History of the Peloponnesian War

Thucydides

Thucydides. Geschichte des Peloponnesischen Kriegs. Wahrmund, Adolf, translator. Stuttgart: Krais and Hoffmann, 1864.

Viertes Kriegsjahr: 423—27. Kapitel I—XXV.

Kap. 1. Dritter Einfall der Peloponnesier in Attika. — 2 — 6. Abfall der Insel Lesbos und Maßnahmen der Athener unter Paches. — 7. Unternehmung gegen Oeniadä und Nerikon. — 8—15. Die Mytilenäer bewegen die Peloponnesier, ihnen eine Hülfsflotte zu senden. — 16—17. Thätig- keit der attischen Flotte. Seemacht der Athener. — 18. Absperrung von Mytilene. — 19. Des Atheners Lysikles Niederlage in Karien. — 20—24. Ein Theil der belagerten Platäer schlägt sich nach Athen durch. — 25. Der Spartaner Saläthos kommt nach Mytilene.

Fünftes Kriegsjahr: 427—26. Kapitel XXVI—I^XXXVIII.

Kap. 26. Vierter Einfall der Peloponnesier in Attika. — 27 — 28. Mytilene an die Athener übergeben. — 29 — 33. Der peloponnesischen Flotte unter Alkidas vergebliche Ausfahrt. — 34. Die Athener nehmen Notion. — 35 — 36. Die Athener verurtheilen alle Mytilenäer zum Tode. Reue deßhalb. — 37 — 40. Rede Kleon's für die Hinrichtung. — 41—48. Rede des Diodotos gegen dieselbe. — 49. Mytilene gerettet. — 50. Die Atheuer senden Kleruchen nach Lesbos. — 51. Niki as erobert und befestigt Minoa. — 52. Die Platäer ergeben sich an die Lakedämonier. — 53 — 59. Vertheidigungsrede der Platäer. — 60 — 67. Der Thebaner Gegenrede. — 68. Hinrichtung der

IV
Platäer und Zerstörung ihrer Stadt. — 69. Anschlag der Lakedämonier aus Kerkyra. — 70—75. Innere Zerwürfnisse auf Kerkyra. — 76—80. Die peloponnesische Flotte vor Kerkyra. — 81. Grausamkeiten der Kerkyräer gegen einander. — 82 — 85. Allgemeine politische und sittliche Zerrüttung Griechenlands. — 86. Attische Schiffe nach Sicilien. — 87. Die Seuche abermals in Athen. — 88. Gescheitertes Unternehmen der Athener gegen Lipara.

Sechstes Kriegsjahr: 426-25. Kapitel I.XXXIX—LXVl.

Kap. 89. Erdbeben und Überschwemmungen. — 90. Des Lach es Eroberungen auf Sicilien. — 91. Sieg der Athener bei Tanagra. — 92—93. Heraklea, neue Pflanzstadt der Lakedämonier. — 94. Demosthenes auf Leukadien.— 95—98. Unglücklicher Feldzug desselben gegen die Aetoler. — 99. Landung der attischen Schiffe im italischen Lokris. — 100 — 102. Die Lakedämonier unter Eurylochos in Aetolien und gegen Naupaktos — 103. Ereignisse auf Sicilien. — 104. Die Athener reinigen Delos. — 105— 114. Die Amprakioten von den Akarnanern und Athenern zweimal geschlagen. — 115. Weitere attische Schiffe nach Sicilien. — 116. Ausbrüche des Aetna.

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Des folgenden Sommers fielen die Peloponnesier und ihre Bundesgenossen zur Zeit, da das Getreide in Blüthe stand, mit Heeresmacht in Attika ein und verwüsteten das Land, nachdem sie ein Lager geschlagen. Anführer war der Lakedämonier-König Archidamos, [*]( 428 v. Chr. ) des Zeuxidamos Sohn. Wie sie auch früher gewohnt waren, machten ^ die athenischen Reiter Ausfälle, wenn es thunlich schien, und verhinderten so wenigstens den großen Haufen der Leichtbewaffneten, sich vom Lager zu entfernen und in der Nähe der Stadt Schaden zu thun. Die Feinde blieben so lange im Lande stehen, als die Lebensmittel ausreichten, zogen sich dann zurück und gingen ein Jeder in seine Heimath.

Gleich nach diesem Einfalle der Peloponnesier fiel Lesbos mit Ausnahme der Stadt Methymne') von den Athenern ab, was [*]( 1) Die Insel Lesbos, nach Strabo XIII, 616. 1100 Stadien, d. i. 27 bis 2S Meilen im Umfang, wurde nach Herodot, Leben Homer's SS. 130 Jahre nach dem Trojanischen Kriege mit Kolonisten besetzt, während sie früher keine Städte gehabt haben soll. GrayS, des Penthylos Sohn, Nachkomme Orest's, soll peloponnesische Achaier, gemischt mit andern Aeoliern aus Böotien und Thessalien dahin geführt haben. Die äolischen Kolonien an der Küste Kleinasiens, und selbst Kyme, welches seinen vortrefflichen Hasen erst spät benutzte, wurden durch Lesbos verdunkelt. Ueppige Luft, höchst fruchtbarer Boden und herrliche Weinpflanzungen zeichneten es auS, daher es bei den Alten das seelige, liebreizende genannt wird (Plin. Naturgesetz. S, 39). Hier wurden Wcttkämpfe der Weiberschönheit zu Ehren der Hera abgehalten, wie auch aus Tenedos und an den Ufern des AlpheioS in Arkadien. Trunk und Wollust waren vor-) [*]( ThukydideS. lll. ) [*]( 13 )

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[*](428 v. Chr. ) sie schon vor dem Kriege hatten thun wollen; aber die Lakedämonier nahmen sie damals nicht an. Auch dieses Mal waren sie genöthigt, [*]( herrshcende Laster; daneben aber herrschte große geistige Rührigkeit, wie denn die Insel von den frühesten bis in die späteren Zeiten viel Ausgezeichnetes auf dem Gebiet des Geistes hervorgebracht hat: Pittakos, einen der sieben Weisen, dann Alkäos, den Dichter und gleichzeitig Sappho, „eine wunderbare Erscheinung; denn in dem so großen Zeiträume menschlichen Denkens ist meines Wissens keine Frau aufgetreten, die in der Dichtkunst mit jener auch nur entsernt zu vergleichen wäre," (Strabo XIII, 617); — den Redner Diophanes; die Sänger Arion aus Methymne und Terpander, der sich zuerst der siebensaitigen Leier bediente anstatt der viersaitigen, daher von ihm die Verse: Wir jedoch wollen dir jetzt, viertönigem Liede entsagend. Neue Gesäng' anstimmen zu siebensaitiger Leier; — die Peripatetiker Phanias und Theophrast, aus Eresos, von dem es heißt, daß Aristoteles zwar alle seine Schüler beredt gemacht habe, zum beredtesten aber Theophrast, den Eresier. Auch die Geschichtschreiber Hellanikos und Theophanes, Freund Pompejus d. Gr., und Kallias, Erklärer des Alkäos und der Sappho, waren Lesbier. ) [*]( Die Insel hatte fünf größere Städte: Mytilene, Antissa, Pyrrha, Eresos und Methymna. — Mytilene, die größte Stadt, war anfangs auf einer kleinen Insel dicht vor der größeren, dann aus dieser selbst erbaut. Die schmale Meerenge zwischen beiden (jetzt ist auch die kleinere Insel mit Lesbos verbunden) wurde zu zwei Häfen benützt: der südliche, verschlossene, faßte 50 Dreiruderer, der nördliche war größer und tiefer und durch einen Damm geschützt. Die Stadt war, wie Strabo sagt, mit Allem wohl versehen. Nächst ihr war die Hafenstadt Methymna die bedeutendste, und während Antissa, Pyrrha und Eresos von Mytilene in Abhängigkeit gerathen zu sein scheinen, bewahrte dieß seine Selbständigkeit, daher Eifersucht zwischen beiden. Aus älterer Zeit wird von Parteikämpsen erzählt, in deren Folge Zwingherrn in Mytilene austraten, Myrsilos, Melanchros, die Kleanaktiden. Die sogenannten Aufruhrlieder des Alkäos waren gegen diese gerichtet. Nun trat Pittakos als Aesymnet aus. So, d. h. Ausgleicher, nannte man Männer, welchen in Folge der Achtung, die sie bei allen Parteien genossen, die unumshcränkte Gewalt auf unbestimmte Zeit anvertraut wurde, um den Parteikamps zu schlichten und Ordnung wieder herzustellen. (Vergleiche besonders Plutarch, Solon, Kap. 14). Pittakos führte seine Ausgabe durch und legte dann das Regiment nieder. — Seit Dareios Hystaspis war Lesbos den Persern unterthänig. Es betheiligte sich dann am Aufstand des Aristagoras, allein Krieger waren die Lesbier nicht, sie verloren den Muth und ließen sich wie die Samier gewinnen, während der Schlacht zu den Persern überzugehen. Nun folgte wieder Tyrannis unter perfischer Oberhoheit, dann die Besreiung durch die Schlacht von Mykale. In Folge )
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den Abfall früher in's Werk zu setzen, als sie zu thun im Sinne hatten; [*](428 v. Chr. ) denn sie hatten warten wollen, bis die Häfen abgedämmt, die Mauern ausgebaut und die Ausrüstung der Schiffe vollendet und Alles angelangt wäre, was aus dem Pontos Euxinos kommen sollte, Bogenschützen , Getreide und was sie sonst von dort erwarteten. Aber die Tenedier^), die ihnen gram waren, wie auch die Methymnäer und selbst eine Partei unter den Mytilenäern, Gastfreunde der Athener, hatten in Folge eines Zwistes unter den Bürgern den Athenern die Anzeige gemacht, das; jene mit Gewalt alle Bewohner der Insel nach Mytilene verpflanzen wollten, und daß sie mit Beihülfe der Lakedämonier und der Böotier, die ihnen blutsverwandt waren, sich eifrig rüsteten, um in Bälde abzufallen, und wenn man nicht zuvorkomme, so würde Lesbos verloren gehen.

.Die Athener aber, die sowohl von der Seuche bedrängt waren, als auch von dem Kriege, der eben recht in Gang kam und mit Anstrengung betrieben wurde, dachten, es sei eine schlimme Sache, wenn auch noch die Lesbier mit ihrer Flotte und ihrer ungeschwächten Macht auf die Seite ihrer Feinde treten sollten. Deßhalb mochten sie Anfangs jenen Anklagen keinen Glauben schenken, und weil sie nicht wünschten, daß sie wahr seien, so trösteten sie sich eines großen Theiles damit, daß sie wohl auch wirklich nicht begründet seien. Als sie aber dann durch abgeordnete Gesandte die Mytilener nicht dahin vermögen konnten, mit der Verpflanzung der Einwohner und den Kriegsrüstungen auszuhören, so wurden sie wirklich besorgt und beschlossen ihnen zuvorzukommen. Sie schickten also schleunigst vierzig Schiffe, die fertig gerüstet lagen , um nach dem Peloponnes unter Segel zu gehen, dorthin ab. Kle'ippides, des Deinias Sohn, befehligte sie selbdritt. Es war ihnen nämlich gemeldet worden, daß das Fest des Apollo Maloeis") bevorstehe, welches die Mytilenäer insgesammt außerhalb [*]( des Benehmens des Pausanias trat Lesbos mit ChioZ und SamoZ zu den Athenern über. ) [*]( 2)Tenedos, 80 Stadien im Umfang, mit der gleichnamigen äolischen Stadt, hielt treu zu Athen und war mit jährlichen 3 426 Drachmen besteuert (die Dr. — 5 Ggr. 6 Pf.). ) [*]( 3) Blutsverwandt waren nur die Böotier als Aeoler; siehe Anm. l.- Die Lakedämonier waren Dotter. ) [*]( 4) Neben dem Feste der Mesostrophonien, dessen Bedeutung unklar ist, ) [*]( 13*)

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[*]( 428 v. Chr. ) der Stadt feierlich zu begehen pflegten, - und wenn die Fahrt beschleunigt würde, so könne man sie vielleicht unvermuthet übersallen. Der Versuch könne wohl gelingen. Gelänge er aber nicht, so solle an die Mytilenäer die Aufforderung ergehen, ihre Schiffe auszuliefern und die Mauern niederzureißen, und wollten sie sich darein nicht fügen, so solle der Krieg beginnen. Diese Schiffe beeilten nun ihre Fahrt. Die zehn Dreiruderer der Mytilenäer aber, welche dem Bundesvertrag gemäß als Hülfsgeschwader bei ihnen lagen, hielten die Athener zurück und brachten die Bemannung in festen Gewahrsam. Den Mytilenäern aber that ein MannH der von Athen nach Euböa übersetzte, dort zu Lande bis nach Geraistos ging, von hier mit einem glücklicher Weise angetroffenen Frachtschiff absegelte und so in drei Tagen von Athen nach Mytilene kam, Meldung von der ansegelnden Flotte. Diese nun unterließen den Auszug nach Maloeis und hielten im Uebrigen gut Wache, nachdem sie um die unvollendeten Theile der Häfen und der Mauern Verfperrungen angelegt hatten.

Als nun nicht lange danach die Athener auf ihren Schiffen kamen und dieß sahen, so ließen deren Befehlshaber jenen zu wissen thun, was ihnen besohlen sei, und da die Mytilenäer kein Gehör gaben , so schickten sie sich an die Feindseligkeiten zu beginnen. Nun wagten zwar die Mytilenäer, ungerüstet wie sie waren, nnd ganz wider Erwarten zum Kriege gezwungen, mit ihren Schiffen eine kurze Strecke weit aus dem Hasen herauszufahren wie zur Seeschlacht/ da sie aber von den athenischen Schiffen zurückgejagt wurden, so erboten sie sich gegen die Feldherrn zu Unterhandlungen, mit' dem Gedanken sich womöglich die Schiffe durch einen glimpflichen Vergleich für jetzt vom Halse zu schaffen. Die Athenischen Befehlshaber waren dazu auch willig, da sie selbst sich nicht im Stande glaubten, den Kampf mit ganz Lesbos aufzunehmen. Nachdem so eine Waffenruhe zu Stande gekommen war, schickten die Mytilenäer Gesandte nach Athen, nnd darunter neben andern auch einen ihrer Ankläger, der seinen [*]( hatten die Lesbier noch zwei größere Feste: das der Artemis Thermia, d. i. der Schutzgöttin der warmen Quellen, und das des Apollo Maloeis, welches angeblich so genannt wurde, weil es durch Malos, einen Enkel des Teiresws, eingeführt worden sei. Der Ort, wo das Fest gefeiert wurde, hieß ebenfalls Maloeis; siehe weiter unten. )

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Schritt jetzt schon bereute. Die sollten die Athener bereden, ihre [*]( 428 v. Chr. ) Schiffe zurückzuziehen, da sie selbst keinerlei Neuerungen im Sinne hätten.

Zu gleicher Zeit aber schickten sie auch auf einem Dreiruderer Gesandte nach Lakedämon, ohne daß die athenischen Schiffe, die nordwärts der Stadt bei Malea vor Anker lagen, etwas davon merkten; denn sie hatten kein Vertrauen, daß sie bei den Athenern etwas ausrichten würden. Diesen letzteren spielte auf der Fahrt die See übel mit, doch kamen sie nach Lakedämon und setzten so viel durch, daß ihnen Hülse werden solle.

Da nun die Gesandten aus Athen wirklich zurückkamen, ohne etwas vermocht zu haben, so schickten sich die Mytilenäer und das übrige Lesbos, allein Methymne ausgenommen, zum Kriege an; denn diese, wie auch die Jmbrier und Lemnier und einige wenige der übrigen Bundesgenossen waren mit ihren Hülfsgeschwadern zu den Athenern gestoßen. Die Mytilenäer mit ihrem gesammten Volke machten einen Ausfall gegen das Lager der Athener, und es entspann sich dabei eine Schlacht, in welcher die Mytilenäer zwar nicht zurückgeworfen wurden, aber doch weder die Nacht über das Schlachtfeld behaupteten, noch auch sonst Selbstvertrauen genug hatten, um nicht sogleich den Rückzug anzutreten. Und seitdem verhielten sie sich ruhig in der Absicht später wieder einen Kampf zu wagen, wenn ihnen Zuzug aus dem Peloponnes oder ihrer Rüstung sonstwie ein Zuwachs gekommen wäre. Und in der That kamen jetzt auch der Lakonier Meleas und Hermäondas, der Thebaner, zu ihnen, welche schon vor dem [*]( 5) LemnoS und JmbroS, jetzt Stalimene und Lembro, südlich von Thrakien, von denen das erstere einen trefflichen Hafen hatte, blieben bis zum Jahre 410 v. Chr. im Besitze der Pelasger, die von Attika aus eingewandert waren. Damals nun, bei Gelegenheit des Skythenzngs, wurden sie durch den Perser OtaneZ dem DareioZ unterworfen. Während des jonischen Anfstaudes vertrieb Miltiades die Pelasger aus LemnoS und siedelte Athener an.' Aehnliches Schicksal hatte Jmbros. Wie anch Skyros, standen beide Inseln in einem innigeren Verhältnisse zu Athen als andere Kolonien, da ihre Einwohner ganz oder doch zum allergrößten Theil auS eigentlichen Athenern bestanden, und wenn diese auch nicht gleiches Recht mit den athenischen Vollbürgern hatten, so galten diese drei Inseln doch als wesentliche Bestandtheile des athenischen Staats und wurden noch im antalkidischen Frieden den Athenern zugesprochen, 387 v. Chr. )

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[*]( 428 v. Chr. ) Abfalle abgeschickt worden waren, jedoch den ansegelnden Athenern nicht hatten zuvorkommen können, und so sich erst nach der Schlacht auf einem Dreiruderer einstahlen. Diese forderten auf, nochmals ein Schiff mit Gesandten abgehen zu lassen, und das geschah auch.

Den Athenern war unterdessen wegen der Unthätigkeit der Mytilenäer der Muth wieder gewachsen, und sie riefen ihre Bundes- genossen herbei, die sich um so schneller einstellten, da sie sahen, daß von den Lesbiern nichts Zuverlässiges zu erwarten sei. Dieselben mm legten sich an der Nordseite der Stadt hin vor Anker, schlugen zwei feste Lager, auf jeder Seite der Stadt eines, und legten den Verschluß vor beide Hafen. So sperrten sie zwar die Mytilenäer von der See ab, sonst aber waren zu Lande diese die Meister sammt den übrigen Lesbiern, die bereits zu ihnen gestoßen waren. Auch beherrschten die Athener in der Umgebung ihrer Lager nicht viel Land, weßhalb auch ihre Hauptstation für die Proviantschiffe und der Markt bei Malea waren. Auf diese Weise wurde der Krieg vor Mytilene geführt.

Desselbigeu Sommers und um dieselbe Zeit schickten auch die Athener dreißig Schiffe nach dem Peloponnes unter dem Befehle des Asopios, des Sohnes Phormio's, denn die Akarnaner hatten sie gebeten , ihnen entweder einen Sohn oder einen Verwandten des Phormio 6) als Feldherrn zu schicken. Diese Schiffe kreuzten eine Zeit lang und verwüsteten die Küste Lakonika's, dann schickte Asopios die Mehrzahl derselben wieder nach Hause zurück, er selbst aber ging mit zwölfen nach Naupaktos. Darauf rief er das gefammte Volk der Akarnaner unter die Waffen und zog gegen Oeniadä, indem er mit den Schiffen den Acheloos befuhr, während die übrigen Truppen das Land verwüsteten. Da sich aber jene nicht ergaben, so entließ er das Landheer; er selbst segelte gen Leukas, und unternahm eine Landung auf Nerikon, wurde aber auf dem Rückzüge von dem zu Hülfe eilenden Landvolke und den wenigen Besatzungstruppen sammt einem Theile seines Heeres niedergehauen. Später holten die Athener, nachdem sie sich mit ihren Schiffen von der Küste entfernt hatten, unter dem Schutze eines Vertrags ihre Todten von den Leukadiern ab.

Die mit dem ersten Schiffe abgegangenen Gesandten der [*]( 6) Weil dieser selbst so Bedeutendes geleistet hatte, vergl. II, 83 ff. )

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Mytilenäer begaben sich nach Olympia, da die Lakedämonier sie auf«[*]( 428 v. Chr. ) gefordert hatten, dorthin zu gehen, damit auch die anderen Bundesgenossen sie anhören und danach Beschluß fassen könnten. Es war dieß die Olympiade, in der Dorieus aus Rhodos zum zweiten Male den Siegerpreis gewann ?). Nachdem nun die Festlichkeiten vorüber waren, traten sie auf und redeten also:

„Was unter den Hellenen feststehender Grundsatz ist, ihr Lakedämonischen Männer und ihr Bundesgenossen, das wissen wir wohl. Wer in Kriegszeiten abfällt und seine frühere Bnndesgenossenschaft fahren läßt, den nimmt man zwar auf, aber man schätzt ihn nur insofern, als er zu nützen vermag, hält ihn für einen Verräther und setzt ihn denen nach, die bereits vordem Freunde waren. Dieser Grundsatz ist in der That nicht unrichtig, sofern nur die Abfallenden und die, welchen sie absagen, in Gesinnung und Neigung wie in Rüstung und Kriegsmacht einander gleichstanden, und kein billiger Grund zum Absalle vorhanden ist. Zwischen uns aber und den Athenern stehen die Dinge nicht so, und wir werden deßhalb Niemanden mit Recht schlechter scheinen, wenn wir, obgleich im Frieden von ihnen geehrt ^), zur Zeit der Gefahr uns von ihnen lossagen."

„Von der Gerechtigkeit unserer Sache und unserer Rechtlichkeit wollen wir also zuerst reden, zumal wir die Bundesgenossenschaft mit euch wünschen; denn wir wissen, daß weder zwischen einzelnen Männern feste Freundschaft, noch auch zwischen Staaten zu irgend welchem Zwecke Gemeinschaft bestehen kann, wenn nicht beide Theile mit wirklicher Rechtlichkeit gegen einander verfahren und sie auch sonst gleicher Denkart sind; denn in einer Verschiedenheit der Meinung ist die Verschiedenheit der That schon inbegriffen Unsere Bundesgenossenschast mit den Athenern nahm damals ihren Ursprung,- als ihr von dem medischen Kriege zurücktratet, sie aber noch aushielten, um zu Ende zu führen, was noch zu thun übrig war. Wir wurden aber nicht ihre Bundesgenossen, um auf die Hellenen das Joch [*]( 7) D. i. Juli 42S. Dorieus siegte in drei Olympiaden hinter einander (Ol. S7. 83 und 89) im Pankration, d. h. im Faust- und Ringkampf. Paus. VI. 7. i. ) [*]( 8) Weil ihnen, wie den Chiern, die Autonomie, d. h. das Recht sich selbst Gesetze zu geben, belassen worden war. )

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[*]( 428 v. Chr. ) der Athener legen zu helfen, sondern um vom medischen Joche die Hellenen zu befreien. Und so lange sie bei ihrer Führung das gleiche Recht Aller geachtet haben, sind wir ihnen mit allem Eifer gefolgt. Als wir aber sahen, wie sie in ihrer Feindschaft gegen die Meder nachließen und dafür auf Unterjochung ihrer Bundesgenossen lossteuerten, da war es mit unserem Vertrauen zu Ende. Es war aber wegen der Vielköpfigkeit der Bundesgenossen unmöglich, daß sie unter einander eins geworden wären, und so wurden sie unterjocht, uns und die Chier ausgenommen; denn wir behielten unsere eigenen Gesetze und folgten ihrer Kriegsführung, dem Namen nach als freie Leute. Da uns aber das bereits Geschehene ein warnendes Beispiel war, so konnten wir auf die Athener als Anführer kein Vertrauen mehr setzen; denn es war nicht denkbar, daß sie die unterjochten, welche mit uns ihre Bundesgenossen geworden waren, und den noch frei gebliebenen nicht bei guter Gelegenheit dasselbe anthun sollten."

„Wären wir Alle jetzt noch unabhängig, so dürften wir wohl mehr darauf vertrauen, daß sie an keine Aenderung des Verhältnisses dächten. Da sie aber bereits die Mehrzahl-sich unterworfen haben, mit uns aber wie mit ihres Gleichen verkehren müssen, so wird es ihrem Stolze natürlich um so empfindlicher sein, daß wir allein sogar jetzt noch auf gleichem Rechte mit ihnen stehen, nachdem bereits die Mehrzahl sich ihnen untergeordnet Hai, und das um so mehr, je mächtiger sie selbst dadurch geworden und je vereinsamter wir sind. Die Furcht aber, den Gegner gleich stark zu finden, ist das einzige feste Band der Bundesgenossenschaft; denn wenn sich auch Einer noch so gern überheben möchte, so läßt er sich doch durch den Gedanken zurückhalten, daß er nicht mit überlegener Kraft angreifen kann. Daß uns aber die Unabhängigkeit gelassen wurde, hat keinen andern Grund, als daß es ihnen zur Gewinnung der Oberherrschast förderlicher schien, bei Vermehrung ihrer Macht immer nur mit einem scheinbaren Rechtsgruude und mehr mit Staatsklugheit vorzugehen als mit Gewalt. Zugleich hatten sie so auch einen Beweisgruud für die Gerechtigkeit ihrer Sache, da sie sagen konnten, daß Bundesgenossen mit gleichem Stimmrecht wohl nicht wider ihren Willen mit ihnen zu Felde ziehen würden, wenn der von ihnen angegriffene Feind nicht im Unrecht wäre. Zugleich aber auch sind sie zuerst mit Hülfe der Stär

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keren gegen die Schwächeren vorgegangen und haben sich die andern [*]( 428 v. Chr. ) bis znletzt aufgespart, um dann an ihnen schwächere Gegner zu finden als die übrige ihnen bereits unterworfene Macht. Hätten sie aber den Anfang mit uns gemacht, zur Zeit da Alle noch ihre unabhängige Macht besaßen und Jeder wußte, auf welche Seite er zu treten habe, so wäre es mit dem Unterwerfen nicht so leicht gegangen. Außerdem war es auch unsere Flotte, was sie scheuten, denn hätte sich diese mit euch oder einem Andern in voller Schiffszahl vereinigt, so konnte sie gefährlich werden. Zum Theil blieben wir auch deßhalb verschont, weil wir sowohl ihrem Gemeinwesen gegenüber als auch gegen ihre ersten Staatsmänner 9) uns immersort dienstbeflissen zeigten. Wir hätten uns aber wohl nicht mehr lange aufrecht erhalten können, wäre nicht der jetzige Krieg ausgebrochen; das ließ sich am Beispiele der Andern abnehmen." ,

„Was ist das also für eine Freundschaft, und wie fest ist die Freiheit begründet, in welcher wir einander freundlich und beflissen begegneten, während es uns beiden ganz anders um's Herz war? Im Kriege haben jene aus Furcht uns den Hof gemacht, im Frieden thaten wir dasselbe ihnen gegenüber. Während bei Andern gegenseitiges Wohlwollen das Vertrauen vorzüglich kräftigt, war es bei uns die Furcht, was unser Verhältniß zusammenhielt. Mehr durch Furcht als durch Freundschaft zurückgehalten, blieben wir ihre Bundesgenossen, und wer zuerst von uns beiden in seiner Sicherheit den Muth dazu gesunden hätte, der würde auch zuerst bereit gewesen sein das Verhältniß zu brechen. Wenn also Einer glaubt, wir seien im Unrecht srüher abzufallen, weil jene noch zögerten die uns zugedachten Feindseligkeiten zu eröffnen, und wir hätten vielmehr abwarten sollen, bis wir gewiß wußten, daß von ihrer Seite etwas drohe, — der urtheilt nicht richtig. Denn wären wir in der Lage gewesen, im Besitze gleicher Mittel, ihren Anstalten unsere Anstalten, ihrer Zögerung unsere Zögerung entgegenzustellen, so hätten wir uns allerdings ganz nach ihrem Benehmen richten müssen. Da aber jene die Möglichkeit hatten [*]( 9) Darunter sind nach dem Scholiasten wohl auch Geschenke an die Partei- führer zu verstehen. )

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[*]( 428 v. Chr.) zu jeder Zeit anzugreifen, so muß es auch uns freistehen, uns im Voraus sicher zu stellen."

„Das sind die Gründe und Ursachen, ihr Lakedämonier und ihr Bundesgenossen, die uns zum Abfall bewogen, einleuchtend genug, um Jeden, der uns anhört, zu überzeugen, daß wir recht gethan haben, und triftig genug, um unsere Besorgnis; zu wecken und uns zur eigenen Sicherstellung aufzufordern. Und das wollten wir damals schon, als wir noch mitten im Frieden des Abfalls wegen Gesandte zu euch schickten; da ihr uns aber abwieset, so blieb unsere Absicht unerfüllt. Jetzt aber sind wir der Aufforderung der Böotier allsogleich gefolgt und wir denken, daß es mit unserem Abfall seine zwei Seiten hat: von den hellenischen Bundesgenossen trennen wir uns, um nicht im Bündniß mit den Athenern ihnen Unrecht zu thun, sondern um an ihrer Befreiung mitzuhelfen, und von den Athenern fallen wir ab, um nicht in nächster Zukunft durch sie zu Grunde gerichtet zu werden, sondern ihnen selbst zuvorzukommen. Unser Abfall ist aber etwas schnell und unvorbereitet eingetreten, und um so mehr müßt ihr uns als Bundesgenossen aufnehmen und uns schleunigst Hülfe senden, damit ihr euch als Männer zeiget, die helfen, wo es Noth thut, und gleichzeitig auch dem Feinde zu schaden wissen.. Dazu aber ist jetzt ein so günstiger Zeitpunkt, wie früher nie. Die Athener sind durch die Seuche wie durch Geldausgaben zu Grunde gerichtet; von ihren Schiffen befindet sich ein Theil in euren Gewässern, und ein Theil ist gegen uns aufgestellt; sie können also unmöglich eine hinreichende Zahl von Schiffen haben, wenn ihr noch in diesem Sommer mit der Flotte und dem Landheere einen zweiten Einfall macht, sondern entweder können sie sich der angreifenden Schiffe nicht erwehren, oder sie müssen die ihrigen von beiden Punkten wegziehen. Denke aber Keiner, daß er dabei eines fremden Landes wegen sein eigenes der Gefahr preisgebe. Wer glaubt, daß Lesbos allzuweit entfernt sei, der wird schon sehen, daß es in seiner Nähe Nutzen gewähre. Denn der Krieg wird nicht in Attika geführt werden, wie vielleicht Einer glauben könnte, sondern da, wo Attika seinen Nutzen her zieht. Ihre Geldeinkünfte aber kommen von ihren Bundesgenossen, und diese werden noch größer sein, wenn sie uns erst unterjocht haben; denn ein Anderer wird dann nicht mehr abzufallen wagen, und die Einkünfte

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von uns kommen hinzu; trotzdem aber würden wir dann mehr zu [*]( 423 v. Chr). leiden haben, als die vor uns unterworfenen. Wenn ihr uns aber< kräftig zu Hülfe kommt, so werdet ihr einen Staat gewinnen, der eine bedeutende Seemacht hat, woran es euch gerade fehlt, und der Athener werdet ihr um so leichter Herr werden, da ihr die Bundesgenossen von ihnen abzieht; denn jeder Andere wird sich euch mit viel größerem Vertrauen zuwenden, und des Vorwurfs, der aus euch lastet, daß ihr den zum Abfalle Bereiten nicht zu Hülfe kommt, werdet ihr ledig. Tretet ihr aber als Befreier auf, so wird in eurer Hand die stärkere Kriegskraft sein."

„Achtet also die Hoffnungen, die Griechenland aus euch setzt, und ehret den olympischen Zeus, in dessen Heiligthum wir als Schutzflehende ershceinen: Helfet den Mytilenäern, nehmet sie zu Bundesgenossen an und laßt uns jetzt nicht im Stich, wo wir selbst Leib und Leben wagen, der Vortheil bei glücklichem Erfolge aber Allen gemeinsam sein wird, noch gemeinsamer aber der Schaden, wenn ihr euch nicht erbitten lasset uud wir dann unterliegen. Zeiget euch als solche Männer, für die die Hellenen euch halten, und wie unsere Furcht euch wünscht!"

So sprachen die Mytilenäer. Die Lakedämonier aber und ihre Bundesgenossen, da sie jene angehört hatten, zeigten sich ihren Vorstellungen geneigt und nahmen die Lesbier in die Bundesgenossenschaft aus, und um den Einfall nach Attika in's Werk zu setzen, befahlen sie den Bundesgenossen mit zwei Dritteln ihrer Mannschaft nach dem Jsthmos zu marschiren. Auch waren sie selbst dort die ersten am Platz und richteten aus der Landenge die Maschinen her, um die Schiffe von der korinthischen Seite nach dem -attischen Meere hinüberzuziehen '"), und mit Schiffen und Fußvolk waren sie auch bei der Hand. Sie also zeigten sich hierin sehr eifrig, die andern Bundes­ [*]( 10) Dieß geschah häufig, und am häufigsten eben auf dem korinthischen Jsthmos, weil die Zeitersparniß hier sehr bedeutend war. Herodot 7, 24 meint, eS sei überflüssige Mühe von Seiten des Xerxes gewesen, die Landenge beim Athos zu durchstechen, da die Schiffe ohne Mühe hätten darllbergczogen werden können. Noch Philipp III. von Makedonien und der pharische Demetrios liehen leichtere Fahrzeuge über den korinthischen Jsthmos bringen. Wachsmuth, hellen. Alterthumskunde II, I. S. 422. Vergl. Thuk. III. 81. )

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[*]( 423 v. Chr. ) genossen aber kamen nur langsam zusammen, denn sie waren gerade mit dem Einbringen der Feldsrucht beschäftigt und unlustig zu einem Feldzug.

Da nun die Athener merkten, daß jene aus Geringschätzung ihrer Schwäche solhce Rüstungen betrieben, so wollten sie ihnen doch zeigen, daß sie sich in ihrem Urtheil getäuscht hätten, und daß sie selbst wohl im Stande seien, sich der vom Peloponnes ansegelnden Flotte zu erwehren, auch ohne ihre Schiffe von Lesbos wegzuziehen. Sie bemannten also aus ihrer eigenen Bürgerschaft, die Ritter und Pentakosiomedimnen ausgenommen, und aus ihren Beisitzern '') hun­ [*]( 11) Die gesammte athenische Bürgerschaft war durch Solon in vier Steuer- klassen eingetheilt worden: l) die Pentakosiomedimnen, d. h. solche, die auf eigenem Boden über 500 Medimnen (1 Med. 2K30 Par. Cub.Zoll) trockenen, oder 500 Metreten (I Metr. 1SS0 Pan Cub.Zoll) nassen Produktes zogen und versteuerten, was einem Versteuerungskapital von mindestens 1 Talente — 1375 pr. Thlr. entspricht); 2) die Hippeis d.i^Ritter versteuerten über 300 Medimnen, d. i. mehr als 3000 Drachmen (die Dr. — 5 Ggr. K Ps.); 3) die Zeugiten d. i. die noch ein Gespann von Zugthieren halten können, versteuerten über 150 Medimnen, d. i. mehr als 1000 Drachmen; 4) die Thetes, waren steuerfrei, dafür aber auch von Aemtern und Würden ausgeschlossen. — Die Metöken d.i. Beisitzer ohne Bürgerrecht, jedoch durch Vermittlung eines Bürgers, des ProstateS, des gesetzlichen Schutzes genießend, zahlten jährlich IS Drachmen, wobei die Familie inbegriffen ist; einzelne Frauenzimmer K Drachmen. Wer diese Summe nicht entrichtete, wurde als Sklave verkauft. — Im Jahr 3 78 v. Chr. wurde unter dem Archon Naus inikos eine neue Schätzung eingeführt, welche auch das bewegliche Vermögen veranschlagte und einen Theil des Gesammtvermögens als zu versteuerndes Kapital bestimmte. Die höchste Klasse mußte den fünften Theil des Gesammtvermögens versteuern, so Demosthenes, der 15 Talente besaß, 3 Talente; jede folgende einen geringeren Theil. Dazu kamen aber noch andere Leistungen für die Reicheren. Jeder Bürger, der drei Talente oder darüber besaß, kam regelmäßig ein Jahr um das andere an die Reihe, die Kosten einer Leiturgie zu tragen. Die ordentlichen d. i. die regelmäßig wiederkehrenden Leiturgie n waren: 1) die Chöre gie d. i. Besorgung deS Chors für Tragödie, Komödie, Satyrspiel, festliche Aufzüge u. f. w., bestehend in Ausbringung des Personals für Gesang, Musik und Tanz, Besoldung des Lehrers, Stellung von Gewand und Schmuck u. s. w., was 2000 — 3000 Drachmen ausmachte. 2) Die Ohmnasiarchie, Bezahlung und Verköstigung der Wettkämpfer zu einem Fest. Die theuerste war die Lainpadarchie, d. i. Besorgung eines Wettlausä mit Fackeln. 3) Hestiasis, Bewirthung der Stammgenossen d. i. von ungesähr 2000 Gästen, die derselben Phyle, Stammsamilie, angehörten. 4) Die )

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der! Schiffe, gingen damit unter Segel und zeigten sich beim Isthmos [*]( 428 v. Chr. ) und landeten am Peloponnes, wo es ihnen beliebte. Da sahen diel Lakedämonier, wie sehr sie sich getäuscht hatten, und meinten nun, die Lesbier hätten ihnen die Wahrheit nicht gesagt, nnd da sie die Sachlage für sehr schwierig hielten, so kehrten sie nach Hause zurück, zumal auch die Bundesgenossen nicht zur Stelle waren und überdies; gemeldet wurde, daß auch.die in den peloponnesischen Gewässern befindlichen dreißig Schiffe der Athener die Landschaften in der Nähe ' ihrer Stadt verheerten. Später rüsteten sie dann eine Flotte, um sie nach Lesbos zu schicken, und schrieben bei den Städten eine Anzahl von vierzig Schiffen ans und machten den Alkiadas zum Admiral über dieselben, der die Fahrt dorthin unternehmen sollte. Inzwischen waren auch die Athener mit ihren Schiffen nach Hause gegangen, da sie auch jene hatten abziehen sehen.

Um die Zeit, als diese Schiffe auf die Fahrt gingen, [*]( Archetheorie, Besorgung der Festgesandtschast zu den großen Spielen nach Delos (vgl. Thuk. M. 104). — Die außerordentliche Leiturgie, die Trierarchie, war die kostspieligste; ein Schiff, zu welchem der Staat Rumpf und Mast geliefert hatte, war fertig auszurüsten, zu bemannen nnd weiter in Stand zu halten. Sold und Verpflegung der Mannschaft bestritt der Staat. — Diese Leistungen stellten. daS Gleichgewicht in der Besteuerung her, verliehen dem öffentlichen Leben Glan, und erhöhtes Interesse nnd waren für den Leistenden eine Ehrensache. — > ) [*]( Wie die Theilnahme an öffentlichen Aemtern und Würden von der Steuer- klasse abhing, der Einer angehörte, so auch die Theilnahme am Kriegsdienst. Die , Pentakosiomedimnen dienten als Hopliten, Schwerbewaffnete, jeder mit einem Waffenknecht, die Hippeis als Reiter. Die Thetes standen nicht in den Kriegsrollen verzeichnet, zogen aber nach den Perserkriegen doch als Leichtbewaffnete mit aus, oder versahen, wie an unserer Stelle, mit den Zeugiten den Flottendienst. Zuweilen wurden sie auch auf Staats- kosten oder von reicheren Bürgern als Hopliten ausgerüstet. Ebenso die Beisitzer (Metöken). In der äußersten Noth, wie bei Marathon und bei den arginufischen Inseln, wurden auch Sklaven aufgeboten. Die in der letzteren Schlacht mitfochten, erhielten das Bürgerrecht. — Uebrigenskonnte jeder Bürger, auch wenn er noch nicht in den Musterrollen stand oder schon daraus gestrichen war, so 'srilh oder so lange er Waffen tragen konnte, mitziehen. Mit dem Ausgang des peloponnesischen Krieges war jedoch der Eifer erkaltet und es fand nun schon die Söldnerei Eingang. Vergl. Wachsmuth, hellen. Alterthumsknnde II, l. )

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[*]( 428 v. Chr). hatten die Athener die größte Anzahl trefflicher Fahrzeuge zugleich in Thätigkeit, obwohl zu Anfang des Krieges eine nahezu gleiche, wenn nicht eine größere Zahl vorhanden war Denn Attika und Euböa und Salamis wurden durch hundert Fahrzeuge bewacht, und in den peloponnesischen Gewässern kreuzten andere hundert, und außerdem waren noch die bei Potidäa und an andern Punkten aufgestellten vorbanden, so daß in dem einen Sommer im Ganzen nicht weniger als zweihundertundsünszig Schiffe im Dienst waren und dieser Umstand vorzüglich und die Belagerung von Potidäa waren es, was den Schatz angriff; denn vor Potidäa wurde der-Dienst durch Schwerbewaffnete versehen, welche Tag für Tag zwei Drachmen Löhnung empfingen, eine für den Mann selbst, die andere für seinen Diener. Und dieser waren Anfangs dreitausend, die auch in gleicher Anzahl bis zu Ende der Belagerung blieben, und dazu noch die sechszehn- hundert bei Phormio, welche früher abzogen. Auf sämmtlichen Schiffen wurde aber dieselbe Löhnung gezahlt. Die Gelder also wurden gleich Anfangs auf diese Weise in Anspruch genommen, und an Schiffen war das die größte Zahl, welche je von ihnen bemannt wurde.

Um dieselbe Zeit, da die Lakedämonier bei dem Jsthmos standen, unternahmen die Mytilenäer zu Lande einen Zug gegen Methymne, mit eigener Bürgerschaft und mit Hülfstruppen, in Erwartung , daß die Stadt ihnen durch Verrath übergeben werde. Da aber bei ihrem Angriff die Sachen nicht so gut gingen, wie sie erwartet hatten, so zogen sie nach Antissa und Pyrrha und Eresos, gaben den Verhältnissen in diesen Städten eine ihrer Sicherheit gemäßere Gestalt, verstärkten die Befestigungen und gingen dann schleu­ [*]( 12) Diese Stelle leidet durch irgend ein Verderbnis; beS Textes an Dunkelheit. ) [*]( 13) Hiezu kommen noch die 40 Schiffe vor Lesbos. ) [*]( 14) Kriegslöhnung nebst Verpflegung war seit PerikleS eingeführt. Ein Hoplit erhielt täglich s Obolen (1 Ob. — II Pfcnn.) bis 2 Drachmen (l Dr. — 5 Ggr. S Pf.), ein Reiter das Dreifache, Seeleute 4 —S Obolen. Die thrakischen Söldner (Thuk. VII. 2 7) während beS peloponnesischen Kriegs erhielten 1 Drachme. Während Kriegszeiten sollte jeder Ueberschuß auf das Kriegswesen verwendet werden. Hierin liegt schon der Uebergang zum Söldnerwesen und zum Verfall des Staates. , )

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nigst wieder nach Hause. Nach ihrem Rückzüge unternahmen aber auch die Methymnäer ihrerseits einen Zug gegen Antissa; bei einem Ausfalle aber wurden sie von den Antissäern und deren Hülsstruppen geschlagen und verloren viele von ihren Leuten; die Uebrigen zogen in aller Eile ab. Als nun die Athener von diesen Ereignissen erfuhren, und daß die Mytilenäer zu Lande freie Hand hätten, und ihre eigenen Soldaten zur Einschließung nicht genügten, so schickten sie, als bereits der Herbst eingetreten war, den Paches, des Epikuros Sohn, als Feldherrn, und mit ihm tausend Schwerbewaffnete aus ihrer eigenen Mitte. Diese versahen auf der Fahrt auch den Ruderdienst auf den Schiffen selbst II) und schlossen nach ihrer Ankunft Mytilene mit einer einfachen Mauer ein. Hie und da an den beherrschenden Punkten wurden auch Werke aufgeführt. So war Mytilene mit Macht [*]( 427 v. Chr. ) von beiden Seiten eingeschlossen, wie zu Wasser so zu Lande, und, darüber war der Winter herbeigekommen.

Da nun die Athener noch mehr Geld brauchten um die Belagerung fortzusetzen, so legten sie sich damals zum ersten Mal eine außerordentliche Steuer auf, die sie bis auf zweihundert Talente brachten, und schickten auch zwölf Schiffe aus um bei den Bundesgenossen Geld einzutreiben. Auf diesen befehligte selbfünft Lysikles. Der nun, umherfchiffeud, betrieb sowohl anderwärts die Geldsammlung, und landete auch in Karien und zog in der Ebene des Mäander auswärts bis zum Sandischen Hügel. Die Karer und Ana'e'ter aber griffen ihn an und er selbst fiel, und mit ihm auch ein großer Theil seiner Leute.