History of the Peloponnesian War
Thucydides
Thucydides. Geschichte des Peloponnesischen Kriegs. Wahrmund, Adolf, translator. Stuttgart: Krais and Hoffmann, 1864.
Die Athener vertreiben die Bewohner von Delos: Kap. 1. — Kleon erobert Torone und zieht gegen Amphipolis: 2. 3. — Athen versucht ohne Erfolg den Leontinern Hülfe gegen Syrakns zu bringen: 4. 5. — Schlacht bei Amphipolis. Kleon fällt; Brasidas siegt und stirbt an seinen Wunden: 6 — 11. — Lakedämonische Verstärkung, nach Thrakien bestimmt, kehrt in Thessalien wieder um: 12. 13. — Stimmung zum Frieden auf beiden Seiten: 14. 15. — Pleistoanax in Sparta und Nikias in Athen betreiben denselben: 16. 17. — Abschluß und Urkunde des Friedens: 18—20.
Elftes Kriegsjahr: 421-20. Kap. 21-39.Die Lakedämonischen Bundesgenossen weigern sich dem Frieden beizutreten: 21. 22. — Schntzbüudniß zwischen Athen und Sparta: 23. 24. — Dessen Bestimmungen werden nicht eingehalten: 25. 26. — Korinther, Mantineer, Eleer und Chalkidier schließen mit Argos ein Gegenbündniß. Argos strebt nach der Vorsteherschaft: 26—32. — Wachsende Spannung zwischen Athen und Sparta: 33—35. — Sparta schließt einen Bund mit Böotien: 36—39.
Zwölftes Kriegsjahr: 420 — 19. Kap. 40—51.Die Argiver suchen Verbindung mit Sparta: 40. 41.— Alkibiades bewirkt einen Bund zwischen Athen und Argos:
Die Böotier nehmen Heraklea. Alkibiades in Achaia: 52. — Krieg zwischen Argos und Epidauros: 53. — Die Lakedämonier ziehen gegen Leuktra: 54. — Verhandlungen zu Mantinea: 55. — Epidaurische Angelegenheiten: 56.
Vierzehntes Kriegsjahr: 413—17. Kap. 57—81.Die Lakedämonier und Verbündete ziehen vor Argos. Die beiderseitigen Feldherrn schließen ein friedliches Uebereinkommen ab: 57—60. — Die Argiver und Verbündete billigen dasselbe nicht und nehmen Orchomenos: 61. — ziehen gegen Tegea: 62. — Die Lakedämonier ziehen Tegea zu Hülfe und siegen bei Mantinea: 63—74. — Die Argiver müssen, einen Vertrag und dann einen Waffenbund mit Sparta eingehen: 75—80, welches nun in Sikyon und Argos eine oligarchische Verfassung herstellt: 81.
Fünfzehntes Kriegsjahr: 417 — 16. Kap. 82. 63.Umwälzung in Argos; die Volkspartei behält die Oberhand.
Sechzehntes Kriegsjahr: 416—15. Kap. 64—116.Unternehmung der Athener gegen Melos: 84. — Verhandlungen zwischen Athenern und Meliern: 85—113. — Die Stadt der Melier wird genommen; die Melier geschlachtet oder geknechtet. Melos wird Athenische Kolonie: 114—116.
Im folgenden Sommer war der auf ein Jahr abgeschlos- [*]( 422 v. Chr. ) sene Vertrag erloshcen und galt nur noch für die Tage des Pythischen Festes'). Noch während des Waffenstillstandes hatten die Athener die Delier von ihrer Insel abziehen heißen, weil sie dieselben irgend einer alten Schuld wegen nicht für rein genug hielten, dem Gotte geweiht zu bleiben. Dieß, dachten sie, fehle noch zu jener Reinigung, bei der sie mit Wegschaffung der Todtenfärge genug gethan zu haben glaubten, wie ich früher erzählt habe 2). Die Delier nun siedelten sich, sowie Einer nach dem Andern von dort ausgebrochen war, in Atramyttion in Asien an, welches ihnen Pharnakes angewiesen hatte.
Kleon aber hatte die Athener zu einem Zuge gegen die Thrakischen Gränzlande beredet und, nachdem der Waffenstillstand abgelaufen, segelte er dahin ab mit zwölfhundert Schwerbewaffneten und dreihundert Reitern aus den Athenern und einer noch größeren Zahl von Bundesgenossen, auf dreißig Schiffen. Zuerst landete er bei Skione, das noch belagert wurde, verstärkte aus den dortigen Belagerungstruppen seine Schwerbewaffneten und segelte dann nach dem Hasen der Kolophonier, der von der Toronäer Stadt nicht weit abliegt. Als er da von Ueberläufern erfuhr, daß weder Brasidas [*]( 1) DaS Fest der Pythischen Spiele in Delphi, für das nächste Somm?rhalbjahr 421 auf die Tage vom 29. März bis 12. April fallend. Während dieser Zeit sollten auch ohne besonderen Waffenstillstand die Feindseligkeiten ruhen. ) [*]( 2) Vergl. III, 104 und l, 8. ) [*]( 3) Persischer Statthalter der Daökylitischen Provinz. ) [*]( Thukydides. V. ) [*]( 1 )
Diese Mauer nun zu vertheidigen eilten Pasitelldas, Anführer der Lakedämonier, und die noch anwesende Besatzung herbei und suchten die Athener abzuwehren. Da sie aber hart bedrängt wurden und auch die zur Kreuzung ausgesandten Schiffe im Hafen ershcienen, so fürchtete Pasitelidas, die Schiffe möchten ihm zuvorkommen und die unbesetzte Stadt wegnehmen, und er selbst könnte bei der Erstürmung der neuen Mauer mit gefangen werden; deßhalb gab er diese auf und eilte im Laufschritt der Stadt zu. Derweilen hatten aber die Athener von den Schiffen Torone schon im ersten Anschrei genommen, und zugleich drang das nachrückende Fußvolk da ein, wo die alte Mauer niedergerissen war. Einen Theil der Peloponnesier und Toronäer tödteten sie im Handgemenge sogleich, die Andern nahmen sie gefangen und darunter Pasitelidas, den Anführer. Indeß rückte Brasidas zum Entsatz von Torone heran; da er aber unter» wegs die Einnahme der Stadt erfuhr, so zog er sich wieder zurück; er war aber nur um etwa vierzig Stadien zu weit entfernt,^ sonst hatte er die Eroberung noch hindern können. Kleon aber und die Athener stellten zwei Siegeszeichen auf, das eine beim Hafen, das andere an der neuen Mauer, und der Toronäer Weiber und Kinder machten sie zu Sklaven, sie selbst aber und die Peloponnesier und den einen oder anderen Chalkidier, die dabei waren, im Ganzen ihrer sieben Hundert, schickten sie nach Athen. Was von Peloponnesi ern darunter war, ging später beim Abschlüsse des Vertrags wieder in die Heimat, die Uebrigen wurden von den Olynthiern Mann gegen Mann ausgetauscht und heimgeführt. — Um dieselbe Zeit nahmen auch die Böotier die athenische Gränzfestung Panakton durch Verrath. — Kleon nun, nachdem er in Torone eine Besatzung zurück [*]( 4) Eines für die Seesoldaten, das Andere für die Landtruppen. )
Um dieselbe Zeit ging auch Phäax, des Erasisiratos Sohn, in See, den die Athener stlbdritt als Gesandten für Italien und Sicilien mit zwei Schiffen abschickten. Es hatten nämlich, als damals nach dem Vertragsschluß die Athener aus Sicilien abgezogen waren, die Leontiner viele neue Bürger gemacht, und das Volk dachte das Land unter sich neu auszutheilen. Wie aber die Reichen das merkten, riefen sie die Syrakusier herbei und trieben die Volkspartei ' aus der Stadt. Diese nun zerstreuten sich über das Land, der Eine dahin, der Andere dorthin; die Reichen aber trafen einen Vergleich mit den Syrakusiern, wonach sie ihre Stadt öde und leer ließen und sich mit dem Bürgerrecht in Syrakus ansiedelten. Nicht lange Zeit danach aber zogen Einige wieder aus Syrakus weg, weil es ihnen dort nicht gefiel, und besetzten Phokää, einen Platz dieses Namens im Stadtgebiet der Leontiner, und Brikinniä, eine Festung im Leontinischen. Da kamen nun zu ihnen die Meisten von der Volkspartei, die damals ausgetrieben worden war, und führten aus diesen festen Stellungen Krieg ^gegen die Syrakusier^. Das hatten die Athener erfahren und schickten nun den Phäax hin, ob sie wohl ihre dortigen Bundesgenossen und wo möglich alle Sikelioten dazu bewegen könnten, insgemein gegen die Syrakusier zu Felde zu ziehen, weil diese die Obmacht anstrebten, und ob sie die Volkspartei der Leontiner auf diese Weise retten könnten. Nachdem Phäax dort angekommen war, gewann er für sich die Kamarinäer und Akragantiner, da er aber in Gela Hindernisse fand, so ging er weiter nicht zu den Andern, denn er merkte, daß sie sich nicht würden bereden lassen, sondern nahm den Rückweg durch das Land der Sikuler^) nach Katana, und nachdem er im Vorbeireisen auch Brikinniä besucht und denen dort Muth eingesprochen hatte, schiffte er wieder heimwärts.
Auf der Ueberfahrt nach Sicilien und auch wieder auf seiner Rückfahrt hatte Phäax mit einigen Städten in Italien wegen [*]( 5) Die Chalkidischen Städte und Kamarina. Vergl. lll, 86 ff. ) [*]( 6) Sikelioten heißen hier die Einwohner SicilienS, welche griechischen Ursprungs waren, Sikuler die von barbarischer Abstammung. ) [*](1* )
Kleon aber, nachdem er damals von Torone gegen Amphipolis gesegelt war, setzte sich in E'l'on fest und machte von da aus einen Angriff auf Stageiros, eine Pflanzstadt der Andrier, nahm sie jedoch nicht; Galepsos aber, die Pflanzstadt der Thasier, nahm er mit Gewalt. Auch schickte er Gesandte an den Perdikkas, daß er der Bundespflicht gemäß mit einem Heere ershceine, und andere nach Thrakien zum Odomanter-König Polles, daß er Thrakische Söldner in möglichster Zahl zuführe. Er selbst verhielt sich in der Gegend von E'l'on ruhig. Brasidas aber, als er hievon Kenntniß erhielt, nahm bei Kerdylion selbst eine Stellung gegen jenen. Dieser Platz gehört den Argiliern und liegt jenseits des Flusses auf einer Höhe, nicht sehr weit von Amphipolis entfernt, und von hier aus konnte die ganze Gegend eingesehen werden, so daß es nicht unbemerkt hätte bleiben können, wenn Kleon mit dem Heere von dort aufgebrochen wäre. Brasidas erwartete nämlich, daß Kleon dieß wirklich thun und aus Geringschätzung ihrer unbedeutenden Zahl mit dem eben anwesenden Heere gegen Amphipolis ziehen werde. Zugleich [*]( 7) Kerdylion an der Westseite des Strymvn, etwas über eine Viertelmeile entfernt, während die Stadt aus einer Anhöhe der Ostseite deS Flusses lag, der hier einen Halbkreis bildete. Vergl. IV, 102 und über die Brücke IV, los. (Kr.) )
Eine Zeit lang nun hielt sich Kleon ruhig, dann wurde er aber doch genöthigt zu< thun, was Brasidas erwartet hatte. Seine Soldaten waren nämlich über das unthätige Stillsitzen unwirsch und stellten Vergleiche an, mit welchem Unverstände und welcher Mattherzigkeit gegenüber solcher Erfahrung und Kühnheit der Feldzug von Seiten des Kleon werde geführt werden; dazu waren sie schon von Haus aus nur widerwillig unter seiner Führung ausgezogen. Da er nun den Wind merkte und nicht wollte, daß sie sich durch längeres unthätiges Verweilen belästigt fühlten, so hieß er sie aufbrechen und führte sie aus Ei'on. Und auf dieselbe Art, die ihm bei Pylos so glückliche Früchte getragen hatte, — weßhalb er sich denn auch sehr klug dünkte — verfuhr er auch hier. Er glaubte nämlich gar nicht, daß Einer zur Schlacht gegen ihn ausziehen werde, sondern sagte, daß er nur ausziehe, um die Gegend in Augenschein zu nehmen. Er kam also und ließ sein Heer vor Amphipolis auf einem starken Hügel Stellung nehmen, während er selbst die Sumpfgegend des Strymon und die Lage der Stadt gegen Thrakien hin untersuchte. Er dachte aber, zu jeder Zeit, wann er nur wolle, ohne Kampf abziehen zu können; denn weder zeigte sich Jemand auf den Mauern, noch zogen welche zu den Thoren heraus, sondern es blieben diese alle geschlossen. Deßhalb rechnete er es sich auch als einen Fehler an, daß er keine Maschinen von Athen mitgenommen habe; denn mit diesen, dachte er, hätte er die von Vertheidigern entblößte Stadt gewiß genommen.
BrasidaS aber, sobald er die Bewegungen der Athener wahrnahm, verließ sogleich auch seine Stellung bei Kerdylion und zog hinab in die Stadt. Dock unternahm er es nicht gegen die Athener auszuziehen und sich in Schlachtordnung aufzustellen, denn er scheute
,,Ihr peloponnesischen Männer, es möge genügen, euch kurz zu erinnern, aus wie berühmtem Lande wir hieher gekommen sind, und daß unser Muth dasselbe immer frei erhalten hat; dann auch, daß ihr als Dorier gegen Jonier zu kämpfen im Begriff seid, die ihr immer zu besiegen gewohnt wäret. Ich will euch nun zeigen, auf welche Art ich den Angriff zu unternehmen gedenke, damit es euch nicht unzureichend dünke, daß wir in geringer Zahl und nicht mit gesammter Macht ausziehen, und damit Keiner deßhalb muthlos werde. Ich vermuthe nämlich, daß die Feinde mit Verachtung unser hieher gegen die Stadt gerückt sind und wohl gar nicht darauf gerechnet haben, daß Einer zum Kampf gegen sie ausziehe; und jetzt glaube ich, daß sie sich ohne Ordnung und sorglos mit Untersuchung der Gegend beschäftigen. Wer aber solche Fehler seiner Gegner am besten durchschaut und zugleich nach dem Verhältniß seiner eigenen Macht den Angriff nicht sowohl ans offener Schlachtaufstellung unternimmt als vielmehr nach dem Vortheil, den der Augenblick bietet, der möchte wohl am meisten ausrichten. Und dergleichen erstohlene Erfolge gewähren den schönsten Ruhm; denn so täuscht Einer den Feind auf's
Nach diesen Worten schickte sich Brasidas selbst zum Ausfall an und stellte auch die Andern unter Klearidas beim sogenannten Thrakischen Thore auf, damit sie ipäter, wie ausgemacht worden war. herausbrechen sollten. Da nun sein Abzug von Kerdylion ganz offen geschehen war, und man sah, wie er in der Stadt, die von Außen her eingesehen werden konnte, beim Tempel der Athene opferte nnd
Er marfchirte also durch das Thor bei dem Psahlwerk, daS erste in der langen Mauer, wie sie damals war, heraus, schlug den geraden Weg nach der Gegend ein, wo jetzt an dem stärksten Punkt des Platzes das Siegeszeichen steht, fiel in die Athener, welche wegen ihrer eigenen Unordnung nicht weniger als über die Kühnheit jenes in Furcht geriethen, und drang nach der Mitte des Heeres vor. Und zugleich fiel auch Klearidas, wie verabredet war, durch das Thrakische Thor heraus und stürzte sich auf das Heer los. So geriethen die Athener also durch den unerwarteten plötzlichen Angriff auf zwei Seiten in Verwirrung, und ihr linker Flügel, der mehr gegen Ei'on hin stand und bereits auch einen Vorsprung hatte, riß sich sogleich ab und lief davon. Da wird Brasidas, der sich beim Weichen dieses Flügels nun gegen den rechten wendete, verwundet und die Athe [*]( 8) Brasidas zog den Speer, der ihn getroffen halte, aus seinem Körper und tidtele mit eben demselben denjenigen, der ihn verwundet hatte. Plutarch. )
So war also bereits das ganze Heer der Athener geschlagen, und nur mit Mühe und aus vielen Wegen flüchteten die über das Gebirge, welche nicht sogleich im Handgemenge geblieben oder von der Ehalkidischen Reiterei und den leichten Schildträgern getödtet worden waren. Die Uebrigen entkamen nach Ei'on. Die den Brasidas aufgehoben und aus dem Schlachtgetümmel gerettet hatten, brachten ihn noch athmend in die Stadt; daß die Seinigen gesiegt, hörte er noch; danach aber gab er rasch den Geist aus. Das übrige Heer, als es unter Klearidas von der Verfolgung zurückkehrte, zog den Todten die Waffenrüstung aus und stellte ein Siegeszeichen'aus.
' Danach begruben den Brasidas die Bundesgenossen, insgesammt in Waffen ihm das Geleit gebend, auf öffentliche Kosten in der Stadt vor dem Platz, wo jetzt der Markt ist; und die Amphipoliten zogen später eine Einfassung um sein Grabmal und opfern ihm in die Erde als einem Heros, und haben zu seinen Ehren Kampfspiele und ähnliche Opfer eingeführt und legen ihm auch die Gründung ihrer Stadt bei, als habe er den Grund dazu gelegt; die HagnonishcenGebäude aber rissen sie nieder und machten dem Boden gleich, was sonst noch als Erinnerungszeichen an die Gründung der Stadt durch diesen Mann hätte dienen können; denn Brasidas, [*]( 9) Wenn einem Herde, d. h. einem der Helden der Vorzeit, welche als Schutzpatrone einzelner Landschaften verehrt wurden, oder überhaupt für Verstorbene Opfer gebracht wurden, so wurde der Kopf des Opserthieres zur Erde gedrückt; galt das Opfer aber einem Gotte, fo wurde der Hals auswärts gedieht. ) [*]( 10) Der Athener Hagnon, des Nikias Sohn hatte die Kolonie gegründet, nur 18 Jahre vor diesen Ereignissen. Vergl. IV, 104. )
Um dieselbe Zeit gegen Ende des Sommers führten die Lakedämonier Namphias und Autocharidas und Epikydidas eine Hülsstruppe von neun Hundert Schwerbewaffneten nach den Thrakischen Gränzlanden, und als sie nach dem Trachinischen Heraklca '') kamen, änderten sie, was an den dortigen Verhältnissen ihnen nickt gefallen wollte. Während sie nun hier verweilten, fiel jene Schlacht vor, und so ging der Sommer zu Ende.
Sogleich als der Winter eintrat zog die Truppe des Ramphias in Thessalien weiter und kam bis Pierion; da aber jetzt die Thessaler den Durchzug wehrten, und Brasidas, dem sie das Heer zuführen wollten, überdieß nicht mehr am Leben war, so marschirten sie wieder nach Hause zurück. Denn sie dachten, es sei jetzt nicht mehr der rechte Zeitpunkt, nachdem die Athener geschlagen und schon abgezogen wären; und sie hielten sich auch nicht für die Männer, um das auszuführen, was jener im Plane hatte. Hauptsächlich aber marshcirten sie deßhalb zurück, weil sie wußten, daß die Lakedämonier zur Zeit ihres Ausmarsches mehr dem Frieden zugeneigt waren.
Es geschah aber sogleich nach der Schlacht bei Amphipolis und dem Rückzüge des Ramphias aus Thessalien, daß keiner von beiden Theilen mehr sich an Kriegsunternehmungen wagen wollte, sondern beide ihre Gedanken mehr auf Frieden wendeten; die Athener, [*]( 11 Vergl. III, 92. )
Solche Ueberlegungen pflogen beide Parteien, und beide glaubten deßhalb, man solle einen Frieden abschließen. Auch hatten die Lakedämonier keine geringe Sehnsucht, ihre Leute von der Insel zurückzuerhalten; denn es waren darunter die vornehmsten Männer unter den Spartiaten und mit ihnen allen gleicherweise verwandt. Sie hatten darum auch sogleich nach ihrer Gefangennehmimg ihretwegen zu unterhandeln angefangen, aber die Athener in ihrem Glücke wollten durchaus keinen Frieden abschließen, der beide Theile auf gleichem Fuße ließ. Nachdem diese aber bei Delion eine Schlacht ver [*]( 12) Vergl. l, 101 ff. )
Als nun aber auch die Niederlage von Amphipolis die Athener betroffen hatte und Kleon und Brasidas nicht mehr am Leben waren, welche auf beiden Seiten dem Frieden am meisten entgegen- arbeiteten, — Brasidas, weil er glücklich war und der Krieg ihm Ruhm brachte, Kleon aber, weil er glaubte, daß nach wiedergekehrter Ruhe seine 'Schurkenstreiche eher an's Licht kommen und seine Verläumdüngen weniger Glauben finden würden; so konnten demnach in Athen wie in Sparta die beiden Männer, welche am eifrigsten den ersten Rang für sich erstrebten, nämlich Pleistoanax, des Pausanias Sohn, König der Lakedämonier, und Nikias, Sohn des Nikeratos, damals der glücklichste Feldherr, um so eifriger zum Frieden arbeiten. Nikias nämlich, der nie ein Unglück erfahren und hoch geehrt wurde, wünschte auch weiterhin sein Glück zu bewahren und für die Zukunft sowohl selbst der Mühseligkeit überhoben zu sein, als auch seine Mitbürger davon zu befreien; auch wollte er der kommenden Zeit den Ruf hinterlassen, als ob er sein ganzes Leben hindurch dem Staate niemals einen Unfall veranlaßt habe; das aber, glaubte er, werde Einem in gefahrloser Zeit zu Theil, und wenn Einer sich den Launen des Glücks so wenig als möglich aussetze; Gefahrlosigkeit aber werde der Friede gewähren ^). [*]( 13) Zlristophane», Ritter, V. Kl ff. — Dem Demoß (Volk) Singt er Orakel vor, daß ganz sibyllisch Dem Alten wird, und dumm und dämisch. Merkt Er (Kleon) das. dann-intriguirt er, lügt, verläumdet UnS all' im Haus, und unser Lohn sind Prügel. Dann laust er hin zu Jedem, schimpft, rumort. Schwatzt uns Geschenk ab, fordert, droht, der Schurke! und ebenda V. bl>2. Nein, Raub und Bestechung, das suchst d» allein in den Städten des Bundes; der Demos Der sieht vor dem Staub und Getümmel deS Kriegs nicht mehr wie du bübisch handthierest. ) [*]( 17) In den Rittern brachte AristophaneS den NikiaS in der Person eine? )
Pleistoanax hingegen wurde von seinen Feinden wegen seiner [*]( 422 v. Chr. ) Rückkehr aus der Verbannung verläumdet und mußte seinen Namen > den Lakedämoniern gegenüber von jenen immer gemißbraucht hören; denn so oft den Staat ein Unglück traf, hieß es immer, das komme von der gesetzwidrigen Zurückberufung des Pleistoanax. Sie beschuldigten ihn nämlich: er mit seinem Bruder Aristokles habe die Oberpriesterin in Delphi beredet, den Lakedämoniern, wann sie in heiliger Sendung kamen, lange Zeit immer wieder das Orakel zu geben: „des Halbgottes und Zeussohnes Samen sollten sie von fremder Erde in die heimische zurückführen, sonst würden sie mit silberner Pflugschaar pflügen müssen" und so habe er endlich die Lakedämonier dahin gebracht, ihn aus seinem Zufluchtsort, dem Lykäon IV, — wo er wegen seines vermeintlich durch Bestechung erkauften Rückzuges aus Attika in der Verbannung lebte und aus Furcht vor den Lakedämoniern damals in einem Hause wohnte, das zur Hälfte auf dem Grunde des Zeusheiligthums stand — nach [*]( Sklaven, des Mitsklaven von Kleon und Demosthenes, ans die Bühne. Er wird da als bigott, furchtsam, weinerlich geschildert. Er erholte sich aus Mangel an Selbstvertrauen, während es bei Kleon Heuchelei war, Rath bei Wahrsagern und Orakelkrämern. Er wollte den Frieden um jeden Preis und zwar aus Furchtsamkeit, welcher Vorwurf auch aus der euphemistischen Ausdrucksweise des Thukydides herauszulesen ist. Plaß, Geschichte Griechenlands: Nikias war ein Mann von äußerst beschränkten Geistesgaben, aber vom Glücke mit einem ungewöhnlich großen Vermögen beschenkt und auf manchen Erpeditionen begünstigt; ein Mann, der seinerseits zu den Aristokraten gehörte und nach Abgang des älteren Thukydides als Haupt einer schwachen Opposition sich dem Perikles, später dem Kleon entgegenstellte, der aber andererseits zu furchtsam war, um anders als höchst schüchtern gegen den Pöbel zu reden, der deßhalb auch immer große Liebe bei diesem genoß und die Gewogenheit der Gemeinen durch eine Freigebigkeit steigerte, welche er in gleichem Grade gegen einzelne Bedürftige, wie durch Aufopferung für öffentliche Feste bewies. — Die Feigheit der gemäßigten Partei des Nikias ist neben der stumpfsinnigen Verblüfftheit deS Volks nach Aristophcmes die Hauptursache, warum Kleon so hoch steigen konnte. (Seeger. Uebeltrieben.) ) [*]( 15) Der Zeussohn und Halbgott ist Herakles, von dem die spartanischen Könige abstammen. Das Orakel bedeutet: ed werde HungerSnoth entstehen, so daß man im Lande kein Getreide finde, sondern dasselbe von auswärts durch Silber erkaufen müsse. ) [*]( 16) Berg in Arkadien. ) [*]( 17) Damit die Lakedämonier aus Scheu, das Heiligthum zu verletzen, ihn nicht onnten ausheben lassen. Der geheiligte Theil des Hauses diente ihm als Zufluchtsort )
Diese Verläumdung nun war ihm sehr lästig und dazu glaubte er, daß wenn Frieden eintrete, den Staat kein Unglück mehr betreffen könne, und auch zugleich die Lakedämonischen Gefangenen zurückkommen würden, und dann wäre er seinen Feinden unantastbar; so lange aber Krieg sei, wären die hervorragenden Männer in Folge von Unglücksfällen nothwendig immer der Verläumdung ausgesetzt; und deßhalb wünschte er eifrig den Frieden. Diesen Winter über nun wurde beiderseits verhandelt, und gegen den Frühling hin drohten bereits die Lakedämonier mit neuen Rüstungen, die sie durch die Städte ansagen ließen, gleich als beabsichtigten sie eine Belagerung, damit die Athener eher Gehör geben sollten. Bei den Verhandlungen nun wurden beiderseits viele Ansprüche vorgebracht, doch traf man 'eine Vereinbarung dahin, der Friede solle unter der Bedingung geschlossen werden, daß beide Theile, was sie durch Kampf gewonnen, zurückgäben. Nisäa aber sollten die Athener behalten; als diese nämlich die Herausgabe von Platäa verlangten, erklärten die Thebaner, sie hätten den Platz nicht durch Gewalt oder Verrath, sondern durch freiwillige Uebergabe seitens der Platäer in ihren Besitz gebracht, gerade wie die Athener Nisäa. Daraus riefen die Lakedämonier ihre Bundesgenossen zusammen, und da mit Ausnahme der Böotier und Korinther nnd Eleer und Megarer, welche nicht einverstanden waren, die Andern für den Frieden stimmten, so schlössen sie den Vertrag ab und bekräftigten ihn gegen die Athener, wie diese gegen die Lakedämonier, durch Opfer und Eidschwur. Er lautete aber so:
„Es haben Frieden geschlossen die Athener und die Lakedämonier und ihre Bundesgenossen unter diesen Bedingungen, auf welche alle Städte geschworen haben:
„Was die gemeinsamen Heiligthümer betrifft, so mag opfern [*]( im Falle eines Angriffs, und der andere als gewöhnlicher Aufenthalt, um nicht durch alltägliche Verrichtungen den geheiligten Theil entweihen zu müssen. — Ueber Pleistoanar vergl. auch l, N4 und II, 21. )
,,Fünfzig Jahre soll der Friede bestehen zwischen den Athenern und den Bundesgenossen der Athener und den Lakedämoniern und den Bundesgenossen der Lakedämonier ohne Arglist und Gefährde zu Wasser und zu Lande."
„Waffen tragen zur Schädigung dürfen weder die Lakedämonier und ihre Bundesgenossen gegen die Athener und ihre Bundesgenossen, noch auch die Athener und ihre Bundesgenossen gegen die Lakedämonier und ihre Bundesgenossen, auf keinerlei Art und Weise."
„Wenn sie aber unter einander eine Streitsache haben, so sollen sie des Rechts gebrauchen und Eide schwören, wie sie unter einander vereinbart haben."
„Die Lakedämonier und Bundesgenossen sollen den Athenern Amphipolis zurückgeben."
„In allen Städten, welche die Lakedämonier an die Athener zurückgeben, sollen die Einwohner ausziehen dürfen, wohin sie wollen, sie selbst sammt Hab und Gut. Die Städte sollen nur den von AristideS festgesetzten Beitrag leisten und ihre eigenen Versassungen behalten. Und vom Abschluß des Friedens an dürfen die Athener und ihre Bundesgenossen die Städte, wenn sie ihre Steuer leisten, nicht mit gewaffneter Hand angreifen. Es sind aber diese Städte: Argilos, Stagciros, Akanthos, Skolos, Olynthos, Spartolos. Diese sollen neutral sein, weder den Lakedämoniern noch den Athenern verbündet. Wenn aber die Athener diese Städte überreden können, daß sie mit ihrem freien Willen in den Waffenbund der Athener treten, so soll ihnen das erlaubt sein." [*]( 18) Für die Freiheit deS alten dorischen StammheiligthumS sorgen die Lakedämonier. In Delphi regierte uralter Adel, die Deulalivniden. an seiner Spitze fünf Geweihte, die den Orakeldienst besorgten. ) [*]( 19) Dieser Tribut galt nur als Bundeskontingent, nicht als Abgabe. Vergl. l, S6. (Ar.) )
[*]( 42 v. Chr. ) „In Mekybernä und Sana und Singä sollen die Bürger dieselben Freiheiten haben wie die Olynthier und die Akanthier."
„Die Lakedämonier und ihre Bundesgenossen sollen den Athenern auch Panakton zurückgeben."
„Die Athener sollen den Lakedämoniern Koryphasion und Kythera und Methone und Pteleon und Atalante zurückgeben und dergleichen auch alle Männer, die den Lakedämoniern angehören und zu Athen oder sonstwo auf Athenischem Gebiet in Gewahrsam sind. Auch sollen sie die in Skione belagerten Peloponnesier sowie alle Bundesgenossen der Lakedämonier, die dort sind, freigeben und auch Alle diejenigen, welche Brasidas dorthin geschickt hat, deßgleichen auch alle Bundesgenossen der Lakedämonier, die zu Athen oder sonstwo im Gebiet der Athener in Gewahrsam sind. Gleicher Weise sollen auch die Lakedämonier und ihre Bundesgenossen die bei ihnen gefangenen Athener und Bundesgenossen freigeben."
„Was aber die Skionäer und Toronäer und Sermylier betrifft, und welche Stadt sonst noch die Athener bereits genommen haben, über diese und die andern Städte sollen die Athener nach Gutdünken beschließen."
„Es sollen die Athener in allen Städten der Lakedämonier und ihrer Bundesgenossen den Eid schwören. Beide Theile sollen aber den Eid schwören, der nach der Landessitte der höchste ist, Männer aus jeder Stadt für sich. Der Schwur soll so lauten: „„Ich werde diesen Frieden und diese Verträge in Treuen und ohne Arglist beobachten." " Ebenso sollen auch die Lakedämonier und ihre Bundesgenossen den Athenern den Schwur leisten, und beide Theile sollen jedes Jahr den Schwur erneuern."
„Denksäulensollen errichtet werden zu Olympia und Pytho und auf dem Jsthmos und zu Athen in der Stadt und zu Lakedämon im Amykläon" 2').
„Wenn aber einer von beiden Theilen irgend etwas zu erwähnen vergessen hat, so soll es für Beide im Eide einbegriffen sein, daß sie unter rechtsgemäßem Verfahren Abänderungen treffen, wie sich beide Theile einigen, Athener und Lakedämonier." [*]( 20) Säulen, auf welchen die FiiedcnSbedimiungen eingeschrieben waren. ) [*]( 21) Pytho ist Delphi. Das Amykläon ein Apollohciligthum bei Sparta. )
„Es beginnt die Wirksamkeit des Vertrages unter dem [*]( 421 v. Chr. ) Ephoren Pleistolas am siebenten Tage des absteigenden Monds Artemisios, und unter dem athenischen Archonten Alkäos am fünften Tage des absteigenden Monds Elaphebolion ^). Die Eidschwüre und Opfer haben vollzogen von Seiten der Lakedämonier: Pleistoanax, Agis, Pleistolas, Damagetos, Chionis, Metagenes, Akanthos, DaVthos, Jschagoras, Philocharidas, Zeuxidas, Antippos, Tellis, Alkinidas, Empedias, Menas, Laphilos, — von Seiten der Athener Lampon, Jsthmionikos, Nikias, Laches, Euthydemos, Prokles, Pythodoros, Hagnon, Myrtilos, Thrasykles, Theagenes, Aristokrates, Jolkios, Timokrates, Leon, Lamachos, Demosthenes."