History of the Peloponnesian War
Thucydides
Thucydides. Geschichte des Peloponnesischen Kriegs. Wahrmund, Adolf, translator. Stuttgart: Krais and Hoffmann, 1864.
Desselbigen Winters litten die Platäer sehr durch Mangel an Nahrung-Mitteln, denn sie wurden immer noch von den Peloponnesiern und Böotiern belagert. Nun war auf Hülfe von Athen keine Hoffnung, noch zeigte sich sonst eine Rettung, und darum beschlossen sie selbst und die, welche von den Athenern mit ihnen die Belagerung aushielten, zuerst in Gesammtheit die Stadt zu verlassen [*]( l5) Sonst waren die Ruderer, die von den Matrosen wohl zu unterscheiden sind, Bürger niederer Klassen, Sklaven oder Söldner, bei den Spartanern Heloten. Den Bürgern, deren Sklaven zur Flotte gepreßt wurden, zahlte der Staat eine Vergütung. )
Die Mauer der Peloponnesier war aber auf folgende Weise gebaut. Sie bestand aus zwei Ringmauern, deren eine gegen Platäa gerichtet und die andere für den Fall berechnet war, wenn allenfalls von Athen aus aus die äußere Seite ein Angriff geschähe. Diese beiden Ringmauern waren ungefähr sechszehn Fuß von einander entfernt. Der Zwishcenraum war zu Hütten für die Besatzung vertheilt und ganz ausgebaut. Das ganze Werk war nirgends unterbrochen , so daß es wie eine einzige dicke Mauer ershcien, die nach beiden Seiten Brustwehren hatte. Jedesmal nach der zehnten Brustwehr kam ein großer Thurm, von gleicher Breite wie das Werk, so daß dieselben auf der einen Seite bis an die innere, und auf der ander« Seite bis an die äußere Ringmauer reichten und man nicht an ihnen vorüberkommen konnte, sondern durch sie hindurch gehen mußte. Ju Nächten nun, wenn das Wetter stürmisch und feucht war, ließeu sie die Brustwehren unbesetzt und versahen die Wache von den Thürmen herab, die nicht weit von einander abstanden und oben überdacht waren. So war die Mauer eingerichtet, mit der sie die Platäer umschlossen hielten.
Diese nun, nachdem sie mit ihren Vorbereitungen zu Ende [*]( 427 v. Chr. ) gekommen, nahmen einer mondlosen Nacht wahr, da es unter Stürmen regnete, und verließen die Stadt. Anführer dabei waren dieselben, die auch zu dem Versuche gerathen hatten. Zuerst überschritten sie den Graben, der die Stadt umschloß, dann kamen sie bis an die Mauer der Feinde, unbemerkt von den Wachen, die in der Dunkelheit weder weit vor sich hin sahen, noch auch das Geräusch der Herankommenden hören konnten, da der Sturm ihnen in's Gesicht schlug. Auch hielten sich jene weit auseinander entfernt, damit nicht ihre Waffen an einander anklirren und sie verrathen möchten. Sie waren auch nur leicht gerüstet und nur am linken Fuße beschuht, um in dem Kothe sicher auftreten zu können, Sie näherten sich nun in dein Zwishcenranme zwischen zwei Thürmen den Brustwehren, weil sie dieselben unbesetzt wußten. Zuerst kamen die Leiterträger und legten diese an; dann stiegen zwölf Leichtbewaffnete mit Dolch und Brustpanzer hinauf, welche Ammeias, des Koröbos Sohn, führte, der anch als der Erste die Mauer erstieg. Von denen, welche nach ihm hinaufkamen, wandten sich je sechs gegen einen der beiden Thürme. Dann nach diesen kamen andere Leichtbewaffnete mit kurzen Spießen, hinter denen drein Andere die Schilde nachtrugen, damit sie um so leichter hinaufkämen. Die Schilde sollten sie dann an jene abgeben, wann sie nah an den Feind gekommen wären. Als aber schon eine größere Zahl hinaufgekommen war, bekamen die Wachen auf den Thürmen Wind; denn Einer von den Platäern hatte beim Festhalten an der Brustwehr einen Stein losgelassen, der beim Herunterfallen Geräusch machte, worauf die Wache sogleich rief. Die Besatzung eilte nach der Mauer, ohne in der finsteren, stürmischen Nacht zu wissen, was der Lärm bedeute, und gleichzeitig machten auch die in der Stadt zurückgebliebenen Platäer einen Ausfall gegen eine Stelle der feindlichen Mauer, gerade entgegengesetzt derjenigen, wo ihre Leute dieselbe überstiegen, um die Aufmerksamkeit der Feinde ganz von derselben abzuziehen. Diese blieben nun aus Verwirrung jeder auf seinem Platze stehen uud Keiner wagte von seinem Posten aus den Andern zu Hülfe zu eilen, sondern Alle standen unschlüssig, wie sie sich den Vorfall deuten sollten. Die dreihundert Mann von ihren,. [*]( Thukydides. III. ) [*]( 14 )
Unterdessen erstieg ein Theil der Platäer die Mauer, und so wie die Vordersten hinaufgekommen waren, bemächtigten sie sich der beiden ^nächsten) Thürme, indem sie die Wachen daselbst tödteten, und besetzten dann selbst die Durchgänge unter den Thürmen, um zu verhindern, daß da Keiner zu Hülfe kommen könne. Dann legten sie von der Mauerhöhe Leitern an die Thürme, hießen eine Zahl Männer hinaufsteigen und konnten nun vom Fuß der Thürme wie von oben herab heranrückende Feinde durch Schießen abwehren. Unterdeß hatte aber auch der große Haufe der Platäer viele Leitern zugleich angelegt, rissen die Brustwehren ab und setzten zwischen den beiden Thürmen über die Mauer. War einer glücklich hinübergekommen, so stellte er sich am Rand des Grabens auf, und so schossen und schleuderten sie von dort aus, wenn Einer etwa längs der säußeren) Mauer herankäme, das Uebersteigen zu hindern. Als nun auch die von den Thürmen alle herabgekommen waren, gelangten die, welche zuletzt nieder- stiegen, nur noch mit Mühe bis an den Graben, denn jetzt stießen die dreihundert auf sie mit Fackeln. Die Platäer nun, die am Rand des Grabens im Dunkeln standen, konnten jene viel besser sehen und zielten mit Pfeilen und Wurfspießen nach den unbedeckten Körpertheilen; sie selbst aber, wie sie im Finstern standen, konnten wegen des Fackelscheins nicht so leicht gesehen werden. So kamen denn auch die Letz« ten der Platäer rechtzeitig über den Graben, wenn auch mit Mühe nnd Gefahr; denn es hatte zwar Eis drüber gefroren, aber nicht stark genug, um Menschen zu tragen, sondern mehr wässerig,. da grade Nord- oder Nord-Ost-Wind blies. Dieser Wind hatte in der Nacht auch Schnee gebracht und das Wasser im Graben so geschwellt, daß
Nun wandten sich die Platäer von dem Graben weg und schlugen alle zu Haus den Weg ein, der nach Theben führt, rechter Hand lassend die Kapelle des Heros Androkrates denn sie glaubten , daß jene am allerwenigsten vermuthen würden, sie hätten diese Richtung nach dem feindlichen Land hinein genommen; auch sahen sie sogleich, wie die Peloponnesier mit Fackeln zu ihrer Verfolgung die Straße einschlugen, die zum Kithäron und nach Dryoskephalä und so nach Athen führt. Bei sechs oder sieben Stadien weit hielten sich die Platäer auf der Straße nach Theben, dann schlugen sie sich seitwärts nach dem Gebirge zu, auf die Straße nach Erythrä und Hysiä, und gewannen so den Kamm des Gebirgs und entkamen nach Athen, ihrer zweihundertundzwölf Mann von den Ausgefallenen; denn einige von diesen waren wieder umgekehrt in ihre Stadt hinein, noch vor der Mauer, und Einer, ein Bogenschütze, war bei dem auswendigen Graben von den Feinden gefangen worden. Unterdessen waren die Peloponnesier wieder in ihre Lagerung zurückgezogen, absehend vom Nachsetzen. Die Platäer in der Stadt aber wußten von dem Ausgang der Sache nichts, weil die Zurückgekehrten gemeldet hatten, Niemand wäre am Leben geblieben; drum schickten sie, da der Tag angebrochen, einen Herold hinaus und verlangten Waffenruhe, ihre Todten zu begraben. Als sie aber die Wahrheit erfuhren, ließen sie es dabei. So haben die platäifchen Männer die Mauer überstiegen und sich gerettet.
Aus Lakedämon aber wurde zu Ende desselben Winters Saläthos, ein Lakedämonier, mit einem Dreiruderer gen Mitylene geschickt. Der fuhr denn auch bei Pyrrha an, schlich sich von da zu Lande weiter und durch das Bett eines Waldstroms über die Verschanznng (der Athener), die an dieser Stelle zu passiren war, und gelangte so nach Mytilene und sagte den Häuptern der Stadt, daß ein Einfall auf das Gebiet von Attika unternommen werde und zugleich auch die vierzig Schiffe ershceinen sollten, die zu ihrem Entsatz bestimmt seien. Er selbst aber sei eben dieser Dinge wegen voraus [*]( 16) Landes- und Schutz-Hering der Platäer. ) [*]( 14* )
Des folgenden Sommers, nachdem die Peloponnesier die zweiundvierzig Schiffe nach Mytilene gesandt hatten, unter Führung des Alkidas, der bei ihnen Flottenführer war und den sie nun zum Befehlshaber setzten, fielen sie selbst und ihre Bundesgenossen in Attika ein, damit die Athener ans zwei Seiten zu wehren hätten und um so weniger gegen die Schiffe ausziehen sollten, die gen Mytilene fuhren. Bei diesem Einfall befehligte Kleomenes in Vertretung des unmündigen Königs Panfanias, des Pleistoanax Sohn '?), dem er Vatersbruder war. Sie verheerten die auch früher schon verwüsteten Striche von Attika, was etwa wieder aufgeschossen und was bei den früheren Einfällen vershcont geblieben war, und dieser Einfall wurde nächst dem zweiten den Athenern der empfindlichste; denn die Feinde, immer in Erwartung, etwas von Lesbos zu hören, daß ihre Schiffe nämlich glücklich gelandet und etwas ausgeführt hätten, verblieben im Lande und zogen sengend bald hier- bald dorthin. Da es ihnen aber nicht nach Wunsche ausging und zuletzt die Lebensmittel fehlten, . so zogen sie wieder ab und zerstreuten sich in ihre Städte.
In Mytilene inzwischen, da die Schiffe vom Peloponnes noch nicht gekommen waren und immer noch säumten, und auch das Getreide schon fehlte, wurden die Bürger gezwungen, sich mit den Athenern zu vergleichen, und zwar aus solche Veranlassung. Saläthos, der jetzt auch selbst schon die Schiffe nicht mehr erwartete, gab dem Volk, das früher nur leicht bewaffnet war, schwere Rüstung, weil er einen Ausfall gegen die Athener thun wollte. Da diese nun solche Bewaffnung hatten, so hörten sie nicht mehr auf ihre Oberen, rotteten sich zusammen und verlangten, die Reichen sollten ihre Getreidevorräthe herausgeben und unter die gesammte Bürgerschaft vertheilen, [*]( 17) Die hier genannten Kleomenes und Pleistoanax sind Söhne des Pau- fanias, des Siegers von Platäa. Pleistoanax, des jüngeren Pausanias Vater, war verbannt. )
Da nun die am Ruder waren wohl sahen, daß sie nicht im Stande wären jenes zu hindern, und daß sie große Gefahr liefen, wenn sie von dem Vergleiche ausgeschlossen würden, so schlossen sie im Namen des ganzen Gemeinwesens einen Vertrag mit Paches und dem Heere unter solchen Bedingungen, daß es den Athenern anheimgestellt sein sollte, über die Mytilenäer zu verfügen, wie es ihnen gutdünkc. Inzwischen wollten sie das Heer in die Stadt aufnehmen und eine Gesandtschaft nach Athen schicken, dort ihre eigene Sache zu vertreten. Bis diese wieder zurückgekommen, dürfe Paches keinen Mytilenäer weder in das Gefängniß werfen, noch in die Knechtschaft verkaufen, noch tödten. Also lautete der Vergleich. Die aber von den Mytilenäern am meisten zu den Lakedämoniern gehalten hatten, waren nun sehr in Furcht, und als das Heer einzog, trauten sie nicht, sondern flüchteten gleichwohl noch vorher zu den Altären. Paches aber bewog sie, herauszutreten, indem er versprach, sie nicht zu kränken, und verwahrte sie auf Tenedos, bis die Athener Beschluß gefaßt hätten. Er schickte aber auch nach Antissa Dreiruderer und erzwang die Uebergabe, und schaltete auch im Uebrigen mit der Flotte, wie es ihm gutdünkte.
Die Peloponnesier aber auf den vierzig Schiffen, die in aller Eile hätten herankommen sollen, säumten sich schon in den Peloponnesischen Gewässern, und auch aus der weiteren Fahrt rückten sie nur langsam vorwärts. Die Athener in der Stadt erhielten nicht eher Kenntniß von ihnen, als bis sie sich bei Delos zeigten. Als sie von da weiter nach Ikaros und Mykonos kamen, erhielten sie zuerst die Nachricht, Mytilene sei genommen. Da sie aber Gewißheit haben wollten, so segelten sie nach Embaton im Erythräischen ^am Vorgebirge Kara Burun vor dem Busen von Smyrna^. Sieben Tage ungefähr waren seit der Einnahme Mytilene? verflossen, als sie bei Embaton landeten. Da erhielten sie denn Gewißheit und beriethen nun, was unter diesen Umständen zu thun sei, und Teutiaplos, ein Mann aus Elis, sprach zu ihnen also:
„Alkidas und ihr andern Heerführer der Peloponnesier, soviel unserer hier sind! Mir scheint, wir sollten ungesäumt auf Mytilene lossegeln, bevor wir noch ausgekundschaftet werden. Wir wer-
So redete dieser, gewann jedoch den Alkidas nicht. Da forderten ihn denn einige Andere von den Ionischen Flüchtlingen und mitsegelnden Lesbiern auf, wenn er schon diese Gefahr fürchte, so möge er eine der Ionischen Städte wegnehmen oder das Aeolische Kyme, damit sie an einer solchen Stadt einen Ausgangspunkt hätten, um Jonien zum Abfall zu bringen. Dazu sei Hoffnung vorhanden; denn sie seien keinem unerwünscht hierher gekommen. Sie sollten also diese bedeutendste Einnahmsquelle der Athener ihnen wegnehmen, und wenn dieselben dann zu einer Blokade schritten, so würde ihnen dadurch noch obendrein Aufwand abgenöthigt. Auch seien sie der Meinung, man könne den Pissuthnes sden persischen Satrapen^ wohl überreden, sich ihrer Kriegführung anzuschließen. Alkidas aber ging auch darauf nicht ein, sondern dachte nur, da er bei Mytilene schon einmal zu spät gekommen war, so bald als möglich den Peloponnes wieder zu gewinnen.
Er ging also von Embaton wieder unter Segel, schiffte an der Küste hin und landete bei Myonnesos, das den Tejern gehört, und ließ die Mehrzahl der Kriegsgefangenen, die er unterwegs gemacht hatte, abschlachten. Als er darauf bei Ephesos vor Anker ging, kamen Gesandte der Samier aus Auäa und sagten ihm, das sei nicht die Art, wie man Hellas frei mache, wenn er [*]( 18) Diese Samier waren von der den Athenern feindlichen Partei ihrer Insel und lebten als Flüchtlinge in Anäa auf der lleinasiatischcn Küste. )
Von Ephesos aber machte sich Alkidas mit der Flotte in aller Eile auf und davon. Er war nämlich, als er noch bei Klaros vor Anker lag, von der „Salamina" und der „Paralos" '^) entdeckt worden, die gerade von Athen aus ansegelnd in Sicht kamen, und aus Furcht verfolgt zu werden, suchte er nun die offene See, in der Absicht, ohne Noth nirgends anders zu landen, als im Peloponnes. - Nun kam dem Paches und den Athenern auch von Erythräa und sonst überallher Botschaft; denn da Jonien unbefestigt war, so war die Besorgniß sehr groß, die Peloponnesier möchten aus ihrer Kreuzung, wenn sie auch nicht gerade sich festzusetzen im Sinne hätten, so doch gelegentlich landen und die Städte plündern. Dazu meldeten nun die „Paralos" und die „Salamina", daß sie selbst den Feind bei Klaros in Sicht gehabt hätten. Paches lief nun mit vollen Segeln zur Verfolgung aus und setzte sie auch bis auf die Höhe der Insel Patmos fort; da er aber dann sah, daß er sie nicht mehr einholen könne, so kehrte er wiederum und erachtete es nun, da er sie schon einmal auf hoher See nicht mehr getroffen, für Gewinn, ihnen nirgendwo ^an der Küste) begegnet zu sein, wodurch jene zur Ver [*]( 19) So hießen die beiden Staatsschiffe, zugleich die besten Segler, die immer zum Dienste bereit sein mußten; die Mannschaft erhielt deßhalb auch im Frieden täglich 4 Obolen Löhnung. Nach dem Scholiasten zu AristophaneS, Vögel, us, wurde die Salaminia besonders zur Herbeiholnng von Verbrechern oder Angeklagten, die ParaloS mehr im Religionsdienst gebraucht. )
Als er nach der Umkehr an der Küste hinfuhr, landete er auch bei Nation, der Stadt der Kolophonier ^'), wo sich Kolophonier aus der weiter landeinwärts gelegenen Stadt angebaut hatten, nachdem diese von Jtamenes und den Barbaren genommen war, die eine aufständische Partei in der Stadt selbst herbeigerufen hatte. Diese Wegnahme war ungefähr um dieselbe Zeit vorgefallen, als die Peloponnesier das zweite Mal in Attika einfielen. In Notion nun waren die dorthin geflüchteten Ansiedler auch hier wiederum unter sich zerfallen, und die Einen hatten sich vom Pissuthnes Arkadische und Barbarische Hülfsvölker geben lassen und hielten sich in einem besonders ummauerten Stadttheil. Die medisch Gesinnten aus der landeinwärts gelegenen Stadt der Kolophonier vereinigten sich hier mit ihnen und hatten da ihr Wesen; die andere Partei aber, die hatte weichen müssen und flüchtig geworden war, sührte nun den Paches herbei. Dieser lud den Hippias, den Befehlshaber der Arkader in der Befestigung, zu einem Zwiegespräch mit dem Versprechen, ihn wieder heil und gesund in die Festung zu bringen, wenn seine Vorschläge nicht annehmlich sein sollten. Der kam nun auch heraus, Paches aber gab ihn zur Ueberwachung, ließ selbst ganz unvermuthet gegen die Festung Sturm laufen und nahm sie auch, da jene ganz unvorbereitet waren. Die Arkader und Barbaren von der Besatzung [*]( 20) D. h. vor Paches als dem Neberlegenen hätten sich die Lakedämonier mit ihren Schiffen aus das Land flüchten und dieselben durch ein verschanztes Lager decken müssen (vergl. Thuk. l, 117 Anm.), wodurch er selbst zur Blockirung genöthigt worden wäre. ) [*]( 21)Nation war der Hasen des weiter landeinwärts gelegenen ionischen Kolophon. Diese Stadt hatte früher eine aristokratische Regierung; die Anzahl der reichen Familien soll die der ärmeren überwogen haben, weßhalb eben Aristoteles (Politik. IV, 3, 8) meint, daß die Herrschaft derselben, obwohl eine Herrschaft der Mehrzahl, nicht eine Volksherrschaft (Demokratie) genannt werden könne, weil sie eine Herrschaft der Reichen gewesen sei. Seit ihrer Eroberung durch die Barbaren d. i. die Lydier nach 716 v. v. Chr. waren ihre Zustände zerrüttet. Sie soll zuerst von den ionischen Städten lydische Weichlichkeit und Ver- derbthcit angenommen haben. Die Flotte war bedeutend, die Reiterei als sehr h )
Da Paches nach Mytilene zurückgekommen war, eroberte er noch Pyrrha und Eresos, bekam auch Saläthos, den Lakedämonier, gefangen, der sich in der Stadt versteckt gehalten hatte, und sandte ihn nach Athen, wie auch diejenigen der Mytilenäer, die er auf Tenedos verwahrt hatte, und wenn ihm sonst Einer an dem Abfall Mitschuld zu haben schien. Auch den größeren Theil des Heeres entließ er; mit den Uebrigen blieb er und traf für Mytilene und das übrige Lesbos Verfügungen, wie es ihm gutdünkte.
Als diese Männer und Saläthos angekommen waren, ließen die Athener den Saläthos sogleich hinrichten, obwohl er manche Versprechungen machte, neben Anderem auch, daß er die Peloponnesier zum Abzug von Platäa bewegen wolle; denn diese Stadt wurde immer noch belagert. Wegen der Mytilenäer aber berathschlagten sie erst, und in ihrer Erbitterung faßten sie Beschluß, nicht nur die nach Athen Gebrachten, sondern Alles in Mytilene, was die mann- baren Jahre erreicht habe, hinzurichten, Weiber und Kinder aber zu Sklaven zu machen. Dabei machten sie ihnen nicht nur zum besondern Vorwurf, daß sie überhaupt abgefallen, obfchon sie die Herrschaft der Athener nicht in der Art wie die Uebrigen zu ertragen hatten ^), sondern es war besonders das Erscheinen der peloponnesischen Schiffe in den Ionischen Gewässern, was ihre Aufregung vermehrte, die auf eigene Gefahr es gewagt hätten, jenen zu Hülfe zu kommen 23). Denn daraus schien hervorzugehen, daß der Abfall von [*]( 22) Weil sie eben nur Steuern zu zahlen hatten, ohne ihre Autonomie eingebüßt zu haben. Vgl. Anm. 8. ) [*]( 23) Das Erscheinen der peloponnesischen Flotte in den ionischen Gewässern war für die Athener ein höchst überraschender Wink, daß ihre Seeherrschast nicht gerade unerschütterlich fest begründet sei; ind dieß mußte einen ähnlichen Ein-)
„Schon oft habe ich auch bei andern Gelegenheiten einen demokratishcen Staat als unfähig erkannt, über Andere zu herrschen, nie aber deutlicher als heute, wo euch der Mytilenäer wegen Reue ergriffen hat. Weil ihr euch nämlich im täglichen Verkehr unter einander selbst furcht- und arglos benehmt ^), so zeigt ihr euch euren Bundesgenossen gegenüber ebenso, und wenn ihr hierin irgend eine Thorheit begeht, sei es nun, daß ihr euch von ihnen beschwatzen laßt, oder daß ihr eurem eigenen Mitleiden den Gesallen thut, so bedenkt ihr nicht, daß eure Weichmüthigleit weder für euch selbst gefahrlos sei, noch euch den Dank der Bundesgenossen erwerben könne. Ihr [*]( druck auf sie machen, wie heutzutage die Hebung der französischen Flotte aus die Engländer. Diese können ebensowenig einen Nebenbuhler zur See dulden, wie die Athener eS konnten. Weil es sich hierbei um Sein oder Nichtsein handelt, so heutzutage die Anstrengungen der Engländer, und damals die furchtbare Erbitterung der Athener gegen die Mytilenäer, die als die nächste Veranlassung erschienen. ) [*]( 2') Hierauf thaten sich die Athener viel zu Gute. Vergl. II. 37, wo ihnen PerikleS dieselbe Schmeichelei sagt. )
,Ich meines Theils bleibe bei meiner Meinung, und kann [*]( 25) Dieser Grundsatz war gewiß ein Paradepferd des selbst ungebildeten Kleon. Daher AristophaneS in den Rittern, ihn verspottend: Regieren ist kein Ding für Leute Von Charakter und Erziehung! Niederträchtig, Unwissend muß man sein! Drum folge du Dem Ruf. den dir der Götterspruch verkündet! Worte, an den Wursthändler gerichtet, dem ein Orakel verheißt, daß er Kleon stürzen werde, und der sich als unfähig zum Regieren erklärt, weil er nichts gelernt habe. )
„Davon nun möchte ich euch abbringen, und deßhalb weise ich euch nach, wie sehr diese Eine Stadt der Mitylenäer sich an euch versündigt hat. Für solche, die nicht im Stande waren, die Forderungen eurer Herrschaft zu befriedigen, oder die von den Feinden gezwungen wurden, und so abgefallen sind, für die habe auch ich Verzeihung. Bewohner einer Insel aber, und zwar einer befestigten Insel, die nur von der Seeseite her einen Angriff unserer Feinde'zu fürchten gehabt hätten — und selbst für diesen Fall waren sie durch eine Zahl ausgerüsteter Dreiruderer nicht ohne Schutz — Leute, die nach ihren eigenen Gesetzen lebten und von uns auf's Höchste geehrt wurden, — wenn die solches thaten, haben sie damit etwas Anderes gethan, als aus uns einen Angriff gemacht? Und ist das nicht eher ein Anfall als ein Abfall zu nennen? Denn Abfall findet doch nur bei denen Statt, die vergewältigt worden. Und haben sie nicht im Bunde mit unseren ärgsten Feinden uns zu verderben gesucht? Und [*]( 26) Bezieht sich besonders auf Protagoras, ProdikoS und Gorgias, welcher' letztere damals grade mit der leontinischen Gesandtschaft nach Athen gekommen war (vergl. Thuk. Ill, SK). Trotz des außerordentlich hohen Honorars — Gorgias und ProtagoraS forderten 100 Minen (die Mine — 22 Flur. 22 Ggr.) für den Lchrkurs! — strömte ihnen die Jugend zahlreich zu. Auf ihre Leichtigkeit und Spitzfindigkeit, die allerdings dem ernsten, wahrhaften Sinn nicht minder schadeten, als Kleons rohe Oberflächlichkeit, spielt hier Kleon nicht an, denn ihm, dem Ungebildeten, erscheinen sie als Vertreter der Bildung, die er haßt. Sokrates ist hier vielleicht auch schon mitgemeint. Nur fünf Jahre später fällt die Abfassung der Wolken des Aristophanes, die ihn als Sophisten verspotten. Ganz ähnlich wie Kleon hier über die Sophisten, so später sein Gegner Aristophanes in den Fröschen (405 v. Chr.), freilich von ganz andern Gesichtspunkten aus, über SokrateS: Schande, wer bei Sokrates ' Sitzen mag und schwatzen mag — In gespreizten leeren Phrasen, Düsteleien, Quäckeleien, , Faulgeschäftig sich zu üben Ist für hohle Köpfe nur!. )