History of the Peloponnesian War

Thucydides

Thucydides. Geschichte des Peloponnesischen Kriegs. Wahrmund, Adolf, translator. Stuttgart: Krais and Hoffmann, 1864.

Dieser neuen Uebersetzung des großen Geschichtschreibers wünscht der Verdentscher, daß sie ihr bescheidenes Theil beitragen möge, den Schatz politischer Weisheit und richtiger Beurtheilung menschlicher Dinge, welche das Bnch auszeichnen und es zu „einem Besitzthum für alle Zeiten" mahcen, mehr und mehr auch in den Besitz unseres Volks zu bringen. Die Aehnlichkeit der Zustände in geistigen und politischen Dingen im damaligen Hellas und im heutigen Deutschland ist zwar nicht so groß, wie Viele glauben und fürchten, aber doch immer groß genug, um für unsere Gegenwart reiche Belehrung und Zurechtweisung zu bieten, und das Geschichtswerk des Thukydides ist das Buch, welches solche am reichlichsten enthält.

Dieser Uebersetzung liegt vorzugsweise der Text und die Texterklärung der Krüger'schen Ausgabe zu Grunde,

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die wohl lange Zeit ein Muster für Herausgeber griechischer Schriftsteller bleiben wird. Auch ist eine gute Zahl Anmerkungen mit hernbergenommen worden. Ueber meine Auffassung einiger schwierigen Stellen werde ich mich an einem anderen Orte aussprechen.

Wien, im September 1864.

Der Ueberjetzer.

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Thukydides, Sohn desOlvroS, ist nach der wahrscheinlicheren Angabe im Jahr 456, nach einer andern schon 471 v.Chr. in der attischen GemeindeHalimns, Stamm Leontis, geboren. Er war vornehmer Abkunft, denn sein Vater stammte von dem Thrakerkönig Oloros ab, und demselben Geschlecht gehörte auch seine Mutter Hegesipyle an. Es ist wahrscheinlich, daß diese eine Tochter des Miltiades war, der eine Tochter des Königs Oloros zur Frau hatte, und in diesem Falle war Thukydides ein Enkel des Siegers von Marathon. Nahe verwandt mit dem Hause des Miltiades war er jedenfalls, da seine Asche im Familienbegräbnisse des Kimon beigesetzt wurde. Erzählt wird, als Knabe sei Thukydides mit seinem Vater zn Olympia gewesen und habe dort seinen Vorgänger in der Geschichtshcreibung, Herodot, das Buch vom Perserkrieg vorlesen hören. Darüber sei er begeistert in Thränen ausgebrochen, und Herodot habe zum Vater gesagt: „Oloros, die Natur deines Sohnes schwillt von Wissenstrieb." Doch wird diese Erzählung von Neueren nicht für hinreichend verbürgt gehalten. Glanblich ist, daß der Philosoph Anaxagoras sein Lehrer gewesen sei, und auch Autiphon könnte ihn wohl in der Redekunst unterwiesen haben, wie Einige berichten. Man glaubt eben Grund zu der Annahme zu haben, daß ein Schriftsteller von so gebildetem Geiste und so großer Kunst der Darstellung auch die ersten Männer seiner Zeit zu Lehrern gehabt haben müsse.

Gleich mit dem Beginne des Kriegs fing Thukydides an, dessen Geschichte anfzuzeichueu. Von der Pest wurde auch er befallen, als diese in den ersten Kriegsjahren Athen heimsuchte. Im achten Jahre des Kriegs wurde er Feld

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Herr und lag mit sieben Schiffen bei der Insel ThasoS, als Amphipolis vom Lakedämonier Brasidas bedroht wurde. An der Thrakischen Küfte zu Skapte Hyle besaß er Goldbergwerke und gehörte deßhalb zu den einflußreichsten Männern jener Gegend. Da nun die athenische Partei in Amphipolis, mehr von seinem Einflüsse auf die umwohnenden Thraker, als von seiner geringen Sckiffszahl Hülfe erwartete, so rief sie ihn herbei. Er leistete schleunigst Folge, kam aber nur eben noch zeitig genug, um wenigstens den Hafenort Eion zu retten, denn Amphipolis war bereits übergegangen. Dieser Mangel glückliches Erfolgs wurde von den Athenern mit der Verbannung bestraft, in welcher er zwanzig Jahre meist in Ländern des peloponnesischen Bundes verlebte, wohl aber auch zeitweilig in Skapte Hyle, wo später eine Platane gezeigt wurde, in deren Schatten er an seinem Geschichtswerke gearbeitet haben sollte. Aus Skapte Hyle war auch seine Frau, eine reiche Besitzerin, gebürtig.

Die Muße dieser Verbannung benutzte er, um den nöthigen Stoff zu seinem Geschichtswerke zu sammeln, wohl auch schon zur völligen Ausarbeitung einzelner Theile desselben. Die letzte Üeberarbeitnng kann es aber erst nach seiner Rückkehr in die Vaterstadt erhalten haben, die im I. ^04 v. Chr. in Folge eines besonderen Nückberufnngsbeschlusses stattfand. Er lebte wohl noch bis 396 v. Chr., wo ihn — wahrscheinlich zu Skapte Hyle — die Hand eines Mörders traf. Leider war damals sein Werk noch unvollendet, denn wie es uns vorliegt, umfaßt es nur die ein und zwanzig ersten Kriegsjahre. Das achte und letzte Buch ist weniger ausgearbeitet, als die früheren, weßhalb von Einigen seine Tochter als Verfasserin desselben angesehen ward"). [*]( *) Die griechischen Nachrichten über Thnkydides stehen verdeutscht am Schluß des II. Bandes. Man vergleiche: K.W. Krüger, Untersuchungen über das Leben des Thnk., Berlin 1832, nnd: Epikritischer Nachtrag zn den Untersuch.)