History of the Peloponnesian War

Thucydides

Thucydides. Geschichte des Peloponnesischen Kriegs. Braun, Theodor, translator. Leipzig: Insel-Verlag, 1917.

AlS die Athener bald darauf mit ihrer Flotte anlangten und das sahen, richteten die Befehlshaber ihren Auftrag auS, und da die Mytilener sich auf nichts einließen, eröffneten sie die Feindseligkeiten. Unvorbereitet und plötzlich zum Kriege gezwungen, wie sie waren, machten die Mytilener vom Hafen aus doch mit ihren Schiffen einen kurzen Vorstoß zu einer Schlacht, wurden aber von den athenischen Schiffen in den Hafen zurückgetrieben. Infolgedessen knüpften sie mit den Be­ fehlshabern Verhandlungen an, um womöglich durch einen leid­ lichen Vergleich die Schiffe zunächst mal wieder loS zu werden. Die athenischen Befehlshaber gingen darauf auch ein, weil

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sie selbst zu einem Kriege mit ganz Lesbos zu schwach zu sein fürchteten. Es wurde also ein Waffenstillstand vereinbart, und die Mytilener schickten Gesandte nach Athen, darunter auch einen jener Angeber, der seinen Schritt bereits bereute, um die Athener zu versichern, daß es nicht die Absicht sei, mit ihnen zu brechen, und sie womöglich zu bewegen, mit ihren Schiffen wieder abzuziehen. Da sie aber bezweifelten, ob es ihnen damit in Athen glücken würde, schickten sie gleichzeitig, ohne daß man auf der bei Malea, im Norden der Stadt, ankernden athenischen Flotte was davon merkte, auf einer Triere auch Gesandte nach Lakedämon, die nach einer be­ schwerlichen Fahrt dort ankamen und es auch fertig brachten, daß ihnen Hilfe zugesagt wurde.

Als die Gesandten dann auch uuverrichteter Sache von Athen zurückkamen, entschlossen sich die Mytilener und mit ihnen bis auf Methymna ganz Lesbos, den Krieg aufzunehmen. Methymna nämlich stand wie Imbros und Lemnos und einige andere Bundesgenossen auf seiten der Athener. Auch kam es bei einem Ausfall, den die Mytilener mit ihrer ganzen Macht gegen das Lager der Athener unternahmen, zu einer Schlacht. Die Mytilener wurden zwar nicht geschlagen, getrauten sich aber nicht, über Nacht draußen zu bleiben, sondern zogen sich in die Stadt zurück. Seitdem ließen sie sich nicht mehr blicken, weil sie sich erst dann wieder auf eine Schlacht einlassen wollten, wenn sie Hilfe aus dem Peloponnes oder anderweit Ver­ stärkungen erhalten hätten. Inzwischen hatten sich nämlich der Lakedämonier Meleas und der Thebaner Hermaiondas bei ihnen eingefunden, die zwar schon vor dem Abfall abge­ sandt, aber da sie der attischen Flotte nicht zuvorkommen konnten, erst nach der Schlacht auf einer Triere unbemerkt an die Stadt gelangt waren, und ihnen geraten, nochmals ein Schiff abzufertigen und mit ihnen eine neue Gesandtschaft abzuschicken, und das hatten sie auch getan.

Die Athener, denen der Mut gewachsen war, weil die Mytilener nicht herauskamen, zogen nun Bundesgenossen heran, die um so bereitwilliger erschienen, da die Mytilener anscheinend

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keine großen Helden waren. Sie schlossen die Stadt jetzt auch auf der Südseite mit ihren Schiffen ein, legten zwei befestigte Lager an, auf jeder Seite der Stadt eins, und sperrten mit ihrer Flotte die Einfahrt beider Häfen. Damit schnitten sie die Mytilener allerdings von der See ab, dagegen waren diese und die inzwischen zu ihnen gestoßenen übrigen Lesbier nach wie vor Herren der Landseite. Selbst in der nächsten Um­ gebung ihrer Lager reichte die Macht der Athener nicht weit, und ihr Hauptstandort für ihre Schiffe und die Zufuhren blieb Malea. So verlief der Krieg bei Mytilene.