History of the Peloponnesian War

Thucydides

Thucydides. Geschichte des Peloponnesischen Kriegs. Wahrmund, Adolf, translator. Stuttgart: Krais and Hoffmann, 1864.

Dabei nun, daß Archidamos zur Schlackt bereit in der Gegend von Acharnä stehen blieb und bei diesem Vorrücken nicht gleich in die Ebene hinabstieg, soll sein Gedanke der gewesen sein: die Athener, welche an junger Mannschaft Ueberfluß hatten und wie nie zuvor zum Kriege gerüstet waren, würden wohl ausfallen und nicht ruhig zusehen, wie ihr Gebiet verwüstet werde; da sie ihm aber weder bei Eleusis noch auf der thriasischen Ebene entgegenrückten, so versuchte er, sie durch das Lager bei Acharnä herauszulocken; denn es schien ihm der Platz zu einem Lager sehr geeignet; und dann glaubte man auch von den Acharnern, welche einen großen Theil der Stadtbevölkerung ausmachten, — sie stellten nämlich dreitausend Schwerbewaffnete, — sie würden die Verheerung ihres Eigenthums nicht ruhig mit ansehen, sondern auch die Uebrigen zum Kampfe anspornen. Sollten aber die Athener auch bei diesem Einfalle nicht aus der Stadt rücken, so könne er sür die Zukunft um so furchtloser die Ebene verwüste« und der Stadt selbst sich nähern; denn die ihres Eigenthums beraubten Acharner würden nicht sehr geneigt sein, sich wegen Anderer Gut der Gefahr auszusetzen, und es werde dann Uneinigkeit eintreten. Solche Gedanken bestimmten den Archidamos, bei Acharnä stehen zu bleiben.

So lange nun das Heer bei Eleusis und in der thriasischen Ebene stand, hatten die Athener noch einige Hoffnung, daß der Feind nicht wagen würde, weiter vorzugehen; denn sie erinnerten sich, daß auch der lakedämonische König Pleistoanax, des Pausanias Sohn, als er vierzehn Jahre vor diesem Krieg mit einem peloponnesischen Heere in Attika einfiel, bis nach Eleusis und Thria vordrang, dann aber wieder zurückzog, ohne weiter vorzugehen, weshalb er auch aus Sparta verbannt wurde, da er im Verdacht stand, durch Gold bestochen den Nuckzug augetreten zu haben. Als aber die Athener das

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Heer bei Acharnä, 60 Stadien vor ihrer Stadt, sahen, so glaubten sie [*]( 431v. Chr. ) nicht länger mehr an sich halten zu dürfen, sondern, da das Land — wie natürlich — vor ihren Augen verwüstet wurde, was die Jüngeren noch gar nicht gesehen hatten, und auch die Aelteren nur im Perserkriege, so schien ihnen das schrecklich, und auch die Andern nicht weniger, vorzüglich aber die Jüngeren, nieinten, man müsse dem Feind entgegen- rücken und nicht länger mehr zusehen. Nun ließen sich aber verschiedene Ansichten hören, und es entstand ein Streit, da die Einen einen Ans- fall verlangten, die Andern aber davon zurückhielten. Die Wahrsager ließen Sprüche allerlei Art hören, die sich ein Jeder auslegte, wie grade seine Wünsche ihn antrieben. Die Acharner aber, die sich nicht der kleinste Theil von Athen zu sein dünkten, drangen , da sie ihr Land verwüsten sahen, am meisten auf einen Ausfall, und so war die Stadt in allgemeiner Aufregung, zürnte auf den Perikles und vergaß ganz und gar, was er früher angerathen hatte. Sie schalten ihn, daß er als Feldherr dem Feinde nicht entgegen gehe, und erklärten ihn für die Ursache aller Uebel, die sie betroffen.

Perikles sah, daß sie den gegenwärtigen Stand der Dinge ungeduldig ertrugen und daß ihre Gedanken nicht die heilsamsten seien, vertraute aber, daß seine Ansicht in Betreff eines Ausfalls die richtige sei, und ließ weder eine Volksversammlung, noch sonst eine Zusammen- kunst veranstalten, damit nicht eine solche Versammlung, mehr der Leidenschaft als ruhiger Einsicht Raum gebend, Fehler begehe. Die Stadt ließ er wohl bewachen und hielt sie so ruhig, als eben möglich. Reiterei sandte er ununterbrochen aus, damit nickt Streistruppen des feindlichen Heeres in die nahe bei der Stadt gelegenen Gründe einfielen und Schaden anrichteten, und es kam auch bei Phrygioi zwischen einer atheniensischen Reiterabtheilung, bei welcher auch Thessaler waren, und der böotischen Reiterei zu einem kleinen Gefecht, in welchem die Athener und Thessaler nicht im Nachtheil waren, bis sie sich zurückzogen, als die Schwerbewaffneten den Böotiern zu Hülfe eilten. Hiebei verloren die Thessaler und Atheuer einige Leute, die sie jedoch noch au demselben Tage, ohne daß deshalb ein Waffenstillstand eintrat, abholten. Des folgenden Tages stellten die Peloponnesier ein Siegeszeichen auf. — Diese Hülfeleistung der Thessaler geschah zusolge eines alten Waffenbündnisscs mit den Athenern, und es waren ihrerseits [*]( Thukydidcs. II. ) [*]( 11 )

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[*]( 431 v. Chr. ) Larisäer, Pharsalier, Kranonicr, Pyrasier, Gyrtonier und Pheräer gekommen. Ihre Anführer waren: aus Larisa Polymedes und Aritsonus, jeder von seiner Partei geschickt, aus Pharsalos Menon und so noch Andere, sür jeden Staat besonders.

Da nun die Athener nicht zur Schlacht ausruckten, so brachen die Peloponnesier ihr Lager bei Acharnä ab und verwüsteten einige andere Gemeindebezirke zwischen dem Parnes und dem Brilessischen Gebirge.^ Während sie aber noch im Lande waren, schickten die Athener die Hundert Schiffe, die sie ausgerüstet hatten, mit Tausend Schwerbewaffneten und vierhundert Bogenschützen in die peloponnesischen Gewässer. Anführer waren Karkinos, des Xenotimos Sohn, Proteas, Sohu des Epikles, und des Antigenes Sohn Sokrates. Mit dieser Bemannung ging die Flotte unter Segel und kreuzte. Die Peloponnesier aber, nachdem sie so lange in Attika verweilt hatten, als die Vorräthe ausreichten, zogen sich durch böotisches Gebiet, nicht auf dem Wege, auf dem sie gekommen waren, zurück, und bei Oropos vorüberziehend verwüsteten sie den sogenannten grajischen Bezirk, wo die Oropier, athenische Unterthanen, wohnen. Nach der Ankunft im Peloponnes wurde die Armee aufgelöst, und Jeder ging nach seiner Hcimath.

Nach dem Abzüge der Feinde stellten die Athener zu Land und zu Wasser Wachtposten aus, sowie sie dieselben während des ganzen Krieges beibehalten wollten. Dann nahmen sie von dem Geld auf der Burg tausend Talente ") und beschlossen dasselbe ans die Seite zu legen und nicht anzugreisen, sondern die Kriegskosten vom Uebrigen zu bestreiten; Wenn aber Einer davon spräche oder seine Stimme dahin abgäbe, diese Gelder zu einem andern Zwecke zu verwenden, — ausgenommen den einen Fall, daß eine feindliche Flotte gegen die Stadt ansegle, und man sich dagegen vertheidigen müsse, — der solle mit dem Tod bestraft werden. Zugleich sollten auch Hundert Dreiruderer ausgesondert werden, jedes Jahr die besten und die dazu gewählten Schiffsbefehliger "), — in der Absicht, sich dieser Fahrzeuge ebenso [*]( 12) Vgl. Böckh, Staatshaushalt der Athener l, S. 398? .«rilger, Studien II. S. 250 ff. ) [*]( 13) Es ist anzunehmen, daß für die hundert Schiffe jährlich hundert andere subftituirt wurden (Kr.). Ueber die gewählten Kapitäne vgl. Mich, Staatshaushalt I. S. 70,0. )

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wie jener Geldsummen zn keinem anderen Zwecke zu bedienen, als nur [*]( 431 v. Chr. ) in derselben Gefahr, wenn die Noth dazu zwänge.

Die Athener in den peloponnesischen Gewässern nun, ans ihren Hundert Schiffen, und die zur Bundeshülse mit ihnen vereinigten Kerkyräer ans fünfzig Schiffen, dazu auch noch einige andere der dasigen Bundesgenossen, landeten, nachdem sie an der Küste kreuzend schon manchen Schaden gethan hatten, bei Methone (Modon) in Lakonika und griffen die schwach befestigte und durch geringe Mannschaft vertheidigte Stadt an. Nun stand in der Nähe der Spartaner Brasidas, Sohn des Tellis, als Befehlshaber eines Wachpostens, und als er hievon hörte, so eilte er denen in der Stadt mit Hundert Schwerbewaffneten zu Hülse, und mitten durch das Heer der Athener durchbrechend, während diese auf dem Lande zerstreut und ihr Augenmerk aus die Wälle der Stadt gerichtet war, gelangte er nach Methone und entsetzte den Platz mit einem sehr geringen Verluste an Mannschaft, und in Folge dieses Wagestückes war er der Erste in diesem Kriege, der zu Sparta belobt wurde. Die Athener hoben jetzt die Belagerung ans, segelten nach Pheia in Elis und verheerten das dortige Gebiet zwei Tage lang, schlugen auch drei Hundert Mann ausgewählter Truppen aus dem eleischen Thallande und der umliegenden Landschaft, die zur Hülse herbeigeeilt waren. Da sich aber ein großer Sturm erhob, und sie an dieser hafenarmen Küste vom Unwetter litten, so gingen die Meisten wieder an Bord und segelten um das Vorgebirge Jchthys in den Hafen von Pheia, während die Mefsenier, und wer sonst noch die Schiffe nicht hatte gewinnen können, zu Lande marschirten und Pheia wegnahmen. Später nahmen die kreuzenden Schiffe diese Truppe wieder auf und gingen, Pheia verlassend, auf's hohe Meer. Auch war von den Eleern unterdessen schon ein zahlreiches Heer zur Hülse herbeigeeilt. Die Athener aber fuhren fort zu kreuzen und andere Küstenstriche zu verwüsten.

Um dieselbe Zeit schickten die Athener auch dreißig Schiffe in die Gewässer von Lokris und nm Euböa zn decken. Kleopompos, des Kleinias Sohn, befehligte sie. Derselbe unternahm einige Landungen , verheerte hie und da die Küste und nahm Thronion weg. Von dieser Stadt ließ er sich Geißeln stellen und schlug eine zur Hülfe herbeigeeilte Schaar Lokrer in einem Gefechte bei Alope. [*]( 11 * )

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[*]( 43l v. Chr. ) Im selben Sommer trieben die Athener auch die Aegineten von ihrer Insel, Alle, sammt Weib und Kind. Sie gaben ihnen nämlich Schuld, daß sie nicht die geringste Ursache dieses Krieges seien. Auch glaubten sie, daß die dem Peloponnes naheliegende Insel Aegina für sie sicherer sei, wenn sie selbst dorthin Ansiedler sendeten, und so schickten sie denn auch nicht lange danach Kolonisten dorthin. Den ausgetriebenen Aegineten aber gaben die Lakedämonier Thyrea zum Wohnsitz nnd das umliegende Land zum Anbau, einmal aus Haß gegen die Athener, und dann auch, weil sie sich zur Zeit des Erdbebens und des Heloten-Aufstandes um sie verdient gemacht hatten. Das thyreatische Land liegt aus der Gränze zwischen Argos und Lakonika und reicht bis an's Meer. Ein Theil nun von ihnen siedelte sich dort an, die Andern zerstreuten sich im übrigen Hellas.

In demselben Sommer, zu einer wirklichen Neumondszeit '^), — wo es auch allein möglich zu sein scheint, wurde nach Mittag die Sonne verfinstert und nahm dann wieder ihre volle Gestalt an, nachdem sie zuvor wie die Mondsichel erschienen und einzelne Sterne sichtbar gewesen waren.

In demselben Sommer machten auch die Athener den Nymphodoros, des Pythes Sohn aus Abdera, zu ihrem Gastfreund, — dessen Schwester an Sitalkes verheirathet war, und bei welchem er darum viel vermochte. Früher hatten sie ihn als ihren Feind angesehen, jetzt aber ließen sie ihn nach Athen kommen, weil sie wünschten, daß er den Thrakerkönig Sitalkes, Sohn des Teres, zu ihrem Bundesgenossen mache. Dieser Teres, des Sitalkes Vater, war es, der den Odrysern zuerst die vorwiegende Herrschaft gegenüber den andern Thrakern verschaffte, denn es ist auch ein großer Theil der Thraker frei und selbständig. Mit dem Tereus, welcher die Prokne, des Pandion Tochter, ans Athen, zum Weib hatte, steht dieser Teres in keinerlei Verwandtschaft, und jener war auch nicht einmal ans demselben Thra­ [*]( Das Mondjahr der Athener zu 354 Tagen wich von dein richtig gezahlten Sonnenjahre bedeutend ab weshalb auch die Monatsanfänge n. dgl., wie sie nach dem bürgerlichen Kalender gelten sollten, mit den wirklichen astronomischen nicht übereinstimmten. Darum ist hier gesagt: zu einer Zeit, wo am Himmel wirklich Neumond war. Das Datum war der 8. August. Vgl. Böckh, Zur Geschichte der Mondcyklen, S. 85. )

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kien. sondern Tereus wohnte in Daulia, der Landschaft, welche jetzt [*]( 43 l v. Chr. ) Phokis heißt und damals von Thrakern bewohnt war. Dort verübten jene Weiber auch die That an Jtys, nnd bei vielen Dichtern, wo sie der Nachtigall Erwähnung thun, heißt dieser Vogel der daulische Auch leuchtet es ein, daß Pandion eher in so geringer Entfernung eine Verbindung durch seine Tochter angeknüpft habe, wegen des Nutzens für beide Theile, als auf eine Entfernung von vielen Tagereisen zu den Odrysern. Teres hingegen, dessen Namen auch nicht einmal gleichlautet, war der erste Odryser-König, der zu Macht und Ansehen gelangte. Dessen Sohn nun, den Sitalkes, wollten die Athener zu ihrem Bundesgenossen, in der Meinung, daß er ihnen die an Thrakien stoßenden Landschaften und den Perdikkas unschädlich machen solle. Wirklich kam auch Nymphodoros nach Athen, brachte die Bundesgenossenschast mit Sitalkes zu Stande und ließ dessen Sohn Sadokos unter die athenischen Bürger aufnehmen. Den Krieg in den thrakischen Gewässern versprach er zu Ende zu bringen, indem er den Sitalkes bewegen wolle, ein thrakisches Heer von Reitern und Leichtbewaffneten den Athenern zu Hülfe zu schicken. Er brachte aber auch eine Aussöhnung zwischen Perdikkas und den Athenern zu Stande und bewog diese, Therme an jenen zurückzugeben , und sogleich vereinigte sich Perdikkas mit den Athenern und dem Phormio gegen die Chalkidenser. So wurde Sitalkes, des Teres Sohn, König der Thraker, der Athener Bundesgenosse, und mit ihm Perdikkas, Sohn Alexanders, König der Makedonier.

Die Athener aber, welche noch auf den hundert Schiffen in den Peloponnesischen Gewässern kreuzten, nahmen Solion weg, ein Korinthisches Städtchen, und gaben von den Akarnanern allein den Paläreern Land und Stadt zum Wohnsitz. Auch Astakos, wo Euarchos als Tyrann herrschte, nahmen sie mit Gewalt, vertrieben jenen und zogen die Stadt in ihre Bundesgenossenschaft. Dann schifften sie gegen die Insel Kephallenia und wurden ihrer ohne Schwertstreich Herr. Kephallenia liegt in der Gegend von Akarnanien [*]( 15) Terms, Gemahl der Prokne, entehrte deren Schwester Philomela. Aus Rache tödtete nun Prokne ihren und des Tereus eigenen Sohn Jtys. Philomela wurde dann in eine Nachtigall verwandelt. )

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[*]( 431 v. Chr. ) und Lenkas und hat vier Städte, die der Palenser, Krämer, Samäer und Pronnäer. Nicht lange danach fuhren die Schiffe nach Athen zurück.

Nach diesem Sommer, zur Zeit des Spätherbstes, fielen die Athener insgesammt und mit ihnen ihre Beisitzer in Megaris ein, unter Anführung des Perikles, des Aanthippos Sohn. Auch die Athener vom Peloponnes, welche auf den hundert Schiffen nach Hause segelten und grade auf der Höhe von Aegina angekommen waren, als sie erfuhren, daß die ans der Stadt mit ihrer gefammten Macht in Megaris stünden, schifften hin und vereinigten sich mit ihnen, und so war dies Heer das größte, welches die Athener zusammengebracht haben, so lange die Stadt noch in Blüthe stand und noch nicht durch die Krankheit gelitten hatte. Denn der Athener selbst waren nicht weniger als zehn Tausend Schwerbewaffnete, und außer diesen hatten sie noch drei Tausend IV) in Potidäa stehen; von den Beisitzern aber waren nicht weniger als drei Tausend Schwerbewaffnete mit ihnen ausgefallen, und dazu kam noch der übrige Haufe von Leichtbewaffneten, nicht gering an Zahl. Nachdem sie nun den größten Theil der Landschaft verwüstet hatten, kehrten sie zurück. Aber auch noch später in diesem Kriege geschahen jährlich Einfälle der Athener in das Gebiet von Megara, theils mit der Reiterei, theils mit der Gefammtmacht, bis Nisäa von ihnen genommen wurde.

Gegen Ende dieses Sommers wurde von den Athenern auch Atalante befestigt, um eine Besatzung auszunehmen, — eine srüher unbewohnte Insel, der Küste der opnntischen Lokrer gegenüber gelegen. Dies geschah in der Absicht, daß nicht von Opus und dem übrigen Lokris auslausende Seeräuber Euböa beunruhigen möchten. Das Alles fielin diesem Sommervor, nach dem Abzug derPeloponnesier aus Attika.

Im folgenden Winter beredete der Akarnanier Euarchos, um Astokos wieder in seine Gewalt zu bekommen, die Korinther, daß sie ihn zur See mit vierzig Schiffen und fünfzehn Hundert Schwerbewaffneten zurückführen sollten. Dazu hatte er selbst einige Hülssvölker gemiethet. Anführer des Zugs waren Euphamidas, des Aristo­ [*]( 16) Vgl. l, 57, ei; noch sechzehnhnndert l. 64. Um so viele mochte die Anzahl (4600) durch die Belagerung vermindert sein (Poppo). Es in doch wohl eher auch eine Anzahl zurückgekehrt (Kr.) )

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nymos Sohn. Timoxenos, Sohn des Timokrates, und Eumachos, Sohn [*]( 431v. Chr. ) des Chrysis. Und wirklich führten sie ihn mit ihren Schiffen zurück. Sie dachten aber auch noch andere Plätze an der akarnanishcen Küste in ihre Gewalt zu bringen und machten auch Versuche dazu; aber es gelang nicht, und so schifften sie nach Hause zurück. Auf der Heimfahrt hielten sie bei Kephallenia an und machten eine Landung auf das Gebiet der Krämer, ließen sich aber durch die Vorspiegelung, als wolle man mit ihnen ein gütliches Uebereinkommen treffen, täuschen und verloren einige Leute durch einen unerwarteten Ueberfall der Kranier, und so unsanft zurückgewiesen eilten sie nach Hause zu kommen.

In diesem Winter feierten nach väterlicher Weise die Athener öffentlich das Leichenbegängniß der zuerst in diesem Kriege Gefallenen. Hiebei wurde es so gehalten: Drei Tage vorher wird ein Zelt aufgeschlagen, und darin die Gebeine der Gebliebenen zur Schau ausgestellt, und ein Jeder bringt seinem Todten eine Gabe, wenn er will. Wenn uuu die Gebeine hinausgesührt werden, so kommen Wagen mit Särgen von Cypressenholz, Einem für jede Gemeinde, lind die Gebeine eines Jeden kommen in den Sarg seiner Gemeinde. Ein gepolstertes Todtenbett wird leer nachgetragen für die Vermißten, welche man nicht finden und aufheben konnte. Mit dem Zuge kann aber Jeder gehen, wer will, sei er Bürger oder Fremder, und auch die verwandten Frauen sind bei dem Begräbniß, zur Wehklage. Darauf nun setzt man sie in dem öffentlichen Grabmale bei, welches in der schönsten Vorstadt Athens ist, — und hier begräbt man immer die im Kampfe Gefallenen; ausgenommen sind nur die von Marathon; denn da die Athener deren Tapferkeit für hell vorleuchtend erklärten, so gaben sie ihnen auch ihr eigenes Grab. Wenn nun die Erde sie bedeckt hat, so hält ein von der Stadt gewählter Mann, der für einsichtig gilt nnd an Ansehen vor-ragt, ihnen die geziemende Lobrede. Danach gehen sie auseinander. Dies ist die Art und Weise ihres Begräbnisses, und den ganzen Krieg hindurch, so oft es vorkam, hielt man sich an diese Sitte. Für diese Ersten nun wurde Perikles, des Xanthippos Sohn, zum Reden gewählt, und als der Augenblick dazu gekommen war, trat er von dem Grabmal auf eine hohe Bühne, die man dazu errichtet hatte, damit er weithin durch die ganze Versammlung gehört werde, und redete so:

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[*]( 431v Chr. ) „Die an diesem Orte vor mir gesprochen, haben meist Dem eine Lobrede gehalten, der zu dem gesetzlichen Brauche noch diese Art von Rede hinzugefügt hat, weil es für ihre eigene Person ihnen ehrenvoll schien, zum Preise der im Kampfe Gefallenen zu sprechen. Mir aber schien es zu genügen, wenn tapferer Männer Thaten auch nur durch eine That geehrt werden, — durch eine Handlung, meine ich , wie ihr sie hier zu diesem Begräbnis; aus öffentlichem Wesen in's Werk gesetzt seht, — und nicht sollte von Einem Manne die Tapferkeit vieler Männer Gefahr fürchten müssen; denn, wem ihr Lob anvertraut wird, kann vielleicht gut reden, aber vielleicht auch schlecht. Im Reden das rechte Maß halten, ist schwer, und kaum wird auch durch dasselbe eine richtige Anschauung von der Wahrheit hervorgerufen. Denn wer von den Zuhörern die Thaten selbst mit angesehen hat, und sosern er ein wohlwollender Mann ist, wird leicht die Schilderung unter seiner eigenen Erwartung und seiner Kenntniß finden. Wer aber des Vorgefallenen unkundig ist, wird Manches für übertrieben erachten, weil sich in ihm der Neid regt, wenn er von Dingen hört, die über seine Kräfte gehen. Denn bis zu dem Punkte ertragen die Menschen wohl Lobsprüche auf Andere, so lange Jeder glaubt, selbst solcher Thaten fähig zu sein, wie er sie da mit anhört. Was aber darüber hinausgeht, dem schenkt man keinen Glauben, weil sich dann der Neid regt. Weil es aber denen vor uns als löblicher Gebrauch ershcienen ist, so muß auch ich mich in das Gesetz schicken und muß streben, Euer Aller Wunsch und Meinung zu genügen, so gut ich's kann."

„Beginnen aber will ich mit unseren Vorfahren , denn wir sind damit nur gerecht gegen sie, und zugleich geziemt es sich bei solcher Gelegenheit, daß ihnen diese Ehre der Erinnerung gegeben werde. Denn nie wollten sie dies Land mit einem andern vertaushcen, und so, von Geschlecht zu Geschlecht es fortvererbend, haben sie es uns durch ihre Tapferkeit als freien Boden überliefert. Und verdienen sie darum Lob, so sind unsere Väter dessen noch würdiger; denn über das hinaus, was sie empfingen, haben sie die Macht, die wir jetzt besitzen, nicht ohne Mühe auf uns gebracht. Das größte Wachsthum des Staates aber haben wir selbst, wir Genossen der Gegenwart, und besonders wir, die wir jetzt im besten Mannesalter stehen, zu Wege gebracht. Wir haben die Stadt in allen Stücken in den Stand gesetzt, daß sie

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im Kriege wie im Frieden sich selbst ganz und gar genügt. Wie dies [*]( 431 v. Chr. ) Alles durch Kriegsthaten erworben worden ist, und wie nur selbst oder unsere Väter in tapferer Abwehr gegen Barbaren wie Hcllenen es geschirmt haben, darüber mag ich unter Männern, die es selbst wissen, nicht lange reden. Wie aber und durch welches Streben wir so weit gekommen sind, und durch welche Staatseinrichlungen und Grundsätze wir diese Größe erreicht haben, darüber will ich zuerst reden und dann zum Lobe dieser Todten übergehen; denn ich glaube, daß über jenes zu reden bei dieser Gelegenheit nicht ungeziemend ist, und daß diese ganze Versammlung, Städter wie Fremde, es mit Nutzen anhören werden."

„Wir haben eine Verfassung, welche die Gesetzgebung anderer Staaten nicht nachahmt, im Gegentheile sind wir selbst viel mehr Andern zum Muster, als daß wir Auswärtige nachahnitet. Und mit Recht wird sie, weil nicht bei Wenigen, sondern bei der großen Menge die Gewalt ist, Volksherrschaft genannt. Es hat nämlich in eigenen Sachen Jeder gleiches Recht mit dem Andern, nnd was Staatswürden anlangt, so wird nicht bevorzugt, wer einer besonderen Kaste angehört, sondern Jeder, je nachdem er gerade in irgend einem Fache Werthschätzung genießt oder Tüchtigkeit zeigt. Und auch nicht der Armuth wegen, wenn er nur dem Staate irgendwie nützen kann, legt Einem die Unscheinbarkeit seines Standes ein Hindernis; in den Weg. Mit Freiheit behandeln wir unsere Staatsangelegenheiten und eben so frei das bei den Gelegenheiten des täglichen Verkehrs leicht entstehende Mißtrauen gegen einander; wir sind auf den Nachbar nicht erbost, wenn er seiner Lust einmal die Zügel schießen läßt, und verhängen keine Ahndüngen, wie Andere (die Lakedämonier) pflegen, die zwar dem Geldbeutel nicht wehe thun, aber dem Auge mit anzusehen empörend sind. Im täglichen Umgang bewegen wir uns frei von Härte und Sauersthen, und doch überschreiten wir dem Staate gegenüber die Vorschriften nie, aus Scheu und Ehrfurcht vorzüglich, indem wir ans die jedesmaligen Obrigkeiten und die Gesetze hören , und vorzüglich aus die, welche zum Schutze der Beeinträchtigten bestehen und die, zwar ungeschrieben, doch in der allgemeinen Denkart dem Uebertreter Schande drohen."

„Und auch von Müh' und Arbeit haben wir dem Geiste zahlreiche Erholungen bereitet, durch gesetzliche Kampfspiele und die im Jahre wiederkehrenden Opferfeste; dann auch durch gefällige Ein«

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[*]( 431 v. Chr.) richlung des häuslichen Lebens, deren täglicher Genuß die Schwermuth verbannt. Es kommen aber wegen der Größe unserer Stadt aus allen Ländern uns alle Erzeugnisse zu, und was bei uns das Land Gutes hervorbringt, können wir nicht in höherem Grade als unser Eigenstes genießen, als was von andern Völkern zu uns kommt."

„Wir untershceiden uns aber auch in Handhabung des Kriegswesens von unseren Gegnern darin, daß wir den Zutritt zu unserer Stadt freigeben, und es kommt nicht vor, daß wir durch Fremdcnaustreibung irgend Jemanden am Lernen oder Beshcauen hindern, damit nicht etwa Einer unserer Feinde nicht verborgen Gehaltenes sehe und daraus Nutzen ziehe; denn wir vertrauen weniger auf Nnstwerk und Kniffe, als auf unsere eigene Thatenlnst und Tapferkeit. In der Jugenderziehung suchen jene schon von klein auf durch mühevolle Uebungen Mannhaftigkeit zu erwerben, wir aber gehen, wenn auch viel gemächlicher lebend, doch nicht weniger entschlossen in den Kampf ungewisser Entscheidung gegen den gleichstarken Feind. Beweis dafür ist, daß die Lakedämonier nicht nur mit ihrer eigenen Macht, sondern mit allen möglichen Bundesgenossen gegen unser Land zu Felde ziehen. Wenn aber wir selbst in auswärtiges Gebiet einfallen, so gewinnen wir auf fremdem Boden und im Kampfe gegen solche, welche ihr Eigenthum vertheidigen, meist den Sieg. Unsere Gesammtmacht aber hat noch kein Feind sich gegenüber gesehen, weil wir auch zugleich immer die Flotte bedenken und unsere Landmacht selbst auf viele Punkte vertheilen. Wenn sie aber mit einem Bruchtheil unserer Macht zusammengestoßen sind und den Sieg davon getragen haben, so prahlen sie, sie hätten unsere Gesammtheit geworfen; sind aber sie besiegt worden, so heißt es, sie wären unserer gesammten Macht gegenüber in Nachtheil gewesen. Und wenn wir auch wirklich mehr ans leichtem Blute als in Folge mühseliger Gewöhnung, und weniger in Folge einer tapferen Gesetzgebung als ans angeborner Tapferkeit die Gefahr des Kampfes lieben, nun so sind wir im Vortheil, denn wir sind nicht im Vorans durch Mühsal ermattet und zeigen uns doch bei der That nicht weniger kühn als die, welche ihr Leben lang sich abmartern."