History of the Peloponnesian War

Thucydides

Thucydides. Geschichte des Peloponnesischen Kriegs. Wahrmund, Adolf, translator. Stuttgart: Krais and Hoffmann, 1864.

Dieser Vertrag wurde geschlossen zu Winters Ende, mit Frühlingsanfang, sogleich nach dem städtischen Dionysosfeste ^), als, einige Tage auf- oder abgerechnet, gerade zehn Jahre verflossen waren, seit der erste Einfall in Attika geschah und damit dieser Krieg begann. Es möge aber der Leser nach den wirklichen Zeiten rechnen und nicht vielmehr der Aufzählung der Thatsachen nach den Namen der jedesmaligen Archonten oder sonst eines Würdenträgers Glauben schenken, welche zur Feststellung der früheren Ereignisse dienen ^). Denn damit ist nicht genau bestimmt, ob eine Thatsache in den Anfang oder in die Mitte oder in sonst einen andern Zeitpunkt einer Amtsdauer fällt. Zählt man aber nach Sommern und Wintern, wie bei Abfassung dieses Werkes geschehen ist, so wird man finden, da jeder von diesen beiden Zeiträumen eine Jahreshälfte ausmacht, daß dieser erste Krieg die Dauer von zehn Sommern und eben so vielen Wintern hatte.

Die Lakedämonier aber — denn sie waren durch das Loos dazu bestimmt worden, mit Herausgabe dessen, was sie gewonnen [*]( 22) Der absteigende Mond sind die Tage vom W. bis zu Ende eines jeden Monates. Beide Daten entsprechen dem 24. April 42l. ) [*]( 23) Das Fest der kleinen oder ländlichen Dionysien fiel in den Monat Maimak terion, die großen oder städtischen auf den 9. bis 15. des FrühlingsmonatS Elaphebolion (März). ) [*]( 24) Man sagte: dieß geschah, als der oder jener Ephore in Sparta, Archon zu Athen war u. s. w., wie die Römer sagten: dieß geschah, als der und der Konsuln waren. Thnlydides hat selbst solche Zeitbestimmungen, vergl. II, 2; V, 2S. ) [*]( ThukydideS. V. ) [*]( 2 )

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[*]( 421 v. Chr. ) hatten, den Anfang zu machen — entließen sogleich die Kriegsgefangenen, welche sich in ihrer Hand befanden, und schickten in die Thrakischen Gränzlande als Abgeordnete den Jschagoras und Menas und Philocharidas mit dem Befehle an den Klearidas, Ainphipolis den Athenern zu übergeben, und daß auch die Andern den vereinbarten Friedensvertrag annehmen sollten. Die aber wollten nicht, weil sie die Bedingungen nicht für zureichend hielten, und auch Klearidas gab den Ehalkidiern zu gefallen Amphipolis nicht heraus, vorgebend, es sei ganz unmöglich die Stadt gegen den Willen jener zu übergeben. Doch reiste er selbst mit Gesandten von dort in aller Eile nach Lakedämon, um sich zu vertheidigen,-wann ihn JSchagoras und dessen Begleiter des Ungehorsanis anklagen würden; zugleich wollte er auch sehen, ob an dem Vertrag Nichts zu ändern sei; da er ihn aber bereits rechtsgültig abgeschlossen fand, so reiste er in Sendung der Lakedämonier sogleich wieder zurück mit dem Befehle, den Platz wo möglich zu überliefern; wenn aber nicht, so solle er mit allen Peloponnesiern von dort abmarshciren.

Da gerade die Bundesgenossen in Lakedämon anwesend waren, so forderten die Lakedämonier diejenigen unter ihnen, welche den Frieden nicht angenommen hatten, aus, sich demselben anzuschließen. Diese aber wiesen das Ansinnen unter demselben Vorwaiide zurück, wie auch das erste Mal, und weigerten sich dem Friedensschluß beizutreten, wenn man nicht billigere Bedingungen durchsetze. Da sie also kein Gehör gaben, so wurden sie von den Lakedämoniern entlassen, und diese schlössen nun ein Schutzbündniß mit den Athenern. Sie dachten nämlich, die Argiver, die schon bei Gelegenheit der Sendung des Ampelidas und Lichas den Frieden nicht hatten erneuern wollen, würden es zwar jetzt um so weniger wollen, seien aber ohne die Athener nicht zu fürchten, und der übrige Peloponnes werde sich wohl ruhig verhalten; erlaubten es freilich die Verhältnisse, so würden sie (die Argiver) sich mit den Athenern verbünden. — Da nun Gesandte der Athener anwesend waren, so einigten sie sich nach vorangegangenen Unterhandlungen, und es wurde folgender Waffenbund beschworen:

„In Gemäßheit dieses sollen die Lakedämonier (und Athener) aus fünfzig Jahre Bundesgenossen sein. Wenn Einer das Land

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der Lakedämonier feindlich angreift und den Lakedämoniern Schaden [*](421 v. Chr. ) zufügt, sollen die Athener den Lakedämoniern aus jede Weise helfen, und mit so kräftiger Unterstützung es ihre Mittel nur erlauben. Haben aber die Angreifer das Land verwüstet und ziehen dann ab, so soll ihr Staat von den Lakedämoniern und Athenern als Feind betrachtet und von beiden gezüchtigt werden. Frieden sollen beide Staaten in Gemeinschaft schließen, und das Alles in Treuen und mit allem Eifer und ohne Arglist. Wenn aber die Sklaven aufstehen sollten, so müssen die Athener den Lakedämoniern nach ihren Mitteln mit ganzer Macht beistehen. Beschwören werden diesen Bund, von beiden Seiten diejenigen, welche auch den ersten Vertrag beschworen haben. Er soll aber aus jedes Jahr erneuert werden, indem die Lakedämonier zum Dionysossest nach Athen kommen, und die Athener zum Hyakinthossest nach Lakedämon. Beide Theile sollen eine Dcnksäule ausstellen, die eine zu Lakedämon neben der Bildsäule des Apollo im Amykläon, die andere zu Athen in der Stadt neben der Athene. Wenn es aber den Lakedämoniern und Athenern gut dünkt, zu diesen Punkten Zusätze zu machen oder etwas davon zu thun, was es auch immer sei, so soll das für beide Theile im Eid einbegriffen sein."

Den Eid schwuren von Seiten der Lakedämonier diese: Pleistoanax, Agis, Pleistolas, Damagetos, Chionis, Metagenes, Akanthos, Dai'thos, Jschagoras, Philocharidas, Zeuxidas, Antippos, Alkinadas, Tellis, Empedias, Menas, Laphilos, — von Seiten der Athener: Lampon, Jsthmionikos, Laches, Nikias, Euthydemos, Prokles, Pythodoros, Hagnon, Myrtilos, Thrasykles, Theagenes, Aristokrates, Jolkios, Timokrates, Leon, Lamachos, Demotshenes.

Dieser Waffenbund wurde nicht lange nach dem Friedensver-trage abgeschlossen, und die Athener gaben jetzt den Lakedämoniern die Leute von der Insel ^Sphakteria^ heraus, zur Zeit als der Somnier des eilsten Jahres anfing.

Hiemit ist der erste Krieg beschrieben, der ohne Unterbrechung zehn Jahre gedauert hat ^). [*]( 25) Dieser eiste zehnjährige Krieg wurde später nach dem lakedämonischen Könige der die ersten Einfälle in Attika machte, der Archidamischr genannt. ) [*]( 2* )

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[*]( 421 v. Chr. ) Nach dem Friedensvertrage und dem Waffenbunde der Lakedämonier und der Athener, welche zu Ende des zehnjährigen Krieges abgeschlossen worden waren, als Pleistolas Ephore in Lakedämon und Alkäos Archon in Athen war, herrschte zwar Friede zwischen denen, welche denselben angenommen hatten, die Korinthier aber und einige peloponnesifche Städte suchten den Vertrag zu erschüttern, und bald ergab sich auch noch weiteres Zerwürfniß zwischen Lakedämon und seinen Bundesgenossen. Aber auch den Athenern wurden die Lakedämonier im Verlaufe der Zeit verdächtig, denn sie erfüllten in einigen Punkten nicht, was vereinbart worden war. Sechs Jahre zwar und zehn Monate enthielten sie sich feindlicher Einfälle in das gegenseitige Gebiet, auswärts aber fügten sie sich unter trügerischer Waffenruhe einander großen Schaden zu, und später wurden sie dann genöthigt, den nach dem zehnjährigen Kampf geschlossenen Vertrag zu lösen und den offenen Krieg von Neuem zu beginnen.

Auch dieß hat derselbe Thukydides, Bürger von Athen, der Ordnung nach beschrieben, wie Alles auf einander gefolgt ist, nach Sommern und Wintern, bis die Lakedämonier und ihre Verbündeten der Oberherrschaft der Athener ein Ende machten und die langen Mauern und den Piräeus besetzten T Bis zu diesem Zeitpunkt hat der Krieg im Ganzen sieben und zwanzig Jahre gedauert. Wenn aber Einer die dazwischen fallende Vertragszeit nicht auch zum Kriege mitgerechnet haben möchte, so wird er nicht recht urtheilen. Er möge nur sehen, inwiefern jene Zeit sich durch die Thatsachen unterscheidet, und er wird sinden, daß sie mit Unrecht eine Zeit des Friedens genannt würde, da weder herausgegeben noch in Empfang genommen wurde, was der Vertrag vorschrieb. Dazu kam auch noch der Mantineische und der Epidaurische Krieg und andere Verstöße beiderseits. Auch verharrten die Bundesgenossen in den Thrakischen Gränzlanden nach wie vor in feindlicher Stellung, und die Böotier beobachteten nur einen Waffenstillstand, der von zehn zu zehn Tagen erneuert wurde. Mit dem zehnjährigen ersten Krieg also und der darauf fol- [*]( 26) Diese Stelle, welche erst zu Ende deS Kriege? hier eingeschoben worden sein kann, zeigt, daß ThukydideS den ganzen Krieg beschreiben wollte. Seine Erzählung geht aber nur bis zum Jahre 4!1 und umfaßt demnach nur die ein und zwanzig ersten KriegSjahrc. )

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genden zweideutigen Waffenruhe und dem aus derselben hervorgehen- [*]( 421 v. Chr., ) den späteren Kriege wird man, um wenige Tage auf oder ab 2 7), eben jene Zahl von Jahren finden, wenn man die Zeiten berechnet. Und denen, welche sich au Orakelsprüche halten, ist dieß allein richtig eingetroffen; denn ich erinnere mich, von Anfang des Krieges bis zu seinem Ende von Vielen immer gehört zu haben, daß derselbe dreimal neun Jahre dauern müsse. Ich selbst habe den ganzen Krieg mit erlebt, befand mich in einsichtigeren Jahren und habe ihm ernste Aufmerksamkeit gewidmet, so daß ich Zuverlässiges darüber wissen kann; auch hat es sich mir ereignet, daß ich nach meinem Feldzug gegen Amphipolis zwanzig Jahre meine Vaterstadt meiden mußte, und so konnte ich in der Nähe der beiderseitigen Ereignisse, meiner Verbannung wegen nämlich auch der Peloponnesischen, in Ruhe den Gang der Dinge beobachten.

Nun will ich den nach den (ersten) zehn Jahren eingetretenen Zwist und die Auflösung des Vertrages erzählen, und was danach für Kriegsthaten geschehen sind.

Nachdem der fünfzigjährige Friedensvertrag nnd danahc der Waffenbund abgeschlossen waren, reisten die Gesandtschaften, welche zu diesem Zwecke berufen worden, wieder von Lakedämon ab; die Andern nun gingen nach Hause, die Korinther aber wendeten sich zuvor nach Argos und verabredeten mit einigen Argivern, die in Amt und Würden tsanden: weil die Lakedämonier nicht in guter Absicht sondern zur Unterjochuug des Peloponnes Frieden und Bundessreuudschaft mit den Athenern geschlossen hätten, die doch vorher ihre erbittertsten Feinde gewesen seien, so sollten die Argiver zusehen, daß die peloponnesische Freiheit gerettet werde, und sie sollten beschließen, daß welche Stadt der Hellenen nur wolle, sofern sie nur ihre freie Verfassung habe und Allen gleiches Recht gewähre, mit den Argivern ein Waffenbündniß zum Schutz ihrer gegenseitigen Gebiete eingehen könnte. Und sie sollten dazu einige wenige Männer ernennen, die in Ansehung ihrer Gewalt ganz freie Hand hätten; vor das Volk aber solle man die Verhandlungen nicht bringen, damit [*]( 27) Nach Vömel kommt zu den zehn Jahren noch ein tteberschuß von vier und zwanzig Tagen. )

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[*]( 421 v. Chr. ) wenn die Menge sich nicht überreden lasse, die Namen jener Männer nicht bekannt würden. Sie behaupteten auch, daß aus Haß gegen die Lakedämonier Viele sich ihnen anschließen würden. Nachdem die Korinther diese Maßregeln an die Hand gegeben, kehrten sie nach Hause zurück.

Die Beamten der Argiver aber hatten ihnen Gehör geschenkt, und als sie die Sache vor die Obrigkeit und die Volksversammlung brachten, nahmen die Argiver die Vorschläge durch allgemeinen Beschluß an und wählten zwölf Männer, mit welchen Wer von den Hellenen immer wolle, mit Ausnahme der Athener und Lakedämonier, ein Waffenbündniß abschließen könne; von diesen beiden aber solle Keiner ohne die Entscheidung der Argivischen Volksversammlung dem Bunde beitreten können. Solche Vorschläge nahmen aber die Argiver hauptsächlich aus dem Grunde an, weil sie sahen, daß ihnen ein Krieg mit den Lakedämoniern bevorstehe; denn ihr Waffenstilltsandsvertrag mit denselben ging seinem Ende zu, und dann hofften sie auch, die Oberleitung des Peloponnes zu gewinnen, denn um jene Zeit hatte der Ruf Lakedämons sehr gelitten und es wurde schon seiner Unfälle wegen über die Achsel angesehen; die Argiver andererseits tsanden sich aber damals von Allen am besten, weil sie an der Last des Attischen Krieges nicht mitgetragen hatten und als mit beiden Theilen im Frieden lebend ihre Einkünfte ungeschmälert genossen. Die Argiver also nahmen auf diese Weise in ihren Waffenbund auf, wer von den Hellenen nur wollte.

Zuerst traten zu ihnen die Mantineer^) und deren Bundesgenossen, ans Furcht vor den Lakedämoniern; denn die Mantineer batten sich noch während des Krieges gegen die Athener einen Theil Arkadiens unterworfen, und sie dachten nun, die Lakedämonier würden sie nicht ruhig darüber herrshcen lassen, wenn sie nur erst selbst Muße fänden. Es war ihnen deßhalb erwünscht, sich an Argos anschließen zu können; denn sie hielten dieß für einen mächtigen Staat, der mit den Lakedämoniern von jeher in Feindschaft gelebt habe und wie sie selbst eine demokratische Verfassung besitze. Als die Mantineer abgefallen waren, begann auch im übrigen Peloponnes das [*]( 28) Vergl. IV, 134. Anm. )

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Gerede, daß man es ihnen nachthun müsse; denn man glaubte, jene [*]( 421l v. Chr. ) wüßten etwas mehr und seien darum abgefallen. Dann waren sie auch aus die Lakedämonier erbittert, sowohl aus andern Ursachen als auch weil es in dem Attischen Vertrage hieß, es solle dem Eid nicht schaden, wenn beide Staaten, die Lakedämonier und Athener, an dem Vertrage nach beiderseitigem Gutdünken etwas zu- oder abthun wollten. Diese Bestimmung machte im Peloponnes viel böses Blut und erregte den Verdacht, die Lakedämonier möchten in Verbindung mit den Athenern sie unterjochen wollen; denn es wäre gerecht gewesen, daß die Erlaubniß zu Abänderungen auf alle Bundesgenossen ausgedehnt worden wäre. Deßhalb also schwebten die Meisten in Furcht und waren geneigt, sowohl mit den Argivern als auch unter einander einen Waffenbund zu schließen.

Als die Lakedämonier nun merkten, daß solches Gerede durch den Peloponnes gehe und die Korinther hiezu die Weise angäben und auch für sich selbst beabsichtigten, mit den Argivern in Bund zu treten, so schickten sie Gesandte nach Korinth um dem vorzubauen, und beschuldigten sie, daß sie das Ganze angegeben hätten; und wenn sie von ihnen abfallen und der Argiver Bundesgenossen werden wollten, so würden sie damit ihre Eide verletzen. Und schon damit thäten sie Unrecht, daß sie den Vertrag mit den Athenern nicht annähmen, da doch ausgemacht worden wäre, daß für Alle verbindlich sei, was die Mehrzahl der Bundesgenossen beschließen würde,'es sei denn, daß von den Göttern oder Heroen ein Verbot käme.

Die Korinther nun in Gegenwart derjenigen Bundesgenossen, welche gleichfalls den Vertrag nicht angenommen hatten — sie hatten dieselben nämlich schon vorher selbst eingeladen — widersprachen den Lakedäinoniern. Doch sagten sie ihnen nicht gerade in's Gesicht, worin sie wirklich übervortheilt worden waren, nämlich daß sie von den Athenern weder Sellion noch Anaktorion zurück erhalten hätten, oder wodurch sie sonst benachtheiligt zu sein glaubten, sondern sie nahnien sich zur Ausrede, daß sie die Bundesgenossen in den Thrakischen Gränzlanden nicht verrathen wollten. Denn sie hätten denselben damals besondere Eide geshcworen, als sie mit den Potidäern ihren Abfall in's Werk setzten, und später noch andere. Sie verletzten also, sagten sie, damit die Eide gegen ihre Bundesgenossen nicht,

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[*]( 421 v. Chr. ) daß sie dem Vertrag mit den Athenern nicht beitreten wollten; denn nachdem sie ihnen bei den Göttern Trene zugeschworen, so wäre das ein schlechtes Eidhalten, wenn sie dieselben jetzt preisgeben wollten. Es sei ja vereinbart worden: „wenn nicht von den Göttern oder Heroen ein Verbot ausgehe", und das scheine ihnen eben ein göttliches Verbot zu sein. So viel sagten sie in Betreff der früheren Eidschwüre; über das Bündniß mit den Argivern, erklärten sie, würden sie mit ihren Freunden Rathes pflegen und thun, was Recht sei. Damit kehrten dann die Lakedämonischen Gesandten nach Hause zurück. Es waren aber auch Abgeordnete der Argiver zu Korin^ anwesend, welche die Korinther aufforderten in ihren Bund einzutreten und nicht zu zaudern, worauf diese sie aufforderten sich zu der auf später bei ihnen anberaumten Versammlung einzufinden.

Es kam aber auch gleich damals eine Gesandtschaft der Eleer 29), schloß zuerst mit den Korinthern ein Bündniß und ging von da, wie ihnen daheim befohlen worden war, nach Argos, wo sie der Argiver Bundesgenossen wurden. Sie hatten nämlich Lepreon's wegen einen Span mit den Lakedämoniern. Denn es war einst zwischen arkadischen Städten und den Lepreaten zum Krieg gekommen, worauf diese die Bundesgenossenschaft der Eleer anriefen mit dem Erbieten, ihnen den Ertrag ihres halben Gebietes zu überlassen. Die Eleer legten nun den Krieg bei, überließen aber das Land den Lepreaten selbst zur Benützung und legten ihnen nur ans, dem Olympischen Zeus (jährlich) ein Talent zu entrichten. Bis zum Attischen Kriege nun wurde dasselbe auch entrichtet, als aber dann die Lepreaten die Zahlung einstellten und den Krieg zum Vorwand nahmen, wurden sie von den Eleern dazu gezwungen, und nun wandten sich jene an die Lakedämonier. Die Sache wurde einem Lakedämonischen Schiedsgericht übergeben; da aber dann die Eleer vermutheten, wohl kein billiges Urtheil zu erhalten, so traten sie wieder zurück und ver­ [*]( 29) Elis mit ätolisch-dvrischer Bevölkerung wurde von adeligen Familien regiert, welche wegen des Olympischen Heiligthums und der Spiele Anspruch darauf machten, daß die ganze Landschaft durch einen GotteSfrieden gegen feindliche Behandlung, Dnrchzug von Truppen ic. geschützt sei. Thatsächlich blieb das Land bis in diese späteren Zeiten unberührt. Im Verlause des peloponnesische» Krieges wurde Demokratie herrschend. )

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wüsteten das Gebiet der Lepreaten. Nichtsdetsoweniger aber gaben [*]( 421 v. Chr. ) die Lakedämonier den Entscheid, die Lepreaten sollten ganz frei sein< und die Eleer hätten Unrecht; und weil diese ihren Beitritt zu ihrem Schiedsgericht wieder zurückgenommen hatten, so legten sie eine Besatzung von Schwerbewaffneten nach Lepreon. Die Eleer aber sahen die Sache so an, als ob die Lakedämonier eine von ihnen abgefallene Stadt angenommen hätten, und beriefen sich aus den Vertrag, in welchem bestimmt war, daß was die Teilnehmer zu Anfang des Krieges besessen hätten, sie auch am Schlüsse desselben als Eigenthum haben sollten; es sei ihnen also Unrecht geschehen; und deßhalb traten sie zu den Argivern über und schlossen, wie erzählt ist, auch ihrerseits den Waffenbund. Bald nach ihnen wurden auch die Korinther und die Thrakischen Chalkidier der Argiver Verbündete. Die Böoter aber und die Megarer, obgleich sie dieselbe Sprache führten, verhielten sich theilnahmlos, da die Lakedämonier überhaupt kein Augenmerk mehr auf sie hatten, und sie selbst der Argiver demokratische Verfassung ZU) ihren eigenen oligarchischen Einrichtungen weniger förderlich hielten als die Staatsverfassung der Lakedämonier.

Um dieselbe Zeit in jenem Sommer endete die Belagerung Skione's mit Eroberung der Stadt, und die Athener ließen die Erwahcsenen männlichen Geschlechts hinrichten, Weiber und Kinder aber verkauften sie als Sklaven und des Land überließen sie zur Benützung den Platäern. Die Delier führten sie wieder nach Delos zurück, weil sie sich ihre Niederlagen zu Gemüthe führten, und auch weil der [*]( 30) In Argos regierte früher ein Rath von achtzig Männern, an deren Spitze die sogenannten Artynen standen. Nach der Niederlage bei TirynS, welche ihnen 52i der Spartaner KleomeneS beibrachte, fielen abhängige Städte wie Kleonä. Orneä, Midra ab, und in der Hauptstadt selbst gewannen die Gymnesioi, Hörige oder Sklaven, die Oberhand, da die Mehrzahl der Bürger gefallen war. Erst das herangewachsene Geschlecht der Nachkömmlinge der von KleomeneS Getödteten trieb die Gymnesioi aus und bezwang sie dann in Tiryns. wohin sie sich gezogen hatten. Da aber die Bürgerzahl zu gering war, so wurden die abgefallenen Orte einzeln angegriffen und die Besiegten nach Argos verpflanzt, wo sie gleiches Bürgerrecht mit den Altburgern erhielten. Durch diese Einbürgerung der Perivken gewann das demokratische Element die Ueberhand, und neben den Rath der Achtzig trat noch ein weiterer Rath, Bau, .etwa Bürgerrepräsentanten, eine Art kontrolirendes Collegium." (Wachsmuth.) )

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[*]( 421 v. Chr. ) Gott in Delphi es befohlen hatte ^Damals begann auch der Krieg zwischen Phokiern und Lokrern.— Die Korinther und Argiver, die sich bereits verbündet hatten, gingen jetzt auch nach Tegea um diese Stadt den Lakedämoniern abwendig zu machen. Sie sahen nämlich, daß das Gebiet ein beträchtliches Stück Landes war, und wenn dasselbe auf ihrer Seite stünde, dachten sie, so würde der ganze Peloponnes ihnen gehören. Als aber die Tegeaten zur Antwort gaben, daß sie nichts Feindliches gegen die Lakedämonier unternehmen [*]( 31) In dieser Aufforderung des Orakels, eine mit Härte ausgetriebene hellenische Bevölkerung ihrer Heimath wiederzugeben, könnte man ein Beispiel sehen, wie dasselbe seinen Einfluß im Sinne der Menschlichkeit und der nationalen Wohlfahrt benutzte. Doch gehen in der Beurtheilung der Wirksamkeit dieser heiligen Institute die Meinungen sehr weit auseinander. K. F. Hermann: «Wenn ja von absichtlichen Tänschungen die Rede fein kann, so trifft dieß jedenfalls nur die Mittelspersonen und Priester, die aber auch dafür andererseits durch die große Weisheit entschädigten, mit welcher sie wenigstens in Griechenlands klassischer Zeit die Auktontät ihres Gottes zu staatskluger und konsequenter Leitung der öffentlichen und gottesdienstlicheu Angelegenheiten des ganzen Volks benutzten. Namentlich gilt dieß von dem pythischen Orakel zu Delphi.' Ganz anders Wachsmuth: „Den hellenischen Völkern erschien die Gemeinschastlichkeit des Orakels durchaus nicht als etwas, das auf Eintracht zurückwirken müsse; in ihren Anfragen drückt sich selten Anderes als Egoismus aus; es war. wie wenn von einem Gemeindeacker Freund und Feind zusammen Frucht holen und dabei streben, einander möglichst zu übcrvortheilen. Die Aussprüche des Orakels waren durch Unklarheit des Ausdrucks und verfängliche Geschrobenheit eben sowohl geeignet, allerlei unredliches Dichten und Trachten entweder in dem Sinne des Fragenden zu nähren, oder bei der Ausführung zu rechtfertigen, als untauglich, sichere Leitung des Handelns für Einzelne und für Staaten zu sein. Noch weniger aber konnte und wollte das Orakel einen zusammenhängenden Einfluß auf die Angelegenheiten der hellenischen Staaten für sich und unter einander üben. — Dem Orakel zu Olympia gereicht es zum Lobe, daß es über Kriege der Hellenen mit Hellenen keinen Spruch that; das delphische Orakel dagegen bewies nicht nur immersort dazu sich willfährig, sondern zugleich durch die trügerische Hülle zweideutiger Worte, daß es nur ans seinen Vortheil bedacht sei. auf seine Sicherstellung bei jeglichem Erfolg; oder es verrieth sichtbar einseitige Gunst, und — schmählich genug — diese konnte auch durch Gold gewonnen werden.' — Die Wahrheit liegt in der Mitte; es kann doch nur immer aus die betreffenden Personen angekommen sein. — Was diesen Fall betrifft, so ist wohl gewiß, daß die Athener die Delier wegen Hinneigung zu Sparta ausgetrieben hatten. Welche Pläne Perikles mit Delos harte, ist schon gesagt (Buch III. Anm. SO). Es ist also glaublich, daß die Spartaner einen Spruch zu Gunsten der Delier erwirkten. Daß die Spartaner selbst das Orakel für bestechlich hielten, zeigt weiter oben die Geschichte des Pleistoanar, V, 16. ) [*]( 32) Vergl. IV, 134. Anm. )
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würden, so ließen die Korinther, die bis jetzt mit Leidenschaft in [*]( 421 v. Chr. ) diesem Sinne gearbeitet hatten, von ihrer Großmachtsucht in etwas > nach und besorgten, es möchte von den Andern jetzt Niemand mehr zu ihnen treten. Gleichwohl gingen sie noch zu den Böotern und baten sie, ihre und der Argiver Bundesgenossen zu werden und auch sonst mit ihnen gemeinsame Sache zu machen. Ferner verlangten sie, die Böoter sollten mit ihnen nach Athen gehen und ihnen einen eben solchen zehntägigen Waffenstillstand auswirken, wie er zwischen Athenern und Böotern nicht lange nach dem fünfzigjährigen Friedensvertrage war abgeschlossen worden; wenn aber die Athener darauf nicht eingingen, so sollten sie diesen Waffenstillstand aufkündigen und dann künftig ohne sie keinen neuen Vertrag schließen. In Betreff des Bündnisses mit den Argivern nun gaben die Böoter auf das Ansuchen der Korinther zur Antwort, man solle ihnen noch etwas Zeit lassen. Nach Athen geleiteten sie die Korinther, konnten aber den zehntägigen Waffenstillstand für sie nicht erwirken, sondern die Athener gaben zur Antwort, es bestehe ja schon ein Bündniß zwischen ihnen und den Korinthern, sofern diese Bundesgenossen der Lakedämonier seien. Die Böoter aber kündeten deßhalb ihren zehntägigen Stillstandsvertrag nicht auf, so viel auch die Korinther baten und ihnen Vorwürfe machten, daß sie doch so übereingekommen seien; zwischen Korinthern und Athenern herrschte aber doch Waffenruhe, auch ohne besonderen Vertrag.

Die Lakedämonier unternahmen in diesem Sommer unter Führung ihres Königs Pleistoanax, Sohnes des Pausanias, mit ihrer gesammten Macht einen Zug in das Gebiet der Parrhasier in Arkadien, Unterthanen der Mantineer ^?), da diese sie innerer Unruhen wegen herbeiriefen; zugleich aber dachten sie auch die Festung Kypsela wo möglich zu schleifen, welche die Mantineer verschanzt und mit einer Besatzung versehen hatten. Dieselbe liegt im Parrhasischen Gebiet an der Gränze gegen die Skiritische Landschaft in Lakonien. Die Lakedämonier ihrerseits verwüsteten das «Gebiet der Parrhasier; die Mantineer aber überließen die Besatzung ihrer Stadt Argivern [*]( 33) Die Mantineer. welche sich früher schon mit Hülfe von Argos durch den SynoikiSmoS. d. i. durch Zusammenziehen von vier Landgemeinden in eine städtische, gestärkt hatten, unterwarfen die Parrhasier und machten sie zu Periiken. )

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[*]( 421 v. Chr. ) und übernahmen selbst den Schutz ihrer Bundesgenossen. Sie konnten aber die Festung von Kypsela und die Parrhasischen Städte nicht zugleich decken und zogen deßhalb wieder ab. Nun gaben die Lakedämonier den Parrhasiern Unabhängigkeit, rissen die Festung nieder und zogen wieder ab nach Hause.

In demselben Sommer, als die mit Brasidas ausmarschirten Truppen, welche Klearidas nach dem Friedensschlüsse wieder abzuführen hatte, aus Thrakien zurückkamen, beschlossen die Lakedämonier, daß die Heloten, welche unter Brasidas gefochten hatten, frei sein sollten und sich ansiedeln könnten, wo sie wollten, und nicht lange danach, weil sie doch schon einmal mit den Eleern in Streit lebten, verpflanzten sie dieselben sammt den Neodamoden nach Lepreon an der Gränze von Lakonika und Eleia. Damals erklärten sie auch die Spartiaten, welche sich auf der Insel gefangen gegeben und ihre Waffen ausgeliefert hatten, für ehrlos, obgleich einige von ihnen bereits wieder Aemter bekleideten. Sie fürchteten nämlich, dieselben möchten jenes Unfalls wegen glauben, sie müßten hinter den Andern zurückstehen, und deßhalb ans Neuerungen ausgehen, wenn man ihnen die Bürgerehre lasse. Ehrlos aber waren sie nur, insofern sie kein Amt verwalten und rechtsgültig weder etwas kaufen noch verkaufen konnten. Einige Zeit danach aber wurden sie wieder für ehrlich erklärt 2»). [*]( 34) Der Inhalt dieses Kapitels zeigt, wie sehr die Zustände in Sparta erschüt. tert waren und wie hier jetzt Alle? schwankte. AuS Mangel an freien waffenfähigen Männern und im Bewußtsein, daß das Alle aus keine Weise mehr streng festzuhalten sei, erfolgt jetzt Besreiung von Heloten in größerer Zahl (vergl. I, 101. Anm.; IV, 80). — Die EhrloSerklärung der Gefangenen von Sphakteria kann nur das Werk einzelner Männer gewesen sein, deren Einfluß bald wieder gebrochen wurde. Solche Ehrlosigkeit ist keineswegs das, was wir unter dem Worte verstehen, sondern kommt nur einer zeitweiligen Aushebung der Fähigkeit gleich, bürgerliche Rechte auszuüben und den Schutz der Gesetze zu beanspruchen. DaS. waS wir Ehre nennen, war damit nicht im Mindesten berührt, die wirklichen Folgen aber für die freie Eristenz nahezu vernichtend. »Unsere Begriffe von Ehrlosigkeit stnden hier keine Stelle; die Ehre des Griechen besteht in seiner Theilnahme an bürgerlichen Rechten, und wer diese verloren hat. muß daher vielmehr als bürgerlich todt und vogelfrei betrachtet werden, insofern der Staat ihn gänzlich ignorirt, und namentlich ihm alle Ansprüche aus seinen Schutz entzieht." (K. F. Hermann.) Unserem Begriff steht dagegen die Ehrlosigkeit nahe. welche zu Sparta die Feiglinge traf. Solche konnten kein Amt verwalten, hatten überall den )

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In demselben Sommer nahmen auch die Diktidier das [*]( 421 v. Chr. ) am Athos gelegene Thyssos, eine den Athenern verbündete Stadt.

Diesen ganzen Sommer durch verkehrten Athener und Peloponnesier friedlich unter einander; es hatten aber schon sogleich nach dem Friedensschlüsse Athener und Lakedämonier auf einander Argwohn, weil Keiner dem Andern die eroberten Plätze auslieferte. Die Lakedämonier hatte nämlich das Loos getroffen, mit der Uebergabe von Amphipolis den Anfang zu machen; sie hatten aber weder diese Stadt noch auch die andern Plätze herausgegeben und verhielten auch weder die Bundesgenossen in den Thrakischen Gränzlanden noch auch die Böoter und Korinther zur Annahme des Vertrages, obgleich sie immer die Redensart im Munde führten, sie wollten jene, falls sie sich weigerten, mit den Athenern gemeinsam dazu zwingen, und sie bestimmten sogar auch einen gewissen Zeitpunkt, —jedoch ohne sich schriftlich zu verpflichten —, von welchem an diejenigen, die bis dahin nicht beigetreten wären, von beiden Theilen als Feinde behandelt werden sollten. Als aber die Athener sahen, daß von Allem dem gar Nichts wirklich geschah, so fingen sie an zu argwöhnen, daß die Lakedämonier nichts Gutes im Schilde führten, und sie gaben deßhalb trotz der Forderung jener nicht nur Pylos nicht zurück, sondern es reute sie sogar, die Gefangenen von der Insel herausgegeben zu haben. Und auch die übrigen Plätze behielten sie und wollten abwarten, bis erst jene ihren Verpflichtungen nachkämen.

Die Lakedämonier hingegen behaupteten gethan zu haben, was in ihrer Macht stehe; denn sie hätten die bei ihnen gefangen gehaltenen Athener frei gelassen und ihre Truppen aus den Thrakischen [*]( letzten Platz, keinen Spiel-, Kamps- oder Zeltgenossen, mußten ihre Töchter zu Hause ernähren, oder sanden, wenn sie noch unverehlicht waren, keine Frauen, mußten aus der Straße Jedem aus dem Wege gehen, auch vor Jüngeren ausstehen, im geflickten Rocke und mit halbgeshcoreuem Kopfe einhergehen. Der Spartiate Slristodemos war wegen einer Augenkrankheit vor der Schlacht bei den Thermopylen im Lager zurückgelassen worden, hörte aber doch noch rechtzeitig vom Gang deS Kampfes, so daß er, wie der ebenfalls augenkranke EurytoS sich hätte in die Schlacht führen lassen und mit den Andern den Tod suchen können. Er that dieß aber nicht und war seitdem ehrlos. In der Schlacht bei Platäa verübte er Wunder der Tapferkeit und fand den Tod, wurde aber deßhalb nicht geehrt, weil er um der Schande zu entgehen den Tod habe suchen müssen. herodot VI, 229 ff. )

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[*]( 421 v. Chr. ) Gränzlanden weggezogen und sonst gethan, was ihre Macht erlaubte; über Amphipolis aber seien sie nicht in soweit Herr gewesen, daß sie es hätten übergeben können; die Böoter und Korinther würden sie immer noch zur Annahme des Friedensvertrages zu bewegen suchen, von ihnen auch Panakton herausfordern und alle in Böotien befindlichen Kriegsgefangenen der Athener ihnen zurückverschaffen. Pylos, verlangten sie, solle man ihnen zurückgeben, oder wenn das nicht, so doch wenigstens die Messenier und Heloten herausziehen, wie sie selber es in Thrakien gethan hätten; die Athener könnten ja den Platz selbst besetzen, wenn sie wollten. Nachdem nun im Laufe dieses Sommers oft und viel unterhandelt worden war, bewogen sie die Athener endlich dazu, die Messenier und die Uebrigen, Heloten nämlich und wer sonst aus Lakonika übergelaufen war, aus Pylos zu ziehen. Diese Leute erhielten dann Wohnsitze zu Krania auf Kephallenia. — Diesen Sommer also herrschte Ruhe, und beide Theile verkehrten unter einander.

Im folgenden Winter, — da schon andere Ephoren als die, unter welchen der Vertrag zu Stande gekommen war, die Negierungsgewalt hatten und unter ihnen auch einige Gegner des Friedens, — kamen Gesandte der Bundesgenossenschaft (nach Lakedämon) und auch Athener, Böoter und Korinther waren zugegen, und sie verhandelten da viel unter einander, kamen aber zu keinem Ziel; als nun die Andern schon wieder abgereist waren, knüpften Kleobulos und Lenares, diejenigen unter den Ephoren, welche am meisten den Vertrag zu beseitigen wünschten, mit den Böotern und Korinthern besonders Unterhandlungen an und forderten sie auf, mit einander nur dasselbe Ziel im Auge zu haben; die Böoter sollten versuchen, zuerst für sich selbst Bundesgenossen der Argiver zu werden und dann sich selbst sammt den Argivern mit den Lakedämoniern zu verbünden; so würden sich die Böoter am besten davor schützen, zur Annahme des Attischen Vertrages gezwungen zu werden; denn die etwaige Feindschaft der Athener und eine Auflösung des Vertrages sei für die Lakedämonier nicht von der Bedeutung wie Freundschaft und Wassenbündniß mit den Argivern; sie wußten nämlich wohl, wie die [*]( 35) Vergl. V, 3. )

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Lakedämonier von jeher den Wunsch hegten, es möge zwischen ihnen [*]( 421, v. Chr. ) und Argos auf ehrenvolle Weise ein freundschaftliches Verhältniß, hergestellt werden, weil sie dafür hielten, daß in diesem Fall ein Krieg außerhalb des Peloponnes ihnen weniger drückend falle. Was Panakton betrifft, so baten sie die Böoter, dasselbe an die Lakedämonier zu übergeben, damit sie wo möglich Pylos dafür eintauschen könnten, und so für den Krieg gegen die Athener um so besser gestellt wären.

Nachdem die Böoter und Korinther von Lenares und Kleobulos und deren Freunden jene Aufträge erhalten hatten, um sie ihren Staatsbehörden mitzutheilen, reisten beide Gesandtschaften wieder ab. Aus sie aber warteten von den Argivern zwei Mitglieder der höchsten Obrigkeit auf ihrem Heimwege und traten mit ihnen in Unterhandlung, ob nicht die Böoter sich ebenso mit ihnen verbunden wollten wie die Korinther und- Eleer und Mantineer; denn wenn das zu Stande käme, würden sie ihres Erachtens sowohl zu den Lakedämoniern als auch erforderliches Falles zu jedem Andern leicht in Kriegs- oder Friedensstand treten können, wenn sie wollten, da die Verbündeten ja mit ihnen gemeinsame Sache machen würden. Den Gesandten der Böoter behagten diese Anträge; denn zufällig ersuchten die Argiver eben um das, was die Freunde zu Lakedämon in Auftrag gegeben hatten, und als die Argivischen Männer sahen, daß jene ihnen Gehör gaben, so verabschiedeten sie sich mit dem Versprechen, Gesandte zu den Böotern schicken zu wollen. Die Böoter kamen zu Hause an und meldeten den Böotarchen, welche Aufträge man ihnen von Lakedämon mitgegeben habe ind um was die Argiver ersucht, mit denen sie zusammengetroffen waren. Auch den Böotarchen gefielen diese Dinge, nnd sie gingen um so eifriger darauf ein, weil es sich von zwei Seiten so glücklich traf, daß ihre Freunde unter den Lakedämoniern dasselbe Anliegen hatten, auf welches auch die Argiver hinzielten. Nicht lange danach erschienen denn auch Argivische Gesandte, welche zur Annahme der Vorschläge aufforderten. Die Böotarchen stimmten ihrem Ansuchen bei und entließen sie mit dem Versprechen, Gesandte nach Argos schicken zu wollen, um den Waffenbund zu betreiben.

Unterdessen beschlossen die Böotarchen und die Korinther sammt den Megarern und den Thrakischen Gesandten, sich zuerst

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[*]( 421 v. Chr. ) unter einander gegenseitig Eide zu schwören, im Fall der Noth treulich dem beizustehen, der es bedürfen solle, und weder Krieg zu führen noch Frieden zu schließen ohne gemeinsame Übereinkunft; und so sollten denn sogleich die Boöter und Megarer, — denn hier waltete Einstimmigkeit ob —, mit den Argivern den Vertrag abschließen. Bevor jedoch die Eide geshcworen wurden, machten die Böotarchen darüber Mittheilung an die vier Rathsbehörden der Böoter, welche in allen Dingen die oberste Entscheidung haben, und trugen darauf an, daß alle Städte den Schwur leisten sollten, welche sich ihnen zu gemeinsamem Nutzen eidlich verbinden wollten. Die im Rath der Böoter gingen aber darauf nicht ein aus Besorgniß, sie möchten etwas den Lakedämoniern Anstößiges thun, wenn sie Eidgenossen der Korinther würden, die von jenen abgefallen waren. Denn die Böotarchen hatten ihnen nicht mitgetheilt, welche Nachrichten aus Lakedämon mitgebracht worden waren, — daß nämlich die Ephoren Kleobnlos und Xenares und deren Freunde aufgefordert hatten, zuerst Bundesgenossen der Argiver und Korinther und dann mit diesen Verbündete der Lakedämonier zu werden —, in der Meinung, der Rath werde auch ohne diese Mittheilung nichts Anderes beschließen, als was sie selbst vorher ausgemacht und dann zum Beschluß empfohlen hatten. Da nun so ein Riegel vorgeschoben war, so reisten die Korinther und die von Thrakien gekommenen Gesandten unverrichteter Dinge wieder ab; die Böotarchen aber, welche, wenn sie erst damit durchgedrungen wären, beabsichtigt hatten, den Abschluß eines Waffen- bündnisses mit den Argivern zu versuchen, stellten jetzt gar keine Anträge mehr an die Nathsbehörden in Betreff der Argiver und schickten nicht einmal die versprochene Gesandtschaft nach Argos, wie denn das ganze Geschäft nachlässig und schläfrig betrieben wurde.

In demselben Winter nahmen die Olynthier durch Ueberfall das von den Athenern besetzte Mekyberna.

Danach — denn immer noch wurden zwischen Athenern und Lakedämoniern Verhandlungen gepflogen der Plätze wegen, die sie noch Einer vom Andern in Besitz hatten — oachten die Lakedämonier, wenn die Athener erst Panakton von den Böotern zurückerhielten, so würden auch sie Pylos bekommen. Sie schickten also Gesandte an die Böoter mit dem Ansuchen, ihnen Panakton und die Athenischen

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Kriegsgefangenen auszuliefern, damit sie PyloS dagegen eintaushcen [*](420 v.Chr. ) könnten. ^Dte Böoter. aber, gaben, zur Antwort, sie würden jen^S, unter keiner andern Bedingung herausgeben, als wenn die Lakedämonier mit ihnen ein besonderes Waffenbündniß, wie mit den Athenern, abschlössen. Die Lakedämonier wußten nun zwar, daß damit den Athenern Unrecht geschehe, weil ausgemacht worden war, daß ein Theil ohne den andern weder Krieg führen noch einen Vertrag schließen dürfe, sie wünschten aber gleichwohl, Panakton zu erhalten, um Pylos dagegen einzutaushcen, und da auch diejenigen unter ihnen, welche den Vertrag zu lösen bestrebt waren, die Sache der Böoter eifrig betrieben, so schlössen sie mit denselben zu Ende des WinterS und gegen FrühlingS-Anfang das Waffenbündniß ab. Panakton 'wurde dann sofort dem Erdboden gleich gemacht. Damit ging das eilfte Jahr des Krieges zu Ende