History of the Peloponnesian War

Thucydides

Thucydides. Geschichte des Peloponnesischen Kriegs. Braun, Theodor, translator. Leipzig: Insel-Verlag, 1917.

„Das, Lakedämonier und Bundesgenossen, sind die Gründe, welche unseren Abfall erklären und rechtfertigen. Sie werden genügen, um euch zu überzeugen, daß wir richtig gehandelt haben, und jedem begreiflich machen, daß wir uns vorsehen und auf unsere Sicherheit Bedacht nehmen mußten. Wir wollten ja schon früher von ihnen abfallen, damals, als wir noch im Frieden deswegen zu euch schickten, aber damals mußten wir die Sache aufgeben, weil ihr uns nicht haben wolltet. Jetzt aber sind wir der Aufforderung der Böotier sogleich nachgekommen und haben uns von unseren bisherigen Bundesgenossen aus dem doppelten Grunde getrennt, einmal um den Athenern nicht länger zur Unterdrückung der Griechen die Hand zu bieten und diese befreien zu helfen, sodann aber

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auch um uns selbst für die Zukunft vor Gewaltstreichen der Athener sicherzustellen. Unser Abfall ist freilich reichlich schnell und unvorbereitet erfolgt. Um so mehr müßt ihr uns deshalb in euren Bund aufnehmen und uns unverzüglich Hilfe schicken, um zu beweisen, daß ihr Manns genug seid, anderen in der Not zu helfen und dadurch zugleich euern Feinden Ab­ bruch zu tun. Dazu aber bietet sich eben jetzt eine Gelegen­ heit wie nie zuvor. Die Kräfte der Athener sind durch die Pest und große Ausgaben erschöpft; ihre Schiffe befinden sich zum Teil hier in euren Gewässern, zum Teil sind sie drüben bei uns beschäftigt. Wahrscheinlich haben sie nicht Schiffe genug, wenn ihr ihnen in diesem Sommer zugleich mit der Flotte und dem Heere zum zweitenmal ins Land fielt; ent­ weder also würden sie sich gegen eure Flotte nicht wehren können oder ihre Schiffe hüben und drüben zurückziehen müssen. Glaubt ja nicht, euch eines fremden Landes wegen in Gefahr zu stürzen. Meint man, Lesbos läge weit weg, so liegen doch die Vorteile, die es bietet, nahe genug. Denn nicht in Attika, wie man glauben möchte, wird der Krieg ausgefochten werden, sondern da, wo die Hilfsquellen der Athener fließen. Ihre Einnahmen aber haben sie von den Bundesgenossen, und die werden noch größer werden, wenn sie auch uns erst unter­ worfen haben. Denn abfallen wird dann niemand weiter; unsere Steuern aber werden hinzukommen, und wahrscheinlich würden wir noch ärger bluten müssen als ihre alten Unter­ tanen. Kommt ihr uns aber bereitwillig zu Hilfe, so gewinnt ihr eine Stadt mit einer tsarken Flotte, woran es euch grade fehlt, und werdet um so eher mit den Athenern fertig werden, indem ihr ihnen ihre Bundesgenossen entzieht; denn dann werden sie Vertrauen zu euch fassen und alle mit Freuden zu euch übergehen, und man wird euch nicht länger vorwerfen können, daß ihr die Städte im Stich ließt, die von den Athenern abfallen wollen. Sieht man nur erst, daß ihr als Befreier kommt, so habt ihr gewonnen Spiet und werdet als Sieger auS dem Kriege hervorgehen.

„Laßt also die Hoffnungen, die man in Griechenland auf [*]( I )

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euch setzt, nicht zuschanden werden und scheut den olympischen Zeus, in dessen Heiligtum wir gleich Schutzflehenden erscheinen. Nehmt uns als Bundesgenossen an und steht uns bei. Laßt uns nicht im Stich in dem Augenblick, wo wir Leib und Leben wagen, ihr alle aber, wenn es uns glückt, den Gewinn - erst recht aber, wenn ihr euch uns versagt und wir das Spiel verlieren, den Verlust mit uns teilen werdet. Bewährt euch als die Männer, für die man euch in Griechenland hält und wie unsere Not sie erheischt."

So die Mytilener. Die Lakedämonier und die Bundes­ genossen, die sie angehört, gaben ihnen recht und nahmen Lesbos in ihren Bund auf. Die Lakedämonier aber befahlen den dort versammelten Bundesgenossen, sich zu dem beabsichtigten Einfall nach Attika unverzüglich mit zwei Dritteln ihrer Mann­ schaft auf dem Isthmus einzufinden, wo sie denn auch selbst als die Ersten zur Stelle waren. Auf dem Isthmus machten sie Anstalt, die Schiffe über Land auf Walzen aus dem Ko­ rinthischen Meerbusen in die Athenische See hinüberzuziehen, um den Feind gleichzeitig zu Wasser und zu Lande anzugreifen. Sie selbst entwickelten dabei großen Eifer, während die übrigen Bundesgenossen, die mit der Ernte beschäftigt waren und keine rechte Lust zum Kriege hatten, sich nur langsam einfanden.