History of the Peloponnesian War

Thucydides

Thucydides. Geschichte des Peloponnesischen Kriegs. Wahrmund, Adolf, translator. Stuttgart: Krais and Hoffmann, 1864.

„Euer Unwille gegen mich kommt mir nicht unerwartet, denn ich kenne dessen Ursachen, nnd deshalb habe ich die Volksversammlung berufen, um euch zur Rede zu setzen nnd zurechtzuweisen, wenn ihr mir mit Unrecht zürnt oder feige vor dem Mißgeschick weichet. Denn ich bin der Meinung, daß ein Staat, der im Ganzen sich wohlbefindet, den einzelnen Bürgern viel mehr zu nützen vermag, als ein solcher, dessen einzelne Bürger alle wohlhabend sind, mit dem es aber im Ganzen schlecht steht Denn geht es auch dem einzelnen Manne für sich noch so gut, so ist er beim Untergange des Vaterlandes doch mit verloren, geht es ihm aber schlecht, so hat er in einem glücklichen Staate viel mehr Gelegenheit sich aufzuhelfen. Wenn nun also der Staat im Stande ist, das Unglück Einzelner zu übertragen, jeder Einzelne aber für sich unfähig ist. das des Staates zu übertragen, sollen dann nicht Alle für ihn einstehen und das vermeiden, was ihr jetzt thut, daß ihr euch durch häusliches Unglück so weit verwirren lasset, das gemeinsame Wohl ganz außer Augen zu lassen, und auf mich, der ich den Krieg veranlaßt habe, und auf euch selbst, die ihr mit dafür gestimmt habt, unwillig zu sein? Und einem Manne zürnet [*]( 17) Vgl. Macaulay, E's.'yS I, 101 (Lci.'Z. Tauchilitz) Kr. )

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ihr, der doch in Erkenntnis; dessen, was nöthig ist, und in der Kunst, [*]( 430 v. Chr. ) es auseinanderzusetzen, Niemanden nachsteht, der sein Vaterland liebt und über Gewinnsucht erhaben ist! Denn wer zwar Einsicht hat, aber Andere nicht belehren kann, der ist gerade so gut, als wenn er kein Verständnis; hätte; wer aber beides hat und dabei dem Staate nicht treugesinnt ist, der kann wohl auch nichts Vortheilhaftes vorbringen ; und wer auch das Dritte noch dazu besitzt, vom Gelde aber bestochen wird, der würde für dies Eine Alles Andere zu verkaufen bereit sein. Wenn ihr also damals meiner Aufforderung zum Kriege nachgabt, weil ihr der Ansicht wart, daß ich jene Eigenschaften auch nur in mäßig höherem Grade als Andere besitze, so kann ich jetzt wohl eure Beschuldigungen als ein Unrecht gegen mich zurückweisen."

„Wenn Einer, der sonst im Glücke ist, die freie Wahl hat, so ist es eine große Thorheit, den Krieg zu wählen; wenn aber keine andere Wahl da ist, als durch Nachgeben sich dem Fremden zu unterwerfen oder mit der Gefahr des Kampfes den Sieg zu suchen, so ist der, welcher die Gefahr meidet, schlechter als wer sich ihr stellt. Ich für mein Theil bin derselbe geblieben und ändere meine Grundsätze nicht, ihr aber wechselt eure Gesinnungen; denn als ihr im Glücke wäret, ließt ihr euch von mir überreden, und nun, da ihr Verluste erlitten habt, wandelt euch Neue an, und nur in eurer eigenen Gesinnungsschwäche erscheint euch meine Ansicht als unrichtig, weil für Verluste Jeder im Augenblicke Empfindung hat, Alle zusammen aber keine Vorstellung von dem zukünftigen Nutzen. Tritt ein bedeutender Umschwung ein, und dazu noch plötzlich, so ist eure Denkart zu niedrig, als daß ihr aus dem beharrtet, was ihr für gut erkannt habt. Denn was plötzlich und unvorhergesehen und ganz und gar gegen alle Erwartung eintritt, das beugt den Muth nieder; und das ist euch, wie bei andern Dingen, so auch vorzüglich bei der Pest geschehen. Und doch solltet ihr, als Bürger einer großen Stadt und in den entsprechenden Gesinnungen auferzogen, auch den größten Unfällen die Stirne bieten und eure Würde nie verläugnen, — denn mit gleichem Rechte tadeln die Menschen denjenigen, der aus Feigheit hinter ererbtem Ruhme zurückbleibt, als sie den hassen, der frechmüthig nach dem Ruhme greift, der ihm nicht gebührt. Ihr solltet also eigene Unfälle verschmerzen und nur das Ganze zu retten streben."

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[*]( 430 v. Chr. ) „Was aber die Anstrengungen des Krieges wegen betrifft, von denen ihr besorgt, daß sie zu groß für uns werden, und wir vielleicht doch nicht Sieger bleiben möchten, so muß euch das genügen, wodurch ich euch schon früher ost gezeigt habe, daß eure Furcht ungegründet ist. Ich will aber jetzt den Punkt aushellen, den ihr mir weder selbst jemals recht zu bedenken schienet, nämlich die Größe eurer wirklichen Macht, und über den auch ich in meinen früheren Reden nicht gesprochen habe. Und auch jetzt würde ich ihn nicht hervorziehen, da es zu sehr den Anschein der Prahlerei hat, wenn ich euch nicht ganz über alle Gebühr niedergeschlagen sähe. Ihr glaubet nämlich, daß ihr nur über eure Bundesgenossen herrschet; ich aber sage, daß von den zwei Gebieten, auf denen man sich bewegen muß, Land und Meer nämlich, ihr das eine ganz und gar bherrschr, so weit ihr bis jetzt reicht, und noch weiter, wenn ihr nur wollt. Es gibt heute Niemanden, der eurer jetzigen Flotte die See wehren könnte, weder einen König noch auch sonst ein Volk. Es kommt also die Benutzung der Häuser und der Ländereien, mit denen ihr so gar viel verloren zu haben glaubt, neben dieser eurer Macht gar nicht in Betracht. Und es ist nicht in der Ordnung, daß ihr diesen Verlust so gar schwer empfindet; vielmehr solltet ihr dergleichen gering achten, wie allenfalls ein Gärtchen oder ein Prunkstück des Reichthums, und denken, daß die Unabhängigkeit, wenn wir an ihr festhaltend den Kampf überdauern, uns leicht dergleichen wiederbringen wird, daß aber, wenn wir erst Anderen gehorchen, auch der frühere Besitz seinen Werth verliert. Wir dürfen in beiden Dingen nicht schlechter fein als unsere Väter, die jenes unter Mühe und Anstrengung erworben, nicht von Andern ererbt, festgehalten und glücklich auf uns gebracht haben. Es ist aber viel schimpflicher, sich nehmen zulassen, was man hat, als beim Versuche es zu erwerben unglücklich zu sein. Und unseren Feinden müssen wir nicht nur mit hochherziger Unerschrokceuheit, sondern sogar mit Verachtung entgegen gehen. Prahlen kann auch einmal ein Feiger, wenn er, ohne die Gefahr kennen gelernt zu haben, glücklich gewesen ist, verachten aber nur der, der an einsichtigem Muthe den Feind zu übertreffen sich bewußt ist; und das ist bei uns der Fall. Auch die Kühnheit wird bei gleichem Glücke durch das Bewußtsein, auf den Gegner herabsehen zu können, sicherer gemacht; auf die Hoffnung baut

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das Bewußtsein weniger, denn deren Kraft zeigt sich nur in ganz un- [*]( 430 v. Chr. ) gewisser Lage, wohl aber auf den Muth, der sich faus Kenntnis; der vorhandenen Mittel gründet, in deren vorsorglicher Beischaffung die eigentliche Kraft liegt."

„Es versteht sich aber von selbst, daß ihr die Ehre, welche unserer Stadt aus der Herrschaft erwächst, und mit der ihr alle großthut, nicht im Stiche lassen dürfet, und keine Mühe scheuen, wenn ihr nicht überhaupt das Streben nach Ehre ausgeben wollet. Auch deutet nicht, daß es bei diesem Kampfe sich nur um Eines drehe, eigene Abhängigkeit oder Unabhängigkeit, — nein, es handelt sich auch um den Verlust der Herrschaft über Andere und um die Gefahren, die der Haß mit sich bringt, welchen unsere Herrschaft uns zugezogen hat; und diese aufzugeben, dazu ist jetzt gar keine Zeit mehr, wenn es auch vielleicht unter den gegenwärtigen Umständen Einer aus Furcht und aus biedermännischer Liebe zur Unthätigkeit thun möchte. Denn eure Herrschaft ist bereits eine Zwangsherrschaft geworden, und solche an sich zu reißen gilt zwar für Unrecht, allein sie aufzugeben ist gefahrvoll. Dergleichen Leute, wenn sie irgendwo nach ihrer Weise ein freies Staatswesen hätten und ihre Mitbürger mit ihren Meinungen ansteckten, sollten ihren Staat bald zu Grunde gerichtet haben! Denn solche Unthätigkeit kann die Freiheit des Staates nicht erhalten, wenn nicht eine rührige Thatkraft daneben steht; und nicht in einem herrshcenden Staate, sondern in einem unterworfenen ist gefahrlose Dienstbarkeit von Nutzen."

„Ihr aber laßt euch von so denkenden Mitbürgern nicht zum Narren halten und hegt keinen Unwillen gegen mich, — denn ihr selbst habt mit mir den Krieg beschlossen, — wenn auch die Feinde eingefallen sind und gethan haben, was zu erwarten stand, da ihr ihnen einmal nicht nachgeben wolltet. Es ist aber über unsere Erwartung auch noch diese Seuche hinzugekommen, das Einzige, was uns in schrecklicherer Art betroffen hat, als wir Alle voraussehen konnten; und ich weiß, daß ich von einem Theil eben deshalb noch mehr gehaßt werde; aber nicht mit Recht, ihr müßtet denn auch das mir zuschreiben, wenn euch gegen Erwarten irgend ein Glück zu Theil wird. Was von den Göttern kommt, muß man mit Ergebenheit, was von den Feinden kommt, mannhaft ertragen. So wenigstens

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[*]( 430 v. Chr. )war es früher in dieser Stadt Sitte, und ihr wollt es doch nicht ab« stellen? Bedeutet, daß sie unter allen Menschen den größten Namen hat, weil sie dein Unglücke nie gewichen ist; daß sie im Kriege an Menschenleben und Anstrengungen die größten Opfer gebracht hat, und bis auf diesen Tag eine Macht erworben, deren Andenken bei den Nachkommenden nie erlöschen wird, auch wenn mir jetzt einmal etwas zurückgehen sollten, denn Alles, was entstanden ist, muß ja auch einmal niedergehen. Wir sind es, die unter den Hellenen über die größte Zahl von Hellenen geherrscht und in den schwersten Kriegen der Gesammtheit wie den Einzelnen widerstanden haben, und so haben wir diese Stadt, die wir bewohnen, in allen Stücken zur blühendsten und größten gemacht. Das Alles mag freilich der tadeln, der die Thätigkeit für den Uebel halt; wer aber etwas ausrichten will, der wird uns selbst nacheifern, und wer im Erwerben nicht so glücklich ist, der wird uns beneiden. Daß wir aber gehaßt und scheel angesehen werden unter den jetzigen Umständen, das ist das Loos noch Aller gewesen, die je über Andere zu herrschen wünshcten. Wer aber um die größten Dinge Neid auf sich nimmt, der hat das Rechte gewählt; denn Haß dauert nicht lange aus, der gegenwärtige Glanz aber und der zukünftige Ruhm lebt ewig im Gedächtniß der Menshcen. Ihr also bedenket voraus, was in der Zukunft euch Ruhm und für die Gegenwart keine Schande bringt, und nach beiden strebet jetzt schon mit allem Eifer. Mit den Lakedämoniern fanget keine Unterhandlungen an, noch dürst ihr zeigen, daß die gegenwärtigen Unfälle euch niederdrücken; denn wer vom Unglück den Muth sich am wenigsten bengen läßt und ihm mit der That am kräftigsten widerstrebt, die sind unter Staaten und unter Bürgern die besten."

Durch solcherlei Reden suchte Perikles den Unwillen der Athener gegen sich zu entkräften und ihre Gedanken von den augenblicklichen Uebeln abzuleiten. In den öffentlichen Angelegenheiten nun folgten sie seinen Worten und schickten nicht weiter mehr zu den Lakedämoniern, sondern rüsteten sich noch eifriger zum Kriege; für sich aber blieb jeder von seinen eigenen Leiden niedergedrückt: das gemeine Volk, weil es nur Weniges besessen nnd auch das noch verloren hatte, die Reichen, weil sie sich ihrer schönen Besitzungen, ihrer Häuser auf dem Lande und der kostbaren Einrichtungen beraubt sahen,

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und, was von Allem das Wichtigste, weil sie Krieg hatten anstatt des [*]( 430 v. Chr. ) Friedens. Und in der That hörten sie insgesammt nicht eher aus, ihn mit ihrem Unwillen zu verfolgen, als bis sie ihn um eine Summe Geldes gestraft hatten. Wie es aber der große Haufe zu machen pflegt, so wählten sie ihn nicht lange danach wieder zum Feldherrn und übertrugen ihm alle Staatsgeschäfte; denn über das, was Jeder in seinem Häuslichen zu leiden hatte, dachten sie bereits milder, den Bedürfnissen des Staates aber glaubten sie, sei er am besten gewahcsen. Und in der That, so lange er im Frieden dem Staate vorstand, lenkte er ihn mit Mäßigung und bewahrte ihn mit sicherer Hand vor Unheil, und unter seiner Regierung erreichte er seine größte Macht. Als aber der Krieg eintrat, so zeigte es sich, daß er auch hierin die Kräfte des Staates vorher richtig geschätzt hatte. Er lebte aber während desselben noch zwei Jahre und sechs Monate, und als er gestorben war, da wurde seine Voraussicht in Betreff des Krieges erst recht erkannt; denn er hatte behauptet, wenn die Athener sich sonst ruhig verhielten, nur auf die Flotte Bedacht nähmen, während des Krieges ihre Herrschaft nicht weiter ausbreiten und die Stadt selbst keiner Gefahr aussetzen wollten, so würden sie Sieger bleiben. Sie aber wendeten dies Alles in's Gegentheil um und unternahmen aus persönlichem Ehrgeize und um des eigenen Aortheils willen andere Dinge, die mit diesem Kriege gar nicht im Zusammenhang standen, zu ihrem eigenen und ihrer Bundesgenossen Unglück, — Dinge, die, wenn sie gelangen, den Einzelnen zwar Ehre und Nutzen mehren konnten, wenn sie aber mißlangen, dem Staate für den Verlauf des Krieges zum Schaden gereichten. Die Ursache davon war, das; jener, an Ansehen und Einsicht hervorragend, unbestechlich war wie kein Anderer und die Menge durch seinen Freimuth im Zaume hielt. Er wurde nicht von jener gelenkt, sondern lenkte sie vielmehr selbst, weil er nicht durch unerlaubte Mittel zu seiner Macht gelangt war und ihnen deshalb nicht zu Gefallen reden mußte, sondern sich das Recht nahm, ihnen auch mit Leidenschaft zu widersprechen. Wenn er nun merkte, daß sie zur unrechten Zeit aus Uebermuth waghalsig werden wollten, so schlug er durch seine Reden ihre Stimmung bis zur Zaghaftigkeit nieder, und sah er sie in übertriebener Furcht, so richtete er sie wieder zur Kühnheit auf. So gab es dem Namen nach eine Volksherrschaft, in der
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[*]( 430 v. Chr. )That aber ging vom ersten Manne die Herrschaft aus. Die aber nach ihm kamen, mehr Einer mit dem Andern gleiches Ranges waren und doch Jeder der Erste werden wollten, fingen an dem Volke zu Gefallen ihm die Staatsangelegenheiten in die Hände zu geben, weshalb, wie es in einem großen und Andere beherrshcenden Staate natürlich ist, sowohl viele andere Fehler begangen wurden, als auch besonders die Seeunternehmung gegen Sicilien. Bei dieser lag aber der Fehler nicht sowohl in der Absicht rücksichtlich derer, gegen welche der Zug unternommen wurde, als vielmehr darin, daß die Unternehmer hinterher die Sache des abgegangenen Heeres nicht im Auge behielten, sondern unter lauter Ränken der Einzelnen um den Vorrang beim Volke die Kraft des Heeres todt legten und wegen der Staatsangelegenheiten zuerst unter sich selbst in Zerwürsniß geriethen. Obgleich sie nun in Sicilien sowohl ihre übrige Kriegsrnstung als auch den größten Theil der Flotte einbüßten, und auch bereits zu Haus unter ihnen Zwiespalt herrschte, so widerstanden sie doch noch drei Jahre ihren früheren Feinden und den Sikelioten noch dazu, während gleichzeitig auch die meisten ihrer Bundesgenossen zu jenen übergegangen waren und auch des Perserkönigs Sohn, Kyros, sich denselben angeschlossen hatte, der den Peloponnesiern Geld zu einer Flotte gab. Und nicht eher gaben sie nach, als bis sie durch ihre eigenen Zwistigkeiten ganz und gar herabgekommen waren. Soweit war Penkles damals noch unter der Wirklichkeit zurückgeblieben, als er voraus berechnete, daß sie im Kriege gegen die Pcloponnesier allein sehr leicht den Sieg behalten würden.

Die Lakedämonier aber und ihre Bundesgenossen gingen desselbigen Sommers mit Hundert Schiffen unter Segel gegen Zakynlhos, der Insel gegenüber von Elis. Es wohnen dort Ansiedler aus den Peloponnesischen Achaiern, und damals hielten diese zu den Athenern. Die Lakedämonische Flotte führte Tausend Schwerbewaffnete, und der Spartaner Knemos hatte den Oberbefehl. Sie stiegen an's Land und verheerten weithin die Insel; da aber jene nicht nachgaben, so schifften sie nach Hause zurück.

Gegen Ende desselben Sommers wollten Aristeus, der Korinther, und von den Lakedämoniern als Abgesandte Aneristos und ^^ikolaos und Stratodemos und der Tegeate Timagoras und mit

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ihnen anS persönlicher Bewegung Es auch der ArgiverPolliszum Könige [*](430 v. Chr. ) nach Asien reisen, ob sie ihn vielleicht bewegen möchten, Hülfsgelder zn zahlen und mit ihnen am Kriege theilzunehmen. Auf dem Wege dahin gingen sie zuerst nach Thrakien zum Sitalkes, dem Sohne des Teres, um ihn wo möglich zu überreden, daß er von der Bundes- genostenschast mit den Athenern abfalle und ein Heer nach Potidäa schicke, wo noch die Belagerungstruppen der Athener standen. Von hier ans wollten sie dann durch jenes Vermittelung über den Hellespont zum Pharnakes, des Pharnabazos Sohn, gelangen, der sie dann weiter zum Hofe des Königs befördern sollte. Es waren aber auch gerade Gesandte der Athener bei dem Sitalkes, Learchos nämlich, Sohn des Kallimachos, und Ameiniades, des Philemon Sohn, und diese überredeten den Sohn des Teres, Sadokos, der athenischer Bürger geworden war, ihnen jene Männer in die Hände zu liesern, damit sie nicht zum Könige gelangen und der Stadt Schaden zufügen möchten , die ja zum Theil auch für ihn Vaterstadt sei. Dieser ließ sich überreden und jene aus der Reise durch Thrakien zu dem Schiffe, welches sie über den Hellespont bringen sollte, bevor sie sich einschiffen konnten, festnehmen, indem er dem Learchos und dem Ameiniades Leute mitgab, welche den Befehl hatten, ihm jene Männer auszuliefern. Tiefe nahmen die Gefangenen und brachten sie nach Athen. Als sie dort ankamen, ließen die Athener aus Furcht, Aristeus möge, wenn er ihnen entkäme, ihnen noch weiteren Schaden zufügen, — denn in der That hatte es sich gezeigt, daß er vordem wegen Potidäa's und Thrakiens Alles eingefädelt hatte, — noch an demselben Tage Alle unangehört hinrichten, obwohl sie Einiges vorbringen wollten, und in Gruben werfen. Hierdurch wollten sie das mit Gleichem vergelten, womit die Spartaner den Anfang gemacht hatten, indem sie die Kauflente von den Athenern und ihren Bundesgenossen, die mit ihren Lastschiffen die peloponnesishcen Gewässer befuhren, ergriffen, tödteten und in Gruben warfen. Und in der That hatten zu Anfang des Krieges die Lakedämonier Alles, was sie auf dem Meere ergriffen, als Feinde umgebracht, mochten sie nun Kampfgenossen der Athener sein, oder zu keinem von beiden Theilen stehen. [*]( 18) Argos als Staat stand nämlich auf Seit: der Athener, vgl. l, 115. )
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[*]( 431 v. Chr. ) Uni dieselbe Zeit, gegen Ende des Sommers, zogen auch die Amprakioten mit eigener Macht und mit vielen Barbaren, die sie ausgeboten hatten, gegen das amphilochische Argos und die übrig? Landschaft Amphilochia zu Felde. Der Anfang ihrer Feindschaft gegen die Argiver hatte diese Veranlassung. Das amphilockische Argos und den ganzen Staat Amphilochia gründete nach seiner Rückkehr von Troja, da er an den Zuständen von Argos keinen Gefallen fand, Amphilochos, des Amphiaraos Sohn, am Meerbusen von Amprakia und gab ihm nach seiner Vaterstadt den gleichen Namen Argos. Diese Stadt war die größte in Amphilochia und hatte auch die reichsten Einwohner. Um viele Geschlechter später aber geriethen sie durch Unglückssälle in Bedrängniß und luden ihre amprakischen Nachbarn ein, sich unter ihnen niederzulassen, und damals lernten sie ihre jetzige hellenische Sprache von den Amprakioten, die sich unter ihnen ansiedelten; die übrigen Amphilochier aber sind Barbaren. Nach einiger Zeit nun trieben die Amprakioten die Argiver aus und nahmen die Stadt selbst in Besitz, worauf sich die Amphilochier den Akarnanern ergaben und beide die Athener zu Hülfe riefen, die ihnen den Feldherrn Phormio mit dreißig Schiffen zusandten. Nach Phormio's Ankunft nahmen sie die Stadt Argos mit Gewalt und verkauften die Amprakioten in die Sklaverei, und seitdem bewohnten Amphilochier und Akarnaner die Stadt gemeinsam. Danach kam zuerst die Bundesgenossenschast zwischen Athenern und Akarnanern zu Stande. Seiden, aber damals ihre Leute als Sklaven verkaust worden waren, nährten die Amprakioten Haß gegen die Argiver, und später unternahmen sie in diesem Kriege den eben erwähnten Zug mit eigener Macht und mit Hülsstruppen der Chaoner und anderer benachbarter Barbaren. Sie rückten vor Argos und machten sich des Landes Meister, die Stadt aber konnten sie trotz ihrer Bestürmung nicht nehmen, und so zogen sie wiederum ab und gingen ein jeder Stamm in seine Heimath. Das war es, was in diesem Sommer geschehen ist.

In dem nun folgenden Winter schickten die Athener zwanzig Schiffe in die peloponnesischen Gewässer unter Anführung des Phormio, der sich bei Naupaktos aufstellte und Wache hielt, daß von Korinth und dem Krisäischen Meerbusen weder Jemand aus- noch einsegeln konnte. Andere sechs Schiffe sandten sie unter dem Ober

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befehl des Melesander nc^ch Karten und Linien, damit sie in jenen [*]( 430 v. Chr. ) Gegenden Geld eintreiben und Acht haben sollten, daß peloponnesiscke Kaperschiffe sich nicht festsetzten, um von dort aus die Fahrt der Kausmannsschiffe von Phaselis und Phönikien und dem dasigen Festlande zu beunruhigen. Als aber Melesander mit der Besatzung der athenischen Schiffe und mit Truppen der Bundesgenossen einen Einsall in die lykische Landschaft machte, so fiel er selbst, und mit ihm ging ein Theil des geschlagenen Heeres zu Grunde.

In demselben Winter vermochten die belagerten Potidäer sich nicht mehr zu halten, da die Einfälle der Peloponnesier in Attika ihnen keineswegs die Athener vom Hals schafften, ihnen selbst vielmehr die Nahrungsmittel ausgingen, und außer andern Dingen, welche die Noth zu genießen zwang, Einige sogar schon Menschensleisch gegessen hatten. Deshalb boten sie den gegen sie aufgestellen Feldherren der Aihener, Aencphon, dem Sohne des Euripides, Hestiodoros, dem Sohn des Aristokleides, und dem Phanomachos, des Kallimachos Sohn, die Hand zu einem Vergleiche. Und diese zeigten sich dazu auch willig, da sie sahen, wie ihre Truppen in der rauhen Gegend litten, und der Staat überdies schon zwei Tausend Talente auf die Belagerung ausgegeben hatte. Sie kamen nun dahin nberein, daß sie selbst mit Weib und Kind, sowie auch ihre Bundesgenossen, Jeder mit einer Gewandung, die Weiber aber mit zweien ausziehen sollten, und ein festgesetztes Stück Geld zur Wegzehrung durften sie auch mitnehmen. Unter dem Schutze dieses Vertrages nun zogen sie gegen Ehalkidike, oder wie es grade Einer einrichten konnte. Die Athener aber waren ungehalten über ihre Feldherrn, daß sie aus eigene Hand den Vertrag geschlossen, denn sie glaubten, die Stadt hätte sich doch auf Gnade oder Ungnade ergeben müssen. Später sandten sie Ansiedler aus ihrer Mitte nach Potidäa und besetzten damit die Stadt für sich.

Das ist's, was in diesem Winter geschah, und damit ging das zweite Jahr des Krieges zu Ende, welchen Thukydides beschrieben hat.

Im nächstfolgenden Sommer nun machten die Peloponnesier und ihre Bundesgenossen keinen Einfall nach Attika, sondern [*](429 v. Chr. ) wendeten sich gegen Platäa. Es befehligte aber Archidamos, des Zeuxidamos Sohn, König der Lakedämonier. Tiefer ließ das Heer

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[*]( 429 v. Chr. ) ein Lager schlagen und schickte sich an das Land zu verwüsten. Da sandten die Platäer allsogleich Abgeordnete an ihn und ließen ihm sagen:

„Archidamos und ihr Lakedämonier! Ihr handelt nicht recht, noch euer und der Väter, von denen ihr abstammt, würdig, indem ihr gegen das Gebiet der Platäer zu Felde zieht. Denn als Pansanias, des Kleombrotos Sohn, der Lakedämonier, Hellas von den Medern befreit hatte, im Bunde mit den Hellenen, die mit ihm die Gefahr der Schlacht theilen wollten, welche unter unsern Mauern vorfiel, brachte er auf dem Markte der Platäer dem Zeus Befreier ein Opfer, und nachdem er alle Bundesgenossen zur Zeugenschaft herbeigerufen, übergab er den Platäern ihr Land und ihre Stadt als freie unabhängige Männer zu bewohnen, und niemals sollte sie Einer ungerechter Weise, oder um sie in Botmäßigkeit zu bringen, mit Krieg überziehen; wenn es aber doch geschähe, so sollten alle die gegenwärtigen Bundesgenossen nach Kräften abwehren. Dies Vorrecht haben uns eure Väter ertheilt zur Belohnung der Tapferkeit und des Eifers, welche wir in jenen Gefahren bewiesen; ihr aber thut nun davon das Gegentheil; denn im Bunde mit den Thebanern, unseren ärgsten Feinden, kommt ihr nun, uns in Knechtschaft zu zwingen. So rufen wir denn zur Zeugenschaft die eidbewachenden Götter von damals, die Gottheiten eurer Väter und unsere heimischen und ermähnen euch, das Gebiet von Platäa nicht zu schädigen, noch die Eidschwüre zu verletzen, sondern uns unabhängig hier wohnen zu lassen, wie Pausanias uns zugestanden hat."

Auf diese Rede der Platäer antwortete Archidamos: „Was ihr sagt, ist recht, ihr Männer von Platäa, wenn nur eure Thaten zu den Reden stimmen. Wie euch Pausanias verstattet hat, möget ihr in Unabhängigkeit leben! Aber helft auch die Andern befreien, welche damals mit euch die Gefahr getheilt und den Schwur mitgeleistet haben und nun von den Athenern unterjocht sind. Ihretwegen und zur Befreiung der Uebrigen ist auch diese große Rüstung und der Krieg unternommen, und nur wenn ihr mit daran Theil nehmt, bleibt ihr recht eurem Schwüre getreu. Wollt ihr das nicht, so fordern wir euch auf, wie wir schon früher gethan: haltet euch ruhig, regiert euch selbst, stehet aber zu keinem von beiden Theilen, sondern gestattet beiden

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als Freundes: den Eintritt, zu Kriegszwecken aber keinem von beiden. [*]( 429 v. Chr. ) Damit werden wir zufrieden sein."

So antwortete Archidamos. Da nun die Platäischen Abgesandten ihn angehört hatten, gingen sie in die Stadt zurück, und nachdem sie ihren Bürgern jene Worte mitgetheilt, gaben sie ihm zur Antwort, es wäre ihnen unmöglich, zu thun was er begehre, ohne die Athener zu befragen; denn ihre Weiber und Kinder wären bei jenen. Auch seien sie in Furcht wegen ihrer Stadt selbst, ob nicht etwa nach dem Abzüge der Lakedämonier die Athener kämen und ihren Schritt nicht guthießen, oder ob nicht die Thebaner wieder einen Versuch machen würden, sich ihrer Stadt zu bemächtigen unter dem Vorwande, daß sie in Betreff der Ausnahme beider Theile auch mit in den Eidvertrag eingeschlossen seien. Darauf hieß sie Archidamos gutes Muthes sein und sagte: „Uebergebt ihr nur eure Stadt und die Landhäuser uns Lakedämoniern, zeigt uns die Gränzen eurer Gemarkung, und die Bäume, und was sich sonst von eurem Besitze zählen läßt, das zählt uns zu. Ihr selbst mögt dann hinziehen und wohnen, wo ihr wollt, so lange der Krieg währt. Ist er dann zu Ende, so werden wir euch wiedergeben, was wir übernommen haben. Bis dahin werden wir es als Pfand behalten, euer Land bebauen lassen und euch einen Ertragsantheil zuwenden, von dem ihr leben könnet."

Mit dieser Antwort kehrten jene wieder in die Stadt zurück, beriethen sich mit der Bürgerschaft und sagten ihm dann, sie wollten sein Begehren zuerst den Athenern mittheilen, und wenn diese dazu riethen, so wollten sie ihm willfahren. Bis dahin, baten sie, möge er ihnen Waffenruhe gewähren und ihr Land nicht verwüsten. Er gab ihnen nun so viel Tage Waffenstillstand, als nöthig schien, um hin und her zu kommen, und verheerte ihr Land nicht. Nachdem aber die platäischen Abgesandten zu den Athenern gekommen waren und sich mit ihnen berathen hatten, kamen sie zurück und meldeten denen in der Stadt Folgendes: „Weder vordem, ihr Männer von Platäa, seit wir ihre Bundesgenossen geworden, — so sagen die Athener, — hätten sie euch in irgend einem Dinge beleidigen lassen, noch auch würden sie jetzt ruhig zusehen, sondern nach Kräften zu Hülfe ziehen. Sie ermähnen euch bei den Eiden, die unsere Väter geschworen haben, an der Bundesgenossenschaft Nichts zu ändern." [*]( Thukydides. II. ) [*]( 13 )

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[*](429 v. Chr. ) Aus diese Meldung der Boten hin faßten die Platäer Beschluß, sie wollten die Athener nicht ausgeben, sondern sich lieber auch die Verheerung ihres Landes gefallen lassen, wenn es sein müßte, und auch sonst mit ansehen und dulden, was kommen sollte; hinausgehen aber dürfe Keiner mehr, sondern von der Mauer herab wolle man antworten, daß es unmöglich sei zu thun, wie dieLakedämonier begehrten. Als sie nun diese Antwort ertheilt hatten, so rief König Archidamos die Götter und Helden des Landes zu Zeugen aus und sprach: „Ihr Götter alle, die ihr im Land der Platäer waltet, und ihr Herden, wisset, daß diese zuerst den beshcwornen Bund verlassen haben, und wir im Anfang darum nicht Unrecht thaten, als wir in dies Land kamen, in welchem auch unsere Väter zu euch gebetet und über die Wieder gesiegt haben, indem ihr gewährtet, daß es für die Hellenen ein glückbringendes Schlachtfeld sei; noch auch werden wir Unrecht thun, was wir nun weiter unternehmen; denn wozu wir sie ost und nach Billigkeit aufgefordert, konnten wir nicht erlangen. So gewähret nun, daß das Unrecht an denen gestraft werde, die es begonnen, und daß die Genugthuung finden, welche nach dem Gesetze zur Ahndung schreiten."

Nachdem er so die Götter angerufen hatte, schritt er mit dem Heere zum Beginn der Feindseligkeiten und umschloß die Stadt zuerst mit einem Pfahlwerk aus abgehauenen Bäumen, daß keiner mehr heraus könne. Dann schütteten sie einen Wall gegen die Stadt auf, in der Hoffnung, die Stadt werde bald genommen sein, da ihrer im Heere so viele Arbeiter seien. Dann hieben sie Bäume aus dem Kithäron und verbauten damit den Wall auf beiden Seiten, indem sie statt Manerwänden kreuzweis durch einander gebogenes Holzwerk anbrachten, damit nicht zu viel Erde abrutsche. Auch Reisig, Steine, Erde und was sonst förderlich sein konnte, wurde zugetragen. Sie arbeiteten aber an diesem Wall siebenzig Tage und Nächte ununterbrochen, indem sie sich zur Ausrast ablösten, so daß die Einen zutrugen, während die Andern Schlaf und Speise genossen. Die lakedämonischen Anführer der Bundestrnppen standen aber auch dabei [*]( 19) benagen (Fremdenführer) hießen die Spartiatc», irelche die Truppen der Bundesgenossen befehligten; vgl. Z'enoph. Hellen III, 5, T; V, 2, 7. )

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und trieben mit zur Arbeit. Wie nun die Platäer sahen, das; der [*]( 429 v. Chr. ) Wall immer höher emporstieg, setzten sie ein hölzernes Thurmgestell zusammen, stellten es auf die Mauer, da wo der Wall gegen dieselbe aufgeschüttet wurde, und bauten es mit Ziegeln aus, die sie von den in der Nähe niedergerissenen Häusern nahmen. Das Holzwerk daran erhielt den Bau bei gehöriger Festigkeit, so daß das Ganze trotz seiner Höhe nicht zu schwach wurde. Als Schutzdecken erhielt es Felle und Häute, so daß die Arbeiter sowohl wie das Holzwerk sicher waren, nicht von Brandpfeilen getroffen zu werden. Es erhob sich aber dieser Thurm zu bedeutender Höhe, doch nicht »nissiger stieg auch der Wall dagegen empor. Da verfielen die Platäer auf eine List: sie machten in ihre Manet, da wo der Wall an sie stieß, ein Loch und schafften die Erde vom Walle in ihre Stadt.

Als die Peloponnesier dies merkten, so faßten sie Lehm in Rohrkörbe und warfen diese in die entstandene Lücke, damit diese Masse nicht wieder durchrutschen und wie die Erde weggeschafft werden könnte. Jene, denen also hier ein Riegel vorgeschoben war, hörten damit auf, gruben aber nun einen unterirdischen Gang aus der Stadt heraus, und als sie nach ihrer Berechnung sich unterhalb des Walles befanden, so schafften sie wieder den Schutt von unten hinweg nach ihrer Seite hin. Hievon merkten die draußen lange Zeit Nichts, so daß ihr Aufschütten wenig nützte, da von unten die Masse des Walles weggeschafft wurde, und derselbe sich gegen die Lücke zu immerfort senkte. Da die Platäer aber fürchteten, bei ihrer geringen Zahl auch so Nichts gegen die Menge ausrichten zu können, so ersannen sie dazu noch Folgendes. An dem großen Thurme gegenüber dem Walle hörten sie auf zu bauen und fingen an von beiden Seiten desselben, von der niedrigen Mauer an einwärts in die Stadt eine halbmondförmige Mauer aufzuführen, damit, wenn die große Mauer genommen wäre, diese neuen Widerstand leiste, und die Feinde gegen sie einen neuen Wall aufschütten müßten und so beim weiteren Vordringen doppelte Mühe hätten, während sie überdies mehr als früher von zwei Seiten beschossen werden könnten. Zugleich mit dem Wallbau führten die Peloponnesier auch ihre Maschinen gegen die Stadt. Eine derselben wurde auf dem Walle gegen das große Thurmbauwerk aufgestellt und erschütterte dasselbe gewaltig, so daß die Platäer in Schrecken geriethen; andere arbeiteten gegen andere Punkte [*]( 13*)

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[*](429v. Chr. ) der Mauer; es gelang aber den Platäern, deren Stoßbalken mit Stricken aufzufangen und durch Anziehen den Stoß zu brechen. Auch befestigten sie große Balken an beiden Enden mit langen eisernen Ketten an zwei über die Mauer gelegte und über dieselbe hervorragende andere Balken und zogen sie dann nach Einer Seite schräg in die Höhe. Wenn dann der Sturmbock irgendwo angreifen wollte, so ließen sie den Balken an der lockeren Kette aus der Hand los, der dann mit großer Gewalt herabfiel und den Kopf des Stnrmbalkens abschlug.

Die Peloponnesier nun, da ihre Maschinen Nichts ausrichteten, und auch ihr Wall die Gegenbefestigung hervorgerufen hatte, wurden jetzt der Meinung, daß es mißlich sei, mit den vorhandenen Mitteln die Stadt zu nehmen, und schickten sich darum an, sie nur einzuschließen. Zuerst wollten sie es aber noch mit Feuer versuchen, — ob sie die Stadt, die nicht gar groß war, bei günstigem Winde in Brand stecken könnten. Denn sie sannen auf jedes Mittel, ohne große Kosten und ohne regelmäßige Belagerung die Stadt in ihre Gewalt zu bekommen. Sie trugen also Holzbüudel zusammen und warfen dieselben von ihrem Walle herab zuerst in die Vertiefung zwischen der Wallausschüttung und der Mauer, und, da diese durch die vielen Hände bald angefüllt war, auch sonst weiter an der Stadtmauer hin, so weit sie von der Höhe ihres Walles eben reichen konnten. Dann warfen sie oben darauf Feuerbrände mit Schwefel und Pech und zündeten so die Holzmasse an. Nun entstand eine solche Flamme, wie man bis dahin nie eine von Menschenhänden angelegt gesehen hatte. Denn daß die Bäume im Wald, vom Winde bewegt, sich an einander rieben und so von selbst in Flammen geriethen, ist freilich fch^n vorgekommen. Dies Feuer aber war furchtbar, und es fehlte nur wenig, so Hütten die Platäer, die allem Andern glücklich entgangen waren, durch dieses ihren Untergang gefunden. Denn es war eine große Strecke in der Stadt, der man nicht nahe kommen konnte, und hätte sich dazu noch ein ungünstiger Wind erhoben, woraus sich die Feinde auch Rechnung gemacht hatten, so wären sie ihrem Verderben nicht entgangen. Nun aber, heißt es, habe sich zum Glück ein Gewitter erhoben, mit starkem Regenguß, der die Flamme löschte, und so seien sie der Gefahr entronnen.

Die Peloponnesier nun, da ihnen auch dies fehlgeschlagen

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hatte, entließen die Mehrzahl ihrer Truppen und behielten nur einen [*](429 v. Chr. ) Theil derselben zurück, um die Stadt rings herum durch eine Mauer einzuschließen, indem sie die Arbeit an der ganzen Länge derselben unter die einzelnen Städte vertheilten. Innerhalb wie außerhalb derselben wurde ein Graben gelassen, aus dem sie die Backsteine gewannen. Als dann der ganze Bau vollendet war, zur Zeit, wo der Arktur sim Sternbild des großen Bären^s in der Frühe sichtbar wird 2°), ließen sie eine Truppe zur Bewachung der halben Mauer zurück, — die andere Manerhälfte bewachten die Böotier, — zogen mit dem Heere ab und gingen dann aus einander, jeder in seine Heimat. Die Platäer hatten ihre Weiber und Kinder, die ältesten Leute und die ganze Masse des unnützen Volkes schon früher nach Athen gebracht, und von ihnen selbst hielten die Belagerung zurückgebliebene vier Hundert Mann aus, dabei achtzig Athener, und Hundert und zehn Weiber, um das Essen zu bereiten ^'). Das war ihre Gesammtzahl zur Zeit, als die Belagerung begann, und sonst befand sich Niemand in ihren Mauern, weder ein Sklave, noch ein Freier. So wurde die Einschließung von Platäa bewirkt.

Im selben Sommer und gleichzeitig mit dem Unternehmen gegen Platäa zogen die Athener mit zwei Tausend ihrer Schwerbe» waffneten und zwei Hundert Reitern zu Felde gegen die Chalkidier an der thrakischen Gränze und die Bottiäer, als eben die Halmfrucht in Blüthe stand. Xenophon, des Euripides Sohn, befehligte selbdritt. Sie rückten vor die Stadt Spartolos im Bottiäer-Lande und verwüsteten die Getreideflur. Man hatte Hoffnung, daß eine Partei in der Stadt ihnen dieselbe in die Hände liefern werde. Da aber die Andern, die das nicht wollten, sich an Olynthos gewendet hatten, so kamen von dort Schwerbewaffnete, und was sonst noch zu einem Heere gehört, und besetzten die Stadt. Dies Heer rückte jetzt aus Spartolos zur Schlacht aus, und gegen sie stellten sich die Athener auf, nahe bei den Mauern der Stadt selbst. Die chalkidischen Schwerbewaffneten nun und einige Hülfsvölker, die bei ihnen standen, wurden von den [*]( 20) Zu Herbstanfang, am 17. September des julian. Kalenders. Vgl. Jdler« Chronol. I, S. 53. ) [*]( 21) Die Speise zu bereiten und Brot zu backen, was das Geschäft der Weiber war. )

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[*]( 429 v. Chr. ) Athenern besiegt und zogen sich nach Spartolos zurück; allein die Reiter der Chalkidier und ihre Leichtbewaffneten schlugen die beritte» nen und leichten Truppen der Athener. Jene hatten nämlich eine kleine Abtheilung leichter Schildträger aus der sogenannten Krusischen Landschaft bei sich. Eben hatte man aufgehört zu kämpfen, da kamen noch andere Leichtbewaffnete aus Olynth zu Hülfe, und als die leichten Trnppen von Spartolos dies sahen, erhöhte sich ihr Muth, sowohl wegen dieses Zuzugs, als auch weil sie eben glücklich gekämpft hatten, und griffen mit den chalkidischen Reitern und den neu angekommenen Hülfsvölkern die Athener von Neuem an. Diese zogen sich auf die beiden Abtheilungen zurück, welche sie bei dem Gepäck gelassen hatten. So oft nun die Athener von hier aus sich zum Angriff wendeten, wichen jene; zogen sich aber die Athener zurück, so blieben sie ihnen ans den Fersen und schleuderten Wurfspieße in ihre Reihen. Die chalkidischen Reiter blieben ihnen zur Seite und sprengten an, so oft es die Gelegenheit gab, und sie vorzüglich brachten die Athener in Verwirrung, trieben sie zur Flucht und verfolgten sie eine gute Strecke. Die Athener flohen nach Potidäa, brachten später unter dem Schutze eines Vertrages ihre Todten ein und kehrten dann mit dem Reste des Heeres nach Athen zurück. Gefallen waren von ihnen vier Hundert und dreißig und darunter die sämmtlichen Oberfeldherrn. Die Chalkidier aber und Bottiäer errichteten ein Siegeszeichen, sammelten ihre Todten und zerstreuten sich dann in ihre Städte.