History of the Peloponnesian War
Thucydides
Thucydides. Geschichte des Peloponnesischen Kriegs. Wahrmund, Adolf, translator. Stuttgart: Krais and Hoffmann, 1864.
„Euer Unwille gegen mich kommt mir nicht unerwartet, denn ich kenne dessen Ursachen, nnd deshalb habe ich die Volksversammlung berufen, um euch zur Rede zu setzen nnd zurechtzuweisen, wenn ihr mir mit Unrecht zürnt oder feige vor dem Mißgeschick weichet. Denn ich bin der Meinung, daß ein Staat, der im Ganzen sich wohlbefindet, den einzelnen Bürgern viel mehr zu nützen vermag, als ein solcher, dessen einzelne Bürger alle wohlhabend sind, mit dem es aber im Ganzen schlecht steht Denn geht es auch dem einzelnen Manne für sich noch so gut, so ist er beim Untergange des Vaterlandes doch mit verloren, geht es ihm aber schlecht, so hat er in einem glücklichen Staate viel mehr Gelegenheit sich aufzuhelfen. Wenn nun also der Staat im Stande ist, das Unglück Einzelner zu übertragen, jeder Einzelne aber für sich unfähig ist. das des Staates zu übertragen, sollen dann nicht Alle für ihn einstehen und das vermeiden, was ihr jetzt thut, daß ihr euch durch häusliches Unglück so weit verwirren lasset, das gemeinsame Wohl ganz außer Augen zu lassen, und auf mich, der ich den Krieg veranlaßt habe, und auf euch selbst, die ihr mit dafür gestimmt habt, unwillig zu sein? Und einem Manne zürnet [*]( 17) Vgl. Macaulay, E's.'yS I, 101 (Lci.'Z. Tauchilitz) Kr. )
„Wenn Einer, der sonst im Glücke ist, die freie Wahl hat, so ist es eine große Thorheit, den Krieg zu wählen; wenn aber keine andere Wahl da ist, als durch Nachgeben sich dem Fremden zu unterwerfen oder mit der Gefahr des Kampfes den Sieg zu suchen, so ist der, welcher die Gefahr meidet, schlechter als wer sich ihr stellt. Ich für mein Theil bin derselbe geblieben und ändere meine Grundsätze nicht, ihr aber wechselt eure Gesinnungen; denn als ihr im Glücke wäret, ließt ihr euch von mir überreden, und nun, da ihr Verluste erlitten habt, wandelt euch Neue an, und nur in eurer eigenen Gesinnungsschwäche erscheint euch meine Ansicht als unrichtig, weil für Verluste Jeder im Augenblicke Empfindung hat, Alle zusammen aber keine Vorstellung von dem zukünftigen Nutzen. Tritt ein bedeutender Umschwung ein, und dazu noch plötzlich, so ist eure Denkart zu niedrig, als daß ihr aus dem beharrtet, was ihr für gut erkannt habt. Denn was plötzlich und unvorhergesehen und ganz und gar gegen alle Erwartung eintritt, das beugt den Muth nieder; und das ist euch, wie bei andern Dingen, so auch vorzüglich bei der Pest geschehen. Und doch solltet ihr, als Bürger einer großen Stadt und in den entsprechenden Gesinnungen auferzogen, auch den größten Unfällen die Stirne bieten und eure Würde nie verläugnen, — denn mit gleichem Rechte tadeln die Menschen denjenigen, der aus Feigheit hinter ererbtem Ruhme zurückbleibt, als sie den hassen, der frechmüthig nach dem Ruhme greift, der ihm nicht gebührt. Ihr solltet also eigene Unfälle verschmerzen und nur das Ganze zu retten streben."
[*]( 430 v. Chr. ) „Was aber die Anstrengungen des Krieges wegen betrifft, von denen ihr besorgt, daß sie zu groß für uns werden, und wir vielleicht doch nicht Sieger bleiben möchten, so muß euch das genügen, wodurch ich euch schon früher ost gezeigt habe, daß eure Furcht ungegründet ist. Ich will aber jetzt den Punkt aushellen, den ihr mir weder selbst jemals recht zu bedenken schienet, nämlich die Größe eurer wirklichen Macht, und über den auch ich in meinen früheren Reden nicht gesprochen habe. Und auch jetzt würde ich ihn nicht hervorziehen, da es zu sehr den Anschein der Prahlerei hat, wenn ich euch nicht ganz über alle Gebühr niedergeschlagen sähe. Ihr glaubet nämlich, daß ihr nur über eure Bundesgenossen herrschet; ich aber sage, daß von den zwei Gebieten, auf denen man sich bewegen muß, Land und Meer nämlich, ihr das eine ganz und gar bherrschr, so weit ihr bis jetzt reicht, und noch weiter, wenn ihr nur wollt. Es gibt heute Niemanden, der eurer jetzigen Flotte die See wehren könnte, weder einen König noch auch sonst ein Volk. Es kommt also die Benutzung der Häuser und der Ländereien, mit denen ihr so gar viel verloren zu haben glaubt, neben dieser eurer Macht gar nicht in Betracht. Und es ist nicht in der Ordnung, daß ihr diesen Verlust so gar schwer empfindet; vielmehr solltet ihr dergleichen gering achten, wie allenfalls ein Gärtchen oder ein Prunkstück des Reichthums, und denken, daß die Unabhängigkeit, wenn wir an ihr festhaltend den Kampf überdauern, uns leicht dergleichen wiederbringen wird, daß aber, wenn wir erst Anderen gehorchen, auch der frühere Besitz seinen Werth verliert. Wir dürfen in beiden Dingen nicht schlechter fein als unsere Väter, die jenes unter Mühe und Anstrengung erworben, nicht von Andern ererbt, festgehalten und glücklich auf uns gebracht haben. Es ist aber viel schimpflicher, sich nehmen zulassen, was man hat, als beim Versuche es zu erwerben unglücklich zu sein. Und unseren Feinden müssen wir nicht nur mit hochherziger Unerschrokceuheit, sondern sogar mit Verachtung entgegen gehen. Prahlen kann auch einmal ein Feiger, wenn er, ohne die Gefahr kennen gelernt zu haben, glücklich gewesen ist, verachten aber nur der, der an einsichtigem Muthe den Feind zu übertreffen sich bewußt ist; und das ist bei uns der Fall. Auch die Kühnheit wird bei gleichem Glücke durch das Bewußtsein, auf den Gegner herabsehen zu können, sicherer gemacht; auf die Hoffnung baut
„Es versteht sich aber von selbst, daß ihr die Ehre, welche unserer Stadt aus der Herrschaft erwächst, und mit der ihr alle großthut, nicht im Stiche lassen dürfet, und keine Mühe scheuen, wenn ihr nicht überhaupt das Streben nach Ehre ausgeben wollet. Auch deutet nicht, daß es bei diesem Kampfe sich nur um Eines drehe, eigene Abhängigkeit oder Unabhängigkeit, — nein, es handelt sich auch um den Verlust der Herrschaft über Andere und um die Gefahren, die der Haß mit sich bringt, welchen unsere Herrschaft uns zugezogen hat; und diese aufzugeben, dazu ist jetzt gar keine Zeit mehr, wenn es auch vielleicht unter den gegenwärtigen Umständen Einer aus Furcht und aus biedermännischer Liebe zur Unthätigkeit thun möchte. Denn eure Herrschaft ist bereits eine Zwangsherrschaft geworden, und solche an sich zu reißen gilt zwar für Unrecht, allein sie aufzugeben ist gefahrvoll. Dergleichen Leute, wenn sie irgendwo nach ihrer Weise ein freies Staatswesen hätten und ihre Mitbürger mit ihren Meinungen ansteckten, sollten ihren Staat bald zu Grunde gerichtet haben! Denn solche Unthätigkeit kann die Freiheit des Staates nicht erhalten, wenn nicht eine rührige Thatkraft daneben steht; und nicht in einem herrshcenden Staate, sondern in einem unterworfenen ist gefahrlose Dienstbarkeit von Nutzen."
„Ihr aber laßt euch von so denkenden Mitbürgern nicht zum Narren halten und hegt keinen Unwillen gegen mich, — denn ihr selbst habt mit mir den Krieg beschlossen, — wenn auch die Feinde eingefallen sind und gethan haben, was zu erwarten stand, da ihr ihnen einmal nicht nachgeben wolltet. Es ist aber über unsere Erwartung auch noch diese Seuche hinzugekommen, das Einzige, was uns in schrecklicherer Art betroffen hat, als wir Alle voraussehen konnten; und ich weiß, daß ich von einem Theil eben deshalb noch mehr gehaßt werde; aber nicht mit Recht, ihr müßtet denn auch das mir zuschreiben, wenn euch gegen Erwarten irgend ein Glück zu Theil wird. Was von den Göttern kommt, muß man mit Ergebenheit, was von den Feinden kommt, mannhaft ertragen. So wenigstens
Durch solcherlei Reden suchte Perikles den Unwillen der Athener gegen sich zu entkräften und ihre Gedanken von den augenblicklichen Uebeln abzuleiten. In den öffentlichen Angelegenheiten nun folgten sie seinen Worten und schickten nicht weiter mehr zu den Lakedämoniern, sondern rüsteten sich noch eifriger zum Kriege; für sich aber blieb jeder von seinen eigenen Leiden niedergedrückt: das gemeine Volk, weil es nur Weniges besessen nnd auch das noch verloren hatte, die Reichen, weil sie sich ihrer schönen Besitzungen, ihrer Häuser auf dem Lande und der kostbaren Einrichtungen beraubt sahen,
Die Lakedämonier aber und ihre Bundesgenossen gingen desselbigen Sommers mit Hundert Schiffen unter Segel gegen Zakynlhos, der Insel gegenüber von Elis. Es wohnen dort Ansiedler aus den Peloponnesischen Achaiern, und damals hielten diese zu den Athenern. Die Lakedämonische Flotte führte Tausend Schwerbewaffnete, und der Spartaner Knemos hatte den Oberbefehl. Sie stiegen an's Land und verheerten weithin die Insel; da aber jene nicht nachgaben, so schifften sie nach Hause zurück.
Gegen Ende desselben Sommers wollten Aristeus, der Korinther, und von den Lakedämoniern als Abgesandte Aneristos und ^^ikolaos und Stratodemos und der Tegeate Timagoras und mit
[*]( 431 v. Chr. ) Uni dieselbe Zeit, gegen Ende des Sommers, zogen auch die Amprakioten mit eigener Macht und mit vielen Barbaren, die sie ausgeboten hatten, gegen das amphilochische Argos und die übrig? Landschaft Amphilochia zu Felde. Der Anfang ihrer Feindschaft gegen die Argiver hatte diese Veranlassung. Das amphilockische Argos und den ganzen Staat Amphilochia gründete nach seiner Rückkehr von Troja, da er an den Zuständen von Argos keinen Gefallen fand, Amphilochos, des Amphiaraos Sohn, am Meerbusen von Amprakia und gab ihm nach seiner Vaterstadt den gleichen Namen Argos. Diese Stadt war die größte in Amphilochia und hatte auch die reichsten Einwohner. Um viele Geschlechter später aber geriethen sie durch Unglückssälle in Bedrängniß und luden ihre amprakischen Nachbarn ein, sich unter ihnen niederzulassen, und damals lernten sie ihre jetzige hellenische Sprache von den Amprakioten, die sich unter ihnen ansiedelten; die übrigen Amphilochier aber sind Barbaren. Nach einiger Zeit nun trieben die Amprakioten die Argiver aus und nahmen die Stadt selbst in Besitz, worauf sich die Amphilochier den Akarnanern ergaben und beide die Athener zu Hülfe riefen, die ihnen den Feldherrn Phormio mit dreißig Schiffen zusandten. Nach Phormio's Ankunft nahmen sie die Stadt Argos mit Gewalt und verkauften die Amprakioten in die Sklaverei, und seitdem bewohnten Amphilochier und Akarnaner die Stadt gemeinsam. Danach kam zuerst die Bundesgenossenschast zwischen Athenern und Akarnanern zu Stande. Seiden, aber damals ihre Leute als Sklaven verkaust worden waren, nährten die Amprakioten Haß gegen die Argiver, und später unternahmen sie in diesem Kriege den eben erwähnten Zug mit eigener Macht und mit Hülsstruppen der Chaoner und anderer benachbarter Barbaren. Sie rückten vor Argos und machten sich des Landes Meister, die Stadt aber konnten sie trotz ihrer Bestürmung nicht nehmen, und so zogen sie wiederum ab und gingen ein jeder Stamm in seine Heimath. Das war es, was in diesem Sommer geschehen ist.
In dem nun folgenden Winter schickten die Athener zwanzig Schiffe in die peloponnesischen Gewässer unter Anführung des Phormio, der sich bei Naupaktos aufstellte und Wache hielt, daß von Korinth und dem Krisäischen Meerbusen weder Jemand aus- noch einsegeln konnte. Andere sechs Schiffe sandten sie unter dem Ober
In demselben Winter vermochten die belagerten Potidäer sich nicht mehr zu halten, da die Einfälle der Peloponnesier in Attika ihnen keineswegs die Athener vom Hals schafften, ihnen selbst vielmehr die Nahrungsmittel ausgingen, und außer andern Dingen, welche die Noth zu genießen zwang, Einige sogar schon Menschensleisch gegessen hatten. Deshalb boten sie den gegen sie aufgestellen Feldherren der Aihener, Aencphon, dem Sohne des Euripides, Hestiodoros, dem Sohn des Aristokleides, und dem Phanomachos, des Kallimachos Sohn, die Hand zu einem Vergleiche. Und diese zeigten sich dazu auch willig, da sie sahen, wie ihre Truppen in der rauhen Gegend litten, und der Staat überdies schon zwei Tausend Talente auf die Belagerung ausgegeben hatte. Sie kamen nun dahin nberein, daß sie selbst mit Weib und Kind, sowie auch ihre Bundesgenossen, Jeder mit einer Gewandung, die Weiber aber mit zweien ausziehen sollten, und ein festgesetztes Stück Geld zur Wegzehrung durften sie auch mitnehmen. Unter dem Schutze dieses Vertrages nun zogen sie gegen Ehalkidike, oder wie es grade Einer einrichten konnte. Die Athener aber waren ungehalten über ihre Feldherrn, daß sie aus eigene Hand den Vertrag geschlossen, denn sie glaubten, die Stadt hätte sich doch auf Gnade oder Ungnade ergeben müssen. Später sandten sie Ansiedler aus ihrer Mitte nach Potidäa und besetzten damit die Stadt für sich.
Das ist's, was in diesem Winter geschah, und damit ging das zweite Jahr des Krieges zu Ende, welchen Thukydides beschrieben hat.
Im nächstfolgenden Sommer nun machten die Peloponnesier und ihre Bundesgenossen keinen Einfall nach Attika, sondern [*](429 v. Chr. ) wendeten sich gegen Platäa. Es befehligte aber Archidamos, des Zeuxidamos Sohn, König der Lakedämonier. Tiefer ließ das Heer
„Archidamos und ihr Lakedämonier! Ihr handelt nicht recht, noch euer und der Väter, von denen ihr abstammt, würdig, indem ihr gegen das Gebiet der Platäer zu Felde zieht. Denn als Pansanias, des Kleombrotos Sohn, der Lakedämonier, Hellas von den Medern befreit hatte, im Bunde mit den Hellenen, die mit ihm die Gefahr der Schlacht theilen wollten, welche unter unsern Mauern vorfiel, brachte er auf dem Markte der Platäer dem Zeus Befreier ein Opfer, und nachdem er alle Bundesgenossen zur Zeugenschaft herbeigerufen, übergab er den Platäern ihr Land und ihre Stadt als freie unabhängige Männer zu bewohnen, und niemals sollte sie Einer ungerechter Weise, oder um sie in Botmäßigkeit zu bringen, mit Krieg überziehen; wenn es aber doch geschähe, so sollten alle die gegenwärtigen Bundesgenossen nach Kräften abwehren. Dies Vorrecht haben uns eure Väter ertheilt zur Belohnung der Tapferkeit und des Eifers, welche wir in jenen Gefahren bewiesen; ihr aber thut nun davon das Gegentheil; denn im Bunde mit den Thebanern, unseren ärgsten Feinden, kommt ihr nun, uns in Knechtschaft zu zwingen. So rufen wir denn zur Zeugenschaft die eidbewachenden Götter von damals, die Gottheiten eurer Väter und unsere heimischen und ermähnen euch, das Gebiet von Platäa nicht zu schädigen, noch die Eidschwüre zu verletzen, sondern uns unabhängig hier wohnen zu lassen, wie Pausanias uns zugestanden hat."
Auf diese Rede der Platäer antwortete Archidamos: „Was ihr sagt, ist recht, ihr Männer von Platäa, wenn nur eure Thaten zu den Reden stimmen. Wie euch Pausanias verstattet hat, möget ihr in Unabhängigkeit leben! Aber helft auch die Andern befreien, welche damals mit euch die Gefahr getheilt und den Schwur mitgeleistet haben und nun von den Athenern unterjocht sind. Ihretwegen und zur Befreiung der Uebrigen ist auch diese große Rüstung und der Krieg unternommen, und nur wenn ihr mit daran Theil nehmt, bleibt ihr recht eurem Schwüre getreu. Wollt ihr das nicht, so fordern wir euch auf, wie wir schon früher gethan: haltet euch ruhig, regiert euch selbst, stehet aber zu keinem von beiden Theilen, sondern gestattet beiden
So antwortete Archidamos. Da nun die Platäischen Abgesandten ihn angehört hatten, gingen sie in die Stadt zurück, und nachdem sie ihren Bürgern jene Worte mitgetheilt, gaben sie ihm zur Antwort, es wäre ihnen unmöglich, zu thun was er begehre, ohne die Athener zu befragen; denn ihre Weiber und Kinder wären bei jenen. Auch seien sie in Furcht wegen ihrer Stadt selbst, ob nicht etwa nach dem Abzüge der Lakedämonier die Athener kämen und ihren Schritt nicht guthießen, oder ob nicht die Thebaner wieder einen Versuch machen würden, sich ihrer Stadt zu bemächtigen unter dem Vorwande, daß sie in Betreff der Ausnahme beider Theile auch mit in den Eidvertrag eingeschlossen seien. Darauf hieß sie Archidamos gutes Muthes sein und sagte: „Uebergebt ihr nur eure Stadt und die Landhäuser uns Lakedämoniern, zeigt uns die Gränzen eurer Gemarkung, und die Bäume, und was sich sonst von eurem Besitze zählen läßt, das zählt uns zu. Ihr selbst mögt dann hinziehen und wohnen, wo ihr wollt, so lange der Krieg währt. Ist er dann zu Ende, so werden wir euch wiedergeben, was wir übernommen haben. Bis dahin werden wir es als Pfand behalten, euer Land bebauen lassen und euch einen Ertragsantheil zuwenden, von dem ihr leben könnet."
Mit dieser Antwort kehrten jene wieder in die Stadt zurück, beriethen sich mit der Bürgerschaft und sagten ihm dann, sie wollten sein Begehren zuerst den Athenern mittheilen, und wenn diese dazu riethen, so wollten sie ihm willfahren. Bis dahin, baten sie, möge er ihnen Waffenruhe gewähren und ihr Land nicht verwüsten. Er gab ihnen nun so viel Tage Waffenstillstand, als nöthig schien, um hin und her zu kommen, und verheerte ihr Land nicht. Nachdem aber die platäischen Abgesandten zu den Athenern gekommen waren und sich mit ihnen berathen hatten, kamen sie zurück und meldeten denen in der Stadt Folgendes: „Weder vordem, ihr Männer von Platäa, seit wir ihre Bundesgenossen geworden, — so sagen die Athener, — hätten sie euch in irgend einem Dinge beleidigen lassen, noch auch würden sie jetzt ruhig zusehen, sondern nach Kräften zu Hülfe ziehen. Sie ermähnen euch bei den Eiden, die unsere Väter geschworen haben, an der Bundesgenossenschaft Nichts zu ändern." [*]( Thukydides. II. ) [*]( 13 )
[*](429 v. Chr. ) Aus diese Meldung der Boten hin faßten die Platäer Beschluß, sie wollten die Athener nicht ausgeben, sondern sich lieber auch die Verheerung ihres Landes gefallen lassen, wenn es sein müßte, und auch sonst mit ansehen und dulden, was kommen sollte; hinausgehen aber dürfe Keiner mehr, sondern von der Mauer herab wolle man antworten, daß es unmöglich sei zu thun, wie dieLakedämonier begehrten. Als sie nun diese Antwort ertheilt hatten, so rief König Archidamos die Götter und Helden des Landes zu Zeugen aus und sprach: „Ihr Götter alle, die ihr im Land der Platäer waltet, und ihr Herden, wisset, daß diese zuerst den beshcwornen Bund verlassen haben, und wir im Anfang darum nicht Unrecht thaten, als wir in dies Land kamen, in welchem auch unsere Väter zu euch gebetet und über die Wieder gesiegt haben, indem ihr gewährtet, daß es für die Hellenen ein glückbringendes Schlachtfeld sei; noch auch werden wir Unrecht thun, was wir nun weiter unternehmen; denn wozu wir sie ost und nach Billigkeit aufgefordert, konnten wir nicht erlangen. So gewähret nun, daß das Unrecht an denen gestraft werde, die es begonnen, und daß die Genugthuung finden, welche nach dem Gesetze zur Ahndung schreiten."
Nachdem er so die Götter angerufen hatte, schritt er mit dem Heere zum Beginn der Feindseligkeiten und umschloß die Stadt zuerst mit einem Pfahlwerk aus abgehauenen Bäumen, daß keiner mehr heraus könne. Dann schütteten sie einen Wall gegen die Stadt auf, in der Hoffnung, die Stadt werde bald genommen sein, da ihrer im Heere so viele Arbeiter seien. Dann hieben sie Bäume aus dem Kithäron und verbauten damit den Wall auf beiden Seiten, indem sie statt Manerwänden kreuzweis durch einander gebogenes Holzwerk anbrachten, damit nicht zu viel Erde abrutsche. Auch Reisig, Steine, Erde und was sonst förderlich sein konnte, wurde zugetragen. Sie arbeiteten aber an diesem Wall siebenzig Tage und Nächte ununterbrochen, indem sie sich zur Ausrast ablösten, so daß die Einen zutrugen, während die Andern Schlaf und Speise genossen. Die lakedämonischen Anführer der Bundestrnppen standen aber auch dabei [*]( 19) benagen (Fremdenführer) hießen die Spartiatc», irelche die Truppen der Bundesgenossen befehligten; vgl. Z'enoph. Hellen III, 5, T; V, 2, 7. )
Als die Peloponnesier dies merkten, so faßten sie Lehm in Rohrkörbe und warfen diese in die entstandene Lücke, damit diese Masse nicht wieder durchrutschen und wie die Erde weggeschafft werden könnte. Jene, denen also hier ein Riegel vorgeschoben war, hörten damit auf, gruben aber nun einen unterirdischen Gang aus der Stadt heraus, und als sie nach ihrer Berechnung sich unterhalb des Walles befanden, so schafften sie wieder den Schutt von unten hinweg nach ihrer Seite hin. Hievon merkten die draußen lange Zeit Nichts, so daß ihr Aufschütten wenig nützte, da von unten die Masse des Walles weggeschafft wurde, und derselbe sich gegen die Lücke zu immerfort senkte. Da die Platäer aber fürchteten, bei ihrer geringen Zahl auch so Nichts gegen die Menge ausrichten zu können, so ersannen sie dazu noch Folgendes. An dem großen Thurme gegenüber dem Walle hörten sie auf zu bauen und fingen an von beiden Seiten desselben, von der niedrigen Mauer an einwärts in die Stadt eine halbmondförmige Mauer aufzuführen, damit, wenn die große Mauer genommen wäre, diese neuen Widerstand leiste, und die Feinde gegen sie einen neuen Wall aufschütten müßten und so beim weiteren Vordringen doppelte Mühe hätten, während sie überdies mehr als früher von zwei Seiten beschossen werden könnten. Zugleich mit dem Wallbau führten die Peloponnesier auch ihre Maschinen gegen die Stadt. Eine derselben wurde auf dem Walle gegen das große Thurmbauwerk aufgestellt und erschütterte dasselbe gewaltig, so daß die Platäer in Schrecken geriethen; andere arbeiteten gegen andere Punkte [*]( 13*)
Die Peloponnesier nun, da ihre Maschinen Nichts ausrichteten, und auch ihr Wall die Gegenbefestigung hervorgerufen hatte, wurden jetzt der Meinung, daß es mißlich sei, mit den vorhandenen Mitteln die Stadt zu nehmen, und schickten sich darum an, sie nur einzuschließen. Zuerst wollten sie es aber noch mit Feuer versuchen, — ob sie die Stadt, die nicht gar groß war, bei günstigem Winde in Brand stecken könnten. Denn sie sannen auf jedes Mittel, ohne große Kosten und ohne regelmäßige Belagerung die Stadt in ihre Gewalt zu bekommen. Sie trugen also Holzbüudel zusammen und warfen dieselben von ihrem Walle herab zuerst in die Vertiefung zwischen der Wallausschüttung und der Mauer, und, da diese durch die vielen Hände bald angefüllt war, auch sonst weiter an der Stadtmauer hin, so weit sie von der Höhe ihres Walles eben reichen konnten. Dann warfen sie oben darauf Feuerbrände mit Schwefel und Pech und zündeten so die Holzmasse an. Nun entstand eine solche Flamme, wie man bis dahin nie eine von Menschenhänden angelegt gesehen hatte. Denn daß die Bäume im Wald, vom Winde bewegt, sich an einander rieben und so von selbst in Flammen geriethen, ist freilich fch^n vorgekommen. Dies Feuer aber war furchtbar, und es fehlte nur wenig, so Hütten die Platäer, die allem Andern glücklich entgangen waren, durch dieses ihren Untergang gefunden. Denn es war eine große Strecke in der Stadt, der man nicht nahe kommen konnte, und hätte sich dazu noch ein ungünstiger Wind erhoben, woraus sich die Feinde auch Rechnung gemacht hatten, so wären sie ihrem Verderben nicht entgangen. Nun aber, heißt es, habe sich zum Glück ein Gewitter erhoben, mit starkem Regenguß, der die Flamme löschte, und so seien sie der Gefahr entronnen.
Die Peloponnesier nun, da ihnen auch dies fehlgeschlagen
Im selben Sommer und gleichzeitig mit dem Unternehmen gegen Platäa zogen die Athener mit zwei Tausend ihrer Schwerbe» waffneten und zwei Hundert Reitern zu Felde gegen die Chalkidier an der thrakischen Gränze und die Bottiäer, als eben die Halmfrucht in Blüthe stand. Xenophon, des Euripides Sohn, befehligte selbdritt. Sie rückten vor die Stadt Spartolos im Bottiäer-Lande und verwüsteten die Getreideflur. Man hatte Hoffnung, daß eine Partei in der Stadt ihnen dieselbe in die Hände liefern werde. Da aber die Andern, die das nicht wollten, sich an Olynthos gewendet hatten, so kamen von dort Schwerbewaffnete, und was sonst noch zu einem Heere gehört, und besetzten die Stadt. Dies Heer rückte jetzt aus Spartolos zur Schlacht aus, und gegen sie stellten sich die Athener auf, nahe bei den Mauern der Stadt selbst. Die chalkidischen Schwerbewaffneten nun und einige Hülfsvölker, die bei ihnen standen, wurden von den [*]( 20) Zu Herbstanfang, am 17. September des julian. Kalenders. Vgl. Jdler« Chronol. I, S. 53. ) [*]( 21) Die Speise zu bereiten und Brot zu backen, was das Geschäft der Weiber war. )