ein Ende gemacht werden sollte, so fürchten wir die Folgen nicht. Denn solche,, die selbst über Andere herrshcen, — und zu denen gehören ja auch die Lakedämonier —, sind den Besiegten nicht furchtbar — und wir kämpfen ja hier nicht einmal gegen die Lakedämonier; — wohl aber sind Unterthanen zu fürchten, wenn sie ihre Herrshcer angreifen und besiegen. Aber was das betrifft, so laßt uns diese Gefahr nur selbst bestehen. Wir wollen euch jetzt nur zeigen, daß wir zur Festigung unserer Herrschaft hier sind und daß wir, um euren Staat zu retten, mit euch unterhandeln. Wir wollen über euch herrshcen, ohne daß ihr uns die Sache schwer macht, und wünschen, daß ihr zu unser beider Nutzen erhalten bleibt."

Melier: „Wie könnte aber unS die Knechtschaft eben so nützlich sein, als euch die Herrschaft?"

Athener: „Weil euch die Unterwerfung daS furchtbarste Schicksal ersparen würde, und auch wir Gewinn davon hätten, wenn wir euch nicht zu Grunde richten müssen."

Ost. Melier: „Ihr würdet also nicht zufrieden sein, wenn wir euch aus Feinden Freunde würden und uns ruhig verhielten,

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ohne uns an einen der kriegführenden Theile mit den Waffen anzu- [*]( 416 v. Chr. ) schließen?"

Athener: „Nein; denn eure Feindschaft kann uns nicht so viel schaden als diese Freundschaft, die nur unsern Unterthanen unsere Schwäche offenbaren würde, während euer Haß ein Beweis unserer Macht wäre."

Melier: „Haben also eure Unterthanen einen solchen Begriff von Recht, daß sie die, welche euch gar Nichts angehen, mit denen zusammenwerfen, welche meist eure Pflanzvölker find und, nachdem sie zum Theil abgefallen, wieder unterworfen wurden?"

Athener: „Sie. glauben wohl, daß Keiner von Beiden weniger Rechtsgründe habe als der Andere; wenn aber Einer sein? Unabhängigkeit wahrt, so denken sie,, daß er es nur seiner-Macht zu danken hat-und daß wir ihm nur aus Furcht nicht zu Leibe gehen. Wenn ihr euch also uns unterwerft, so, vermehrt ihr einmal die Zahl unserer Unterthanen, und gewährt uns auch größere Sicherheit, zu-: mal wir eine Seemacht sind, und ihr Inselbewohner und schwächer als Andere seid — es mußte denn sein, daß ihr den-Sieg davon-trüget!"

Melier: „Werdet ihr nun in dem Folgenden keine Siche-Z rung: eures Vortheils sehen? — denn da ihr uns die Berufung auf Rechlsgründe ganz abgeschnitten habt und uns anweist, nur eurem! Vortheil'zu dienen; so..müssen.wir euch jetzt wohl dadurch zu überreden suchen,- daß wir euch zeigen, worin unser Vortheil liegt, sofern' derselbe.nämlich mit dem eurigen zusammenfällt. Wie sollte es >wohl möglich.sein, -daß'ihr diejenigen, welche, es bis jetzt mit keiner von beiden Parteien halten, nicht, in. eure-Feinde, verwandelt, wenn sie durch die Erfahrung unseres.Shcicksals zu der.Ueberzeugung kommen müssen, daß es eurerseits auch einmal an sie gehen wird? Was, thut ihr'also anders, als daß ihr eure schon vorhandenen Feinde vermehrt? und diejenigen, die nicht einmal daran denken eS>zu werden,, selbsti wider Willen dazu zwingt?"

Athener: „Wir halten eben nicht diejenigen für die. Gefährlicheren, die irgendwo auf-dem Festland wohnen und in ihrer-- Freiheit höchst, saumselige Vorkehrungen 5 zu,ihrer Sicherung gegen' uns treffen, sondern vielmehr die Inselbewohner, und zwar die unab-! [*]( 5* )

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[*]( 416 v. Chr. ) hängigen, wie ihr es seid, so gut wie diejenigen, welche schon durch den Druck der Herrschast erbittert sind. Denn solche möchten wohl am ehesten, auf eine falsche Schätzung ihrer Kräfte vertrauend, sich selbst und uns.in unzweideutige Gefahr tsürzen."­