History of the Peloponnesian War

Thucydides

Thucydides. Geschichte des Peloponnesischen Kriegs. Braun, Theodor, translator. Leipzig: Insel-Verlag, 1917.

In Sizilien war Gylippos um dieselbe Zeit in diesem Frühjahr mit allem, was er an Truppen in den Städten, die sich ihm angeschlossen, nur irgend hatte auftreiben können, in Syrakus wieder angekommen. Hier berief er die Syrakuser zu einer Versammlung und erklärte, sie müßten so viel Schiffe wie möglich bemannen und es darauf wagen, eine Seeschlacht zu liefern; denn davon könne man sich für den weiteren Verlauf des Krieges einen Erfolg versprechen, der ein solches Wagnis wohl wert sei. Mit ihm sprach sich besonders auch Hermo­ krates dafür aus, daß sie sich vor einer Seeschlacht mit den

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Athenern nicht zu fürchten brauchten; denn auch diesen sei die Tüchtigkeit zur See nicht von Haus aus angeboren, ja im Grunde seien sie ärgere Landratten als die Syrakuser und erst durch die Perser gezwungen worden, sich auf die See zu werfen. Wenn man solch kühnen Leuten wie den Athenern mit gleicher Kühnheit begegne, so werde man in ihren Augen der gefährlichste Feind sein. Denn wie diese andere manchmal selbst mit schwächeren Kräften bloß durch ihr kühnes Draus­ gehen schreckten, so würde das ihnen dem Gegner gegenüber ebensogut möglich sein. Er seinerseits zweifle nicht daran, daß der Nachteil, in dem sich die Syrakuser bei ihrer geringeren Erfahrung der Geschicklichkeit der Athener gegenüber befanden, durch einen unverhofften kühnen Angriff auf ihre Flotte und den ihnen dadurch verursachten Schrecken mehr als aufgewogen werden würde. Sie möchten es also nur unbedenklich mit einer Seeschlacht wagen. Nachdem Gylippos und Hermokrates und noch einige andere ihnen also zugeredet hatten, begeisterten sich die Syrakuser für eine Seeschlacht und beschlossen, ihre Schiffe zu bemannen.

Als die Schiffe klar, führte Gylippos bei Nacht sein ganzes Heer hinaus, um die Befestigungen aus dem Plemmyrion seinerseits zu Lande anzugreifen, während gleichzeitig, wie verabredet, fünfunddreißig Kriegsschiffe der syrakusischen Flotte aus dem großen Hafen vorgingen und die fünfundvierzig aus dem kleinen Hafen, wo ihre Werft war, herumkamen in der Absicht, sich mit denen im großen Hafen zu vereinigen und sich dann gemeinsam gegen das Plemmyrion zu wenden, damit die Athener von beiden Seiten in Atem gehalten würden. Die Athener aber bemannten ebenfalls eiligst sechzig Schiffe und schickten fünfundzwanzig gegen die fünfunddreißig syrakusischen im großen Hafen vor, die übrigen aber den von der Werft herumkommenden entgegen. Auch kam es am Ein­ gange des großen Hafens sogleich zur Schlacht, in der beide längere Zeit einander standhielten, die einen die Einfahrt zu erzwingen, die anderen sie zu verhindern suchten.

Inzwischen war Gylippos, während die Athener auf dem

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Plemmyrion sich nach dem Strande hinuntergezogen und den Gang der Seeschlacht beobachtet hatten, bei Tagesanbruch unbemerkt bis an ihre Festungswerke gelangt und hatte sich zuerst des größten und dann auch der beiden kleineren Werke bemächtigt, deren Besatzungen nicht standhielten, als sie sahen, daß das größte so rasch genommen war. Aus dem zuerst genommenen war die Mannschaft, auch so weit sie sich auf irgendein Fahrzeug oder eines der Lastschiffe gerettet, nur mit genauer Not ins Lager gelangt. Denn da die syrakusischen Schiffe in der Schlacht im großen Hafen damals im Vorteil waren, hatte eine einzelne schnelle Triere Jagd auf sie gemacht. Als die beiden kleineren Werke genommen wurden, aber war die syrakusische Flotte schon besiegt, und die Mannschaft konnte sich von dort leichter zurückziehen. Die Schiffe der Syrakuser nämlich, welche vor der Hafeneinfahrt gefochten und die athe­ nische Flotte durchbrochen hatten, waren ohne jede Ordnung auf sie eingedrungen und durcheinander geraten und verhalfen dadurch den Athenern zum Siege. Denn die Athener besiegten nicht nur sie, sondern auch die anderen, denen sie anfangs im Hafen unterlegen waren. Sie versenkten elf syrakusische Schiffe und töteten den größten Teil der Mannschaft bis auf die von drei Schiffen, die sie gefangen nahmen. Sie selbst hatten drei Schiffe verloren. Sie bargen die Trümmer der syrakusischen Schiffe, errichteten ein Siegeszeichen und zogen sich darauf in ihr.Lager zurück.

So waren die Syrakuser in der Seeschlacht allerdings schlecht weggekommen, dafür aber waren sie jetzt im Besitz der Werke auf dem Plemmyrion und errichteten dort drei Sieges­ zeichen. Das eine der beiden zuletzt gewonnenen Werke trugen sie ab, die beiden anderen setzten sie wieder instand und legten Besatzungen hinein. Bei Einnahme der Werke waren viele darin ums Leben gekommen oder in Gefangenschaft geraten und alle die großen Vorräte dort ihnen in die Hände gefallen. Denn da sie den Athenern als Magazin gedient hatten, befand sich dort Kaufmannsgut, Getreide und Eigentum der Trierarchen in Menge, wie denn auch Segel für vierzig Kriegsschiffe nebst

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anderem Schiffsgerät und drei ans Land gezogene Trieren dort erbeutet wurden. Die Einnahme des Plemmyrions war einer der ersten schweren Schläge, von denen das athenische Heer betroffen wurde. Denn auch auf die Zufuhr von Lebens­ mitteln über See war jetzt nicht mehr mit Sicherheit zu rechnen, da die Syrakuser mit ihren Schiffen aufpaßten und die Ein­ fahrt zu verhindern suchten, so daß es schon dabei nicht ohne Kampf abging. Überhaupt war die Zuversicht und der Mut des Heeres dadurch erschüttert.

Hierauf sandten die Syrakuser zwölf Schiffe unter dem Befehl des Syrakusers Agatarchos hinaus. Eins aber trennte sich von ihnen, um Gesandte nach dem Peloponnes zu bringen, welche dort ihre immer noch bedenkliche Lage schildern und darauf dringen sollten', daß der Krieg drüben nachdrücklicher betrieben würde. Die übrigen elf schlugen die Richtung nach Italien ein, da bekannt geworden war, daß Schiffe mit Vor­ räten für die Athener von dort im Ansegeln seien, die sie auch trafen und größtenteils zerstörten. Bei Kaulonia steckten sie das dort für die Athener gelagerte Schiffsbauholz in Brand. Darauf fuhren sie nach Lokroi. Während sie hier vor Anker lagen, traf eins der Lastschiffe aus dem Peloponnes dort ein, auf dem sich die Hopliten aus Thespiai befanden. Die Syrakuser nahmen diese an Bord und machten sich dann auf die Rückfahrt. Die Athener aber lauerten ihnen mit zwanzig Schiffen bei Megara auf und nahmen ihnen ein Schiff mit-' samt der Mannschaft weg, während die übrigen glücklich wieder nach Syrakus gelangten.

Im Hafen aber kam es zu einem Schützengefecht um die Pfähle, welche die Syrakuser vor ihren alten Schiffshäusern in der See eingerammt hatten, damit sie mit ihren Schiffen dahinter vor Anker gehen und die Athener mit ihren Schiffen ihnen nichts anhaben könnten. Die Athener brachten nämlich ein mächtiges Lastschiff, auf dem hölzerne Türme und Schutz­ wehren angebracht waren, an sie heran und warfen aus den Booten Schlingen um die Pfähle, um sie zu lockern und dann herumzuziehen oder durch Taucher absägen zu lassen. Die

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Syrakuser schossen aus den Schtffshäusern und die Athener von ihrem Schiffe auf die Syrakuser. Schließlich gelang eS jedoch den Athenern, den größten Teil des Pfahlwerks zu zerstören. Die größte Schwierigkeit machten ihnen die blinden Pfähle. Sie waren nämlich zum Teil so tief in den Boden eingerammt, daß sie nicht aus dem Wasser sahen, so daß die herankommenden Schiffe Gefahr liefen, sich unversehens wie auf einer Klippe festzufahren. Doch auch diese wurden durch Taucher, die dafür belohnt wurden, unter Wasser abgesägt. Trotzdem stellten die Syrakuser ein neues Pfahlwerk her. Auch sonst versuchte man, wie das unter zwei sich so nah gegen­ überstehenden Heeren nicht ausbleiben konnte, einander möglichst Abbruch zu tun, und es gab beständig kleine Raufereien und Scharmützel. Die Syrakuser schickten auch Gesandte aus der Zahl der dort anwesenden Korinther, Amprakier und Lake­ dämonier an die anderen Städte, um ihnen die Nachricht zu bringen, daß sie das Plemmyrion genommen hätten und auch in der Seeschlacht nur infolge ihrer eigenen Unordnung, keines­ wegs durch die Stärke ihrer Feinde besiegt worden seien. Zugleich sollten sie ihnen von neuem verischern, daß ihre Aus­ sichten gut wären, und sie bitten, ihnen Schiffe und Truppen gegen die Athener zu Hilfe zu schicken, da diese ebenfalls ein neueS Heer erwarteten. Deshalb müßten sie schnell kommen, damit man das jetzige vernichten und dem Kriege ein Ende machen könne. Dergestalt verlief der Krieg in Sizilien.

Unterdessen hatte sich Demotshenes, sobald die Flotte, mit der er nach Sizilien sollte, beisammen war, von Agina nach dem Peloponnes aufgemacht und mit den dreißig athenischen Schiffen unter Charikles vereinigt. Darauf waren beide, nach­ dem man die Hopliten in Argos an Bord genommen, nach Lakonien weitergefahren. Hier verheerten sie zuerst die Um­ gegend Epidauros-Limera und landeten dann an der lakonischen Küste Kythera gegenüber beim Tempel des Apollon, wo sie einen Strich Landes verwüsteten. Auch legten sie auf einer vor­ springenden Landspitze ein Festungswerk an, damit die den Lakedämoniern entlaufenen Heloten sich dahin flüchten und [*]( u )

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von dort ihr Räuberhandwerk treiben und wie von Pylos Streifzüge machen könnten. Demosthenes fuhr gleich, nachdem er den Platz erst selbst noch mit in Besitz genommen hatte, mit seiner Flotte nach Kerkyra weiter, um dort noch Bundes­ genossen an Bord zu nehmen und dann die Fahrt nach Sizilien so schnell wie möglich fortzusetzen. Charikles aber blieb dort, bis der Platz befestigt war, ließ eine Besatzung darin zurück und fuhr dann mit seinen dreißig Schiffen und den Argeiern wieder nach Hause.

In diesem Sommer kamen noch dreizehnhundert jener leichtbewaffneten Säbelthraker vom Stamm der Dier in Athen an, die mit Demotshenes zu Schiff nach Sizilien gesollt hatten. Da sie aber zu spät kamen, hielt man es in Athen für besser, sie wieder nach Thrakien zurückzuschicken, woher sie gekommen waren. Denn sie für den Krieg gegen Dekeleia dort zu be­ halten, schien zu teuer, da man jedem täglich eine Drachme hätte zahlen müssen. Dekeleia war nämlich im Laufe des Sommers zuerst vom ganzen Heere befestigt und von den einander von Zeit zu Zeit ablösenden Bundestruppen besetzt geblieben und tat, seitdem es dem Feinde als Waffenplatz im Lande diente, den Athenern vielen Schaden, wobei sie nament­ lich die Verwüstung ihrer Besitzungen und den Verlust an Leuten schmerzlich empfanden. Denn früher bei den vorüber­ gehenden kurzen Einfällen hatten sie in der Zwischenzeit ihre Ländereien immer benutzen können. Jetzt aber, wo sich die Feinde dort dauernd festgesetzt hatten, bald neue größere Zuzüge kamen, bald die ständige Besatzung notgedrungen im Lande streifte und es ausplünderte, auch der persönlich anwesende lake­ dämonische König Agis den Krieg mit großem Nachdruck be­ trieb, war es für die Athener ein Pfahl im Fleische. Denn das ganze Land war in Feindes Hand, mehr als zwanzig­ tausend Sklaven, zumeist Handwerker, waren ihnen entlausen, Vieh und Zugtiere zugrunde gegangen und die Pferde infolge der von der Reiterei gegen Dekeleia und zum Schutze des Landes beständig unternommenen Streifzüge durch Überanstrengung auf dem steinigen Boden lahm oder zuschauden geworden.

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Die Zufuhr von Lebensmitteln aus Euboia, welche früher von Oropos auf dem kürzeren Landwege über Dekeleia erfolgte, war jetzt auf den Seeweg um Sunion herum angewiesen und dadurch verteuert. Überhaupt litt man in der Stadt Mangel an allem, was von auswärts eingeführt werden mußte, und die Stadt war zum Heerlager geworden. Am Tage mußten die Athener abwechselnd an der Brustwehr, bei Nacht aber alle außer den Reitern entweder auf einem der Sammelplätze oder auf der Mauer Wache halten und sich Sommer und Winter plagen. Das drückendste aber war, daß sie gleichzeitig zwei Kriege führen mußten. Dabei entwickelten sie jedoch einen so rühm­ lichen Eifer, wie ihnen vorher niemand zugetraut hätte; denn wer hätte geglaubt, daß sie, obgleich selbst durch die ihnen von den Lakedämoniern vor die Tür gebaute Festung so hart bedrängt, trotzdem Sizilien nicht aufgeben und dort Syrakus, eine schon für sich allein so mächtige Stadt wie Athen, noch belagern würden. Solche Kraft und Kühnheit kam den Griechen völlig unerwartet, da man bei Beginn deS Krieges gemeint, daß sie wohl ein oder zwei oder auch drei Jahr, keinenfallS aber länger aushalten würden, wenn die Peloponnesier ihnen ins Land fielen. Und nun gingen sie, siebzehn Jahr nach dem ersten Einfall, als ihre Kräfte durch den Krieg bereits aufs äußerste in Anspruch genommen waren, nach Sizilien und unternahmen einen zweiten nicht minder weit aussehenden Krieg wie jenen ersten peloponneisschen. Infolgedessen aber begannen jetzt, wo ihnen Dekeleia so viel Schaden tat und auch anderweit große Anforderungen an sie herantraten, ihre Kassen leer zu werden. Auch legten sie um diese Zeit ihren Unter­ tanen anstatt der bisherigen Steuer den Zwanzigsten von allen zur See ein- und ausgehenden Gütern als Abgabe auf, in der Meinung, auf diese Weise höhere Einnahmen zu erzielen. Denn ihre Ausgaben waren gegen früher sehr gestiegen und um so größer geworden, je mehr der Krieg an Umfang zu­ genommen hatte und ihre Einnahmen zurückgegangen waren.

Sie schickten also die Thraker, welche für Demotshenes zu spät gekommen waren, um bei der augenblicklichen Knapp­

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heit ihrer Geldmittel Kosten zu sparen, sogleich wieder nach Hause. Auf dem Rückwege ließen sie sie durch Diitrephes geleiten, dem sie zugleich unter den Fuß gaben, sich ihrer auf der Fahrt, die durch den Euripos ging, womöglich zu einem Handstreich gegen die Feinde zu bedienen. Der ließ sie bei Tanagra landen, um dort im Fluge etwas zu plündern, und fuhr dann spät abends mit ihnen von Chalkis auf Euboia über den Euripos nach Böotien, wo er landete und sie gegen Mykalessos führte. Die Nacht über blieb er mit ihnen un­ bemerkt bei dem etwa sechzehn Stadien von Mykalessos ent­ fernten Hermestempel unter freiem Himmel, bei Tagesanbruch aber überfiel er die Stadt und nahm sie ein, ein unbedeutendes Städtchen, dessen Bewohner keines Überfalls gewärtig waren und nie daran gedacht hatten, daß man sie da oben von der See her einmal überfallen würde. Zudem waren die Mauern schwach, hie und da verfallen und stellenweise nur niedrig, auch die Tore, weit man an keine Gefahr glaubte, nicht ge­ schlossen. Nun drangen die Thraker in die Stadt, verwüsteten Häuser und Tempel und richteten unter den Einwohnern ein Blutbad an, wobei sie weder jung noch alt verschonten, sondern alles ohne Unterschied, Weiber und Kinder, mordeten, ja selbst die Ochsen vor den Wagen und was ihnen sonst Lebendiges vorkam, totschlugen. Denn die Thraker sind eins der rohsten Barbarenvölker, und in der Wut kennt ihr Blutdurst keine Grenzen. So kam es auch hier zu entsetzlichen Auftritten und grauenvollem Würgen in jeglicher Gestalt. Unter anderem drangen sie in eine Schule, die größte am Orte, als die Kinder eben gekommen waren, und hieben sie alle nieder. Und dies beispiellos furchtbare Geschick war über die Stadt mit allem, was darin war, völlig unerwartet hereingebrochen.

Als die Thebaner die Nachricht erhielten, kamen sie so­ gleich zur Hilfe herbei. Sie holten die Thraker, die schon eine Strecke Weges wieder abgezogen waren, noch ein, nahmen ihnen die Beute ab, trieben sie in die Flucht und verfolgten sie bis an die See, den Euripos, wo die Schiffe, auf denen sie gekommen waren, vor Anker lagen. Auch töteten sie viele

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von ihnen, besonders während sie sich einschiffen wollten, da sie nicht schwimmen konnten und die Leute an Bord beim Anblick der Vorgänge am Lande die Schiffe außer Schußweite brachten. Vorher hatten sich die Thraker auf dem Rückzüge gegen die zuerst auf sie eindringende Reiterei der Thebaner leidlich gewehrt, indem sie nach ihrer heimischen Fechtweise erst wegliefen und dann geschlossen wieder vorgingen, und dabei nur wenig Tote gehabt. Eine Anzahl, die sich zu lange beim Plündern aufgehalten hatte, wurde jedoch noch in der Stadt abgefangen und niedergemacht. Im ganzen waren von den dreizehnhundert Thrakern zweihundertfunfzig, von den Thebanern und ihren Verbündeten aber zusammen etwa zwanzig Reiter und Hopliten gefallen, darunter auch der Böotarch Skirphondas aus Theben. Von den Mykalessern war wenig übriggeblieben. So viel über Mykaleffos und das Schicksal, welches die Stadt im Verhältnis zu ihrer Größe so schwer und entsetzlich wie nur einS im Laufe des Krieges betroffen hatte.

Demotshenes, der damals nach Befestigung des Platzes an der lakonischen Küste auf der Fahrt nach Kerkyra war, traf bei Pheia in Elis ein dort ankerndes Lastschiff, auf dem die korinthischen Hopliten grade nach Sizilien übersetzen wollten, und vernichtete es. Die Leute konnten sich jedoch retten und benutzten später ein anderes Schiff zur Überfahrt. Hierauf kam Demotshenes nach Zakynthos und Kerkyra, wo er noch Truppen an Bord nahm und auch von den Meffeniern in Naupaktos kommen ließ. Darauf fuhr er nach Akarnanien anf dem Fest­ lande hinüber, nach Alyzia und Anaktorion, daS im Besitz der Athener war. Während seines Aufenthalts in jener Gegend traf Eurymedon mit ihm zusammen, der schon damals im Winter mit den Geldern für das Heer abgeschickt und jetzt auf dem Rückwege von Sizilien war. Der brachte Nachrichten von dort und teilte ihm auch mit, daß er, als er bereits wieder unterwegs gewesen, noch gehört habe, die Syrakuser hätten das Plemmyrion genommen. Auch Konon, der in Naupaktos befehligte, fand sich bei ihnen ein und meldete, daß die fünf­

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undzwanzig korinthischen Schiffe ihnen immer noch gegenüber lägen und nicht daran dächten, die Feindseligkeiten einzustellen, sondern es auf eine Schlacht abgesehen hätten. Er bat sie deshalb, ihnen Schiffe zu schicken, da sie mit ihren achtzehn Schiffen nicht imstande seien, jenen fünfundzwanzig die Spitze zu bieten. Demosthenes und Eurymedon gaben ihm auch zur Verstärkung des Geschwaders bei Naupaktos zehn ihrer schnellsten Schiffe mit. Sie selbst aber machten sich auf, um noch Truppen zusammenzubringen. Eurymedon fuhr nach Kerkyra, ließ dort fünfzehn Schiffe bemannen und schweres Fuß­ volk ausheben. Denn jetzt nach der Rückkehr trat auch er hier neben Demotshenes als Oberfeldherr auf, wozu er ja mit ihm gewählt worden war. Demosthenes aber blieb in Akarnanien, um dort im Lande Speerschützen und Schleuderer aufzubieten.

Als die damals nach der Einnahme des Plemmyrions an die anderen Städte geschickten Gesandten der Syrakuser ihren Zweck bei ihnen erreicht und Truppen zusammengebracht hatten, wollten sie sich damit nach Syrakus aufmachen. Nikias aber, der davon vorher gehört hatte, schickte an die Sikeler, nach Kentoripa, Alikyai und andere mit Athen verbündete Orte, durch deren Gebiet sie ziehen mußten, und forderte sie auf, die Feinde nicht durchzulassen, sondern ihnen mit vereinten Kräften den Weg zu verlegen. Einen anderen hätten sie nämlich nicht nehmen können, da Akragas den Durchzug durch sein Gebiet nicht gestattete. Als die Sikelioten schon auf dem Marsche waren, legten ihnen die Sikeler denn auch nach dem Wunsche der Athener einen Hinterhalt, überfielen sie plötzlich unver­ sehens und erschlugen gegen achthundert, auch die Gesandten alle bis auf einen, den Korinther, der dann mit den fünf­ zehnhundert glücklich Entkommenen nach Syrakus gelangte.

In diesen Tagen kamen auch fünfhundert Hopliten, drei­ hundert Speerschützett und dreihundert Bogenschützen, welche die Kamariner den Syrakusern zu Hilfe geschickt, bei ihnen an. Auch Gela schickte fünf Schiffe mit vierhundert Speerschützen und zweihundert Reitern. Denn bis auf Akragas, das neutral

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blieb, machten jetzt fast alle sizilischen Griechen, auch wenn sie vorher eine abwartende Haltung eingenommen, mit Syrakus gegen die Athener gemeinshcaftliche Sache. Die Syrakuser aber stellten infolge der Niederlage im Gebiet der Sikeler die Angriffe auf die Athener vorläufig ein. Demotshenes und Eurymedon, deren Heer inzwischen durch die Truppen aus Kerkyra und vom Festlande verstärkt worden war, fuhren nun mit der ganzen Flotte durch das Ionische Meer nach dem Japygischen Vor­ gebirge hinüber und von da weiter nach den zu Japygien gehörenden Choiradischen Inseln, wo sie anlegten und etwa hundertfunfzig japygische Speerschützen vom Stamme der Messapier an Bord nahmen und mit Artas, einem dortigen Fürsten, der ihnen auch die Leute gestellt hatte, ein altes » Bündnis erneuerten. Darauf kamen sie nach Metapontion in Italien und bewogen die Einwohner, ihnen den bestehenden Verträgen gemäß dreihundert Speerschützen und zwei Trieren mitzugeben, mit denen sie dann an der Küste entlang die Fahrt nach Thurien fortsetzten. Hier trafen sie ein, als die Gegner der Athener kurz vorher bei einem Aufstande aus der Stadt vertrieben waren, und beschlossen deshalb, dort auf etwaige Nachzügler zu warten und ihre ganze Flotte zu vereinigen, auch die Thurier zu bereden, sich am Kriege mit vollem Eifer zu beteiligen und jetzt, wo sie dazu in der glücklichen Lage seien, ein Schutz- und Trutzbündnis mit Athen einzugehen. Zu dem Ende blieben sie also einstweilen in Thurien.

Um dieselbe Zeit richteten sich die Peloponnesier auf den fünfundzwanzig Schiffen, welche zum Schutz der nach Sizilien abgehenden Lastschiffe der athenischen Flotte bei Naupaktos gegenüber lagen, auf eine Seeschlacht ein, bemannten noch einige Schiffe, so daß sie nicht viel weniger als die Athener hatten, und gingen bei Erineos in Achaia im Gebiet der Stadt Rhypes vor Anker. Da ihr Ankerplatz sichelförmig war, hatte das zu ihrer Unterstützung gekommene Landheer der Korinther und der dortigen Bundesgenossen neben ihnen zu beiden Seiten eine Stellung auf den vorspringenden Land­ spitzen eingenommen, zwischen denen die Schiffe eine geschlossene

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Linie bildeten. Den Befehl über die Flotte führte der Korinther Polyanthes. Nun gingen die Athener aus Naupaktos mit dreiunddreißig Schiffen unter Diphilos gegen sie vor. Anfangs rührten sich die Korinther nicht, dann aber, als es ihnen an der Zeit schien, setzten sie sich auf ein gegebenes Zeichen gegen die Athener in Fahrt, und die Schlacht begann. Längere Zeit hielten beide einander die Wage. Den Korinthern wurden drei Schiffe vernichtet, den Athenern zwar keins zum Sinken gebracht, aber sieben außer Gefecht gesetzt, indem sie beim Zusammenstoß vorn vor den Ruderbänken von den korinthischen Schiffen gerammt wurden, die zu dem Ende mit tsärkeren Sturmbalken versehen waren. Die Schlacht aber blieb un­ entschieden, so daß beide Teile sich den Sieg zuschrieben. Doch bargen die Athener die Schiffstrümmer, da sie durch den Wind » in die offene See getrieben wurden und die Korinther den Angriff nicht erneuerten. Damit war die Sache zu Ende, es gab keine Verfolgung, und keiner von beiden hatte Gefangene gemacht. Denn die Korinther und Peloponnesier, welche nahe am Lande gefochten, konnten sich leicht retten, und den Athenern war kein einziges Schiff versenkt worden. Als die Athener wieder nach Naupaktos abgefahren waren, errichteten die Korinther sogleich ein Siegeszeichen, indem sie sich den Sieg zuschrieben, weil sie mehr feindliche Schiffe kampfunfähig ge­ macht hatten und sich auch deshalb als Sieger ansahen, weil die anderen das nicht taten. Denn die Korinther glaubten schon gesiegt zu haben, wenn sie nicht gründlich geschlagen waren, die Athener aber sahen die Schlacht nicht als gewonnen an, weil sie die Gegner nicht gründlich besiegt hatten. Nach­ dem die Flotte der Peloponnesier abgefahren und ihr Land­ heer auseinandergegangen war, errichteten die Athener, weil sie die Schlacht gewonnen, auch ihrerseits in Achaia ein Siegeszeichen, etwa zwanzig Stadien von Erineos, wo die Korinther vor Anker gelegen hatten. So verlief die See­ schlacht.

Demosthenes und Eurymedon aber ließen, als die Thurier ihnen siebenhundert Hopliten und dreihundert Speerschützen

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gestellt, die Schiffe längs der Küste ins Krotonische fahren, während sie selbst, nachdem sie erst noch am Sybaris Heer­ schau gehalten, mit dem ganzen Landheere durch das Gebiet von Thurioi weiterzogen. Als sie am Hylias angekommen waren, wurde ihnen durch eine Gesandtschaft aus Kroton angekündigt, daß man ihnen den Durchzug mit dem Heere nicht gestatten werde. Sie zogen deshalb an die See hinunter und lagerten dort im Freien an der Mündung des Hylias, wo ihre Schiffe ebenfalls eintrafen. Am folgenden Tage schifften sie das Heer ein und setzten die Fahrt an der Küste fort, auf der sie, mit Ausnahme von Lokroi, die Städte dort anliefen, bis sie nach Petra im Gebiet von Rhegion gelangten.

Inzwischen hatten die Syrakuser die Nachricht erhalten, - daß sie mit ihren Schiffen im Anzüge seien, und wollten nun, bevor sie einträfen, mit der Flotte und ihren Streitkräften zu Lande, die sie zu dem Zwecke zusammenzogen, nochmals einen Schlag führen. Auf der Flotte trafen sie vershciedene Ein­ richtungen, von deren Zweckmäßigkeit sie sich in der vorigen Schlacht überzeugt hatten; insbesondere verkürzten sie die Schnäbel der Schiffe, um sie widerstandsfähiger zu machen, versahen die Vorderteile mit dicken Sturmbalken und unter­ stützten diese durch starke, teils außen, teils inwendig an den Schiffswänden verstrebte, sechs Ellen lange Widerlagen, eine Verbesserung, wie sie auch die Korinther in der Schlacht bei Naupaktos an den Schnäbeln ihrer Schiffe vorgenommen hatten. Denn da die Schiffe der Athener anders gebaut waren und schwächere Schnäbel hatten, weil sie das feindliche Schiff nicht vorn, sondern durch eine geschickte Wendung von hinten zu treffen suchten, so glaubten die Syrakuser es auf diese Weise mit ihnen aufnehmen und ihnen im großen Hafen, wo die Schiffe in einem engen Raume kämpfen mußten, unter günstigen Bedingungen eine Schlacht liefern zu können. Bei ihrem gegen das Vorderteil des feindlichen Schiffes gerichteten Stoß würde nämlich der wuchtige, feste Schnabel dessen schwache und bauchige Teile treffen und ihm den Bug aufreißen, den Athenern aber in dem engen Raume weder möglich sein, ihre Schiffe von

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hinten zu treffen, noch ihnen durch die Ruder zu fahren; denn dieses, ihr Lieblingsmanöver, würden sie ihrerseits nach Kräften zu verhindern wissen, jenes aber, das Umfahren, werde die Enge des Raumes von selbst verbieten. Und was man früher als eine Ungeschicklichkeit ihrer Steuerleute angesehen, daß sie auf das Vorderteil des feindlichen Schiffes gehalten, grade das wollten sie sich jetzt selbst zunutze machen, weil sie dabei im Vorteil wären. Den Athenern würde nämlich, wenn sie den Stoß erhalten, nichts übrigbleiben, als sich auf den nahen Strand nach ihrem Lagerplatze zurückzuziehen, während ihnen der ganze übrige Hafen zu Gebote stände, und wenn sie zurück müßten und dann mit allen Schiffen auf einen einzigen engen Fleck angewiesen wären, so würden ihre Schiffe sich stoßen und in Verwirrung geraten; wie es denn auch wirklich für die Athener in alle den damaligen Seegefechten besonders nach­ teilig geworden ist, daß sie nicht wie die Syrakuser durch den ganzen Hafen zurückrudern konnten. Auch würden die Athener, da sie, die Syrakuser, es in der Hand hätten, sie nach Belieben von der See her anzugreifen oder sich^zurükczuziehen, nicht um die Landspitze herum in die offene See gelangen können, zumal das Plemmyrion in Feindes Hand und die Mündung des Hafens nur schmal sei.

Nachdem die Syrakuser sich diesen Plan nach bestem Wissen und Vermögen ausgedacht hatten, auch ihr Selbstvertrauen seit der vorigen Seeschlacht gewachsen war, entschlossen sie sich, nunmehr zugleich mit der Flotte und dem Landheere zum An­ griff zu schreiten. Mit den Truppen aus der Stadt rückte Gylippos schon etwas früher aus und führte sie an die athe­ nische Mauer, soweit diese auf die Stadt gerichtet war. Von der anderen Seite rückten die Hopliten, Reiter und leichten Völker der Syrakuser vom Olympieiou her gegen die Mauer vor, und bald nachher kamen auch die Schiffe der Syrakuser zum Vorschein. Anfangs glaubten die Athener, es sei nur auf einen Angriff mit dem Landheere abgesehen. Als sie dann plötzlich auch die Schiffe kommen sahen, wurden sie ershcrocken und stellten sich zum Teil auf und an der Mauer dem dort

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andringenden Feinde gegenüber in Schlachtordnung, während andere gegen die draußen vom Olympieion eilig herankommenden zahlreichen Reiter und Speerschützen vorrückten. Wieder andere eilten an den Strand, um sich auf die Schiffe zu begeben, und fuhren, sobald die Mannschaft eingeschifft war, mit fünf­ undsiebzig Schiffen dem Feinde entgegen. Die Syrakuser aber hatten etwa achtzig.

Nachdem beide den Tag über lange vor- und rückwärts gerudert und ihre Kräfte gemessen hatten, ohne einen nennens­ werten Erfolg zu erzielen, nur daß die Syrakuser den Athenern ein paar Schiffe versenkt hatten, stellten sie den Kampf ein. Gleichzeitig zog sich auch ihr Landheer von der Mauer zurück. Am folgenden Tage ließen sich die Syrakuser nicht blicken, und man merkte nicht, was sie vorhatten. Da Nikias sah, daß die Schlacht unentshcieden geblieben war, und sich auf einen neuen Angriff gefaßt machte, wies er die Trierarchen an, ihre Schiffe, soweit sie beschädigt waren, wieder auszu­ bessern, und verankerte Lastschiffe vor dem Pfahlwerke der Athener, das er in Ermangelung eines umshclossenen Hafens zum Schutze der Schiffe in der See angelegt hatte. Die Lastschiffe wurden in Abständen von zwei Plethren verlegt^ damit die etwa gefährdeten Kriegsschiffe sich in Sicherheit zurückziehen und ungehindert wieder auskaufen könnten. Mit diesen Zurüstungen waren die Athener bis in die Nacht be­ schäftigt.

Am Tage darauf eröffneten die Syrakuser den Kampf gegen die Athener in derselben Weise, jedoch schon zu früherer Stunde, mit dem Heere und der Flotte von neuem. Und wiederum hielten sie einander wie das erstemal einen großen Teil des Tages das Widerspiel, bis Ariston, Pyrrichos' Sohn, der beste Steuermann auf seiten der Syrakuser, den Befehls­ habern auf ihrer Flotte riet, den Marktvögten in der Stadt sagen zu lassen, sie sollten den Hokenmarkt auf den Strand ver­ legen und die Verkäufer zwingen, alles, was sie an Eßwaren hätten, dort feilzubieten, damit ihre Seeleute schnell ans Land gehen und in unmittelbarer Nähe der Schiffe was essen und

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dann die Athener noch an demselben Tage unversehens wieder angreifen könnten.

Auf seinen Rat schickten die auch einen Boten in die Stadt, und der Markt wurde dort aufgeschlagen. Nun zogen sich die Syrakuser, Ruder rückwärts, an die Stadt zurück, gingen geschwind ans Land und verzehrten dort ihre Mahlzeit. Die Athener aber glaubten, sie hätten sich nach der Stadt zurück- gezogen, weil sie die Schlacht verloren gäben, gingen ruhig ans Land an ihre Geschäfte oder zum Essen und meinten, daß es an dem Tage wohl nicht mehr zur Schlacht kommen würde. Plötzlich aber waren die Syrakuser wieder an Bord und ruderten auf sie zu. Nun eilten auch sie in wilder Hast, meist noch mit leerem Magen, aufs Geratewohl wieder auf die Schiffe, und nur mit Mühe gelang es, diese endlich gegen den Feind zu führen. Eine Zeitlang standen sich beide Aug' in Auge untätig gegenüber. Dann aber entschlossen sich die Athener, um nicht bei längerem Warten zu ermüden und sich durch eigene Schuld eine Niederlage zuzuziehen, unverzüglich anzugreifen, warfen sich, einander durch Zuruf anfeuernd, auf den Feind und begannen das Gefecht. Die Syrakuser nahmen den Kampf auf, wobei sie ihrem Plane gemäß mit ihren Schiffen auf das Vorderteil der feindlichen Schiffe hielten und mittels der dort angebrachten Sturmbalken vielen von ihnen den Bug aufrissen, während die Speerschützen auf dem Verdeck - den Athenern großen Schaden taten. Noch gefährlicher aber wurden diesen die syrakusischen Schützen, welche sie in den Booten umshcwärmten, sich in das Ruderwerk der feindlichen Schiffe drängten oder ihnen an die Seite kamen und vom Boote aus ihre Matrosen beschossen.