History of the Peloponnesian War

Thucydides

Thucydides. Geschichte des Peloponnesischen Kriegs. Wahrmund, Adolf, translator. Stuttgart: Krais and Hoffmann, 1864.

„Ich selbst, ihr Lakedämonier, habe die Erfahrung vieler Kriege und sehe auch einen Theil von euch in den gleichen Jahren mit mir, in denen Einer weder aus Mangel an Erfahrung einen Krieg herbei wünscht, wie es wohl bei der großen Menge der Fall sein mag, noch auch denselben für etwas Gutes und Gewinnbringendes hält. Was nun den Krieg betrifft, über welchen hier berathschlagt wird, so möchte er sich wohl nicht als einender unbedeutenderen finden lassen, wenn man die Umstände genau erwägt. Den Peloponnesiern und unsern Nachbarn ist unsere Macht zwar gewahcsen, und wir sind hier auch im Stande, nach allen Punkten hin die nöthigen Maßregeln schnell zu treffen; allein gegenüber den Bewohnern eines entfernteren Landes, die überdies im Seewesen sehr erfahren sind und auch sonst in allen Stücken auf's Trefflichste versehen, mit Privatreichthum nämlich und öffentlichen Geldern, mit Schiffen, Pferden, Waffen und einer Menschenmenge, wie sie sonst in keinem andern Hellenischen Staate vorhanden sind, und die dazu noch viele zinspflichtige Bundesgenossen haben, — wie kann man gegen solche so leichthin Krieg anfangen, und worauf setzen wir denn eigentlich unser Vertrauen, daß wir trotz der mangelnden Vorbereitungen damit so eilen sollten? Etwa auf Schiffe? Da sind wir die Schwächeren; und wenn wir uns erst üben und unsere Gegenrüstungen herstellen wollen, so wird das Zeit brauchen. Oder vielleicht auf Geld? Das haben wir erst recht gar nicht; [*]( 127) Archivnmos regierte von Ol. 77, 4 bis AS, T. Kniger, hist. philol, Studien I. S. 150 ff. )

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denn wir haben weder im öffentlichen Schatze etwas, noch sind wir damit bei der Hand, aus dem Eigenen beizusteuern."

„Leicht könnte auch Einer daraus vertrauen, daß wir in Waffen und Mannschaft ihnen überlegen sind und darum ihr Gebiet heimsuchen und verheeren können. Aber sie haben noch viel anderes Land, worüber sie Herr sind, und werden sich von der See aus versorgen. Und wollten wir auch versuchen , ihre Bundesgenossen zum Abfall zu bringen, so müssen wir auch diesen mit Schiffen zu Hilfe kommen, denn sie sind meist Inselbewohner. Worin also soll unsere Kriegführung bestehen? Gewiß ist: wenn wir nicht entweder mit der Flotte obsiegen, oder ihnen ihre Einkünfte abschneiden, mit welchen sie die Flotte in Stand halten, so werden wir es sein, die den meisten Schaden haben. Und in diesem Fall wäre es nicht einmal mehr mit der Ehre verträglich, die Sache beizulegen, zumal wir für die eigentlichen Urheber des Friedensbruches gelten werden. Denn gebt euch ja nicht der Hoffnung hin, daß der Krieg schnell beendigt sein wird, wenn wir nur ihr Gebiet verwüstet haben! Ich fürchte vielmehr, daß wir ihn noch auf unsere Kinder vererben werden; so gewiß ist mir es, daß die Athener in ihrem Stolz weder ihrem Land zu lieb sich uns beugen werden, noch auch wie Neulinge durch den Krieg sich schrecken lassen."

„Doch ist es nicht meine Meinung, daß wir jene ungestraft unsere Bundesgenossen sollten schädigen lassen, und ihre schlimmen Absichten nicht ahnden. Aber deßhalb sollten wir noch nicht zu den Waffen greifen, sondern Gesandte an sie schicken, ohne jedoch weder allzukriegerische Absichten zu zeigen, noch auch Billigung blicken zu lassen, und während dieser Zeit sowohl unS selbst rüsten, als auch Bundesgenossen an uns ziehen und schauen, ob wir irgendwoher von Hellenen oder Barbaren an Schiffen oder Geld Hilfe erhalten können. Denn wie jetzt alle und auch wir von den Athenern bedroht sind, kann eS unS nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß wir, um unS selbst zu erhalten, nicht nur bei Hellenen, sondern auch bei Barbaren Hilfe suchen. Zugleich wollen wir auch unsere eigenen Rüstungen vollenden. Wenn sie nun unsern Gesandten Gehör geben, so ist das das Beste; wenn aber nicht, so können wir nach zwei oder drei Jahren schon viel besser gerüstet gegen sie zu Felde ziehen, wenn es uns dann gutdünkt.

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Und vielleicht lassen sie sich auch, wenn sie unsere Rüstungen sehen und aus unseren Reden ähnliche Absichten entnehmen', leichter zur Nachgiebigkeit bewegen, so lange ihr Land noch unverwüstet ist, und sie ihren Entschluß fassen, während sie noch im Besitz ihrer Habe sind und dieselbe nicht schon dem Verderben anheimgefallen sehen. Denn glaubt ja nicht, daß ihr mit ihrem Gebiete anders verfahren dürfet, als wie mit einem Pfand, und zwar um so mehr, je besser es angebaut ist. Ihr müßt es so sehr als möglich schonen und euren Sieg-über sienicht dadurch ershcweren, daß ihr sie zur Verzweiflung treibt.. Wenn wir aber jetzt dem Drängen der klageführenden Bundesgenossen sofort nachgeben und ungerüstet, wie wir find, ihr Gebiet verheeren, so seht zu, daß nicht der größere Schimpf und Schaden auf den Peloponnes fällt. Beshcwerden von Städten und Einzelnen unter einander lassen sich heben, einen Krieg aber, der von einer Gesammtheit aus Rücksicht auf jedes Einzelnen Vortheil angefangen wird, und von dem sich das Ende nicht absehen läßt, kann man nicht leicht mit Glimpf beilegen."

„Auch lasse sich Keiner dünken, daß es Feigheit sei, wenn so Viele zaudern, einer einzigen Stadt zu Leibe zu gehn. Denn auch jene haben keine geringere Zahl Bundesgenossen, und zwar^solche, die ihnen Geld steuern, und der Krieg wird in der Hauptsache nicht mit den Waffen, sondern mit Geld geführt welches die Waffen erst nutzbringend macht, zumal von Seiten Festländischer gegen eine Seemacht. Das wollen wir nun zuerst beischaffen und uns nicht durch die Reden der Bundesgenossen zur Unzeit hinreißen lassen. Denn da man uns jedenfalls die Hauptverantwortlichkeit für den Ausgang des Krieges beimessen wird, mag er nun so oder so ausfallen, so müssen wir auch,in Ruhe vorher das Nöthige erwägen." s-

„Der Langsamkeit und des Zauderns, was man am meisten an uns tadelt, habt ihr euch nicht zu schämen; denn wenn ihr euch jetzt beeilen wolltet, so würde das Ende um so mehr verzögert werden, weil ihr unvorbereitet an's Werk ginget. Wir sind Bürger eines.freien und in aller Weise wohlberühmten Staates, und mehr als jeden andern verdient jenes Verfahren den Namen wohlbedächtiger Klugheit. [*]( 128) Die"BunbeSgenosie„i der Lakedämonier zahlten nämlich keine Steuern an diese. — Vgl..Anin 2.) [*]( ThukydibeS I. ) [*]( 6 )

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Denn darin allein liegt der Grund, weshalb wir im Glück nicht den Uebermuth aufkommen lassen und im Unglück weniger als Andere uns beugen: Und wenn man uns durch Lobsprüche zu nachteiligen Unternehmungen anzuspornen sucht, so lassen wir unS durch den Kitzel des Lobes nicht gegen unsere bessere Einsicht hinreißen, und wenn unS Einer durch Tadel aufstacheln wollte, so würden wir unS weder erzürnen, noch auch nachgeben. Wir sind kriegerisch und wohlberathen zugleich, weil wir uns schöner Disciplin fügen '29); das eine, weil Ehrgefühl der Bedachtsamkeit nahe steht, und dem Ehrgefühl die Tapferkeit; wohlberathen aber sind wir, weil wir zu wenig gelehrt erzogen werden, um die Gesetzt zu verachten, und zu rauh und bescheiden, um unS ihnen nicht zu unterwerfen Wir verstehen zu wenig von unnützen Dingen, um die kriegerischen Anstalten unserer Gegner in schönen Redensarten zu tadeln und dann doch in der That hinter ihnen zurückzubleiben'2'), sondern wir glauben, daß die Klugheit des Feindes der unseren wohl gewachsen ist, und daß sich die Glücksfälle nicht mit Worten abmachen lassen. In unserer wirklichen Ausrüstung handeln wir immer so, als ob unsere Gegner sehr wohl berathen seien; und man darf auch nicht seine Hoffnungen auf künftige Fehler des Feindes bauen, sondern auf seine eigene treffliche Vorficht. Auch soll man nicht glauben, daß sich ein Mensch vom andern viel unterscheide, sondern daß der zum Tüchtigsten werde, der durch den härtesten Zwang der Verhältnisse geschult ist 122).« [*]( 129) Der Gedankengang ist: Aus der besonnenen Haltung entsprießt das ihr verwandte Ehrgefühl, aus dem Ehrgefühl der Muth. (Kr.) Hierin liegt der Werth militärischer Erziehung. ) [*]( 130) Hierin liegt eine Zurückweisung der den Spartanern in Kap. 68 vorgeworfenen Unbildung und Unwissenheit tHeilmann). — Daß dort die Unwissenheit auf die auswärtigen Angelegenheiten bezogen wird, spricht nicht gegen diese Erklärung (Kr.). ) [*]( 131) Ein Hieb auf die in der Rede sehr gewandten Korinther (Kr.). ) [*]( 132) D> h. wer die herbe Schule der Erfahrung durchgemacht hat. Me, nander sagt: „ ό μή δαρείς άνσρωπος ού παιδεύεται" b. h. „der nicht- geschundene Mensch wird nicht erzogen" (worin — nebenbei gesagt auch der Werth der Ruthe für die Kindererziehung liegt, weßhalb sie denn auch Sirach und andere Weise mit Recht empfehlen). Goethe setzt diesen Spruch Menan« dert alt Motto einem Abschnitt von „Wahrheit und Dichtung" vor, meint oder -- seiner weicheren Art nach — die Herzentbedrängnisse durch Liebe )

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„Solche Uebung nun ist uns von den Vätern her überliefert; was wir aber stets mit Nutzen geübt haben, dürfen wir nicht aufgeben, und ebenso wenig wollen wir uns hinreißen lassen, in der kurzen Zeitspanne eines Tages über viele Menshcenleben, viel Güter, Städte und kostbare Ehre Beschluß zu fassen, sondern in Ruhe der Ueberlegung pflegen. Ihr, die ihr so mächtig seid, dürft das schon eher thun, als Andere. An die Athener aber schickt Gesandte wegen Potidäa'S und auch wegen der Beschwerdepunkte der Bundesgenossen. Sie selbst erklären sich ja bereit, die Sache vor ein Schiedsgericht zu bringen, und wer selbst den Rechtsweg in Vorschlag bringt, den darf man nicht ohne Weiteres als einen Rechtsverletzer bekriegen. Gleich­ [*]( u. dgl. Gemüthtbeengungen solcher Art in dieser Weise aufzufassen, fiel einem Hellenen damaliger Zeit nicht ein, noch viel weniger, sie in solcher Breite dar, zustellen. In LessingS Briefen mag man die bezeichnende Stelle hierüber auf» fuchen. Zwar hat dergleichen auch eine gute Seite und ist einer der stärksten Beweise der „Vertiefung der Empfindung", welche die Neueren vor den Antiken allerdings voraushaben, und offene, zumal kunstvolle Darstellung dieser tieferen Empfindung kann schließlich auch nur zum Guten führen; aber man muß sich auch vergegenwärtigen, welche ungeheure Gefahr für daS zeitliche Bestehen der Nation heraufbeschworen wird, wenn die Nation durch ihre Dichter und Schriftsteller angeleitet würde, sich in ihrer Empfindung solcher Weichheit hinzugeben, zumal wenn sie von Nationen umgeben ist, welchen man diese Schwäche nicht vorwerfen kann. — Jeder Bürger damaliger hellenischer Städte hatte sich zu vergegenwärtigen, daß zu aller Zeit seine Vaterstadt feindlichen Angriffen ausgesetzt sei, und er selber Tag um Tag bereit sein müsse, für dieselbe zu fechten und fechtend entweder zu sterben oder zu siegen; denn im Fall seine Stadt genommen wurde, mußte er Weib und Kind in die Sklaverei führen sehen und sich wehrlos vom Feinde abschlachten lassen; und nebenbei harte er sich noch vorzusehen, daß die ganze politische Partei, welcher er innerhalb seiner Vaterstadt angehörte, von ihrer Gegenpartei nicht um Hab und Gut und Heimat oder auch uin'6 Leben gebracht werde, — Gründe genug, um allzuweiche Empfindung nicht aufkommen und sie bei einem Andern verächtlich erscheinen zu lassen. Unter solchen Umständen wird auch auf Wissen und Bildung kein falscher Werth gelegt. Daß aber trotzdem großer Werth darauf gelegt, und zur Förderung von Kunst und Wissenschaft von den damaligen Hellenen so viel gethan wurde, zeigt eben die Größe des hellenischen Geistes, dessen Tapferkeit durch seine Empfindung, sowie durch Liebe zum Schönen und zum Wissen gar kein Eintrag geschah. — In unserer Stelle weist der Spartaner die Eitelkeit der bereits etwas Überfeinerren Korinther zurück. — „DeS Thukydides würdig ist der Gedanke, daß es nur Einen tüchtigen Pädagogen gibt: das (herbe) Schicksal." (Kr.) ) [*]( 6* )

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zeitig aber rüstet zum Krieg; denn auf diese Weise werdet ihr für euch selbst das Beste beschließen und zugleich dem Feinde am meisten furchtbar sein.-

So redete Archidamos. Zuletzt aber kam Stheuelaides, damals einer ihrer Cphoren '^), und ließ sich vor den Lakedämoniern so hören:

„Der Athener langes Gerede verstehe ich nicht. Sich selbst haben sie ein Langes und Breites gelobt, aber daß sie an unsern Bundesgenossen und dem Peloponnes Unrecht thun, dagegen haben sie sich nicht mit einem Wort vertheidigt. Mögen sie damals gegen die Meder sich tapfer gehalten haben, so sind sie doppelt strafwürdig, wenn sie sich jetzt gegen uns schlecht benehmen, denn sie sind aus rechtschaffenen 'Männern Schurken geworden. Wir aber sind noch dieselben wie damais, und wenn wir klug sind, werden wir nicht ruhig mit zusehen, wie an unseren Bundesgenossen Unrecht geübt wird, noch auch werden wir die Ahndung lange hinausschieben, denn auch die Bedrückungen jener lassen nicht erst auf sich warten. Andere haben viel Geld, Schiffe und Rosse, wir haben treffliche Bundesgenossen, die wir nicht den Athenern preisgeben dürfen, noch auch ihre Sache mit Rechtsprechen [*]( 133) Die Sphoren, d. i. Anfsek>er, waren ursprünglich von den Königen eingesetzte Beamte, welche die Könige gelegentlich vertraten, in Privatstreitigkeiten Necht sprachen, das Nebahren der ganzen Beamtenschaft und die öffentliche Zucht l-eaufsihctigtcn. Diese ihre Controle wurde später aber auch über die Könige selbst ausgedehnt, und zwar in Folge demokratischer Regungen, welche dadurch entstanden waren, daß eine große Anzahl Bürger bereits der Armuth verfallen und deßhalb zur StaatSvmmäljUNg geneigt war. Befriedigt wurden sie durch neue Landanweisungen im eroberten Messenien — der erste Messenische Krieg wurde eben deßhalb geführt — und durch das Zugeständniß, daß auch die Könige und die Geriisia, d. i. der Senat, der Controle der Ephoren unterworfen sein sollten, damit von Seite jener kein Versuch stattfinden könne, die Aermeren aus der Zahl der Homden, d. i. der Gleichadelichen auszuschließen. Vgl. ?lnm. 52. Die Sphoren konnten den König in Untersuchung ziehen, ihm Verweise und Bußen auflegen, ihn bei der Gernfia an. klagen, mit dieser über ihn zu Gericht sitzen und sämrliche Behörden fu«pen. diren, verhaften und auf den Tod anklagen. Verurtheilcn konnte nur der Senat lGerusia). Der König leistete ihnen allmonatlich — wohl bei jeder 'Volksversammlung — den Eid, gesetzlich regieren zu wollen. Vgl. Schömann, Kriech. Alt. :> S. 2»» ff. — Die 'folgende Nede des Ephoren ist' gegen den König ArchidamoS gerichtet. )

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und Worten abmachen lassen, da ihnen ja auch nicht blos mit Worten Unrecht geschieht, sondern schleunigst und kräftigst muß ihnen geholfen werden. Und Keiner wolle uns belehren, daß es uns, den Unrecht Leidenden, zukomme zu überlegen; viel mehr käme es denen zu,^fich lange zu besinnen, welche daraus ausgehen, Andern Unrecht ^zuzufügen. Beschließt also den Krieg, ihr Lakedämonier, wie es Sparta? würdig ist, und laßt weder die Athener noch mächtiger werden, noch wollt eure Bundesgenossen verrathen, sondern mit den Göttern laßt uns gegen die Uebelthäter ausziehen!"

Nach diesen Worten ließ er, da er selbst Ephore war, die Abstimmung in der Versammlung der Lakedämonier vornehmen, sagte aber dann, weil-sie durch Zuruf die Entscheidung geben und nicht durch Stimmzeichen ^): er könne nicht untershceiden, welcher Ruf der stärkere sei, — und um sie durch recht augenfällige Darlegung ihrer Meinung noch mehr für den Krieg zu reizen, rief er: Wer von euch, ihr Lakedämonier, der Meinung ist, daß die Verträge gebrochen sind, und die Athener Unrecht thun, der trete auf den Platz dort,—indem er mit dem Finger daraus hinwies —, wer, aber der Meinung nicht ist, der stelle sich hier auf die andere Seite. Es standen nun Alle auf und traten nach den zwei Seiten aus einander, und die Zahl derer, welche den Vertrag für gebrochen erachteten,.war viel größer. Dann riefen sie die Bundesgenossen herzu und erklärten, daß ihnen die Athener dünkten Unrecht zu thun, und sie wollten jetzt auch die sämmtlichen Bundesgenossen zur Abstimmung einladen, damit sie, wenn es sich so ergebe, den Krieg gemeinsam führten. Nachdem dies Geschäft beendigt war, ging ein Jeder wieder in seine Heimat,, und auch die Athenischen Gesandten kehrten nach Haus zurück, als die Aufträge besorgt waren, wegen derer man sie geschickt hatte. Diese Entscheidung der Versammlung, daß.der Friede, gebrochen sei, ereignete'sich im vierzehnten Jahre des dreißigjährigen Waffenstillstandes, welcher [*]( 482 v. Chr. ) nach dem Euböiichen Krieg geschlossen worden war '"). [*]( 134. Auch in Athen wurde gewöhnlich durch Aufheben der Hände abge- stimmt lCheir otonie); geheime Abstimmung durch Stimmsteine, fand nur in gewissen Fällen statt, wie z- B..bei der Verbannung durch das Scherbengericht. ) [*]( 135) Vgl. I, 115. )

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ES faßten aber die Lakedämonier den Entschluß, daß der Friede gebrochen und Krieg zu führen sei, nicht sowohl aus Nachgiebigket gegen die Reden der Bundesgenossen, als vielmehr aus Furcht, daß die Athener noch mächtiger werden könnten; denn sie sahen, daß jetzt schon der größere Theil von Hellas von jenen abhängig sei

Zu der Stufe aber, bis zu welcher ihre Macht gewachsen war, gelangten die Athener auf folgende Weise Als die Meder, zu Wasser und zu Lande von den Hellenen besiegt, Europa geräumt hatten, und auch die vernichtet waren, welche sich zu Schiff nach Mykale geflüchtet hatten, so kehrte der Lakedämonierkönig LeotychideS, der bei Mykale über die Hellenen den Oberbefehl geführt, mit den peloponnesischen Bundesgenossen nach Hause zurück. Die Athener aber und die Bundesgenossen aus Jonien und vom Hellespont, welche vom König schon abgefallen waren, blieben vor SestoS und belagerten die persische Besatzung, und nachdem sie den Winter durch ausgehalten, bekamen sie auch die Stadt in ihre Gewalt, indem die Barbaren abzogen. Dann räumten ihre Schiffe den HelleSpont, und Jeder kehrte nach seiner Heimaih zurück. Die Regierung von Athen aber ließ, da die Barbaren aus ihrer Landschaft abgezogen waren, die Weiber und Kinder und sonstiges Gut von den Orten, wo dieselben in Sicherheit gebracht worden waren, wieder nach Hause bringen und traf Anstalten, die Stadt und die Mauern wieder auszubauen. Von den Ringmauern stand nämlich nur noch sehr wenig, und die Häuser waren meist eingestürzt, bis auf wenige, in denen die vornehmen Perser selbst Wohnung genommen hatten.

Da aber die Lakedämonier von diesem Vorhaben erfuhren, so schickten sie, einestheilS weil sie selbst eS lieber gesehen hätten, daß [*]( 136) Vgl. I. 2Z Schluß. ) [*]( 137) Die Kapitel 89 — 118 enthalten eine Episode über die (fast) fünfzig Jahre zwischen dem zweiten verlischen und dem peloponnesifchen Kriege, an, knüpfend an Hund. S, >14. Eine genauere Erörterung dieser Partie, beson» der« rücksichtlich der Chronologie, in Krüger'S histor. philol. Studien l, S.I — 228. ) [*]( 138) AuS Salamis, Aegina, Bösen. )

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weder jene noch überhaupt sonst Jemand Mauern habe, viel mehr aber noch, weil ihre Bundesgenossen dazu antrieben, und aus Furcht vor der Uebermacht der Flotte, welche jene sich geschaffen hatten, und vor der kühnen Entschlossenheit, die sie im Perserkriege gezeigt, eine Gesandtschaft mit dem Ansinnen, nicht nur selbst keine Mauern zu bauen, sondern ihnen auch die Ringmauern der Städte außerhalb des Peloponnes, wo solche vorhanden wären, niederreißen zu helfen. Zbre eigentliche Absicht und argwöhnischen Gedanken offenbarten sie den Athenern nicht, sondern es sei daran gelegen, daß der Barbar, wenn er einmal wiederkommen sollte, keinen festen Punkt vorfände, auf welchen er, wie das letzte Mal auf Theben, sich stützen könne; der Peloponnes, meinten sie, genüge für alle Hellenen als Zufluchtsort und Ausgangspunkt der Kriegsunternehmungen. Die Athener nun entließen auf des ThemistokleS Rath für dies Mal die Lakedämonier auf der Stelle, indem sie ihnen zur Antwort gaben, sie wollten des Vorgebrachten wegen selbst Gesandte zu ihnen schicken. Weiter ordnete ThemistokleS an, ihn selbst so schnell als möglich nach Sparta abzusenden, die andern außerdem zu wählenden Gesandten aber nicht sogleich mitzuschicken, sondern noch so lange zurückzuhalten, bis die Mauer auf die erforderliche Höhe gebracht worden wäre, um.sich im Nothfall vertheidigen zu können. Bauen helfen sollten aber Alle und Jegliche in der Stadt, in eigner Person und mit Weib und Kind, und weder das eigene Haus, noch öffentliche Gebäude sollten sie schonen, wenn es irgendwie nutzbringend zum Werke sei, sondern Alles niederreißen. Nachdem er dies angeordnet und zu verstehen gegeben hatte, daß er alles Uebrige dort selbst ^besorgen werde, reiste er ab. In Sparta angekommen, stellte er sich nicht sogleich bei der Regierung vor, sondern verschob es und brauchte allerlei Ausflüchte, und wenn ihn ein RegierungSbeamter fragte, warum er sich denn an sie nicht wende, so gab er zur Antwort, er warte nur noch aus seine Mitgesandten: dieselben seien irgend einer Verhinderung wegen zurückgeblieben, er sehe jedoch ihrer Ankunft jeden Augenblick entgegen, und wundere sich sehr, daß sie noch nicht da seien.

Jene horten das an und glaubten eS dem ThemistokleS zu Gefallen; als aber Andere ankamen und für ganz gewiß erzählten, daß die Mauer doch gebaut werde und schon eine ansehnliche Höhe ge-

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winne, so konnten sie nicht mehr in Zweifel sein. Da Themistokles dies erfuhr, so bat er sie, .sich doch nicht durch Gerüchte täuschen-zu lassen, sondern lieber einige rechtschaffene Männer aus ihrer Mitte abzuordnen, die zuverlässigen Bericht abstatten könnten über das, was sie mit eigenen Augen.gesehen hätten. Solche sandten sieauch wirklich ab; Themistokles aber ließ den Athenern heimlich die Weisung zukommen, dieselben mit so wenig Aufsehen als möglich zurückzuhalten.und sie nicht eher ziehen zu lassen, als bis sie selbst zurückgekehrt wären; eS waren nämlich unterdessen auch seine Mitgesandten angekommen, Habronichos, der Sohn des LyfikleS, und AristeideS, des Lysimachos Sohn, und hatten ihm gemeldet, daß die Mauer schon hoch genug sei; er fürchtete aber, die Lakedämonier möchten sie nicht mehr ziehen lassen, wenn sie die Wahrheit erfahren hätten. Die Athener also hielten, wie vorgeschrieben war, jene Gesandten zurück, und nun trat ThemistokleS vor die Lakedämonier und erklärte frei und offen, ihre Stadt sei jetzt befestigt und im Stande ihre Einwohner zu schirmen. Wenn die Lakedämonier oder ihre Bundesgenossen künftig wieder einmal Gesandte zu ihnen schicken wollten, so möchten sie bedenken,.daß sie zu Leuten kämen, die recht wohl zu untershceiden wüßten, was ihr eigner Vortheil und was das gemeinsame Wohl von Hellas erheische. Als eS ihnen damals rathsamer geschienen habe, ihre Stadt zu verlassen und die Schiffe zu besteigen, hätten sie diesen Entschluß ohne Zuthun der Lakedämonier zu fassen und auszuführen gewagt, und so oft sie sich später mit jenen gemeinsam berathen, hätten sie sich an Einsicht Keinem nachstehend gezeigt. So ershceine es ihnen denn anch jetzt rathsamer, daß ihre Stadt Mauern habe, und das werde sich auch für die gesammten Bundesgenossen nicht weniger, als für die eigenen Bürger, nutzbringender erweisen. ,Denn ohne daß die Einzelnen auf gleicher Stufe der Verteidigungsfähigkeit stünden, sei eS nicht möglich, in Bezug auf. das gemeinsame Beste ähnliche oder übereinstimmende Beschlüsse zu fassen ^). Entweder durften alle Bundesgenossen 139) Politische« Hauptgeseh, an welchem schließlich jeder Bund ungleicher Mächte Schiffbrnch leidet, zumal wenn die Bundesglieder aus sich eine ständige berathende und beschließende BundeSbehörde cvnstituiren. Nur so lange irgend ein Hauptinteresse, an welche« sich die Existenz selber knüpft, allen Gliedern gemeinsam ist, kann ein solcher Bund unter thats.ichtich gleichem Recht für
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keine Befestigungswerke haben, oder man müsse auch ihr jetziges Verfahren gut heißen..

Als die Lakedämonier dies gehört hatten, ließen sie gegen die Athener keinerlei Groll blicken, denn sie hatten sich auch mit jener Gesandtschaft nicht den Anschein gegeben, als ob sie den Bau hindern wollten, sondern als wollten sie nur mit Rücksicht auf das gemeinsame Beste das ihrer Ansicht nach Entsprechende empfehlen; und dann waren sie auch damals den Athenern noch sehr gewogen wegen des Eifers, den sie im Perserkriege gezeigt hatten; doch waren sie über die Vereitelung ihrer Absicht im Geheimen erbittert. Die beiderseitigen Gesandten kehrten indeß unangefochten nach Hause zurück '4Y).

Auf diese Weise befestigten die Athener ihre Stadt innerhalb sehr kurzer Zeit. Auch sieht man dem Bau jetzt noch an/daß er eilig aufgeführt wurde, denn die Grundmauern sind aus allerlei Steinen zusammengefügt, hie und da auch aus ganz unbehauenen, wie sie grade Einer herbeibrachte. Auch viele Säulen von Grabmälern wurden eingemauert und selbst vom Bildhauer bearbeitete Steine, denn da die Ringmauer an allen Punkten über den ehemaligen Umfang der Stadt hinauSgerückt wurde, so schaffte man in'der Eile ohne Unterschied Alles herbei, was beweglich war." Auch vermochte sie ThemistokleS, den PeiräeuS völlig auszubauen, wozu schon früher während seiner einjährigen Regierung als Archont von Athen de? Anfang [*]( 481 v. Chr. ) gemacht worden war; denn da der Platz drei natürliche Häfen>'5") [*]( Alle fortbestehen, wie z. B. der deutsche Bund, so lange ein Umsturz der Bundesverfassung für alle Beteiligten, für die Mächtigsten wie für die Schwächsten, gleich große Gefahren hat. ' ) [*]( 140) lw) Ein Gerücht (Andokid. Z, 33), aufgegriffen von TheopompoS (Plutarch, Themist. IS) ließ die Lakedämonier durch Geld, Bestechung der Ephoren begütigt werden. Vgl. Krüger, hist. philol. Stud. II, C. III. — Wenn man sich vergegenwärtigt, was oben in der Anm. 137 über die antike Grundstimmung und deren Ursachen gesagt worden ist, so wird man eS begreiflich sinden, daß die List deS ThemistokleS gegen die antike Moral keineswegs verstieß, so w»nig.wie die Lügen deS OdysscuS. Und ich denke, auch heute noch wird Jeder gestehen, daß das Verfahren des ThemistokleS immer noch einen viel günstigeren Eindruck macht und den sittlichen Forderungen besser entspricht, als das Verfahren manches modernen und modernsten Ministers. ) [*]( 141) Ol.-74, 3. Krüger, h. ph. Sind. I, S- 13 . ff. ) [*]( 142) Zea, Aphrodision, Kantharos. Kruse, Hellas U, S. las s. (Kr.) )

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hatte, so hielt er ihn für überaus geschickt, die Macht der Athener zu fördern, wenn sie sich erst dem Seewesen ganz gewidmet haben würden. Themistokles war nämlich der Erste, der eS auszusprechen wagte, daß man sich an das Meer halten müsse, und er selbst half noch sofort mit dem Bau den Anfang machen ^). Auf seinen Rath bauten sie auch die Mauer um den Peiräeus von der Dicke, wie sie noch jetzt zu sehen ist (indem zwei einander entgegenfahrende Wagen die Steine herbeischafften Zur Verbindung wurde weder Kalk noch Mörtel gebraucht, sondern die großen und winkelrecht behauenen Steine wurden neben und über einander gelegt und von außen durch eiserne Klammern und Blei US verbunden. Indessen wurde nur die Hälfte der Höhe erreicht, welche jener beabsichtigte ^6). er hatte gedacht durch Höhe und Dicke der Mauer allein die Angriffe der Feinde zu vereiteln, und daß dann eine geringe Zahl selbst der Untauglichsten zur Besatzung genügen werde, indem alle andern die Schiffe besteigen sollten. Auf die Flotte hatte er nämlich ein Hauptaugenmerk, weil er, wie mich dünkt, einsah, daß der Angriff der königlichen Streit- macht leichter zu Wasser als zu Lande erfolgen könne. Den Peiräeus hielt er deßhalb auch für wichtiger, als die obere Stadt, und oft redete er den Athenern zu, wenn sie einmal zu Lande überwunden wären, sollten sie sich in den Peiräeus hinabziehen und auf ihren Schiffen Allen die Spitze bieten. Auf diese Weise also kamen die Athener gleich nach dem Rückzug der Perser zu ihren Mauern und trafen auch sonst die nöthigen Vorkehrungen.

Pausanias aber, des Kleombrotos Sohn, wurde aus Lakedämon als Anführer der Hellenen mit zwanzig Schiffen vom Peloponnes aus in See geschickt. Auch die Athener schloßen sich mit [*]( "2, Mit Bezug darauf errichtete er nebst seinen Amtsgenossen einen Hermen mit der Inschrift: ) [*](Die zu der Mauer geleget den Grundstein, weiheten diesen. Krüger, Stud. I, S. 2Z. ) [*]( 144) Die eingeklammerte» Worte stammen wohl aus einer Randbemerkung. ) [*]( 145) Die eisernen Klammern waren mit Blei eingegvssen. ) [*]( 146) Nach Slppian Mithrid. 30 war die Mauer gegen vierzig Ellen hoch. Krüger. Leben deS Thuk. S. 72. ) [*]( 147) Greise und Knaben. Vgl. I, los, wo et heißt: „die Nettesten und die Jüngsten;" ebenso ll. 13. )

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dreißig Schissen an und ebenso von den übrigen Bundesgenossen [*]( 478, v. Chr. ) eine große Zahl. Sie segelten aber gegen Kypros und unterwarfen den größten Theil dieser Insel; dann wendeten sie sich gegen Byzanz, welches die Perser besetzt hielten, und eroberten eS auch noch unter demselben Oberbefehl.

Da aber Pausanias anfing sich gewaltthätig zu betragen 149), so brachte er alle Hellenen gegen sich auf, vornehmlich aber die Joner und die übrigen, welche erst neuerlichst vom Könige befreit worden waren, so daß diese die Athener angingen und sie aufforderten, eingedenk der StammeSverwandtshcaft '2") den Oberbefehl über sie anzunehmen und nicht ruhig zuzusehen, wenn Pausanias irgend wie Gewalt brauchen wolle. Die Athener schenkten diesen Anträgen gern Gehör und waren darauf bedacht, sowohl hieraus Nutzen zu ziehen, als auch alles Uebrige auf die ihrem Vortheil am meisten entsprechende Weise einzuleiten.

Inzwischen besohlen die Lakedämonier dem PausaniaS, nach Hause zu kommen, damit er wegen des über ihn Vernommenen Rede stehe; denn er war auch von den Hellenen, die nach Sparta kamen, vieler Ungerechtigkeiten angeklagt worden, so daß seine Fcldherrnschaft eher wie die Nachahmung einer Zwingyerrschaft ershcien. Es gelangte [*]( «77 v. Chr. ) aber dieser Befehl zur Rückkehr zu derselben Zeit an ihn, als die Bundesgenossen aus Haß gegen ihn zu den Athenern übergingen, mit^ Ausnahme der Truppen aus dem Peloponnes. Da er nun nach Lakedämon gekommen war, wurde er zwar wegen einiger persönlichen Beleidigungen zur Strafe gezogen, in der Hauptsache jedoch losgesprochen. Er war aber vornehmlich der Perserfreundschaft angeklagt worden, und in der That zweifelte auch Niemand daran. Die [*]( 148) Nnter AristeiveS und Kimon. Plutarch, Arist. 23. Im Frühling Ol. 75. 3. Krüger, Sind. I, S. s? f. ) [*]( 149) S) Vgl. I, 130. ) [*]( 150) Die damals kleinasiatischen Joner hatten früher im Peloponnes ge- wohnt, waren aber durch die Achaier, welche von den Herakliden aus Argoli» und Lakonien vertrieben worden waren, ihrer Wohnsitze beraubt worden und hatten sich nach Altika gewendet. Bon hier zogen sie später nach Kleinasien, indem sie ihre Anführer aus Athen, und das heilige Feuer aus dem Pryra? neum daselbst nahmen, so daß Athen als ihre Mutterstadt gelten konnte. Vgl. Anm. lv. )

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Lakedämonier sandten ihn nun zwar nicht mehr als Feldherrn aus, sondern an seiner Statt den Dorkis und einige Andere mit nicht bedeutender Mannschaft, allein die Bundesgenossen fügten sich ihrem Oberbefehle nicht. Da jene dies merkten, zogen sie sogleich wieder ab, und nach ihnen schickten auch die Lakedämonier keine Andern mehr aus, aus Furcht, ihre Leute möchten draußen verdorben werden, was sie auch am Pausanias wirklich erfahren hatten außerdem wünschten sie aber auch der Last des Perserkriegs ledig zu werden und glaubten, daß die Athener, welche ihnen damals befreundet waren, für sich im Stande seien, ihn zu Ende zu führen

So waren also die Athener aus freier Zustimmung der Bundesgenossen, weil Pausanias sich verhaßt gemacht, zur Würde der Oberanführung gelangt, und sie bestimmten nun, welche Staaten zum Krieg gegen den Barbaren Geld, und welche Schiffe hergeben sollten. Vorwand war-, daß man durch Verheerung des königlichen Gebietes für die erlittene Unbill Rache nehmen müsse. Damals wurde auch von den Athenern zuerst das Amt der Schatzmeister von Hellas eingeführt, welche den Phoros, denn so nannte man den Beitrag an Geld, in Empfang zu nehmen hatten. Die erste Umlage dieser Art wurde auf 460 Talente ^890,000 pr. Thlr.^Z festgesetzt. Zur Schatzkammer diente Delos, und auch die Versammlungen wurden im dortigen Heiligthum abgehalten

Was nun die Athener als Oberanführer der Bundesgenossen — welche anfangs noch ihre eigenen Gesetze behielten und auch in den gemeinschaftlichen Versammlungen mitberiethen — im'Kriege und in der Leitung der Staatsgeschäfte zwischen diesem ^peloponnesischen^ und dem persischen Kriege, sei eS nun gegen den Barbaren, sei es gegen ihre eigenen abgefallenen Bundesgenossen und die Peloponnesier, welche dabei jedes Mal im Spiel waren, ausgeführt haben, [*]( 151) Vgl. Aum. 130. ) [*]( 152) Die sogar auf den Rath der Lakedämonier von den Hellenen zu Hegemonen erwählt worden waren, freilich nur nach einem Lakonischen Zeugnis bei Xenoph. Hellen. VI, s, 34 (Kr.). Vgl. That. I, 75. ) [*]( 155) Dieselbe Zahl bei Plutarch, Arisleid. n, Diodor I?, 4». Als der Schatz um 450 nach Athen gebracht wurde, enthielt er 8—>0,V00 Talente, also ungefähr 20 Millionen Gulden. Diodor 12,, 38. 40. 13 . 21. )

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wird im Folgenden erzählt. Zu diesen Aufzeichnungen und zu der Abschweifung von meiner eigentlichen Erzählung finde ich mich aber deshalb veranlaßt, weil dieses Stück Geschichte bei meinen Vorgängern noch ganz fehlt, da sie entweder nur die Hellenische Geschichte vor den Perserkriegen, oder die Perserkriege selbst beschrieben haben, und auch Hellanikos der in seiner Attischen Geschichte diese Dinge berührt, ihrer nur kurz und nicht in der richtigen Zeitfolge Erwähnung thut. Zugleich gibt diese Erzählung auch eine Vorstellung davon , in welcher Weise sich die Herrschaft der Athener allmälig befestigt hat.

Zuerst nun belagerten sie Eion am Strymonflusse [*]( 476 v. Chr. ) welches die Perser besetzt hielten, und nahmen es unter Anführung l Kimon'S, des Sohnes des Miltiades, und verkauften die Einwohner als Sklaven. Dasselbe gelang ihnen darauf mit der Insel Skyros im ägäischen Meere, bewohnt von Dolopern, welche sie ebenfalls verkauften und an ihre Stelle Ansiedler aus ihrer eigenen Mitte setzten. Dann führten sie einen Krieg mit den Kary tsiern, und zwar mit diesen allein, ohne daß sich die übrigen Euböer daran betheiligten, und brachten sie erst nach geraumer Zeit dahin, sich auf gewisse Be- dingungen hin zu ergeben. Darauf bekriegten sie die abgefallenen Naxier und zwangen sie durch Belagerung zur UnterwerfungDE [*]( 473 v. Chr. ) Es war dies der erste verbündeteStaat, welcher dem Vertrag zuwider unterjocht wurde, ein Schicksal, welches später freilich auch die andern nach der Reihe traf.

Die wichtigsten Ursachen des Abfalls waren außer einigen anderen die Rückstände in der. Einzahlung deS PhorosTBeitragS^ und in der Lieferung von Schiffen und Nichterfüllung der KriegS- pflicht, wenn sie wo vorgekommen war; denn die Athener trieben scharf [*]( 154) Dies Wert des Hellanikos, das wenigstens aus vier Büchern bestand. wird gewöhnlich unter dem Namen AtthiS angeführt. Sturz, Hellanikos p. SZ. (Kr.). ) [*]( 155) Sommer Ol. 75, 4 und 76, l. Krüger, hist. phil. Studien 1, S. 39. f. Statt Eion wäre eigentlich deutsch Eon zu schreiben, da das t hier stumm lst. ' s. - ) [*]( 156) Belagert wurde NaroS i. I. 473 v. Chr. Krüger, Stud.' I. S. ZZ f., 46 und 49 ff. Möglich, daß die Unterwerfung erst 472 erfolgte, (Kr.) )

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ein und waren gleich mit Zwangsmaßregeln bei der Hand, und wurden so denen höchst lästig, welche weder gewohnt waren, fich'S sauer werden zu lassen, noch auch den Willen dazu hatten. Aber auch in anderer Hinsicht war ihre Oberanführung nicht mehr so beliebt, wie sie denn auch in den gemeinschaftlichen Kriegszügen die Bundesgenossen nicht mehr als ihres Gleichen behandelten, während es ihnen sehr leicht wurde, die Abgefallenen sich zu unterwerfen. Daran waren jedoch die Bundesgenossen selbst Schuld, denn wegen ihrer Abneigung gegen den Kriegsdienst hatten sich die Meisten in Geld schätzen lassen anstatt der SchiffSlieferung, um nur zu Hause bleiben zu können, und bezahlten lieber die auf sie entfallende Summe. Und während die Athener von diesen Geldbeiträgen ihre Flotte vermehrten, waren jene, wenn sie abfielen, zum Kriege weder gerüstet, noch besaßen sie Erfahrung darin.