History of the Peloponnesian War
Thucydides
Thucydides. Geschichte des Peloponnesischen Kriegs. Wahrmund, Adolf, translator. Stuttgart: Krais and Hoffmann, 1864.
Einleitung. Kap. 1—23. Große Bedeutung des peloponnesishcen Krieges 1. — Aelteste Zustände der Hellenen und Fortschritt zur Cultur 2-8. — Trojanischer Krieg und seine Folgen 9—12. — Aufschwung des Seewesens 13. 14. — Landkriege 15. — Die Perser kommen auf. Kyros und Dareios 16. — Tyrannen in Hellas 17. — Perserkriege 18. — Verhältniß zwischen Sparta und Athen 19. — Mängel der früheren Geschichtschreibung und besonderer Charakter dieses Werkes 20—22. — Wichtigkeit und Hauptursache dieses Krieges 23.
Besondere Veranlassungen zum Ausbruch des Krieges. Kap. 23—66. Krieg zwischen den Kerkyräern und Korinthern wegen Epidamnos 24—31. — Rede der Kerkyräer zu Athen 32—36. — Gegenrede der Korinther 37—43. — Athen schickt den Kerkyräern Hilfe 44. 45. — Die beiden feindlichen Flotten 46—48. — Seeschlacht und deren Folgen 49—55. — Abfall Potidäa's und Kämpfe um dasselbe 56—66.
Die Lakedämonier beschließen für sich den Krieg. Kap. 67—87. Versammlung der Bundesgenossen zu Sparta 67. — Rede der Korinther 68—71. — Gegenrede der Athener 72 — 78. — Rede des Königs Archidamos 79—85. — Rede des Ephoren Sthenelaides 86. — Sparta beschließt den Krieg 87.
Die eigentliche Ursache des Kriegs ist die Eifersucht Sparta's gegenüber der wahcsenden Macht Athens. Wie Athen seine Macht allmälig erwei
Der Peloponnesische Bund beschließt den Krieg. Kap. 119—125. Versammlung zu Sparta 119. — Rede der Korinther 120—124. — Der Krieg wird beschlossen 125.
Gegenseitige Beshcwerdeführungen. Kap. 126 bis 138. Wegen des Kylonischen Frevels 126. 127. — Wegen des Pausanias; dessen Verrath und Ende 128—134. — Wegen des Themistokles; dessen letzte Schicksale 135—138.
Die Athener beschließen den Krieg. Kap. 139 bis 145. Forderungen der Lakedämonier 139. — Rede des Perikles 140—144. — Abfertigung der Lakedämonier 145. — Schluß. Kap. 146.
Thukydides, Bürger von Athen, hat den Krieg der Peloponnesier und Athener beshcrieben, wie ihn beide Theile gegen einander geführt, und hat das Werk gleich beim Ausbruch des Kriegs begonnen, weil er voraussah, daß derselbe sehr bedeutend und viel merkwürdiger als alle früher geführten werden müsse ^). Er schloß dies aber, weil er Augenzeuge war, wie beide Theile, als sie ihn begannen, in den Kriegsmitteln aller Art das Höchste leisteten -), und weil er [*]( 1) Niebuhr (kleine histor. und philol. Schriften B. 2. S. 1SS) „bekennt, daß er mit Hume das erste Blatt des ThukydideS für das erste der eigentlichen griechischen Geschichte hielt." — Mit antiker Einfachheit kündet sich der Verfasser selbst als solchen an, wohl zugleich, um hiedurch, wie durch die öftere Einschaltung des Namens am Schlüsse der einzelnen Bücher sein Eigenthumsrecht zu sichern (Krüger). Unsere Meistersänger thaten desgleichen. — Den Krieg der Ath. u. Pel.- an früheren Kriegen hatten die Peloponnesier wenig Antheil genommen.» Der Name peloponnefischer Krieg entstand erst später (Krüger). ) [*]( 2) Wasfenrüstnng, Schiffe, geübte Mannschaft und — Geld. Man denke an den alten Ausspruch, den Neuere dem MontecuccuU in den Mund zu legen pflegen: Zum Krieg braucht man drei Dinge: Geld, Geld und wieder Geld. — Der Geldmangel der Peloponnesier ist I, 80. 141. 142 von den Redenden übertrieben; sogar reich waren einzelne Staaten, wie Korinth I, 13. Ueberdies konnte man sich der Tempelfchiitze bedienen I, 121. 143. (Kr.) — Ans Rüstungen — wenn auch nicht aus diesen allein — schließt Thukydides aus Krieg. Man denke hier an den umgekehrten Schluß, den neuere Politiker gemacht haben: Unsere Rll-) [*]( Thnkydides I. ) [*]( 1)
Denn es ist offenbar noch nicht so gar lange her, daß das Land, welches jetzt unter dem Namen Hellas begriffen wird, festansäßige Bewohner hat; vielmehr zeigen sich häufige Veränderungen des Wohnsitzes: ein Jeder trennte sich leicht von seinem Wohnplatz, wenn überlegene Zahl ihn drängte. Handel nämlich gab es nicht, und weder zu Land noch zur See verkehrten die Menschen friedlich mit einander; Jeder zog nur, wessen er zum Leben nicht entrathen konnte, und suchte weder Vermögen zu erwerben, noch wandte er große Sorgfalt auf die Bebauung des Bodens; denn er konnte nicht wissen, ob nicht ein Stärkerer kommen und ihn des Seinigen berauben werde, was ohne große Mühe geschehen mochte, da die Wohnplätze nicht befestigt waren. Was er aber zur täglichen Nothdurft brauchte, durfte er hoffen sich überall [*]( stungen sind so ungeheuer, daß man schließlich wird allgemein entwaffnen müssen (1S5S. 65). Seitdem sind den Rüstungen große Kämpfe gefolgt, die wiederum «noch ausgedehntere, sich wie ins Unendliche steigernde Rüstungen zur Folge hatten. ) [*]( 3) DaS Letztere kann, wenn auch nicht ausschließlich, auf die Italischen und Sicilischen Hellenen bezogen werden (Kr.). ) [*]( 4) Der fast dreißigjährige Kampf, welcher die politischen und moralischen Mittel der gesamten Hellenenwelt aufrieb, mußte dem Thukydides, zumal -er den Krieg selber erlebte und mitfocht, viel wichtiger ershceinen als der ruhmvoll beendigte Perserkrieg, in welchem Neuere gern das Ereigniß sehen, das der occidentalischeu Welt die Möglichkeit einer selbstständigen Entwickelung ossen gehalten hat. (Vgl. I, 21 am Schluß und I, 23 zu Anfang.) Das gescheiterte Unternehmen der Perser scheint heute Rußland wiederholen zu wollen (13 78). )
Auch in dem Folgenden liegt kein schwacher Beweis für die Kleinlichkeit der früheren Verhältnisse. Vor dem Trojanischen Kriege nämlich hat Hellas nichts Gemeinsames unternommen, ja es scheint mir sogar, daß dieser Gesamtname für das Vaterland noch gar nicht in Brauch war, und daß derselbe vor dem Hellen, dem Sohne des Deukalion, überhaupt nicht vorkam, sondern daß die andern Völkerschaften, vornehmlich aber die Pelasger "), dem Lande nach ihren [*]( 9) So kamen, der mythischen Erzählung von Tut hos und Ion nicht zu gedenken, aus Böotien die Gephyräer (Hcrod. V, 61), aus Pylos die Alkmäoniden und Päoniden Gerad. V, 65. Pausan. Il, 13). Andere nach der Rückkehr der Herakliden, Strabo XI, I. S. 393. <Kr.) ) [*]( 10) Diese erhielten also das Bürgerrecht. Späterhin wurden Fremde nur als Metöken, d. i. Beisaßen, ausgenommen: Schutzbefohlene, die sich aus den Bürgern einen Patron (Prostates) wählen, ein Schutzgeld (für den Mann jährlich 12 Drachmen sä, 7 ½ Sgr.Z, für die Frau, die für sich lebte, s Drachmen, nebst 1 Triobolon = ½ Drachme als Schreibgebühr) und Gewerbesteuer zahlen mußten. « Auch ihrer waren später gegen 45,(ZOO der Hälfte der eigentlichen Bürger. — Schon die thessalische Einwanderung, an deren Spitze die Sage den Tut hos (der den pythischen Apollo bezeichnet) stellt, und welche im nördlichen Theil des Landes die sogenannte Tetrapolis besetzte, veranlaßte eine Auswanderung aus Attika nach der Aegialea im Psloponnes. Diese Auswanderer wurden aber nach der Heraklidenwanderung durch die Achäer wieder verdrängt und kehrten nach Attika zurück, was wiederum die Kolonisnung des asiatischen Joniens zur Folge hatte. ) [*]( 11) Die Angaben der Alten über dies Volk sind verworren. Sie heißen bald Barbaren, bald Stammväter der Hellenen, bald ein hellenisches Volk. In neuer Zeit hat man sie zu Semiten machen wollen. Besonnen spricht sich Schömann lgriech. Alterthümer I, S. S) so aus: „der Name Pelasger, ursprünglich Benennung irgend eines einzelnen der vor Alters bewoh Völker, wurde späterhin, da das Volk der Hellenen sich über das ganze Land verbreitet hatte, und ihr Name zum Gesamtnamen geworden war, als die allgemeinste Benennung für alle vorhellenishcen Völker gebraucht, ohne Rücksicht auf ihr wahres ethnographisches Verhältnis; ... Die Hellenen aber, die wir so den Pelasgern entgegensetzen, waren ohne Zweifel selbst nichts anderes als ein einzelnes Glied )
Die Hellenen nun, wie sie eben städteweise oder später auch Alle, soweit sie die gemeinsame Sprache redeten^), mit jenem Gesamtnamen bezeichnet worden sind, haben vor dem Trojanishcen Krieg aus Unmacht und ihrer Vereinzelung wegen nichts Gemeinsames unternommen, und auch diesen Zug erst gewagt, nachdem sie im Seewesen schon mehr Erfahrung gewonnen.
Der Erste nämlich, von dem uns gemeldet wird, daß er eine [*]( 1250 v. Chr. ) Motte besaß, war Minos. Dieser beherrschte den größten Theil des jetzt sogenannten Hellenischen Meeres und die Kykladischen Inseln, deren Mehrzahl er auch zuerst durch Ansiedelungen bevölkerte, nachdem er die Karer vertrieben und seine eigenen Söhne zu Oberhäuptern [*]( 16) Wörtlich: soweit sie einander verstanden. — Natürlich glaubte Thukydides, daß die hellenische Sprache nur die Sprache der eigentlichen Hellenen gewesen sei, nicht tauch) der Activa verwandten) Pelasger (vgl. VI, 109. Herod. I, 5 7. VI, 138), noch auch der Thraker (II, 2 9) u. A. (Kr.) ) [*]( 17) Bezug darauf, daß der Name Hellas früher nicht vorhanden oder nicht allgemein verbreitet war; denn das „Griechische Meer, soweit es Griechenland bespült" im Gegensatz des Makedonischen erscheint erst unter den Römern Hin. List. Xat. IV, II. Früher gab es für diese Gewässer mehrere Namen. (Krüger.) ) [*]( 18) Als die früheren Bewohner der griechischen Inseln werden Karer und Phöniker genannt. Die letzteren sind Semiten; die ersteren hat man neuerer Zeit auch dazu gemacht. Die semitische Bedeutung des Namens ist Ausgewanderte; man gesellt sie daher zu den Philistern (auch dieser Name ist gleich- bedeutend), welche mit andern Semiten als Auswanderer durch einige Jahrhunderte in Aegypten unter dem Namen Hyksos herrschten und, von hier vertrieben, sich zunächst auch auf griechischen Inseln niederließen. Daß Phöniker auf Kreta und vielen andern Inseln gesessen haben, unterliegt keinem Zweifel. Die Karer, welche bei und unter ihnen wohnten, werden aber als Stammverwandte der pelasgischen Leleger genannt, dürsten also am besten siir einen mit Phönikern stark gemischten Theil des Lelegerstammes zu erklären sein, wie dein auch ihre Sprache theils griechisch oder der griechischen ähnlich, theils semitisch war, Der Name Minos läßt sich ans der griechischen Sprache nicht erklären, gehört zweifellos der früheren nichtgrtechischen Bevölkerung an „und bezeichnet ein göttliches Wesen, das in menschlicher Gestalt auf der Erde geweilt, und dein das Volk die Anfänge höherer Gesittung und gesellschaftlicher Einrichtungen zu danken habe. Ebensowenig, )
Die alten Hellenen nämlich und wer von den Barbaren auf dem Festland die Meeresküste oder die Inseln bewohnte, nachdem sie erst einmal angefangen hatten, über See häufiger mit einander zu verkehren, verlegten sich dann auf Seeräuberei. Dabei übernahmen die Mächtigeren die Anführung, sowohl in der Absicht, sich selbst zu bereichern, als auch um den Aermeren ihren Unterhalt zu schaffen. Sie überfielen die unbefestigten, aus einzelnen Ortschaften zusammengesetzten Städte ^), raubten sie aus und zogen so aus diesem Handwerk ihren Hauptunterhalt, ohne daß übrigens auf demselben irgend ein Schimps gehaftet hätte, vielmehr war dabei eher Ruhm zu gewinnen. Dasselbe ist noch jetzt bei einigen Bewohnern des Festlandes der Fall, die einen Ruhm darein setzen, dergleichen Unternehmungen geschickt auszuführen, und auch die alten Dichter lassen überall an landende Seefahrer die Frage stellen, ob sie Räuber seien, so daß weder die, welche gefragt werden, diesen Beruf in Abrede stellen, noch auch die Fragenden einen Schimpf dareinlegen 2"). Aber auch aus dem Festland raubten sie einander aus, und bis aus den heutigen [*]( als Minos, können diejenigen für geschichtliche Personen gelten, welche das griechische Epos als seine Nachkommen nennt und als Könige über die ganze Insel darstellt, wie Jdomeneus und Meriones." Schömann, Griech. Alterth. I, S. 306 (vgl. S. 2. 12. 89); Duncker, Gesch. d. Alte-Eh. II, S. 37. (4. Ausl.) — Hier erscheint Minos als Vertreter des dorischen Hellenismus, der das Barbarenthum auf Kreta besiegte, verdrängte oder sich assimilirte. ) [*]( 19) So früher Athen, Thuk. II, 15; Sparta bestand auch in späterer Zeit nur aus fünf offenen Ortschaften (Komen), vgl. I, 10. Anm. 3 5. ) [*]( 20) So heißt es Odyssee III, 68 ff.: Jetzo begann das Gespräch der Gerenische reisige Nestor: Nun geziemt es ja wohl zu erkundigen und zu erforshcen, Wer die Fremdlinge seien, nachdem sie der Kost sich gesättigt. Fremdlinge, sagt er, wer seid ihr? Woher durchschifft ihr die Woge? Ist es vielleicht um Gewerb, ist's ohne Wahl, daß ihr umirrt Gleich wie ein Raubgeschwader im Salzmeer, welches umherschweift, Selbst darbietend das Leben, ein Volk zu befeinden im Ausland. )
Man trug nämlich in ganz Hellas allgemein Waffen, weil die Wohnsitze unbefestigt und Weg und Steg unsicher waren, und ging darum, wie die Barbaren, auch für gewöhnlich bewaffnet. Wenn noch hent zu Tage in jenen Theilen Griechenlands dieselbe Sitte herrscht, so ist das Beweis dafür, daß in alter Zeit die gleiche Gewohnheit allgemein herrschend war. Die, welche zuerst die Waffen abgelegt und in minder strenger Lebensweise sich einer größeren Bequemlichkeit zugewendet haben, sind die Athener, und es ist nicht so gar lange her, seit in den reicheren Ständen die älteren Leute wieder aufgehört haben, aus Hang zur Weichlichkeit leinene Untergewänder zu tragen und den Haarwuchs in einem Wulst mittels goldener, als Heushcrecke» geformter Nadeln auf dem Scheitel festzuhalten^'). Bei den stammver [*]( 21) Gemeint ist das Führen der Waffen auch im gewöhnlichen Verkehr, was Aristot. Polit. II, s. II neben dem Kaufen der Weiber als einen Barbarismus des Alterthums erwähnt. (Kr.) Die Türken sahen auch eine Barbarei darin, daß das euroväishce christliche Militär für gewöhnlich bewaffnet geht, Ihre Janitfcharen trugen außer Dienst nur weiße Stäbe. ) [*]( 22) Da die weichliche Lebensart wieder einer männlicheren gewichen war, unstreitig aus Anlaß der vielen Kriege, so bemerkt Thukydides, daß von jener noch vor nicht langer Zeit Spuren dagewesen. Auch in leinenen Untergoväudern (Chitonen) konnte ein Luxus liegen, da es sehr kostbare Arten von Leinwand gab. Als unmännlich mußten sie schon deshalb erscheinen, weil sie auch von den attischen Frauen getragen wurden, Herab. V, 87. Das Haupthaar wurde auf dem Scheitel zu einem Wulst aufgebunden, der bei den Männern Krobylos, bei Weibern Korymbos, bei Kindern SkorpioS genannt wurde. (Kr.) Der Wulst war mit goldenen Haarnadeln in Form von Heuschrecken oder Cikaden festgesteckt; diese Sitte herrschte noch zur Zeit der Schlacht von Marathon, erst mit Perikles hörte sie auf. Aristophanes verspottet die Tracht als altmodisch: Ritter v. 1336 : Dort sehet ihr ihn mit Cikaden im Haar, altväterisch stattliches Auszugs. nnd Wolken v. SS 4: Altmodischer Kram ans der Zeit, die Cikaden als Schmuck trug. )
Die zuletzt gegründeten Städte aber, deren Erbauer schon der Schisssahrt kundiger und an Geld und Gut reicher waren, wurden dicht am Meere angelegt und durch Mauern geschützt. Auch Landengen wählte man gern, sowohl der Leichtigkeit des Verkehrs wegen, als um den Nachbarn gegenüber möglichst im Vortheil zu sein. Hingegen sind [*]( 23) Der Spartaner trug einen knappen Ueberwurf von grobem Tuch ohne Hefteln und Bänder, darunter die Aelteren ein wollenes Hemd ohne AermeN Beschuht (einfache Sohle mit schmalem Rand und Riemen) ging man nur bei festlichen Gelegenheiten, auf Reisen und Feldzügen. Die Jüngeren trugen die Haare kurz geschnitten, Männer dursten sie lang wachsen lassen, „damit der Schöne schöner, der Häßliche aber furchtbarer werde." ) [*]( 24) In der Homerischen Beschreibung des FaustkampseS Jl. Xllll, 683 heißt eS: Erst nun legt er den Gürtel ihm dar, und reichte daraus ihm Schöngeshcnittenen Riemen des mächtigen Stiers von der Weide. Wie Dionysios von Halikarnaß (VII, 72) erzählt, war der Lakedämonier Akanthos der Erste, der eS wagte, sich bei den Olympischen Spielen ganz zu entkleiden und so den Wettlauf anzustellen (720 v. Chr.). „Aber nur zu Olympia. Anders-wo mochte der Gurt sich noch Jahrhunderte erhalten, allgemein wohl erst seit nicht vielen Jahren abgeschafft sein." (Kr.) So erklärt sich das obige „erst kurze Zeit". ) [*]( 25) Denn bei ihnen nackt gesehen zu werden, war selbst für einen Mann schimpflich. Herab. I, 10. Plato, Staat. V, i>. 452 c. (Kr.) )
Der Seeräuberei waren aber wohl noch mehr die Inselbewohner, meist Karer und Phöniker, zugethan; denn daß diese Stämme sich auf den meisten Inseln niedergelassen haben müssen, zeigte sich, als die Athener im Verlaufe dieses Krieges die Reinigung von Delos vornahmen ^). Als man nämlich die Todtensärge von der Insel wegschaffte, fand sich, daß mehr als die Hälfte Karer gewesen seien, was an der Gestalt der mitbegrabenen Waffen und an der Begräbnißart, wie sie noch jetzt bei ihnen üblich, zu erkennen war
Als aber des Minos Seemacht emporkam, hob sich auch der Verkehr zur See, denn jenes Räuber-voll räumte vor ihm die Inseln, die er meist mit Ansiedlern besetzte. Die Seeanwohner, die schon mehr Geld und Gut erwarben, wechselten jetzt auch weniger ihre Wohnsitze; einige, die reicher geworden, schützten sie sogar durch Mauern. Man strebte nach Gewinn, und deshalb begaben sich die Aermeren in [*]( 26) Die Insel Delos war von den ältesten Zeiten her heilig gehalten worden, und Herodot erzählt, daß früher sogar Hyperboräer und Skythen dorthin gewallfahrtet seien. Selbst die Perser vergriffen sich nicht an ihr, obwohl die Stadt unbefestigt, und große Reichthümer darin angehäuft waren. Deshalb verlegten auch die Athener später ihre Bundeskasse in den Tempel des Apollo auf Delos. Auch die Götter hielten die Insel in Ehren, weshalb sie bis zur Zeit des Plinius (50 n. Chr.) nur zweimal erbebt haben soll, während die benachbarten Inseln häufig von Erdbeben heimgesucht waren. Dieser Heiligkeit wegen sollten auch keine Leichname dort geduldet werden; darum hatte schon Peisistratos eine Reinigung vorgenommen, die sich aber nur auf den Raum erstreckte, den man vom Tempel aus übersehen konnte, weshalb sie für ungenügend galt und jetzt über die ganze Insel ausgedehnt wurde. Das Nähere III, 10 4. ) [*]( 27) Sie die sowie die Handh und Wappen an den Schilden ersunden haben. Herab. I, 171, VII^ II. (Kr.) Die Karer waren tüchtige Soldaten und deshalb als Miethstrnppen gesucht, wie auch die im A. T. als Leibwache der jüdischen Könige erscheinenden Kreti und Pleti, d. i. Karer und Philister, eben solche Karische Söldner sind. Die Bewaffnung muß also bei ihnen frühzeitig sehr ausgebildet gewesen sein. )
Auch Agamemnon scheint mir vielmehr durch seine überlegene Macht die Andern zu jenem Zuge gebracht zu haben, und nicht sowohl als der Vornehmste unter den Freiern der Helena, welche ein Eid dem Tyndareos verpflichtet hielt ^). Es erzählen nämlich auch die, welche [*]( macht) und weniger Geld, bei Naturalwirthschast, mit aristokratischem Bewußtsein. (Dies gilt nur von den anführenden Staaten.) Brutalität entwickelte sich aus beiden Seiten, — die größere, d. h. der äußern Masse nach, auf der demokratischen (Athen, Kerkyra), eben weil es hier Massen sind, welche den Fehler begehen; dabei ist aber viel Schein; dafür haben die Spartaner durch Jahrhunderte zahllose Massen verth und auch in diesem Kriege ganze Massen Heloten z. meuchlings im Dunkel der Privathäuser abgeschlachtet. Ein dem Prinzip nach ähnlicher Krieg ist der Nord-Amerikanische gewesen, in welchem die entsetzlichste Brntalität aus Seite des Südens (Sklaven-Barone) Gränel in solchen Massen verübte , wie sie die Geschichte nur auf wenigen Blättern zu erzählen hat, — der demokratische Norden aber sich menschlich erwies, ein erfreuliches Zeichen des innern Fortschritts, den das demokratische Bewußtsein gemacht hat zu höherem Adel. Im Peloponnesischen Krieg erfocht die mehr aristokratische Partei einen scheinbaren Sieg, welcher die Niederlage des ganzen Hellenenthnms, des damaligen Vertreters der Menschlichkeit, war, — im Nordamerikanischen Krieg erfocht die demokratische Partei einen wirklichen Sieg, welcher ein Sieg der höheren Menschlichkeit war. Die kleinen griechischen Demokratien lebten sich rasch zu Ende; der großen amerikanischen sind die äußeren, besonders die räumlichen Verhältnisse noch auf längere Zeit günstig. ) [*]( In unserer Stelle und im Folgenden spricht Thukydides die ganz richtige Ansicht aus, daß zur Zeit des Trojanischen Krieges in den griechischen Seestaaten, unter denen der des Agamemnon der mächtigste war, Waffen- und Geldwirthschast herrschte. Homer widerspricht nicht in den Realien, welche er bietet; vielmehr gehen diese von derselben Voraussetzung aus; denn wie können Achaier und Troer solche Schiffe, Wassen, Wagen, Häuser, Schmuck, Gewandung, Geräthe, Kunstwerke besitzen ohne Geld? Der Widerspruch in der Zeichnung der Menschen ist kein Widerspruch, denn hier hat der Dichter immer nur die Ideale, das Göttliche im Menschen vor Augen. ) [*]( 28) Tyndareos, Vater der Helena, hatte aus den Rath des Odyssens sämtliche Freier der Helena eidlich verpflichtet, den von ihm zu wählenden Schwiegersohn anzuerkennen und gegen jeden Angriff zu schützen. Während nun die Dichter hierin die eigentliche Begründung des gemeinsamen Zugs gegen Troja sahen, erscheint dem Thukydides die Sache vielmehr so, als ob Agamemnon, )als der
Wollte man aber blos aus dem Umstände, daß Mykene eine [*]( später (1104 v. Chr.), mit den Doriern verbündet, in den Peloponnes zurück (Herakliden- ode. Dorische Wanderung! und eroberten denselben, womit die Perse.den wieder zu Macht gelangten, denn auch des Herakles Mutter Alkmene und sein Ziehvater Slmphitryo waren Enkelin und Enkel des Perseus. ) [*]( 31) Dies, nicht der Eid des U^ndareos, wird hier als Grund erwähnt, mit Bezug auf Homer Od. V, 307 (Seidler), vgl. Jl. I, 153. (Kr.) ) [*]( 32) Jl. II, 576 ff.: Diesen in hundert Schiffen gebot Heerkürst Agamemnon, AtreuS' Sohn. Ihm folgte das mehreste Volk und das beste Heer zum Streit, und er selber, in blendendem Erze gerüstet, Trotzte voran, da er herrlich hervorschien unter den Helden, Weil er der tapferste ivar und des mehresten Volkes Gebieter. Und v. 60S ff. heißt eS von den Arkadiern: Deren führt des Ankäos gebietender Sohn Agagenor Sechzig Schiffe daher; zahlreich in jedes der Schiffe Traten arkadische Männer, gewandt in Kriegeserfahrung, Denn er selbst gab ihnen, der Völkerfürst Agamemnon, Schöngebordete Schiffe, das dunkele Meer zu durchsteuern, AtreuS' Sohn; nicht waren der Meergeschäste sie kundig. )
Die Ursache hievon ist aber nicht sowohl im Menschen- mangel, als vielmehr in Geldarmuth zu suchen, denn wegen der schwie- [*]( 36) 1200 Schiffe, runde Zahl für 1186, Jl. II, 494 — 759. Von den Böotischen Schiffen sagt Homer Jl. II, 510 f.: Die nun zogen daher in fünfzig Schiffen, nnd jedes Trug der Böotischen Jugend erlesene hundert und zwanzig. Von denen des Philoktet v. 713 ff.: Tiefen gebot Philoktetes der Held, wohlkuiidig des Bogens: Sieben waren der Schiff, und der Ruderer fünfzig in jedem, Alle der Bogenknnd' erfahrene tapfere Streiter, )
Aber auch nach dem Trojanischen Kriege kommen in Hellas [*]( 37 ) Auch die Jlias setzt einen solchen Kampf voraus, da II, 693 gesagt wird, daß ProtesilaoS der Erste gewesen sei, welcher gleich beim Aussteigen aus den Schissen fiel. ) [*]( 38) Aus welchen Dichtern diese Angabe geflossen, scheint noch der Scholiast gewußt zu haben, da er als Anführer dieser Ackerbauer den AkamaS und Antilochos anführt. (Vgl. Eustath. zur Jl. p. 3S7.) Warum sollen wir aber nicht mit der vollkommensten Bestimmtheit sagen: Aus den Kyprien? Vgl. Schol. Vict. s, 2. Sie befaßt Thukydioes gewiß mit unter dem Namen Homeros. (Kr. u. Schneidewin.) ) [*]( Thukydides I. ) [*]( 2 )
Von jetzt an mehrte sich der Wohlstand in Hellas, und da der Gelderwerb in größerem Maße stattfand als früher, und auch die Staatseinnahmen bedeutender wurden, so entstandest in der Mehrzahl der Städte Gewaltherrschaften der Tyrannen, — früher aber war die erbliche Königswürde, verbunden mit bestimmten Ehrengaben, herrschend gewesen^). Jetzt baute man auch Flotten in Hellas und wid- [*]( 38*) Ansprechend glaubt Müller, Orchomenos S. 337 (393) ff., daß diese Angabe ein Versuch sei, die Nachricht des homerischen Schiffskatalogs Jl. II, 494 ff. zu erklären. (Kr.) ) [*]( 39 ) Nach Herodot VI, 56 f. (vgl. Aristotel. Wollt. III, 9, 10) bestanden bei den Spartanern die Ehrenvorrechte und Ehrengaben der Könige in dem Rechte, Krieg zn beschließen, in der Anführung im Kriege, einer Leibwache von hundert Mann, der Haut und dem Rücken eines jeden auf den Kriegszügen geschlachteten Thieres; zu Friedenszeiten im Vorsitz beim Opfermahl, doppelten Nationen und in der Haut des Opferthieres; ferner erhielten sie an jedem siebenten Tag des Monats ein Opferthier samt einem Scheffel Mehls und einem Eimer Weins. Bei den Spielen hatten sie den Ehrenplatz; kamen sie nicht zur gemeinsamen Mahlzeit, so )
Da nämlich die Stadt der Korinther auf einer Landenge lag, so war dort von jeher Handel und Verkehr gewesen ^), weil die Hellenen, die früher mehr zu Land als zur See verkehrten, und zwar sowohl die aus dem Peloponnes, als die aus den andern Landestheilen, alle über Korinth mußten, um zu einander zu kommen. Daher besaßen die Korinther große Reichthümer, wie auch aus den alten Dichtern erhellt, welche ihr Land „das reiche" nennen^). Als nun die Hellenen sich mehr auf das Seewesen verlegten, so säuberten die Korinther mit ihren Schiffen das Meer von Räubern, und da ihre Stadt schon eine Handelsstadt war, so wurde sie immer reicher, indem nun auf beiderle Wegen Geld zufloß.
Auch die Joner hatten in späterer Zeit, unter dem ersten Perserkönig Kyros und seinem Sohne Kambyses, eine starke Flotte^) und waren während des Krieges mit Kyros eine Zeit lang Herren der dortigen Gewässer. Auch Polykrates, der zur Zeit des Kambyses die Zwingherrschast über Samos besaßt), war durch seine Flotte mächtig und eroberte viele Inseln, worunter auch Rheneia, das er dem Apollo von Delos weihte. Endlich haben auch die Phokäer, als sie Massalia Marseilles gründeten, die Karthager in einer Seeschlacht besiegt ^).
Dies waren nämlich die vornehmsten Seemächte. Allein [*]( 42 Periander, Tyrann von Korinth, des Kypselos Sohn, rächte den Tod seine? Sohnes Lykophron, den die Kerkyräer erschlagen hatten. Herod. III, 53. ) [*]( 42) Vgl. Aristot. Polit. VII, S, 5. (Kr.) ) [*]( 44) Jl. II, 569 f.: Auch die Mykenä bewohnt, die Stadt voll prangender Häuser, Auch die reiche KorinthoS und schöngebaute Kleonä. Pindar. Olymp. XIII, 2 : Den Bürgern freundlich, gefällig den Fremden ist das seelige Korinth. ) [*]( 45) Besonders den Phokäern, Herod. I, 163 f., den Milesiern III, II, den Inselbewohneri, I, 2 7. (Kr.) ) [*]( 46) Polykrates ist wohl nicht schon Ol. S3, 3 lSKS v. Chr.1, sondern erst um Ol. 62, I (531 v. Chr.) Tyrann geworden. (Kr.) ) [*]( 47) Von dieser Seeschlacht Ist sonst Nichts bekannt. Herod. I, 166 (vgl. auch Diod. V, 13) erzählt von einer Niederlage, welche die Phokäer durch die vereinigten Flotten der Karthager und Tyrrhener erlitten. )
Das also war der Zustand des Hellenischen Seewesens in den ältesten und den folgenden Zeiten; gleichwohl erwarben die, welche ihm oblagen, theils durch deu Geldzufluß, theils auch durch Ausbreitung ihrer Herrschaft keine geringe Macht. Sie griffen nämlich die Inseln an und unterwarfen sie, besonders wenn das eigne Gebiet sie nicht mehr ausreichend nährte. Zu Lande aber ereignete sich kein Krieg, welcher eine Vergrößerung der Macht hätte zur Folge haben können, und wenn solche etwa vorkamen, so wurden sie immer nur gegen die eigenen Gränznachbarn geführt; aus weite Heereszüge in fremde Länder aber und zur Unterwerfung Anderer gingen die Hellenen nicht aus, denn es gab weder Unterworfene, welche den mächtigen Städten ^durch gezwungene Beistandleistung^ solche Unternehmungen hätten erleichtern können, noch auch wurden gemeinsame Heereszüge mit gleichem Recht für Alle unternommen. Unter einander ^d. h. ohne Bundesgenossen^ aber führten sie wohl Krieg, ein Jeder mit seinem Nachbar. Am meisten noch fand eine allgemeinere Parteinahme in dem alten Kriege zwischen den Chalkidiern und Eretriern Statt, wo auch das übrige Griechenland auf der einen oder der andern Seite mitkämpfte^). [*]( 48) Besonders Gelon von Syrakus. Herab. VII, 153. (Kr.) ) [*]( 49) In diesem Kriege standen die Milesier ans Seiten der Eretricr, die )
Doch stellte sich den Einen dies, den Andern jenes Hinderniß in den Weg und hielt ihr Wachsthum zurück. So den Jonern zu einer Zeit, da ihre Macht schon hochgestiegen war, die neue Persische Macht des Kyros, welcher den Krösos niederwarf und alles Land zwischen dem Flusse Halys und dem Meere mit Krieg überzog und die Städte des Festlandes unterjochte, dann später Dareios) welcher mit Hilfe der phönikischen Flotte auch die Inseln botmäßig machte 5°).
Die Tyrannen, so viele ihrer in den Hellenischen Städten aufkamen, bedachten alle nur sich selbst, die eigne Sicherheit und die Vergrößerung ihrer Familienmacht Sicherheitsmaßregeln waren [*]( Samier aus Seiten der Chalkidier. Herod. V, II. Wann, ist unbestimmt. Etwa um 650. Entstanden war er um das lelantische Gefilde. Strabo X, I. p. 443 und p- 4S5. (Kr.) ) [*]( 50) Anders erzählt Herod. I, 143. 169, vgl. jedoch III, 141. (Kr.) ) [*]( 50*) Die älteste Staatssorm unter den Hellenen ist das Königthum. Dieses hat aber im Allgemeinen einen Adel zur Voraussetzung, denn in den meisten Fällen ist der König nur der Erste unter seines Gleichen, den Basileis, Basiliden, d. i. Königs- oder Adelsfamilien. Der Adel bildete und ergänzte sich aus Familien, an deren Spitze Männer von hervorragender Tapferkeit, Einsicht oder Wohlhabenheit standen, denn diese Eigenschaften machen unter allen Umständen ihre Macht von selber geltend. Unter gefährlichen, unruhigen, kriegerischen Verhältnissen, welche eine einheitliche Leitung deS vorhandenen Staatswesens durchaus nothwendig machen, tritt Einer an die Spitze und vereint in seiner Person größere Macht. Dieser heißt der König. Das Lager der Griechen vor Troja ist das Urbild eines solchen Staates. Das Volk der hauptumlotten Achaier wird von Königen geführt, an deren Spitze Ngamemnon als der König steht. Denn vor allen Andern zwingt der Krieg den Grundsatz auf: „Nicht gut ist Vielherrschast: Einer sei Herrshcer, Einer König, dem Zeus es gibt," d. h. den die von der Noth bestimmten und von den Göttern gelenkten Umstände als den Tüchtigsten dazu machen. Der Hergang dabei ist nicht immer so einfach, wie ihn das Epos darstellt, die Mittel, die angewendet werden, oft verbrecherisch. Beispiel: Chlodwig schafft die andern fränkischen Basileis auf die Seite, erobert mit der Mehrzahl der freien Franken ein großes Reich und vertheilt es unter seine Söhne. Die freien Franken werden mit Ländereien samt deren Bevölkerung belehnt und bilden den Urstamm eines Avels, der bestimmt scheint, Mittel- europa gegen anderthalb Jahrtausend zu beherrschen. Die Herakliden kommen um 1104 mit freien Doriern, Aetolern u. s. w. in den Peloponnes, erobern ihn, vertheilen ihre Familienhäupter als Könige: Temenos erhält Argos, wozu später Epidaurus, Trözen, Kleonä, Phlius und Sikyon kommen; Aristodemos und seine Söhne erhalten Lakonien; KrssphonteS Messenien; Aletes )
Endlich wurden die Tyrannen in Athen und in den vielen andern hellenischen Staaten, die schon vorher in den Händen von Gewaltherrschern waren, mit Ausnahme derer in Sicilien durch die Lakedämonier gestürzt. Lakedämon war nach der Ankunft der jetzt [*]( 1104 v. Chr. ) dort wohnenden Dotter, so viel wir wissen, die meiste Zeit von inne-« ren Unruhen bewegt^), und erfreut sich doch seit sehr langer Zeit [*]( 51)* Thukydides scheint hier stillschweigend vorauszusetzen, daß von den Staaten glänzende Thaten ausgeführt werden sollten, Unternehmungsgeist gezeigt werden sollte. — Die Entwickelung der menschlichen Dinge ist ein Fortschritt. Fortschritt ist Bewegung. Zur Bewegung gehört Thätigkeit. Nicht alle Glieder des Ganzen sind gleichthätig. Größere Kraft treibt zu größerer Thätigkeit. Im Genuß reibt sich die Kraft selbst auf. Die Genießenden überhaupt, und im Staate die genießenden Parteien wollen im Allgemeinen aus Mangel an Kraft keine Thätigkeit. Sie fragen: „Muß es denn sein?" Es muß wohl sein, weil der unthätige Staat des thätigen Staates Beute wird. Der Vermittler ist auch hier das Geld: der unthätige Staat verfällt so gut wie der in unfruchtbarer Weise thätige Staat sz. B. Krieg um jeden Preis) in Armuth, so daß ihm zuletzt die Mittel zu seiner Vertheidigung durch die Waffen fehlen, und sobald er keinen Krieg mehr wagen oder aushalten kann, ist er verloren, und vas victis! — Warum sträubt sich Tyrannis, tyrannische Oligarchie, Despotie gegen Thätigkeit im Staate? Weil große Thätigkeit und allgemeine Rührigkeit schwerer zu überwachen ist; weil sie die materielle und geistige Kraft der Beherrschten vermehrt, also die Darniederhaltung ershcwert und schließlich unmöglich macht; weil sie überhaupt vom entgegengesetzten Grundprinzip ausgeht: Tyrannis will und wirkt Stillstand, Thätigkeit will und wirkt den Fortschritt, Fortschritt ist Anderswerden, Umbildung des eben Daseyenden. — Noch schlimmere Versumpfung wirkte später das Prinzip des conservativen Iesuitenstaats. ) [*]( 52) Die eigentlichen Spartaner oder Spartiaten sind diejenigen Doriet, welche sich als herrshcenden Adel in die günstig gelegene Stadt Sparta hineinsetzten, um von hieraus, wie die Kreuzspinne aus dem Mittelpunkt ihres Gewebes, die halbsreien Lakedämonischen Bauern und die leibeigenen Heloten zu überwachen und darniederzuhalten. Ihrer sollen anfänglich nur 2000 streitbare Männer gewesen sein (Jsokrat. Panathen. Z. 256), was mir nicht zu wenig dünkt. Aehnlich wäre es, wenn heutzutage etwa eine mit Schiffen und Waffen versehene Auswanderer-Armee von 10,000 Köpfen, worunter 2000 Streitbare, irgend einen bewohnten und bebauten Küstenstrich Afrika's besetzte, die Landbauer zu zinspflichtigen Halbfreien und die, welche sich am hartnäckigsten gewehrt, d. h. sich als die Muthigsten, folglich als die Gefährlichsten gezeigt hätten, zu Sklaven machte, sich selbst aber an einem günstig gelegenen Punkte zusammensiedelte. Ihre )
Nachdem nun die Tyrannen vom Hellenischen Boden vertrieben waren, fand nicht lange danach bei Marathon die Schlacht zwischen [*]( 490 Ch ) Persern und Athenern Statt. ^m zehnten Jahre danach kam dann [*]( 480 Ch ) der Barbar wieder mit jenem grossen Heereszug, um Hellas in die Knechtschaft zu zwingen. Da nun diese große Gefahr über Aller [*]( lich, daß zwischen 500 und 400 v. Chr. die Vermögensungleichheit in Sparta aum geringer war als anderswo. Während des peloponnesifchen Krieges bereicherten sich Einige in großem Maßstab; das Gesetz, welches den Besitz von Gold und Silber untersagte, wurde umgangen und dann stillschweigend aufgehoben. Den Todesstoß endlich erhielt die Gleichheit, als Epitadeus das Gesetz durch- brachte, das Jedem erlaubte, über sein Gut durch eine Schenkung unter Lebenden und durch Testament frei zu verfügen, „wovon die Folge war, daß die Aermeren sich leicht bestimmen ließen, ihr Gut für einen lockenden Preis an Reiche zu überlassen und es so ihren Kindern zu entziehen, die dann, wenn der Kaufpreis verzehrt war, Nichts mehr besaßen. Verlauf des Guts war freilich auch durch das Gesetz des Epitadeus nicht erlaubt; es springt aber in die Augen, wie leicht ein wirklicher Verkauf unter der Form einer Schenkung oder einer testamentarischen Verfügung versteckt werden konnte." (Schömanu, Griech. Alterth. I, S. 223.) So wurde der Untergang des Adelstaates durch die einreißende Gsldwirthschaft herbeigeführt. Warum aber betrieben die Lakedämonier den Sturz der Tyrannen? Die Lakedämonier hatten zwei Könige neben einander (Einen aus dem Geschlecht der Euristheniden oder Ägiden, den Andern aus dem der Prokliden oder Eurypontiden). Ihre Macht war von vornherein sehr beschränkt. Im Wesen der persönlichen Macht liegt das Streben-nach Erweiterung derselben bis zur Tyrannis. Erweitern konnten die spartanischen Könige ihre Macht, indem sie sich entweder auf die unterdrückten Landeseinwohner stützten und diesen gleiches Recht mit den Spartanern versprachen, falls sie ihre Pläne unter- stützten, oder indem sie sich an andere hellenische Alleinherrscher oder Tyrannen anschlössen. Um das Letztere zu verhüten, waren ihnen Ehen mit Auswärtigen untersagt: „Sie sollten nicht etwa durch Verbindung mit andern Fürstenhäusern zu dynastischer Politik und tyrannischen Gelüsten verleitet werden" (Eurtius, Griech. Gesetz. I, S. 133); denn das wäre ja der Todesstoß für die Adelsherrschaft gewesen. Noch sicherer aber war es, wo möglich gar keine Tyrannen in Hellas zu dulden. ) [*]( 53) Thukydides findet die Lykurgischen Gesetze gut, weil er selber Ausschreitungen der Demokratie erlebte, welche den Staat durch vielfache Umwälzungen an den Rand des Verderbens führten, während sich Sparta seit Lykurg innerer Ruhe erfreute. )
Die Lakedämonier verwalteten die Anführerfchaft, ohne von ihren Bundesgenossen Steuern zu nehmen, und waren nur darin aus sich selbst bedacht, daß sie ihnen oligarchische Verfassungen gaben ^). Die Athener hingegen zogen mit der Zeit die Schiffe der verbündeten Staaten an sich, nur die der Chier und Lesbier ausgenommen, und besteuerten alle; und doch ist zu dem gegenwärtigen Kriege ihre Rüstung noch viel großartiger gewesen, als da sie zur Zeit der unge [*]( 54) Jeder Staat hält aus sein Grundprinzip und sucht es überall zur Geltung zu bringen. Die Herrschaft der Spartaner, als des bevorzugten Adels gegenüber der vielfach zahlreicheren Landesbevölkerung, war aber nichts Anderes als eine große Oligarchie oder Herrschaft Weniger über Viele; und zweitens war innerhalb der Homöen selbst die eigentliche Gewalt in den Händen der wenigeren Reichen, — also gleichfalls Oligarchie. Die Athener anderseits sind Demokraten. Hier ist der eigentliche Lebensnerv des peloponnesischen Krieges wieder berührt. )