History of the Peloponnesian War
Thucydides
Thucydides. Geschichte des Peloponnesischen Kriegs. Wahrmund, Adolf, translator. Stuttgart: Krais and Hoffmann, 1864.
Das ist's, was ich über die älteren Zeiten gefunden habe. Man darf aber den einzelnen Zeugnissen, wie sie sich der Reihe nach darbieten, nur schwer Glauben schenken; denn die Menschen nehmen die Erzählungen von dem, was sich früher ereignet hat, ohne alle Prüfung von einander an, auch wenn es ihr eigenes Vaterland betrifft^). So ist z. B. unter dem Volke zu Athen der Glaube verbreitet, daß Hipparchos in der Eigenschaft als Tyrann durch Harmodios und Aristogeiton ermordet worden sei, und sie wissen nicht, daß die Herrschaft in den Händen des Hippias lag, als des ältesten unter den Söhnen des Peifistratos, und daß Hipparchos und Theffalos nur dessen Brüder waren. Da aber an jenem Tage und im entscheidenden Augenblick Harmodios und Aristogeiton vermutheten, Hippias sei durch einen Mitverfchwornen gewarnt, so legten sie nicht Hand an diesen, weil sie ihn eben schon für unterrichtet hielten; sie wollten aber vor ihrer Gefangennehmung doch auch etwas gethan haben, und da sie zufällig auf den Hipparchos trafen, welcher in der Nähe des sogenannten Leokorions den Festzug der Panathenäen ordnete, so ermordeten sie diesen^). Aber auch über viele andere Dinge und auch solche, die noch in der Gegenwart bestehen und nicht durch die Länge der Zeit in Vergessenheit gerathen sein können, haben auch die übrigen Griechen unrichtige Vorstellungen, wie z. B. daß jeder der beiden Lakedämonischen Könige nicht Eine Stimme abgebe, sondern zwei, und daß sie dort eine gewisse Schaar, genannt die Pitanaten, hätten, die es doch gar nie gegeben hat ^). So fahr- [*]( 55) Ueber die historische Unzuverlässigkeit der Griechen vgl. Krüger, histor. philol. Studien, I, p. 7S ff. 11ö ff. ) [*]( 56) Das Leokorion war ein Tempel im KerameikoZ, erbaut zu Ehren der Töchter des Leos: Praxithea, Theope und Eubule. Bei einer Hungersnoth hatte das delphische Orakel erklärt, daß die Opferung dieser drei Jungfrauen dieselbe beenden würde, und der Vater hatte sie zugelassen. Ueber die Panathenäen vgl. V, 47. ) [*]( 57) Diese Episode ist überflüssig, da sie VI, 53 ff. ausführlich erzählt wird, ist also geschrieben, als Thukydides letztere noch nicht beabsichtigte. (Kr.) ) [*]( 58) Pitana war eine der Gemeinden oder Ortschaften, aus welchen die Stadt Sparta zusammengesetzt war. (Anm. 35.) Sie hatte ihre eigenen gym )
Trotzdem möchte Einer nicht seht gehen, wenn er zumeist das für wahr hält, was ich nach den angeführten Beweisgründen mitgetheilt habe, und weder dem mehr Glauben schenkt, was die Dichter in's Großartige ausschmückend davon gesungen haben, noch auch dem, was die Sagenschreiber 5 9) darüber aufgezeichnet, mehr mit Rücksicht auf das der Einbildungskrast Schmeichelnde als aus die Wahrheit, Unerweisliches nämlich und unter dem Einfluß der Zeit in's Unglaubliche und Fabelhafte Umgebildetes; er soll vielmehr glauben, daß mein Befund den glaubwürdigsten Zeugnissen entspreche und so treu sei, wie es bei Dingen aus so alter Zeit eben möglich ist. Was aber den hier erzählten Krieg selbst betrifft, so wird man finden, daß er sich durch die Thatsachen selbst als viel bedeutender erweist als alle früher geführten, obwohl die Menschen immer den für den wichtigsten ansehen, in welchem sie gerade begriffen sind, nach seiner Beendigung aber wieder zur Bewunderung des Alten zurückkehren.
Was die Reden angeht, welche die Betreffenden theils noch vor dem Kriege gehalten haben, theils auch während der Führung desselben, so wäre es mir unmöglich gewesen, die wirklich gesprochenen Worte mit Genauigkeit wiederzugeben, und zwar betrifft dies nicht weniger die, welche ich selbst mit angehört habe, als auch die mir von anderer Seite mitgetheilt worden sind. Es wird aber in meinem Buche so geredet, wie mir die Einzelnen den Umständen gemäß am passendsten zu sprechen schienen, indem ich mich dabei so eng als möglich an die Hauptgedanken der wirklich gehaltenen Reden anschloß. Was aber die im Kriege vorgefallenen Thatsachen betrifft, so hielt ich nicht für erlaubt, sie so auszuzeichnen, wie ich sie vom Ersten Besten erzählen hörte, und auch nicht nach meinem eigenen Gutdünken, sondern wie ich theils durch eigene Anshcauung, theils durch möglichst genaue Erkundigung bei Anderen über jedes Einzelne mich unterrichtet habe. [*]( nastischen Kampsspiele und, wie Herodot IX, 53, erzählt, bildete sie allerdings auch eine eigene militärische Abtheilung, ) [*]( 59) Griech. Logographei, d. h. eigentlich Redeschreiber, d. i. Prosaiker, namentlich Historiker, die aber bis auf Herodot nnd Thukydides und noch später eben nur Sagenschreiber waren. )
Von den früheren Ereignissen ist der Perserkrieg das bedeutendste, und doch fand auch dieser in zwei See- und zwei Landschlachten eine schnelle Entscheidung^*)! der gegenwärtige Krieg aber hat sich sehr in die Länge gezogen und über Hellas Leiden gebracht, wie solche in einem gleichen Zeiträume sich sonst nie gehäuft haben; denn es wurden früher weder so viele Städte eingenommen und verwüstet, sei es nun durch die Barbaren 6") oder durch die kriegführenden Parteien selbst ° >), und viele wurden auch nach ihrer Einnahme mit andern Einwohnern besetzt^). Nie mußten so viele Menschen ihr Vaterland verlassen, und nie haben so viele ihr Leben verloren, sei es durch den Krieg selbst, sei es durch inneren Aufruhr. Was in früherer Zeit nur vom Hörensagen bekannt war, in der Wirklichkeit selbst aber nur selten erfahren wurde, fand nun thatsächliche Bestätigung, so z. B. Erdbeben, welche sich über einen großen Theil der Erde erstreckten und zugleich von außerordentlicher Heftigkeit waren, ferner Sonnenfinsternisse, welche häufiger stattfanden, als es von [*]( 59) Bei Salamis und Platää, sowie durch die Doppelschlacht bei Mykale. Der Ausdruck Entscheidung nöthigt, auch an die letztere, und hindert, an Thermopylä und Artemision zu denken. (Kr.) ) [*]( 60) Erzählt ist nur die Katastrophe von Mykalessos VII, 2S. vgl. jedoch III, 34. (Kr.) ) [*]( 61) Platää III, 6S und Thyrea IV, 57. (Kr.) ) [*]( 62) So Aegina II, 27; Potidäa II, 70; Skione V, 32-, Melos V, 116. (Kr.) )
Damit aber künftighin Niemand fragen dürfe, aus welchen Ursachen sich ein so bedeutender Krieg zwischen den Hellenen entspannen habe, so erzähle ich zuerst seine Veranlassung und die Zerwürfnisse, welche die Lösung jenes Waffenstillstandes herbeiführten. Für die eigentliche, in den Urtheilen der Menschen aber am wenigsten hervorgezogene Ursache halte ich, daß die Athener in ihrer Macht- entwickelung den Lakedämoniern Furcht einflößten und sie auf diese Weise zum Kriege nöthigten6°). Die Ursachen aber, welche jede der beiden Parteien als Grund anführte, daß sie den Waffenstillstand lösten und zum Kriege schritten, sind die folgenden.
Epidamnos ist eine Stadt, welche zur Rechten liegen bleibt, wenn man in den Ionischen sadriatischen^ Meerbusen einfährt. Sie ist rings von Taulantiern umwohnt, Barbaren Jllyrischer Abkunft, und ist eine Pflanzstadt der Kerkyräer. Ihr Gründer war Phalios, des Eratokleides Sohn, ein Korinther aus dem Stamm der Herakliden, welcher der alten Sitte gemäß aus der Mutterstadt berufen worden war 66). Es waren auch einige Korinther und Andere [*]( 63) Für Griechenland sichtbare Sonnenfinsternisse kommen vor II, 28. IV, 52. Tenoph. Hellen II, 3, 4. Fast zu wenige für das „häufiger". Auffallend ist, daß Thukydides hier nicht auch von Mondfinsternissen spricht, vgl. VII, 50. Tenoph. Hellen. I, 6, I. Nicht erwähnt hat er die am S. Oktober 425 stattgefundene Mondfinsterniß. Schol. zu Aristoph. Wolken 53 4. — Von Dürre wird speziell Nichts erwähnt. (Kr.) 64) Vgl. I, 115. ) [*]( 65) Vgl. hierüber die Anm. am Schlüsse dieses Buches. ) [*]( 66) Korinth hieß früher Ephyra und war von Aeolern bewohnt. Als die Herakliden mit den Doriern im I. IIV4 in den Peloponnes einfielen, eroberten sie die Stadt, gaben ihr den neuen Namen und einige dorische Familien )
Die Epidamnier sahen nun, daß ihnen von Kerkyra aus keine Hilfe werde, und waren sehr in Bedrängniß, wie sie ihre Lage bessern sollten. Sie schickten nach Delphi, den Gott zu fragen, ob sie ihre Stadt nicht den Korinthern als den ersten Gründern übergeben und versuchen sollten, diese zur Hilfe zu bewegen. Der Gott befahl ihnen, sich den Korinthern zu ergeben und sie zu Anführern zu machen. Die Epidamnier kamen nun nach Korinth und übergaben dem Orakelspruch gemäß ihre Pslanzstadt, indem sie erinnerten, daß ihr [*]( als Adel. Unter diesen war wiederum die Heraklidensamilie der Bakchiaden die mächtigste. Aus ihr wurden die Prytanen, d. i. leitende Magistrate, alljährlich gewählt und zugleich die Anführer auswandernder Kolonisten. Eine ihrer ältesten Kolonien war Kerkyra (bei Homer Scheria und Sitz der Phäaken, sonst auch ihrer sichelförmigen Gestalt wegen Drepane genannt, jetzt Korsu), ausgesandt um 7 00 v. Chr. unter Anführung des Bakchiaden Chresikrates. Die Auswandernden nahmen zugleich das heilige Feuer aus dem Prytaneum der Hauptstadt mit, wodurch vorzüglich diese zur eigentlichen Mutterstadt wurde. Wenn nun ein Staat wie Kerkyra seinerseits wieder Kolonien aussandte, so erbat er sich dazu aus seiner Mutterstadt einen Anführer, und so wird hier der Bakchiade Phalios aus Korinth als Gründer der Kerkyräischen Pflanzstadt Epidamnos (627 v. Chr.) genannt. ) [*]( Vgl. III. 7 5. ) [*]( Thukydides I. ) [*]( 3 )
In all diesen Umständen lagen für die Korinther Gründe zu Beschwerden, und deshalb waren sie gern bereit, den Epidamniern Hilfe zu senden, hießen auch Jeden, der wollte, als Ansiedler mitgehen und schickten Amprakiotische, Leukadische^) und eigene Truppen mit. Diese nahmen ihren Marsch zu Lande über Apollonia, eine Korinthische Pflanzstadt, aus Furcht, die Kerkyräer könnten ihre Ueberfahrt zur See verhindern. Diese aber, als sie die Ankunft der neuen Ansiedler und der Truppen in Epidamnos erfuhren und zugleich die Uebergabe ihrer Kolonie an die Korinther, waren sehr erbittert. Schnell erschienen sie mit fünfundzwanzig Schiffen, denen später noch ein zweites Geschwader folgte 7"), und stellten unter übermüthigen Drohungen die Forderung, daß man die Vertriebenen wieder aufnehme, — die Epidamnifchen Flüchtlinge waren nämlich nach Kerkyra gekommen und hatten sie bei den Gräbern der Vorfahren ^ und bei der Stammesverwandtschaft beschworen, sie zurückzuführen, — die Korinthische Besatzung aber und die neuen Ansiedler müßten weggeschickt werden. Die Epidamnier gaben jedoch in keinem Punkte nach. [*]( 69) Schon 480 v. Chr., wo sie nächst Athen die größte Seemacht hatten, sind 60 Schiffe nur ein Theil ihrer Flotte, Herod. VII, IK3. (Kr.) Die erste Veranlassung zu einer so bedeutenden Kriegsflotte waren wohl die Kämpfe, die sie anfangs mit den liburnifchen Seeräubern zu bestehen hatten, die sich von den dalmatinischen Küsten her bereits auf den jonischen Inseln festgesetzt hatten und erst aus diesen Gewässern wieder verjagt werden mußten. ) [*]( 69*) Wie Epidamnos, waren auch Apollonia, Leukas, Anaktorion und Amprakia korinthische Kolonien am Ionischen Meere. ) [*]( 70) Noch mit fünfzehn Schiffen, nach dem Schluß dieses Kap. (Poppo.) ) [*]( 71) Gräber ihrer Vorsahren zu Kerkyra. (Kr.) ) [*]( 3* )
Die Korinther, als zu ihnen aus Epidamnos Boten mit der Nachricht von der Belagerung kamen, rüsteten zu einem Heereszuge und ließen zugleich eine Ansiedelung für Epidamnos ausrufen. Jeder, wer wolle, könne sich unter gleichem Recht für Alle anschließen^), und wenn Einer für den Augenblick nicht mitzuschisfen gesonnen sei und doch bei der Ansiedelung sich betheiligen wolle, der könne in Korinth zurückbleiben gegen Erlegung von fünfzig Drachmen ^). Sowohl der Mitschiffenden, als auch derer, welche die Summe einzahlten, sanden sich Viele. Sie baten auch die Megarer, sie mit ihrem Schiffsgeleit zu verstärken, sür den Fall daß sie von den Kerkyräern zur See behindert werden sollten. Diese machten sich bereit, sie mit acht Schiffen zu begleiten, ebenso die Paleer aus Kephallene mit vieren. Auch an die Epidaurier wandten sie sich, und diese stellten fünf Schiffe, ferner die Hermioneer eines, die Trözener zwei, die Leukadier zehn und die Amprakioten acht. Die Thebaner und Phliafier ersuchten sie um Geldbeiträge, die Eleer um leere Schiffe und Geld. Aus eigenen Mitteln aber rüsteten die Korinther dreißig Schiffe und dreitausend Schwerbewaffnete.
Als die Kerkyräer von diesen Rüstungen erfuhren, kamen sie im Geleit Lakedämonischer und Sikyonischer Gesandten nach Korinth und forderten, die Korinther sollten ihre Tnlppen und die neuen Ansiedler aus Epidamnos wegziehen, da sie auf diese Kolonie kein Recht hätten. Glaubten sie aber doch Gegenansprüche machen zu dür- [*]( 72) Gemeint ist die Gleichheit mit den Epidamniern (Schol.), denn die unter einander verstand sich wohl von selbst. (Kr.) ) [*]( 72) Die korinthische Drachme betrug 9^/s gute Groshcen, nach Böckh, Staatshaushalt der Athen. I. S. 17. Genauere? in der 2. Ausl. I. S. 26. Vgl. dessen metrolog. Untersuch. S. 96. )
Hierin aber gaben die Korinther in keinem Punkte nach, sondern als ihre Schiffe gerüstet und ihre Bundesgenossen bereit waren, schickten sie vorher einen Herold ab, um den Kerkyräern den Krieg anzusagen, und segelten dann mit fünfundsiebenzig Schiffen und zwei Tausend Schwerbewaffneten nach Epidamnos, um gegen die Kerkyräer den Kampf entscheiden zu lassen Anführer der Schiffe waren Aristeus, Sohn des Pellichas, Kallikrates, des Kallias, und Timanor, des Timanthes Sohn; die Landtruppen befehligten Archetimos, Sohn des Enrytimos, und Jsarchidas, Sohn des Jsarchos. Als sie bei Aktion auf Anaktorifchem Gebiete, dort wo der Tempel des Apollo [*]( 73*) Streitigkeiten einzelner Städte wurden nicht vor das Bundesoberhaupt, die Spartaner, gebracht, um diese nicht allzu mächtig werden zu lassen, fondern vor ein Schiedsgericht anderer Städte oder das delphische Orakel. ) [*]( 74) Bezeichnet werden die Athener und die Trennung von den stammverwandten Peloponnesiern. (Kr.) ) [*]( 75) Diese Unternehmungen und die Schlacht bei Leukimme fallen in den Frühling von Ol. 36, 2 (43 4 v. Chr.), vgl. Krüger, histor. philol. Stab. S. 219 ff. )
Nach der Seeschlacht errichteten die Kerkyräer auf Leukimme [Lefkimo], dem Vorgebirge von Kerkyra, ein Siegeszeichen und tödteten die [znr See] gemachten Gefangenen mit Ausnahme der Korinther, welche sie in Fesseln behielten; und als die Korinther und ihre Bundesgenossen nach der Niederlage mit ihren Schiffen nach Hause zurückgekehrt waren, blieben die Kerkyräer Herren aller jener Gewässer. Sie segelten gen Lenkas, eine Pflanzstadt Korinths^), und verheerten das Land; auch steckten sie Kyllene, die Schiffswerft der Eleer, in Brand, weil diese den Korinthern Schiffe und Geld geliefert hatten. Die längste Zeit nach jener Seeschlacht blieben sie Herren des Meeres 7 s), suchten die Bundesgenossen der Korinther heim und fügten ihnen Schaden zu, bis die Korinther gegen Ende des Sommers Schiffe und Truppen aus-schicken, da ihre Bundesgenossen zu sehr litten. Sie lagerten bei Aktion nnd in der Nähe von Cheimerion im [*]( 76) Dies gibt den Grund an, weshalb nicht alle 12V beinannt wurden, vgl. Kap. 2S. ) [*]( 77) Bei Gründung der Kolonie Leukas war auch Kerkyra betheiligt. Blut. Themist. 2 4. (Kr.) ) [*]( 78) Etwa fünf bis sechs Monate; die Schlacht fiel in den Frühling OI. 86, 2. v. Chr. 43 4. Krüger, histor. philol. Sind. I. S. 220. )
Die Korinther, durch den Verlauf des Krieges mit den Kerkyräern auf's Höchste gereizt, beschäftigten sich das ganze Jahr nach der Seeschlacht und das darauf folgende mit dem Schiffsbau und rüsteten mit aller möglichen Anstrengung eine Flotte^). Ruderer verschafften sie sich um hohen Lohn aus dem Peloponnes selbst und aus dem übrigen Hellas. Als die Kerkyräer von diesen Rüstungen .hörten, geriethen sie in Furcht, und da sie mit keinem der Hellenischen Staaten verbündet waren und sich auch weder in den Athenischen, noch in den Lakedämonischen Bund eingeschrieben hatten, so beschlossen sie nach Athen zu schicken und sich diesen als Bundesgenossen anzutragen, um zu versuchen, ob sie hier Unterstützung fänden. Die Korinther nun, als sie dies erfuhren, schickten auch ihrerseits Gesandte nach Athen, damit nicht die Vereinigung der Kerkyräifchen und der Attischen Flotte es ihnen unmöglich mache, den Krieg nach Wunsch zu beendigen. Eine Volksversammlung wurde anberaumt, und beide Theile kamen zur Rede und Gegenrede. Die Kerkyräer nun sprachen folgendermaßen So): [*]( Die beiden Jahre sind Frühling Ol. se, 2 bis se, 4. 434 — 432 v. Chr. Krüger Ebend. S. 219 ff. ) [*]( IV) Einen künstlichen Plan nnd rhetorische Ausführung haben die philippischen Reden des Demosthenes so wenig als die thnkydideischen. (Niebuhr, kleine hist. und phil. Schriften, II, S. 153.) Doch fehlt eS beiden nicht an psychologischer Berechnung des Eindrucks und einer dieser gemäßen Anordnung, die sich freilich über pedantische Technik hinwegsetzt. (Kr.) Künstlicher Plan und rhetorische Ausführung, können nur auf müßige und schale Köpfe einen Eindruck hervorbringen. Wem es um die Sache zu thun ist, der gibt und verlangt dergleichen nicht. Thnk. war kein Gorgias. Wer aber als Historiker Reden Anderer abfaßt, wäre viel eher veranlaßt, sie technisch möglichst schul- gerecht zu disponiren, als wer in re auf eigene Verantwortung redet. Hierin zeigt sich eben wieder des That Geistesgröße. Aber er hatte auch keine Redeschule durchzumachen, wie wir Modernen, deren Gesetze aus der griech. Sophisten-)
„Von denjenigen, ihr Athener, die Andere um Hilfe angehen, ohne sich auf früher geleistete Dienste oder vorangegangene Bundesgenossenschaft berufen zu können, wie eben wir jetzt in dem Falle sind, von denen wird billig der Beweis verlangt, vor Allem, daß ihr Gesuch ein vortheilbringendes, oder, wenn das nicht, doch wenigstens nicht mit Nachtheil verknüpft sei, und dann, daß man bei ihnen auf Dankbarkeit sicher rechnen dürfe. Gelingt es ihnen nicht, diese Punkte außer Zweifel zu stellen, so sollen sie sich nicht beschweren, wenn sie keinen Erfolg haben. Die Kerkyräer nun haben uns mit der Bitte um Bundesgenossenschaft an Euch abgesandt, und sie vertrauten, Euch hierüber alle Sicherheit geben zu können. Unser bisheriges Gebahren freilich ist wohl der Art gewesen, daß es uns weder euch gegenüber zur Sache empfehlend ist, noch auch uns selbst in unserer jetzigen Lage irgendwie Vortheil bringt. Denn wir sind früher niemals gern eines Andern Bundesgenosse geworden, und kommen nun doch zu Fremden, um die Bundesgenossenschaft nachzusuchen, und zugleich stehen wir für diesen Krieg mit den Korinthern ganz verlassen da, und was an uns früher Klugheit schien: nie durch fremde Bundesgenossenschaft die Gefahren fremden Beginnens theilen zu wollen, erscheint jetzt umgekehrt als Unberathenheit und Schwäche. In der Seeschlacht, die vorgefallen ist, haben wir uns zwar allein der Korinther erwehrt, jetzt aber, da sie mit größerer Rüstung vom Peloponnes und dem übrigen Hellas gegen uns heranziehen, und wir uns zu schwach fühlen, um mit der eigenen Macht allein obzusiegen, und da auch die Gefahr groß ist, wenn wir unterliegen sollten, so sind wir gezwungen, euch und jeden Andern um Hilfe zu bitten; und wenn wir jetzt etwas unternehmen, was zu unserer früheren Unthätigkeit nicht stimmt, so möge uns zur Entschuldigung dienen, daß wir nicht aus böser Absicht, sondern aus irriger Einsicht gehandelt haben."
„Euch aber, wenn ihr uns willfahrt, wird der Zufall, der uns als Hilfsbedürftige zu euch führt, in mancher Hinsicht Vortheil bringen. Für's Erste werdet ihr Unrechtleidenden Hilfe leisten und [*]( rhetorik durch den Kanal der christl. Homiletik bis in die Lehrbücher des Curial- Styles und in unsere Schul-Chrien geflossen sind. )
„Wenn sie aber behaupten, daß ihr Unrecht thnt, eine ihrer Pflanzstädte aufzunehmen, so mögen sie erst lernen, daß jede Pflanzstadt ihre Mutterstadt ehrt, so lange sie gut behandelt wird, daß sie sich aber abwendet, wenn sie Ungerechtigkeiten zu erdulden hat. Denn Kolonisten werden nicht ausgesandt, um der Zurückbleibenden Knechte zu werden, sondern um ihres Gleichen zu bleiben. Daß sie uns aber Unrecht zugefügt haben, ist deutlich; denn als sie von uns wegen der Epidamnischen Sache zur Ausgleichung aufgefordert wurden, wollten sie die Beschwerden lieber durch Krieg zur Entscheidung bringen, als
„Auch brecht ihr nicht die Verträge mit den Lakedämoniern ^ durch unsere Aufnahme, denn wir gehören noch zu keiner der beiden Bundesgenossenschasten, und es heißt ja in jenem Vertrag, daß es den Hellenischen Staaten, die noch auf keiner Seite mitkämpfen, frei stehe, sich nach Gefallen an einen der beiden Theile anzuschließen. Und es stünde auch sehr schlimm, wenn es jenen erlaubt sein sollte, ihre Schiffe nicht nur mit Bundesgenossen zu bemannen, sondern auch aus den andern snicht verbündeten^ griechischen Staaten und sogar aus solchen, die euch Unterthan sind, und wenn sie uns von der bestehenden Bundesgenossenschaft ausschließen und verbieten wollten, auch anderswo uns Hilfe zu suchen, und wenn sie auch euch ein Verbrechen daraus machen wollten, unsere Bitte zu gewähren. Viel mehr Ursache hätten wir, uns über euch zu beklagen, wenn ihr uns kein Gehör schenken wolltet, denn damit würdet ihr Solche von euch stoßen, die in Noth nnd Gefahr schweben und eure Feinde nicht sind; jene aber, die eure Feinde sind und euch zu Leibe gehen, hindert ihr nicht nur auf keine Weise, sondern laßt sie auch aus eurem eigenen Gebiet ihre Kriegskraft verstärken, und das ist nicht Recht, sondern entweder müßt ihr in eurem Gebiete die Werbungen jener untersagen, oder auch uns Hilfe schicken, unter welchen Bedingungen es euch nun am besten dünken mag. Ein offenes Bündnis; und der Beistand eurer Waffen wäre aber das Entsprechendste. Für diesen Fall gewähren wir große Vortheile, wie wir schon Anfangs gesagt haben. Der bedeutendste liegt darin, daß wir beide dieselben Feinde haben, was ja das stärkste Band treuen Zusammenhaltens ist, und zwar keine schwachen, sondern die wohl im Stande sind, euch zu züchtigen, wenn ihr von uns zurücktretet ^Auch [*](81) Der dreißigjährige Vertrag mit den Lakcdämoniern I, 115. ) [*](82) Ich übersetze μετασιάντας auf die Athener bezogen, gleich μετανα- σιάντας von uns, den jetzt Bittenden, wegtretend. )
„Und wenn Einer in dem Vorgebrachten zwar wirklich: Vortheile erkennt, aber doch ihretwegen die Verträge zu lösen fürchtet, der möge wissen, daß, wenn er bei seiner Scheu auch Macht besitzt, er beim Gegner noch größere Scheu erwecken wird, — daß es aber als Schwäche erscheint, wenn er sein Vertrauen darauf setzt, uns nicht ausgenommen zu haben, und daß er deshalb einem mächtigen Feind um so weniger Furcht einflößen wird. Und es handelt sich ja auch zugleich nicht in höherem Grade um das Wohl Kerkyra's als um das Athens, und es heißt nicht das Beste dieses Staates im Auge haben, wenn man bei einem bevorstehenden Kriege, der schon so gut als wirklich da ist, nicht über den Augenblick hinausdenkt und noch lange ansteht, sich einen Staat zu verbinden, dessen Freundschaft oder Feindschaft sehr schwer in die Wagschale fällt. Denn Kerkyra hat eine höchst günstige Lage für die Ueberfahrt nach Italien und Sicilien, und es vermag ebensowohl eine von dort ansegelnde Flotte zu verhindern, daß sie gegen den Peloponnes darbringe, als es Schiffe von hier dorthin geleiten kann, und noch in vielen anderen Beziehungen bietet es große Vortheile. Um uns aber ganz kurz zu fassen und Alles samt und sonders nur in der Hauptsache auszusprechen, so erfahrt denn, warum ihr uns nicht ohne Hilfe lassen dürfet. Es gibt unter den Hellenen drei nennenswerthe Seemächte, die einige, die unsere und die der Korinther. Wenn ihr es nun geschehen lasset, daß zwei davon in Eine zusammenschmelzen, indem die Korinther uns vorwegnehmen, so habt ihr nachher mit der vereinigten Seemacht der Kerkyräer und der Peloponnesier zu kämpfen. Nehmet ihr hingegen uns zu Verbündeten an, so werdet ihr den Kampf gegen jene führen, euerseits um die Zahl unserer Schiffe verstärkt."
So redeten die Kerkyräer. Nach ihnen aber die Korinther, wie folgt:
„Da die Kerkyräer in ihrer Rede nicht bei dem Ansuchen
„Aber sie haben sich gegen Andere so wenig, wie gegen uns so gezeigt. Obgleich sie ein Pflanzvolk von uns sind, haben sie sich gänzlich von uns losgesagt, und jetzt führen sie Krieg gegen uns und sagen, sie seien nicht deshalb als Ansiedler ausgesandt worden, um sich Unrecht gefallen zu lassen. Wir aber sagen: wir haben sie nicht ausgesandt, um von ihnen eine übermüthige Behandlung zu erfahren. [*]( 83) Eliva durch Stürme genöthigt, wo sie wahrscheinlich bedeutende Abgaben erhoben. (Kr.) )
„Sie behaupten zwar auch, vorher ein Schiedsgericht vorgeschlagen zu haben. Aber ein solches Anerbieten darf doch nicht von Seiten Desjenigen als redlich gemeint angesehen werden, der sich bereits im Vortheil befindet ^)und aus seiner sicheren Stellung heraus eine Entscheidung verlangt, sondern nur von denen, welche sich in Wort und That mit den Andern auf gleichen Fuß stellen, bevor sie es noch zum Kampfe kommen lassen. Diese aber sind mit dem berufenen Vorschlag des Schiedsgerichtes nicht etwa ausgetreten, bevor sie noch jenen Platz belagerten, sondern als sie schon sicher waren, daß wir nicht mehr ruhig zusehen würden. Und nun kommen sie daher und haben noch nicht genug daran, daß sie dort Unrecht gethan, sondern wollen auch euch noch zu Bundesgenossen, d. h. zu Genossen ihres Frevels, und wünshcen, daß ihr sie bei ihrer Feindschaft mit uns in euren Schutz nehmet. Damals hätten sie kommen sollen, als sie noch Nichts zu fürchten hatten, nicht aber jetzt, da wir von ihnen beleidigt sind, und sie eben deshalb Gefahr lausen, so daß ihr ihnen also jetzt eure Hilfe würdet zu Theil werden lassen, ohne früher ans ihrer Macht Vortheil gezogen zu haben. Ohne an ihren Vergehungen betheiligt [*]( 84) Wie die Kerkyräer durch den Sieg und die Unterwerfung der Epidamnier I, 29. (Kr.) )