History of the Peloponnesian War

Thucydides

Thucydides. Geschichte des Peloponnesischen Kriegs. Wahrmund, Adolf, translator. Stuttgart: Krais and Hoffmann, 1864.

„Aber, sofern wir klug sind, sollten wir gar nicht ein Jeder zu seinem eigenen Vortheil reden, sondern darüber, ob wir die ganze Insel Sicilien, die, wie ich glaube, von den Athenern gefährdet ist, noch vor ihnen retten können. Ihr müsset in den Athenern selbst einen viel zwingenderen Grund zur Versöhnung sehen, als in meinen Reden; sie sind eS, die unter allen Hellenen die größte Macht besitzen und mit einer Zahl von Schiffen bei uns den Brand schüren, indem sie ihre von Natur feindlichen Absichten beschönigend, sie mit dem Namen rechtskräftiger Bundesgenossenschaft bedecken und dabei ihren Vortheil erreichen. Denn wenn wir selbst den Bürgerkrieg begannen und sie herbeiriefen, Leute, die sich sonst nicht erst rufen lassen, sondern aus eigener Bewegung Andere bekriegen, und wenn wir uns nun mit eigenem Geld und Blut einander selbst weh thun und jene zugleich in ihrer Herrschaft fördern, so ist es ganz natürlich, daß, wenn sie uns erst einmal aufgerieben sehen, sie mit einer größeren Flotte kommen werden, um sich hier Alles zu unterwerfen."

„Und wir sollten doch eigentlich, wenn wir klug sind, lieber solche Bundesgenossen herbeiführen, welche uns neuen Besitz erwerben, als solche, die uns am eigenen Besitz schädigen. Denn mit Solchen nehmen wir ja selbst die Gefahr in's eigene Haus. Wir müssen uns überzeugen, daß Bürgerkrieg die einzelnen Staaten sowohl, wie unsere ganze Insel am sichersten zu Grunde richte. Stellen wir Einwohner

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[*]( 424 v. Chr. ) Siciliens doch Alle einander nach und sind nach den einzelnen Städten feindlich geschieden! Das sollten wir doch einmal einsehen und uns Bürger mit Bürger und Stadt mit Stadt aussöhnen und so ganz Sicilien zu retten suchen! Und Keiner soll sich einbilden, daß, wenn die Dorischer Herkunft unter uns von den Athenern bekriegt werden, die chalkidischer Abstammung der Ionischen Blutsverwandtschaft wegen in Sicherheit seien. Denn nicht gegen die Völkerschaften, weil sie der Abstammung nach gespalten sind, führen die Athener aus Haß gegen den einen Theil Krieg, sondern weil sie nach den Gütern Siciliens begehren, deren wir uns gemeinsam erfreuen. Das haben sie deutlich gezeigt, als sie Seitens des chalkidischen Stammes angerufen wurden; denn Leuten, die ihnen niemals der Bundesgenossenschaft gemäß Zuzug geleistet hatten, haben sie ihrerseits die Bundespflicht über Erheischen des Vertrags hinaus bereitwilligst geleistet. Daß nun die Athener in solcher Art nach Vergrößerung streben und ihre Netze ausstellen, das verzeihe ich ihnen ohne Weiteres, und ich tadle überhaupt nicht die, welche Herrschaft wollen, sondern die, welche allzu bereitwillig sind, das Joch des Gehorchens auf sich zu nehmen. Denn die Menschen sind nun einmal durchweg so geartet, daß sie sich den unterwerfen, der nachgibt, aber auch, daß sie sich gegen den Angriff schützen. Wir Alle nun, die dieß wissen und uns doch nicht nach Pflicht vorsehen, und Jeder, der hieher gekommen ist, ohne die Hauptsache darin zu sehen, daß Alle insgesammt die gemeinsame Gefahr zum glücklichen Ausgang zu wenden haben, der fehlt groß. Dem wäre aber schnell abgeholfen, wenn wir uns nur unter einander aussöhnen wollten; denn die Athener können den Krieg nicht von ihrem eigenen Gebiet aus führen, sondern nur vom Gebiete Solcher, die sie in's Land rufen. Und so würde nicht Krieg durch Krieg, sondern Zwiespalt durch Frieden ohne Mühe zu Ende gebracht, und die herbeigerufenen Fremden, die zwar inter wohlklingendem Vorwand, aber mit ungerechter Absicht gekommen sind, können mit Fug und Recht unverrichteter Dinge heimgeschickt werden."

„So groß ist der Vortheil, der uns aus emem vernunftigen Entschlüsse den Athenern gegenüber erwächst; warum sollten wir nun nicht aber auch das, was von Allen für das Vvrt heil hafte st e gehalten wird, den Frieden nämlich, unter uns selbst herstellen? Oder

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glaubt ihr etwa, wenn jetzt noch Manches besteht, was dem Einen [*]( 424 v. Chr. ) zwar vortheilhast, dem Andern aber das Gegentheil davon ist, daß< nicht viel eher der Friede als der Krieg das Nachtheilige Beiden aus dem Wege räumen, das Vortheilhafte aber für Beide in gleicher Weise erhalten werde? Oder daß der Friede uns nicht Ruhm und Glanz und was sonst Alles, wovon ich jetzt nicht viele Worte machen will, mit geringerer Gefahr gewähren werde? Das bedenket wohl und überseht nicht, was ich vorbringe, erwartet vielmehr von seiner Befolgung eure Rettung! Wenn aber Einer, mag er sich nun auf sein Recht, oder auf die Gewalt steifen, des Erfolges ganz sicher zu fein glaubt, so sehe er doch zu, daß er nicht bitter enttäuscht werde, und bedenke, daß schon gar Viele, die aus Rachegefühl ihren Beleidigern zu Leibe gingen, und Andere, die in ihrer Uebermacht Bürgschaft des Gewinns sahen, — die Einen nicht nur keine Rache fanden, sondern sogar selbst zu Grunde gingen, die Andern aber, anstatt zu gewinnen, ihr Hab und Gut verloren. Denn wer Rache sucht, hat nicht dem Rechte gemäß Erfolg, deßhalb, weil ihm Unrecht geschehen ist; noch auch ist Macht deßhalb zuverläßig, weil sie die Hoffnung des Erfolgs hat, sondern der unberechenbare Wille der Zukunft entscheidet das Meiste, und obgleich dieser von allen Dingen das Betrüglichste ist, so bringt er doch auch sehr großen Nutzen mit sich; denn weil wir Alle in gleicher Furcht schweben müssen, so gehen wir mit um so größerer Vorsicht in den Kampf."

„Lassen wir uns also durch'die Furcht vor dieser dunkeln Macht, möge sie sich nun begründet erweisen, oder nicht, und durch die wirkiche Gegenwart der gefährlichen Athener gleicherweise abschrecken, und denken wir, daß dieß hinreichende Gründe sind, unsere unbefriedigten Wünsche zum Schweigen zu bringen, insofern wir vielleicht noch irgend Etwas zu unserem Vortheil durchzusetzen glaubten. Schicken wir die gefährlichen Feinde aus dem Lande und schließen wir lieber unter uns einen Frieden auf ewige Zeiten, oder wenn das nicht, doch einen Waffenstillstand auf möglichst lange Zeit, und lassen unsere Zwistigkeiten ruhen bis auf ein ander Mal! Und überhaupt laßt uns überzeugt sein, daß, wenn ihr mir folgt, Jeder von uns eine freie Vaterstadt haben wird, in deren Besitz wir unserem Wohlthäter wie unserem Beleidiger Gleiches mit Gleichem vergelten können, wie

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[*]( 424 v. Chr. ) eS Männern geziemt. Glaubt ihr mir aber nicht, und geben wir Andern Gehör, so wird hinterdrein nicht mehr die Rede davon sein können, wie wir an Einem Rache nehmen können, sondern wenn es noch recht gut geht, werden wir uns mit denen vertragen müssen, die unsere größten Feinde sind, und gezwungen sein, die als Feinde zu betrachten, gegen die wir es am wenigsten sollten."

„Ich nun, der doch — wie ich schon am Anfange gesagt habe — eine sehr große Stadt vertritt, die eher angreifend, als vertheidigend verfahren könnte, bin doch in Voraussicht jener Gefahren zu Zugeständnissen bereit und denke nicht, man solle seinen Feinden so weh thun, daß man selbst den größten Schaden dabei hat, noch auch bin ich so thöricht und rechthaberisch, zu glauben, daß ich über das Glück, dessen ich doch nicht Herr bin, ebenso frei und nach Willkür verfügen kann, wie über meine eigenen Absichten, sondern daß ich nachzugeben habe, so weit es billig ist; und auch von euch Andern verlange ich, daß ihr dasselbe thut und euch lieber unter einander nachgiebig zeigt, ehe ihr gezwungen werdet, es dem gemeinsamen Feinde gegenüber zu thun. Denn es ist durchaus nichts Schimpfliches, wenn Stammverwandte sich gegen einander friedwillig zeigen, Dorier gegen Dorier und Chalkidier gegen Chalkidier. Sind wir doch Alle Nachbarn, Bewohner Eines Landes, das überdieß noch ringsum durch das Meer abgeschlossen ist, und Alle tragen wir denselben Namen Sikelioten. Wir werden deßhalb auch in der Zukunft noch manchen Krieg führen, wenn Ursache vorhanden ist, und uns auch wieder versöhnen, nachdem wir unter uns gemeinsame Berathung gepflogen; gegen eindringende Fremde aber werden wir immer, wenn wir klug sind, zur Abwehr vereint zusammenstehen; denn der Schaden, welcher den Einzelnen treffen würde, bringt uns Allen Gefahr. Fremde Bundesgenossen oder Vermittler unserer Streitigkeiten aber wollen wir in Zukunft niemals mehr in's Land rufen. Denn wenn wir so handeln, so werden wir auch jetzt nicht die Schuld auf uns laden, Sicilien zweier großen Wohlthaten zu berauben, nämlich der Erlösung von den Athenern und vom inneren Krieg, und werden für die Zukunft uns das Vaterland frei erhalten und den feindlichen Absichten Anderer weniger bloßgestellt."

Durch solche Worte des Hermokrates ließen sich die Sike

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lioten bestimmen, sich unter einander dahin zu einigen, daß dem Krieg [*]( 424 v. Chr. ) ein Ende gemacht werde. Ein Jeder solle behalten, was er in Hän-, den habe; nur solle den Kamarinäern auch Morgantina gegen Zahlung einer bestimmten Summe an die Syrakusaner zufallen. Die Verbündeten der Athener beriefen nun deren Oberbeamte und theilten ihnen mit, daß sie unter sich einen Vergleich schließen wollten, und daß dieser auch für sie gelten sollte. Da jene einstimmten, so wurde der Vertrag abgeschlossen, und danach segelten die Schiffe der Athener von Sicilien ab. Nach ihrer Rückkunft aber bestrasten die Athener die Feldherrn Pythodoros und Sophokles mit Verbannung, den Eurymedon aber um eine Summe Geldes, weil sie in der Lage gewesen wären, in Sicilien Eroberungen zu machen, durch Geld bestochen aber das Feld geräumt hätten. So überhoben sie sich in ihrem Glücke, daß sie beanspruchten, Nichts könne sich ihnen entgegenstellen, und das Schwierigere nicht weniger als das Mögliche müsse ihnen mit geringeren Mitteln so gut, wie mit großen gelingen. Ursache war der unerwartete Erfolg in den meisten Unternehmungen, der ihre Hoffnung mächtig schwellte.

In demselben Sommer geschah es, daß die Megarer in der Stadt, bedrängt von den Athenern, die alljährlich zwei Mal mit ihrer gesammten Macht in das Gebiet einfielen, und zugleich von Pegä aus durch ihre eigenen Flüchtlinge, welche bei einem Aufruhr durch die Volkspartei waren ausgetrieben worden und nun durch Plünderungszüge lästig fielen, sich unter einander beriethen, man solle die Vertriebenen wieder aufnehmen, damit nicht die Stadt, von zwei Seiten bedrängt, in's Verderben gerathe. Als nun die Freunde der Flüchtlinge merkten, welcher Wind wehe, so drangen sie noch offener darauf, als früher, daß der Vorschlag in Ausführung komme. Da erkannten nun die Vorsteher der Volkspartei, daß unter den gegenwärtigen Uebeln daS Volk sich mit ihnen nicht werde behaupten können, und unterhandelten deßhalb aus Furcht mit den Feldherrn der Athener, Hippokrates, dem Sohne des Ariphron, und Demosthenes, des Alkiphron Sohn, in der Absicht, ihnen die Stadt zu übergeben; denn sie meinten, dabei sei für sie eine geringere Gefahr, als wenn die von ihnen Ausgetriebenen zurückkehrten. Es wurde nun ausgemacht, daß die Athener zuerst die langen Mauern besetzen sollten, die sich in einer

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[*]( 424 v. Chr. ) Länge von ungefähr acht Stadien^) von der Stadt bis zu ihrem Hafen Nisäa erstreckten, damit nicht die Peloponnesier, welche in Nisäa allein die Besatzung bildeten, um der Megarer versichert zu sein, von dort zu Hülfe kommen könnten; dann wollten sie auch die Stadt selbst ihnen in die Hände zu spielen versuchen; denn wenn jenes vorangegangen, stand eher zu erwarten, daß die in der Stadt sich fügen würden.

Die Athener nun, nachdem beiderseits in Wort und Werk alle Vorbereitungen getroffen waren, segelten zur Nachtzeit gegen die Megarische Insel Minoa und setzten sich mit sechshundert Schwerbewaffneten, die Hippokrates anführte, in einem Graben fest, aus welchem der Letten zu den Mauerziegeln genommen wurde, und der nicht weit entfernt lag; die leichtbewaffneten Platäer aber und andere bewegliche Streitbare^) unter dem zweiten Feldherrn Demosthenes legten sich bei dem Arestempel in Hinterhalt, der noch weniger weit ablag; Niemand aber merkte etwas, ausgenommen die Männer, welche für diese Nacht davon in Kenntniß gesetzt werden mußten. Als eS nun eben Tag werden wollte, veranstalteten diejenigen unter den Megarern, welche die Stadt übergeben wollten, Folgendes: Sie hatten schon seit längerer Zeit für die Eröffnung des Thores vorgesorgt, indem sie gewöhnlich ein Boot mit Doppelrudern, um auf Seeraub auszugehen, auf einem Wagen zur Nachtzeit durch den Graben zum Meer brachten und dann ausliefen; dazu hatten sie den Befehlshaber sder peloponnesifchen Besatzung^ überredet; und ehe eS noch Tag wurde, führten sie es wieder auf dem Wagen bis zur Mauer und dann zum Thor hinein, damit die Athener auf Minoa nicht wüßten, wo sie aufzupassen hätten, da ein Fahrzeug im Hasen nicht sichtbar war. Damals stand nun der Wagen grade schon vor dem Thore, und als dieß, wie gewöhnlich, für das Boot geöffnet wurde, liefen die Athener, die dieß sahen, der Verabredung gemäß in vollem Laufe aus ihrem Hinter- [*]( 33) Räch Strabo 9. E. 301 nicht acht, sondern achtzehn. waS Leake für da? Nichtige hält (Kr.). ) [*]( 34) Von den BesatzungStruppen hießen die Einen Seßhafte (Hydrimenoi), die Andern Bewegliche (Periploi). Die Ersteren hatten feste Ausstellungen, die Andern einen Nayon im weiteren Umkreis, oder auch die ganze eigene LandeSgränze von Posten zu Posten abzugehen. Dieß war das Geschäft der Jünglinge vom 18. bis 20. Jahre. )

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halt heran, um noch hineinzukommen, bevor das Thor wieder ge- [*]( 424 v. Chr, ) schlössen wäre, und so lange noch der Wagen, das Schließen hindernd, sich dazwischen befände. Mit ihnen gemeinsam hieben dann ihre Helfershelfer unter den Megarern die Wachen am Thore nieder. Zuerst drangen nun die Platäer und die leichten Streitbaren unter Demotshenes ein, dort, wo jetzt das Siegeszeichen steht; dann kam eS aber gleich innert der Thore zum Gefecht, da die zunächst stehenden Peloponnesier die Sache gemerkt hatten, und indem die Platäer die zu Hülfe eilenden zurückschlugen, hielten sie den anrückenden athenischen Schwerbewaffneten den Eingang frei.

Danach griffen die Athener, sowie immer Einer nach dem Andern hereingekommen war, die Mauer an. Die Peloponnesische Besatzung hielt Anfangs zum kleinen Theil Stand und wehrte sich, wie denn auch Etliche von ihnen fielen; die Mehrzahl aber wandte sich zur Flucht, im Schrecken über den nächtlichen Anfall der Feinde und weil auch die den Verrath betreibenden Megarer gegen sie fochten, weßhalb sie denn auch glaubten, die Megarer insgesammt hätten sie verrathen. Zufällig hatte nämlich auch der Herold der Athener aus eigener Bewegung ausgerufen, wer von den Megarern wolle, könne Gewehr bei Fuß zu den Athenern treten. Als jene dieß hörten, hielten sie nicht mehr Stand, sondern in dem festen Glauben, von Beiden bekämpft zu werden, flohen sie nach Nisäa hinab.

Mit Tagesanbruch, als die Mauer schon gewonnen war und die Megarer in der Stadt in Bewegung geriethen, sagten diejenigen, welche die Sache mit den Athenern eingefädelt hatten, und die Andern aus der Menge, die mit ihnen einverstanden waren, man solle die Thore öffnen und zum Kampf ausziehen. Sie hatten nämlich abgekartet, daß nach Eröffnung der Thore die Athener hereindringen sollten; sie selbst wollten sich aber, damit ihnen kein Leids geschehe, dadurch kenntlich machen, daß sie sich mit Oel salbten. Es wurde aber jetzt noch gefahrloser für sie, die Thore zu öffnen; denn der Verabredung gemäß waren von Eleusis her viertausend athenische Schwerbewaffnete und sechshundert Reiter die Nacht durch marschirt und bereits angekommen. Als sie nun schon gesalbt am Thore standen, theilte Einer der Mitwissenden den Andern die Verrätherei mit, und diese wandten sich nun insgesammt um und sagten, man dürfe weder gegen

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[*]( 424 v. Chr. ) den Feind ausziehen — denn nicht einmal früher, bei größerer Macht, habe man das gewagt — noch auch die Stadt in so offenbare Gefahr stürzen; wenn aber Einer sich dem nicht fügen wolle, der werde es mit ihnen zu thun haben. Sie ließen aber Nichts merken, daß sie um die Verabredungen wußten, sondern stellten nur, als ob sie das Beste wollten, ihre Ansicht mit Nachdruck auf und blieben zugleich als Wache bei den Thoren, so daß die Verräther nicht durchsetzen konnten, was sie Willens waren.

Da nun die Feldherrn der Athener sahen, daß irgend ein feindliches Hinderniß eingetreten sei und daß ihre Kraft nicht ausreichen werde, die Stadt im Sturme zu nehmen, so gingen sie sogleich daran, Nisäa mit Schanzen einzuschließen, weil sie dachten, wenn sie den Platz nehmen könnten, bevor ihm noch Zuzug käme, würde sich auch wohl Megara eher ergeben. Eiserne Werkzeuge und Steinmetzen und was sonst nöthig war, war aus Athen schnell zur Hand. Nun begannen sie bei den langen Mauern, die sie erobert hatten, zogen zwischen beiden gegen Megara hin eine Quermauer und dann von hier aus nach beiden Seiten hin eine Mauer bis zum Meer bei Nisäa. Graben und Mauerwerk vertheilte das Heer unter sich, indem sie Steine und Ziegel aus der Vorstadt nahmen und einzelne Bäume und Waldgehölz niedershclugen, um, wo es nöthig war, Verhaue herzustellen. Auch die Häuser der Vorstadt erhielten Brustwehren und konnten nun selbst als Verschanzungen dienen. Diesen ganzen Tag über blieben sie an der Arbeit, und als am folgenden Tage gegen Abend nur noch ein kleines Stück an der Mauer fehlte, geriethen die in Nisäa in Furcht wegen Mangels an Lebensmitteln — denn sie erhielten dieselben immer nur für einen Tag aus der oberen Stadt — und da sie auch glaubten, daß die Peloponnesier ihnen nicht so bald zu Hülfe kommen würden, und sie auch die Megarer sich feindlich gesinnt wähnten, so schloßen sie mit den Athenern einen Vergleich. Sie wollten jetzt ihre Waffen ausliefern, und dann solle sich jeder einzeln um ein bestimmtes Geldstück loskaufen; über die Lakedämonier aber, den Anführer nämlich und wer sonst noch mit darin war, sollten die Athener nach Gutdünken verfügen. Auf diese Bedingungen ergaben sie sich und zogen dann ab. Nun rissen die Athener die langen Mauern,

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da, wo sie an Megara anstießen, nieder, nahmen Nisäa in Besitz und [*]( 424 v. Chr. ) trafen weiter ihre Anstalten.

Damals nun stand grade der Lakedämonier Brasidas, Sohn des Tellis, in der Gegend von Sikyon und Korinth, einen Feldzug gegen Thrakien vorbereitend. Als dieser die Wegnahme der langen Mauern erfuhr, fürchtete er für die Peloponnesier in Nisäa, wie auch, daß Megara genommen werden könnte, und schickte zu den Böotiern mit der Aufforderung, ihm in aller Eile gegen Tripodiskos mit einem Heerhaufen entgegen zu ziehen — es ist dieß das Dorf dieses Namens aus dem Gebiet von Megaris, am Fuße des Geranischen Gebirges — und er selbst marschirte dahin mit zweitausend siebenhundert Sikyoniern, und wer sich sonst bereits um ihn geschaart hatte. Dabei glaubte er nämlich, Nisäa noch unerobert zu finden. Wie er aber den Stand der Dinge erfuhr — er war nämlich zur Nachtzeit gegen Tripodiskos ausmarshcirt — wählte er, bevor er noch ausgekundschaftet würde, dreihundert Mann aus seinem Heere und rückte unter die Mauern der Megarer, ohne daß die Athener es merkten, welche in der Küstengegend standen. Er wollte vorgeblich, und sofern es möglich wäre allerdings auch in der That, einen Versuch auf Nisäa machen, vorzüglich lag ihm aber daran, sich nach Megara zu werfen und sich diese Stadt zu sichern. Er verlangte nun, sie sollten ihn einlassen, vorgebend, er habe Hoffnung, Nisäa zurückzugewinnen.

Von den Parteien unter den Megarern fürchteten aber nun die Einen, er möchte ihnen die Flüchtlinge zurückführen und sie selbst austreiben, und die Andern, daß die Volkspartei eben in jener Besorgniß über sie selbst herfallen werde, und daß die Stadt, während sie unter sich selbst im Kampfe seien, von den in der Nähe auflauernden Athenern genommen würde. So ließen sie ihn also nicht ein. sondern beschlossen, ruhig zuzusehen, was kommen werde; denn beide dachten auch, es werde zwischen den Athenern und denen, die zu ihrer Hülse ershcienen seien, zur Schlacht kommen, und so würden sie sich denen, welchen sie wohlwollten, wenn diese erst gesiegt hätten, mit mehr Sicherheit anschließen können. Brasidas aber, da er sie nicht zu überreden vermochte, zog sich wieder zu dem übrigen Heere zurück.

Mit Tages Anbruch waren auch die Böoter da. Sie hatten nämlich, schon bevor Brasidas Botschaft schickte, im Sinne gehabt, [*]( ThukydideS. IV. ) [*]( 82 )

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[*]( 424 v. Chr. ) Megara zu Hülfe zu ziehen, da die Gefahr sie auch anging, und tsanden schon mit gesammter Macht bei Platää. Als aber der Bote kam, beruhigten sie sich mehr und schickten zweitausend zweihundert Schwerbewaffnete und sechshundert Reiter ab; die Uebrigen gingen wieder nach Hause. Als nun das ganze Heer mit nicht weniger als sechstausend Schwerbewaffneten bei einander stand, während das schwere Volk der Athener um Nisäa und am Meere aufgestellt, ihre Leichtbewaffneten aber über die Ebene zerstreut waren, so fielen die Böotischen Reiter unversehens über die leichten Truppen her und trieben sie gegen das Meer hin. In den früheren Gelegenheiten war nämlich nie von irgend welcher Seite her den Megarern Hülse gekommen. Nun ritten aber auch die Athener dagegen an, so daß es zum Handgemenge kam; und lange dauerte dieß Reitergefecht, in welcbem beide Theile gesiegt haben wollen, denn dicht bei Nisäa hatten die Athener im Anreiten den Reiterführer der Böoter und einige Andere — doch nicht viele — getödtet, der Waffen beraubt und die Leichname behalten, die sie dann unter dem Schutze eines Waffenstillstandes Heraus- gaben und ein Siegeszeichen aufstellten. Doch wurde bei dem ganzen Znsammenstoß nichts Entscheidendes ausgerichtet, und die Böoter zogen sich auf die Ihrigen, die Andern nach Nisäa zurück.

Danach rückte Brasidas mit seinem Heere naher an das Meer und die Stadt der Megarer, besetzte einen paffenden Platz und verhielt sich da ruhig, nachdem er sein Heer in Schlachtordnung aufgestellt, im Glauben, die Athener würden ihn angreifen, und wohl wissend, daß die Megarer nur abwarten wollten, für wen von Neiden sich der Sieg entscheiden werde. So glaubte er, daß er in beiderlei Hinsicht am besten fahren würde, einmal, insofern er nicht zuerst den Kampf beginnen und seinerseits die Gefahr heraufrufeu wurde, während er doch deutlich gezeigt hätte, daß er zur Abwehr bereit sei, und so der Sieg, ohne daß er eine Hand rührte, doch mit Recht ihm zugeschrieben würde, und dann treffe es sich auch zugleich gut in Bezug auf die Megarer. Denn hätte er sich diesen gar nicht im Anmärsche gezeigt, so wäre der Ausgang für ihn gar nicht zweifelhaft gewesen, sondern er hätte, als wäre er besiegt worden, die Stadt natürlich verloren. Nun könne eS sich aber auch treffen, daß die Athener aus freien Stücken gar nicht kämpfen wollten, und dann würde ihm ohne

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Kampf das zufallen, weßhalb er gekommen sei. Und so kam es auch [*]( 424 v. Chr. ) wirklich. Denn da die Athener zwar auszogen und sich an den langen Mauern hin in Schlachtordnung aufstellten, aber, da jene nicht angriffen, sich ebenfalls ruhig verhielten, weil ihre Anführer der Meinung waren, daß für sie, denen bis jetzt das Meiste nach Wunsch ausgegangen, die Gefahr nicht gleich abgewogen sei, wenn sie selbst den Kampf gegen die Ueberzahl anfingen und entweder als Sieger Megara nähmen, oder als Besiegte um den besten Theil ihres schweren Volkes geschwächt würden, während bei jenen natürlich jeder Theil der Gesammtmacht und der Anwesenden bereit sei, etwas zu wagen ^), so blieben sie eine Zeitlang ruhig stehen, und da von keiner Seite etwas unternommen wurde, so zogen zuerst die Athener wieder nach Nisäa ab und dann auch die Peloponnesier nach ihrem früheren Standort.

So öffneten denn die Megarer, welche zur Partei der Flüchtlinge gehörten, bereits zuversichtlicher geworden, dem Brasidas selbst und den von den Städten anwesenden Feldherrn ihre Thore, gleich als hätten diese gesiegt und als ob die Athener nicht weiter mehr fechten wollten, und traten, nachdem jene eingelassen waren, mit ihnen in Unterhandlung, während die, welche mit den Athenern verhandelt hatten, bereits den Kopf ganz verloren. Danach, als die Bundesgenossen nach ihren Städten entlassen waren, ging Brasidas selbst wieder nach Korinth und rüstete zum Zuge gegen Thrakien, wohin er von vorn herein gewollt hatte. Als nun auch die Athener wieder nach Hause abzogen, verließen auch diejenigen Megarer, welche sich an den Verhandlungen mit den Athenern am meisten betheiligt hatten, wohl wissend, daß dieß nicht unbemerkt geblieben sei, sofort heimlich die Stadt; die Uebrigen trafen gemeinsame Verabredung mit der Partei der Flüchtlinge und führten diese aus Pegä zurück, nachdem sie sich die heiligsten Eide geschworen hatten, keiner Beleidigung mehr zu gedenken, sondern fürder nur das gemeinsame Beste der Stadt im Auge haben zn wollen. Nachdem aber jene erst die Staatsämter in Händen hatten, veranstalteten sie eine Waffenmusterung, [*]( 35) D. h. die Athener setzten viel auf'S Spiel, weil sie den Kern ihrer Gesammtmacht wagten, die Gegner aber wenig, weil sie aus vielen kleineren Contingenten zusammengesetzt waren, deren Verlust für die einzelnen Städte leicht zu verschmerzen war. ) [*]( 22* )

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[*]( 424 v. Chr. ) ließen dabei die Abtheilungen aus einander treten, lasen ihre Feinde und diejenigen heraus, welche sich am meisten mit den Athenern eingelassen zu haben schienen, ungefähr hundert Personen, und nöthigten das Volk, über dieselben öffentlich abzustimmen, und richteten sie nach der Schuldigerklärung hin. Der Stadt gaben sie eine fast ganz oligarchische Verfassung, und diese Staatsumwälzung, welche in Folge der Parteistreitigkeiten nur durch sehr wenige Männer in's Werk gesetzt wurde, blieb eine sehr lange Zeit bestehen.

In demselben Sommer, als Antandros von den Müylenäern, wie sie im Plan hatten als Festung hergestellt werden sollte, befanden sich Demodokos und Aristides, die Oberbeamten der Athener, welche die Steuern zu sammeln hatten, in der Gegend des Hellespont — Lamachos, der dritte von ihnen, war mit zehn Schiffen in den Pontos ^schwarzes Meer^ eingesegelt. Da diese nun die Anstalten zur Befestigung der Stadt wahrnahmen und ihnen Gefahr zu fein schien, daß daraus ein Platz werde wie Anäa gegen Samos ^), wo sich die Flüchtlinge der Samier festgesetzt hatten und den Peloponnesiern Vorschub leisteten, indem sie ihnen Steuerleute für ihre Flotte schickten und die Samier in der Stadt beunruhigten und ihre Flüchtlinge aufnahmen, so sammelten sie also ein Heer von den Bundesgenossen, gingen in See, besiegten die aus Antandros gegen sie Anrückenden in einer Schlacht und nahmen den Ort wieder. Nicht lange danach verlor Lamachos, der in den Pontos eingesegelt und im Gebiete von Heraklea in der Mündung des FlusseS Kalex vor Anker gegangen war, seine Schiffe, da sich ein Wolkenbruch ereignete und die Wassersluth ganz plötzlich hereinbrach. Er selbst und sein Heer kam aus dem Landwege durch das Gebiet der Bithynischen Thraker, welche jenseits in Asien wohnen, nach Chalkedon an der AuSmündung des PontoS, einer Pflanzstadt der Megarer.

In demselben Sommer kam auch Demotshenes, Feldherr der Athener, mit vierzig Schiffen nach Naupaktos, sogleich nach dem Abzug aus MegariS, denn mit ihm und Hippokrates wurden in Betreff der Böotischen Verhältnisse Seitens einiger Männer auS den [*]( 36) Vgl. IV, 52. ) [*]( 37) Vgl. III. 32 . )

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Städten Verhandlungen gepflogen, welche die dortige Ordnung ab--' [*]( 424 v. Chr. ) ändern und in eine Demokratie, wie die Athener sie hatten, umwan- ( deln wollten, und besonders auf Eingeben des Ptöodoros, eines Flüchtlings aus Theben, wurden die folgenden Veranstaltungen eingeleitet 2?*). Das Städtchen Siphä sollte durch Einige übergeben werden. Siphä liegt aber am Meer auf Thespischem Gebiete im Busen von Krisa. Chäronea aber, welches, früher das Minyeifche, jetzt dasBöotische genannt, an Orchomenos Steuern zahlt, sollten Andere aus Orchomenos übergeben. Die Flüchtlinge der Orchomenier waren dabei am meisten thätig und mietheten Leute aus dem Peloponnes; Ehäronea ist die äußerste Stadt Böotiens und stößt an die Phanotidische Landschaft in Phokis, und es waren auch einige Phokier Theilnehmer des Planes. Die Athener aber sollten Delion wegnehmen, welches dem Apollo geweiht ist und auf dem Gebiet von Tanagra, Euböa zugewendet, liegt. Dieß Alles sollte an einem bestimmten Tage zu gleicher Zeit geschehen, damit nicht die Böotier vereinigt zur Abwehr heranziehen könnten, sondern jede Stadt mit sich selbst genug zu thun hätte. Und wenn der Versuch gelingen sollte und Delion befestigt wäre, so möchten, hofften sie, wenn auch nicht gleich für den Augenblick eine Umwälzung in den Böotischen Verfassungen stattfände, doch die Dinge im Lande leicht eine Veränderung erleiden, wenn jene Plätze besetzt gehalten und das Land verwüstet würde, während sich auch Keiner weit von seinem Herde entfernen dürfte, und so könnten sie mit der Zeit die Sachen dort sich nach Wunsche einrichten, indem die Athener den Abgefallenen zu Hülfe zögen, und jene ihre Macht nie an einem Ort bei einander hätten. [*]( 37*) Auf diese schon seit längerer Zeit gepflogenen Unterhandlungen bezieht sich wohl die Stelle in den Rittern des Aristophanes, wo Kleon. der um den eigentlichen Zweck derselben nicht wußte, oder auch nur neidisch war aus einen möglichen Ersolg. der aristokratischen Partei droht: Gleich auf der Stelle geh' ich in den Rath Und zeig' euch all' als StaatSverräther an, Wie ihr euch heimlich Nachts zusammenrottet, Wie ihr mit den Barbaren konspirirt, WaS mit Böotien ihr zusammenkäset. Böotien war das griechische KSseland; die Konspiration mit den Barbaren bezieht sich wohl auf die Anwesenheit des Artaphernes in Athen und die demselben mitgegebene Gesandtschaft. Vgl. IV, SV. )
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[*]( 424 v. Chr. ) Dieß war der entworfene Angriffsplan; Hippokrates selbst wollte zu gelegener Zeit mit dem Heere aus der Stadt gegen die Böotier ausziehen, den Demotshenes aber schickte er mit vierzig Schiffen nach Naupaktos, damit er aus jener Gegend unter den Akarnanern und übrigen Bundesgenossen ein Heer sammle und gegen Siphä segele, von dem man erwartete, daß es durch Verrath übergehe. Der Tag, an welchem Beides zugleich geschehen sollte, war unter ihnen verabredet. Demosthenes nun, als er ankam, fand Oeniadä durch sämmtliche Akarnaner genöthigt, dem Waffenbund der Athener beizutreten, und rief selbst die ganze Bundesmacht in jener Gegend unter die Waffen, und nachdem er zuerst gegen Salynthios und die Agräer ausgezogen war und sie unterworfen hatte, traf er die übrigen Anstalten, um zur bestimmten Zeit gegen Siphä zu ziehen.

Um dieselbige Zeit in diesem Sommer marschirte Brasidas mit taufend und siebenhundert Schwerbewaffneten gegen die diesseitige Gränzlandschaft von Thrakien, und als er in dem Trachinischen Hcraklea angekommen war und einen Boten an seine Freunde nach Pharsalos geschickt hatte, mit der Bitte, ihn und sein Heer durch das Land zu geleiten, kamen zu ihm nach dem Achaischen Melitia Panäros und Doros und Hippolochidas und Torylaos und Strophakos, der Staats-Gastfreund der Chalkidier, und dann setzte er seinen Marsch fort. Aber auch noch andere Thessaler und unter diesen Nikonidas aus Larissa, Freund des Perdikkas, gaben ihm das Geleite. Denn durch Thessalien ist auch sonst überhaupt nicht leicht durchzukommen ohne Geleitsmann, geschweige denn gar bewaffnet, wie denn auch bei sämmtlichen Hellenen sich Jeder wohl bedenken würde, fremdes Gebiet zu durchziehen, ohne die Erlaubniß dazu erwirkt zu haben; auch war die große Masse der Thessaler immer den Athenern zugeneigt. Wenn also bei den Thessalern im Lande nicht die Gewaltherrschaften in größerer Zahl bestünden, als Staaten mit Rechtsgleichheit für Alle, so wäre er gar nicht vorwärts gekommen, zumal sogar unter diesen Umständen Leute von der Gegenpartei seiner Freunde sich am EnipeuSflusse, seinen Marsch aufhaltend, in den Weg stellten und ihm sagten, daß er Unrecht thue, so ohne Erlaubniß ihrer Oberbehörde [*]( 38) Vgl. IN. 92 s. ) [*]( 39 ) Ja Thessalien wurde das Volk durch zahlreiche Dynasten niedergehalten, daher)

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daherzumarfchiren. Seine Geleitsmänner gaben zur Antwort, sie [*]( 424 v. Chr. ) würden auch gegen den Willen jener gar nicht das Geleit übernom- y men haben, aber er sei ganz plötzlich erschienen, und so geleiteten sie ihn eben, weil sie seine Gastsreunde seien. AuchBrasidas selbst redete ihnen zu, er komme als ihr und Thessaliens Freund und trage die Waffen gegen seine Feinde, die Athener, und nicht gegen sie, und er wisse auch gar Nichts davon, daß zwischen Thessalern und Lakedämoniern Feindschaft herrshce, so daß Einer das Land des Andern nicht betreten dürfe; und auch jetzt wolle er seinen Marsch nicht gegen ihren Willen fortsetzen und er könne es auch nicht; doch erwarte er auch nicht, daß sie ihn hindern wollten. Jene nun zogen, nachdem sie dieß gehört hatten, wieder ab, er aber setzte aus den Rath seiner Geleitsmänner, bevor ein neues größeres Hinderniß einträte, seinen Weg ohne Aufenthalt im Eilmarsch fort. An demselben Tage, an welchem er von Melitia aufgebrochen war, kam er auch noch bis PharsaloS, wo er sich am Flusse Apidanos lagerte, und von hier nach Phakion und von da weiter nach Perrhäbia. Hier gingen die Thessalischen Geleitsmänncr wieder zurück, und nun brachten ihn die Petr heber, Unterthanen derThessaler, nach Dion im Gebiet des Perdikkas, einem Makedonischen Städtchen gegen die Thessalische Gränze hin am Fuß des Olumpos gelegen.

Auf diese Weise war Brasidas in aller Geschwindigkeit noch schnell genug durch Thessalien gekommen, bevor sich Jemand ihn zu hindern anschicken konnte, und kam zum Perdikkas und nach Ehalkidike. Die aus der Thrakischen Halbinsel von den Athenern Abgefallenen nämlich und Perdikkas hatten aus Furcht bei dem Glücke der Athener das Heer aus dem Peloponnes herangezogen, — die Chalkidier nämlich in der Meinung, daß die Athener sie zuerst sich zum [*]( dasselbe durchaus für Athen gesinnt war. ohne jedoch seine Gesinnung anders, als durch vereinzelte gelegentliche Unterstützung, zu bethätigen, vgl. II, 22. — Zwischen den einzelnen bedeutenden Städten Larissa, Kranon. PharsaloS, Pherä scheint nur ein losere? Band bestanden zu haben, obgleich die Landschaft immer als ein Ganzes aufgefaßt wird. Was hier unter der ge.ncins.unrn Oberbehörde zu verstehen ist. ist daher undeutlich. ES bestand wohl ans älterer Zeit her noch eine Art stillschweigender Waffengenosfenschast, an deren Spitze früher ein Kriegsoberster mit dem Titel Tages stand, der wohl auch einen Bundesrat!) zur Seite hatte. Diese Würden und Machtbesugnisse waren aber damals thatsächlich in den Händen einzelner Dynasten. )

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[*]( 424 v. Chr. ) Ziele nehmen würden; und mit ihnen hatten auch die noch nicht abgefallenen Nachbarstädte sich heimlich bei der Herbeiziehung des Heeres betheiligt; — Perdikkas aber war zwar noch kein erklärter Feind, schwebte aber doch in Furcht wegen alter Streitpunkte mit den Athenern und wollte sich vor allen Dingen den Arrhibäos, König der Lynkester^), unterwerfen. Das damalige Mißgeschick der Lakedämonier traf sich nun für sie ganz glücklich, insofern sie jetzt leichter ein Hülfsbcer aus dem Peloponnes erhielten.