History of the Peloponnesian War

Thucydides

Thucydides. Geschichte des Peloponnesischen Kriegs. Braun, Theodor, translator. Leipzig: Insel-Verlag, 1917.

Nach ihrer Ankunft dort verhandelten die Gesandten mit den Lakedämoniern über die Bedingungen, unter denen das Bündnis geschlossen werden sollte. Zuerst verlangten die Argeier, über die Landschaft Kynosuria mit den Städten Thyrea und . Anthene, jenes von jeher streitige, zurzeit im Besitz der Lake­ dämonier befindliche Grenzland, solle einer Stadt oder einem einzelnen Vertrauensmann die schiedsrihcterliche Entscheidung übertragen werden. Die Lakedämonier erklärten jedoch von vornherein, davon könne keine Rede sein; wollten sie aber einen Frieden wie früher schließen, so seien sie dazu bereit. Hieraus schlugen die argeiischen Gesandten vor, die Lakedämonier möchten sich für jetzt wenigstens dazu verstehen, einen Frieden auf fünfzig Jahre zu schließen, dabei aber beiden Teilen das Recht vorbehalten, wenn es in Lakedämon und Argos weder Krieg noch Krankheit gäbe, zu verlangen, daß der Streit über jene Landschaft durch einen Waffengang ausgetragen werde, wie schon früher einmal, als sich beide den Sieg zugeschrieben, bei dem es jedoch keinem gestattet sein solle, den anderen über die Grenze von Argos und Lakedämon hinaus zu verfolgen. Die Lakedämonier hielten das anfangs für Torheit; da ihnen aber zu sehr daran lag, mit Arges auf guten Fuß zu kommen, nahmen sie ihren Vorschlag dann doch an und faßten den Vertrag darüber schriftlich ab. Sie verlangten jedoch, bevor er in Kraft träte, sollten sie sich wieder nach Argos begeben, um ihn der Volksversammlung vorzulegen, und, wenn diese zugestimmt, sich zu den Hyakinthien zur Eidesleistung einfinden.

Darauf reisten die Gesandten wieder ab. Während die Argeier hierüber verhandelten, fanden die Gesandten der Lake­ dämonier, Andromedes, Phaidimos und AntimenidaS, welche Panakton und die Kriegsgefangenen von den Böotiern über­ nehmen und den Athenern herausgeben sollten, daß die Böotier Panakton bereits selbst geschleift hatten, indem sie sich dafür

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auf ein vorzeiten bei einem Streit zwischen ihnen und den Athenern getroffenes altes Abkommen beriefen, wonah cdas Land dort nicht bebaut werden, sondern beiden als gemeine Viehweide dienen sollte. Die in den Händen der Böotier be­ findlichen athenischen Kriegsgefangenen aber, die ihnen aus­ geliefert wurden, brachten sie nach Athen und gaben sie den Athenern zurück, setzten sie auch davon in Kenntnis, daß Panakton geschleift sei, in der Meinung, das sei so gut, als ob sie ihnen auch dies zurückgegeben hätten, da sich dort jetzt kein Feind der Athener mehr einnisten könne. Die Athener waren hier­ über empört; denn Panakton sollte ihnen im bisherigen Zu­ stande übergeben werden, und in der Schleifung sahen sie einen hämischen Streich der Lakedämonier, zumal sie erfuhren, daß diese auf eigene Hand ein Bündnis mit den Böotiern ge­ schlossen hatten, während sie sich doch dazu verpflichtet, die dem Frieden nicht beigetretenen Staaten gemeinschaftlich mit ihnen dazu zu zwingen. Unter dem Eindruck, daß die Lake­ dämonier auch noch in anderen Beziehungen dem Vertrage nicht nachgekommen, glaubten sie sich hintergangen und ent­ ließen deshalb die Gesandten mit einer ungnädigen Antwort.

Bei der dadurch zwischen den Lakedämoniern und den Athenern eingetretenen Verstimmung suchten nun auch in Athen die Gegner des Friedens es gleich vollends zum Bruch zu treiben. Zu ihnen gehörte insbesondere auch Alkibiades, Kleinias' Sohn, damals in Vergleich mit anderen Städten noch ein junger Mann, der jedoch als Sohn einer altangesehenen Familie bereits die Augen auf sich zog. Allerdings hielt er einen engeren Anschluß an die Argeier auch an sich fü^ vorteil­ haft, war aber schon aus Stolz und gekränktem Ehrgeiz ein Gegner des Friedens, weil die Lakedämonier darüber durch Nikias und Laches verhandelt, ihn aber seiner Jugend wegen beiseitegelassen hatten, ohne aus die ehemalige alte Staats­ gastfreundschaft Rücksicht zu nehmen, die sein Großvater freilich aufgegeben, er selbst aber durch die ihren Gefangenen von der Insel erwiesenen Gefälligkeiten erneuert zu haben meinte. Weil er sich in jeder Hinsicht zurückgesetzt fühlte, hatte er von An­

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fang an gegen den Frieden gesprochen und behauptet, auf die Lakedämonier sei kein Verlaß, sie schlössen nur deshalb Frieden, weil sie sich mit den Argeiern verbinden und sie von den Athenern trennen wollten, um diese hinterher allein von neuem anzugreisen. Und so schickte er auch damals, als jene Ver­ stimmung eingetreten war, auf eigene Hand gleich eine Auf­ forderung an die Argeier, sich unverzüglich mit Mantineern und Eleern in Athen einzufinden und um ein Bündnis nach­ zusuchen, wozu es jetzt au der Zeit sei und er ihnen gern be­ hilflich sein würde.

Nachdem die Argeier diese Aufforderung erhalten und erfahren hatten, daß das Bündnis mit den Böotiern ohne die Athener geschlossen war, diese vielmehr mit den Lakedämoniern gründlich zerfallen seien, nahmen sie weiter keine Rücksicht darauf, daß ihre Gesandten damals in Lakedämon noch über ein Bündnis verhandelten, sondern zogen es vor, sich nach Athen zu wenden, in der Hoffnung, diese ihnen von alters her befreundete, wie sie demokratische und zur See mächtige Stadt, wenn es zum Kriege käme, auf ihrer Seite zu haben. Sie schickten also gleich Gesandte nach Athen, um über ein Bündnis zu verhandeln, und ebenso die Eleer und die Mantineer. So­ fort aber schickten auch die Lakedämonier Gesandte nach Athen, Philocharidas, Leon und Eudios, drei ihrer Meinung nach dort gern gesehene Männer, aus Furcht, die Athener könnten in ihrem Ärger ein Bündnis mit den Argeiern eingehen, zu­ gleich aber auch, um auf die Herausgabe von Pylos für Panakton zu dringen und sich wegen des Bündnisses mit den Böotiern zu rechtfertigen, das ja keineswegs gegen Athen ge­ richtet sei.

Als sie dies im Rate vortrugen und dabei erklärten, daß sie unbeschränkte Vollmacht hätten, alle Streitigkeiten beizulegen, fürchtete Alkibiades, wenn sie das auch dem Volke sagten, möchte es ihnen zufallen und aus dem Bündnis mit Argos nichts werden. Er nahm deshalb ihnen gegenüber Zuflucht zu einer List und versicherte ihnen mit dem ehrlichsten Gesichte, wenn sie vor dem Volke nichts von ihrer unbeschränkten Voll­

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macht sagten, so würde er ihnen Pylos verschaffen und auch im übrigen alles ins reine bringen; denn wie jetzt gegen sie, werde er die Athener auch für sie einzunehmen wissen. Er tat das, um sie Nikias nicht in die Hände fallen zu lassen und um sie beim Volke als unzuverlässige Kunden, die bald so, bald anders sprächen, in Mißkredit zu bringen und das Bündnis mit Argos, Elis und Mantinea durchzusetzen. Und das gelang ihm auch. Denn als sie in der Volksversammlung auftraten und auf Befragen nicht, wie vor dem Rate, erklärten, daß sie mit unbeschränkter Vollmacht kämen, wollten die Athener nichts mehr von ihnen wissen, sondern hörten nur noch auf Alkibiades, der nun erst recht auf die Lakedämonier loszog. Am liebsten hätten sie die Argeier und ihre Freunde gleich vorgelassen und ein Bündnis mit ihnen geschlossen. Da jedoch, ehe es dazu kam, ein Erdbeben eintrat, wurde die Versammlung für diesmal vertagt.

Obgleich Nikias durch die den Lakedämoniern gegenüber geglückte Finte, von dem Mangel der Vollmacht dürfe keine Rede sein, selbst auch getäuscht worden war, sprach er sich in der Versammlung am folgenden Tage trotzdem dafür aus, an der Freundschaft mit den Lakedämoniern festzuhalten und auf die Wünsche der Argeier vorläufig lieber nicht einzugehen. Man möge vielmehr zunächst Gesandte an sie schicken, um sich darüber zu vergewissern, worauf sie hinaus wollten^ Dabei hob er hervor, daß es im Interesse der Athener, nicht aber der Argeier läge, es noch nicht zum Kriege kommen zu lassen; denn für Athen in seiner glücklichen Lage sei es erwünscht, den jetzigen Zustand so lange wie möglich aufrechtzuerhalten, den armen Argeiern aber werde ein baldiger Ausbruch des Krieges wie gefunden kommen. Er bewog auch die Athener, Gesandte an die Lakedämonier zu schicken, zu denen er selbst auch gehörte, um sie aufzufordern, Panakton gehörig heraus­ zugeben und Amphipolis abzutreten, und wenn die Böotier dem Frieden nicht beiträten, das Bündnis mit ihnen wieder aufzulösen, da doch ausgemacht sei, daß keiner ohne den andern Bündnisse schließen dürfe. Zugleich sollten sie ihnen zu ver­ [*]( II )

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stehen geben, daß auch sie, wären sie nicht so ehrlich gewesen, längst ein Bündnis mit den Argeiern hätten schließen können, die sich ja selbst zu dem Zweck bei ihnen eingefunden. Dies alles und worüber man sich sonst noch beschweren zu können glaubte, zur Sprache zu bringen, wurde Nikias denn auch mit den übrigen Gesandten nach Lakedämon geschickt. Dort angekommen, entledigten sie sich ihres Auftrags und erklärten schließlich, wenn die Lakedämonier das Bündnis mit den Böotiern nicht aufgäben, falls diese dem Frieden nicht beiträten, so würde auch Athen ein Bündnis mit den Argeiern und deren Bundesgenossen schließen. Die Lakedämonier erwiderten jedoch, wie der Ephor Lenares mit seinen Anhängern und sonstigen Gesinnungsgenossen das durchgesetzt hätte, sie würden das Bündnis mit den Böotiern nicht aufgeben. Indessen verstanden sie sich doch auf Nikias' Wunsch dazu, den Vertrag von neuem zu beshcwören. Nikias fürchtete nämlich, daß er bei den Athenern drunterdurch sein würde, wenn er mit leeren Händen zurück­ kehrte, und so kam es auch in der Tat, da man ihn als den Urheber des Friedens mit den Lakedämoniern ansah. Als die Athener nach seiner Rückkehr hörten, daß man in Lakedämon nichts erreicht habe, waren sie empört und schlossen im Gefühl der ihnen widerfahrenen Kränkung auf der Stelle mit den noch anwesenden, von Alkibiades eingeführten Argeiern und ihren Verbündeten Frieden und Bündnis, und zwar dahin:

„Frieden aus hundert Jahr haben die Athener und die Argeier, Eleer und Mantineer für sich und die ihnen beider­ seits untergebenen Bundesgenossen geschlossen, unverbrüchlich nnd ohne Gefährde, sowohl zu Lande wie zur See. Wegen vermeintlicher Ansprüche Waffengewalt anzuwenden oder sich List und ähnlicher Mittel zu bedienen, soll weder den Argeiern, Eleern und Mantineern und deren Bundesgenossen gegen die Athener und die ihnen untergebenen Bundesgenossen, noch den Athenern und ihren Bundesgenossen gegen die Argeier, Eleer und Mantineer und deren Bundesgenossen gestattet sein. Die Athener und die Argeier, Eleer und Mantineer schließen ein Bündnis auf hundert Jahr unter folgenden Bedingungen.

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Wenn den Athenern ein Feind ins Land fällt, sollen die Argeier, Eleer und Mantineer den Athenern auf Verlangen, soweit es in ihrer Macht steht, nach Kräften zu Hilfe kommen. Wäre er nach Verheerung des Landes wieder abgezogen, so soll er von den Argeiern, Mantineern, Eleern und Athenern als Feind behandelt und sein Land von allen diesen Staaten verheert werden. Keinem dieser Staaten soll erlaubt sein, mit dem feindlichen Staate ohne Zustimmung aller übrigen Frieden zu schließen. Wenn den Eleern, Mantineern oder Argeiern ein Feind ins Land fällt, sollen die Athener den Argeiern, Mantineern und Eleern auf Verlangen, soweit es in ihrer Macht steht, nach Kräften zu Hilfe kommen. Wäre er nach Verheerung des Landes wieder abgezogen, so soll er von den Athenern, den Argeiern, Mantineern und Eleern als Feind behandelt und sein Land von allen diesen Staaten ver­ heert werden. Keinem dieser Staaten soll erlaubt sein, mit dem feindlichen Staate ohne Zustimmung aller übrigen Frieden zu schließen. Fremdem Kriegsvolk soll keiner von ihnen Durch­ zug durch sein Gebiet oder das der ihm untergebenen Bundes­ genossen gestatten, auch nicht auf dem Seewege, wenn nicht sämtliche Staaten, Athen, Argos, Mantinea und Elis, damit einverstanden sind. Der Staat, welcher einem anderen Hilfs­ truppen schickt, hat sie bis zu dreißig Tagen von da an, wo sie das Gebiet des Hilfe begehrenden Staates betreten, zu verpflegen, und ebenso soll es gehalten werden, wenn sie wieder abziehen. Wünscht der die Hilfe begehrende Staat die Truppen länger zu behalten, so hat er die Kosten der Verpflegung zu übernehmen und für den Hopliten, den Leichten und den Bogenschützen drei äginetische Obolen, für den Reiter eine äginetische Drachme täglich zu zahlen. Solange der Krieg im Lande des die Hilfe begehrenden Staates geführt wird, steht ihm der Oberbefehl zu. Wenn aber die Staaten einen gemeinschaftlichen Feldzug anderswohin zu unternehmen be­ schließen, so sollen sie alle gleichmäßig am Oberbefehl be­ teiligt sein.

Die Athener sollen den Frieden für sich und ihre Bundes­

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genossen, die Argeier, Mantineer, Eleer und ihre Bundes­ genossen aber Stadt für Stadt beschwören. Jeder soll den bei ihm landesüblichen höchsten Eid leisten beim Opfer ausge­ wachsener Tiere. Der Eid aber soll also lauten: Ich will den Bund, so wie er geschlossen ist, halten, ehrlich, unverbrüchlich, ohne Gefährde, und ihn durch keinerlei Ausflüchte oder Winkel­ züge zu umgehen suchen. In Athen soll der Eid von dem Rate und den Beamten für das Innere (Archai endemoi) ge­ leistet, von den Prytanen abgenommen werden. In Argos soll er von dem Rate, den Achtzig und den Artynen geleistet und von den Artynen abgenommen, in Mantinea von den Deminrgen, dem Rate und den übrigen Beamten geleistet, von den Theoren und den Polemarchen abgenommen, in Elis von den Demiurgen, den höchsten Beamten und den Sechshundert geleistet, von den Demiurgen und den Thesmophylaken abge­ nommen werden. Die Athener sollen den Eid in Elis, Man­ tinea und Argos erneuern und sich dazu dreißig Tage vor den olympischen Spielen dorthin begeben, die Argeier, Eleer und Mantineer aber in Athen und sich dazu zehn Tage vor den großen Panathenäen dort einfinden. Der Vertrag über Frieden, Eid und Bündnis ist inschriftlich auf einer steinernen Säule anzubringen von den Athenern auf der^Burg, von den Argeiern auf dem Markte am Tempel des Apollon, von den Mantineern auf dem Markte am Tempel des Zeus. In Olympia aber soll das nächstemal bei den olympischen Spielen eine eherne Säule gemeinschaftlich von ihnen aufgestellt werden. Würden diese Staaten es für angemessen halten, dem Vertrage etwas hinzu­ zufügen, so soll das darüber nach gemeinsamer Beratung von ihnen übereinstimmend Beschlossene fortan maßgebend sein."

Dergestalt wurde der Friede und das Bündnis geschlossen. Die zwischen den Lakedämoniern und den Athenern bestehenden Verträge aber wurden darum doch von keiner Seite gekündigt. Die Korinther aber traten, obwohl sie mit den Argeiern ver­ bündet waren, dem Bunde nicht bei, wie sie auch schon dem vorher von den Eleern, Argeiern und Mantineern geschlossenen Schutz- und Trutzbündnis nicht beigetreten waren, sondern

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erklärt hatten, daß ihnen das bisherige Schutzbündnis genüge. So trennten sich die Korinther von den Verbündeten und wandten sich den Lakedämoniern wieder zu.

In diesem Sommer fanden die olympischen Spiele statt, bei denen der Arkadier Androsthenes im Ring- und Faust­ kampf den ersten Preis gewann. Die Lakedämonier wurden von den Eleern zum Feste nicht zugelassen, so daß sie weder an den Opfern noch an den Wettkämpfe.n teilnehmen dursten, weil sie die Strafe nicht bezahlt, zu der die Eleer sie nach olympischem Recht verurteilt hatten, indem sie behaupteten, sie hätten während des olympischen Friedens das feste Phyrkos angegriffen und ihre Hopliten nach Lepreon geschickt. Die Strafe betrug zweitausend Minen, zwei Minen für jeden Hopliten, wie es das Gesetz bestimmte. Die Lakedämonier er­ hoben durch ihre Abgesandten dagegen Widerspruch, weil sie mit Unrecht verurteilt seien; denn der Friede sei in Lakedämon noch gar nicht angesagt gewesen, als sie die Hopliten ab­ geschickt. Die Eleer aber erklärten, bei ihnen sei damals schon Friede gewesen, - sie lassen ihn nämlich in Elis selbst zuerst ansagen, - und während sie sich auf den Frieden verlassen, hätten sie ihnen hinterrücks diesen Streich gespielt. Die Lake­ dämonier erwiderten, wären die Eleer schon damals von ihrer Schuld überzeugt gewesen, so hätten sie nicht nötig gehabt, den Frieden nachher noch in Lakedämon ansagen zu lassen, und doch hätten sie das getan, weil sie die Sache damals anders angesehen; seitdem aber hätten die Lakedämonier keinerlei Feindseligkeiten mehr gegen sie verübt. Die Eleer blieben jedoch dabei, sie könnten sich von ihrer Unschuld nicht über­ zeugen; wenn sie ihnen aber Lepreon herausgeben wollten, so würden sie nicht nur auf ihren Anteil an dem Gelde ver­ zichten, sondern auch das, was dem Gotte davon gebühre, selbst für sie bezahlen.

Als die Lakedämonier das ablehnten, schlugen sie weiter vor, wenn sie das nicht wollten, möchten sie Lepreon immerhin behalten, dann aber, falls sie doch am Feste teilzunehmen wünschten, sich in Gegenwart der Griechen am Altar des

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olympischen Zeus eidlich verpflichten, die Strafe später zu ent­ richten. Da die Lakedämonier auch das nicht wollten, blieben sie im Feste von den Opfern und den Wettkämpfen ausge­ schlossen und opferten zu Hause. Die übrigen Griechen aber mit Ausnahme der Lepreer fanden sich zum Feste ein. Die Eleer fürchteten jedoch, die Lakedämonier könnten die Teil­ nahme an den Opfern mit Gewalt erzwingen, und ließen des­ halb den Festplatz durch ihre bewaffnete junge Mannschaft bewachen. Auch erhielten sie aus Argos und Mantinea je tausend Mann zur Unterstützung und aus Athen Reiter, welche das Fest über in Argos blieben. Die versammelten Fest­ genossen aber waren in großer Furcht vor einem bewaffneten Überfall der Lakedämonier, namentlich seitdem der Lakedämonier Lichas, Arkesilaos' Sohn, auf dem Festplatze auf Befehl der Festordner ausgepeitscht war. Dessen Gespann hatte nämlich gesiegt; da er aber unerlaubterweise am Wettkampfe teil­ genommen hatte, wurde der Preis einem böotischen Staats­ gespanne zuerkannt. Da war er denn selbst in die Schranken getreten und hatte seinen Wagenlenker bekränzt, um zu zeigen, daß das sein Wagen wäre. Infolgedessen fürchteten sich alle erst recht und glaubten, eS würde was geben. Die Lakedämonier aber kamen nicht, und so verlief das Fest ungestört. Nach dem Feste begaben sich die Argeier und ihre Bundesgenossen nach Korinth, um die Korinther zum Anschluß an ihr Bündnis aufzufordern. Zufällig waren dort grade auch Gesandte aus Lakedämon anwesend. Trotz längerer Verhandlungen aber kam es dort zu nichts, und als ein Erdbeben eingetreten war, reisten alle wieder nach Hause. Damit endete der Sommer.

Im folgenden Winter kam es zu einer Schlacht zwischen den Herakleern in Trachis und den Ainianern, Dolopern, Meliern und einigen anderen thessatischen Völkerschaften. Diese Stämme dort in der Nachbarschaft lebten nämlich mit Heraklea auf dem Kriegsfuße; denn die Stadt war ja eben als ein Trutzwerk ihnen gegenüber angelegt, und deshalb hatten sie ihr von Anfang an Schwierigkeiten gemacht und nach Kräften Abbruch getan. Auch in dieser Schlacht besiegten sie die

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Herakleer, und deren Anführer, der Lakedämonier XenareS, Knidiö' Sohn, und eine Anzahl Herakleer blieben auf dem Platze. Damit endete der Winter und das zwölfte Jahr des Krieges.

Gleich im Beginne des nächsten Sommers wurde Herakles, das nach der Schlacht übel genug gefahren war, von den Böotiern besetzt und der Lakedämonier Hagesippidas mit Rück­ sicht auf die unter seiner Verwaltung eingerissenen Mißbräuche durch sie von dort entfernt. Der Grund, weshalb sie die Stadt besetzten, war die Besorgnis, daß die Athener, während die Lakedämonier durch die peloponnesischen Händel in An­ spruch genommen waren, sich ihrer bemächtigen würden. Die Lakedämonier freilich nahmen ihnen das sehr übel.

In demselben Sommer kam Alkibiades, Kleinias' Sohn, im Einvernehmen mit den Argeiern und ihren Bundesgenossen als athenischer Feldherr mit einer Handvoll athenischer Ho­ pliten und Bogenschützen nach dem Peloponnes. Nachdem er Verstärkungen von seiten der dortigen Bundesgenossen er­ halten, durchzog er mit seinem Heere den Peloponnes und suchte die Sache des Bundes überall zu fördern. So veran­ laßte er die Paträer, eine Mauer bis an die See zu führen, und ging selbst damit um, auf dem Vorgebirge Rhion in Achaia ein zweites Schloß zu erbauen, woran er jedoch durch die Korinther und die Sikyoner und andere, denen ein solcher Bau unbequem war, mit bewaffneter Hand verhindert wurde.

In demselben Sommer kam es zum Kriege zwischen den Epidauriern und den Argeiern. Vorwand war, daß die Epi­ daurier dem pythischen Apollon das Opfer wegen der Ufer­ ländereien, wozu sie verpflichtet waren, nicht gebracht hatten. Der Tempel dort aber stand unter besonderem Schutz der Argeier. Doch ganz abgesehen davon wünschten Alkibiades und die Argeier, Epidauros womöglich in ihre Gewalt zu bringen, einmal um die Neutralität von Korinth zu sichern, dann aber auch, damit die Athener auf kürzerem Wege von Agina herüberkommen könnten und nicht erst um das Vor­ gebirge Skyllaion zu fahren brauchten. Indessen wußten die

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Argeier die Sache so zu wenden, als ob sie ihrerseits nur nach^Epidauros einrückten, um die Vollziehung des Opfers zu erzwingen.

Um dieselbe Zeit zogen die Lakedämonier unter König Agis, Archidamos' Sohn, mit Heeresmacht gegen das an ihrer Grenze nach dem Lykaion zu belegene Leuktra. Niemand wußte, wohin der Zug ging, nicht mal die Städte, welche die Mannschaft gestellt hatten. Als aber das von ihnen beim Überschreiten der Grenze gebrachte Opfer schlecht ausfiel, gingen sie wieder nach Hause und ließen bei den Bundes­ genossen ansagen, sie sollten sich nach dem nächsten Monat, dem dorischen Festmonat Karneios, auf den Feldzug einrichten. Nach ihrem Abzüge sielen die Argeier noch im Monat KarnaioS, am vierten Tage des letzten Drittels, obgleich sie den Tag sonst immer feiern, ins Epidaurische ein und verheerten das Land. Die Epidaurier aber riefen ihre Bundesgenossen zu Hilfe, von denen sich jedoch einige mit dem Festmonat ent­ schuldigten, andere zwar bis an die Grenze von Epidaurien rückten, aber dort stehen blieben.

Während die Argeier in Epidauros waren, kamen Ge­ sandte der Staaten auf Einladung der Athener in Mantinea zusammen. Im Laufe der Verhandlungen bemerkte Euphamidas aus Korinth, die Reden und die Taten stimmten nicht überein; denn während man hier in der Sitzung über Frieden rede, ständen die Epidaurier mit ihren Verbündeten und die Argeier sich in Waffen gegenüber. Zunächst also sollten sich mal Be­ vollmächtigte beider Parteien an Ort und Stelle begeben und die Einstellung der Feindseligkeiten veranlassen; alsdann möge man weiter über den Frieden reden. Die Versammlung war damit einverstanden, und es gelang auch den von ihr ent­ sandten Bevollmähctigten, die Argeier zum Abzüge aus dem Epidaurischen zu bewegen. Darauf traten die Gesandten von neuem zusammen, konnten sich jedoch auch jetzt nicht einigen, und die Argeier fielen den Epidauriern nun abermals sengend und brennend ins Land. Auch die Lakedämonier unternahmen einen Zug gegen Karyai; als jedoch auch hier das beim Über­

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schreiten der Grenze gebrachte Opfer ungünstig ausfiel, kehrten sie wieder um. Nachdem die Argeier etwa ein Drittel des Epidaurischen verheert hatten, gingen sie ebenfalls wieder nach Hause. Aus die Nachricht vom Ausmarsch der Lakedämonier waren tausend athenische Hopliten unter Alkibiades ihnen zu Hilfe gekommen; da man sie aber nicht mehr nötig hatte, zogen sie wieder ab. So ging der Sommer vorüber.

Im folgenden Winter schickten die Lakedämonier, ohne daß die Athener darum wußten, dreihundert Mann unter Agesippidas zu Wasser als Besatzung nach Epidauros. Die Argeier aber beshcwerten sich in Athen darüber, daß man die Lakedämonier auf dem Seewege durchgelassen habe, obwohl in dem Vertrage ausdrücklich bestimmt sei, daß keiner fremdem Kriegsvolk den Durchzug durch sein Gebiet gestatten solle. Wenn sie nun nicht auch die Messenier und die Heloten bei Pylos auf die Lakedämonier losließen, so würde man in Argos darin eine Vertragsverletzung erblicken müssen. Die Athener brachten dann auch auf Alkibiades' Rat auf der lakonischen Säule den Zusatz an, daß die Lakedämonier den Eid gebrochen hätten, ließen auch die Heloten aus Kranioi nach Pylos kommen, um von dort aus Streifzüge zu unternehmen, machten aber sonst nichts weiter aus der Sache. Im Kriege zwischen den Argeiern und den Epidauriern kam es in diesem Winter zu keiner ordentlichen Schlacht, sondern nur hin und wieder zu einem Überfall aus dem Hinterhalt oder einem kleinen Scharmützel, wobei je nachdem der eine oder der andere Teil ein paar Tote auf dem Platze ließ. Gegen Ende des Winters kurz vor Frühlingsanfang rückten die Argeier mit Leitern vor Epidauros, das sie infolge des Krieges von Truppen entblößt glaubten, um die Stadt mit Sturm zu nehmen, mußten aber unverrichteter Sache wieder abziehen. Damit endete der Winter und das dreizehnte Jahr des Krieges.

Als die Lakedämonier sahen, daß ihre Freunde in Epi­ dauros große Not litten und die übrigen Orte im Peloponnes entweder schon von ihnen abgefallen waren oder doch eine bedenkliche Haltung annahmen, glaubten sie, wenn es nicht so

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weitergehen sollte, fordersamst etwas dagegen tun zu müssen, und unternahmen deshalb um die Mitte des folgenden Sommers mit ihrer ganzen Mannschaft und den Heloten unter ihrem König Agis, Archidamos' Sohn, einen Feldzug gegen Argos. Dabei schlossen sich die Tegeer und die übrigen mit ihnen verbündeten Arkadier ihnen an. Die anderen Bundesgenossen aus dem Peloponnes und von jenseits des Isthmus aber sammelten sich bei Phlius, aus Böotien fünftausend Hopliten und ebensoviel Leichte nebst fünfhundert Reitern und einer gleichen Anzahl Kruppensitzer (Hamippoi), aus Korinth zwei­ tausend Hopliten, dazu die Kontingente der übrigen BundeS­ staaten und die gesamte Mannschaft aus Phlius, da das Heer sich dort im Lande sammelte.

Die Argeier, die schon länger und vollends, als die Lake­ dämonier, um sich mit den anderen zu vereinigen, nach Phlius zogen, von deren kriegerischen Absichten überzeugt waren, er­ schienen nun auch ihrerseits im Felde, und die Mantineer mit ihren Verbündeten, sowie dreitausend Hopliten aus Elis schlossen sich ihnen an. Im Vormarsch trafen sie die Lake­ dämonier bei Methydrion in Arkadien, wo beide Heere eine Anhöhe besetzten. Aber während die Argeier Anstalt machten, den Lakedämoniern noch vor deren Vereinigung mit ihren Bundesgenossen eine Schlacht zu liefern, brach König Agis bei Nacht in aller Stille mit dem Heere auf, um sich mit ihnen bei Phlius zu vereinigen. Als die Argeier das merkten, zogen auch sie bei Tagesanbruch ab, zuerst nach Argos, dann aber auf die Straße nach Nemea, auf der die Lakedämonier mit ihren Verbündeten ihrer Meinung nach Herabkommen würden. Agis aber wählte wider Erwarten diesen Weg nicht, sondern zog mit den Lakedämoniern, Arkadiern und Epidauriern, denen er dazu Befehl erteilte, auf einem anderen beschwerlichen Wege in die Ebene von Argos hinunter, während die Korinther, Pellener und Phliasier den graden Weg dahin einschlugen. Die Böotier, Megarer und Sikyoner aber waren angewiesen, die Straße nach Nemea hinabzuziehen, auf der die Argeier sich befanden, und ihnen, falls sie sich von dort gegen die Lake­

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dämonier in der Ebene wenden würden, mit der Reiterei auf den Fersen zu bleiben. So gegliedert rückte er in die Ebene ein und verheerte Salinthos und andere Orte.

Auf die Nachricht davon setzten sich die Argeier in der Frühe von Nemea in Marsch und stießen auf das Heer der Phliasier und der Korinther. Sie töteten auch den Phliastern ein paar Leute, verloren aber selbst den Korinthern gegenüber noch einige mehr. Die Böotier, Megarer und Sikyoner schlugen, wie ihnen befohlen war, die Straße nach Nemea ein, trafen hier aber die Argeier nicht mehr an, da diese, als sie sahen, wie ihr Land verheert wurde, in die Ebene hinabgezogen waren, um dem Feinde eine Schlacht anzubieten. Ihnen gegenüber stellten sich nun auch die Lakedämonier in Schlacht­ ordnung. Hier aber waren die Argeier in die Falle gegangen. Denn von der Ebene her schnitten die Lakedämonier und ihre Verbündeten sie von der Hauptstadt ab, vom Gebirge verlegten ihnen Korinther, Phliasier und Pellener, von Nemea her Böotier, Sikyoner und Megarer den Weg. Reiterei hatten sie nicht; denn grade die Athener waren die einzigen Bundes­ genossen, die noch nicht eingetroffen waren. Im allgemeinen wurde die Lage von den Argeiern und ihren Bundesgenossen in dem Augenblick nicht für so bedenklich angesehen; im Gegen­ teil, sie glaubten, die Schlacht unter günstigen Bedingungen liefern zu können und hier im eigenen Lande in der Nähe der Hauptstadt die Lakedämonier grade selbst in der Falle zu haben. Unmittelbar bevor beide Heere aneinander gerieten, begaben sich jedoch zwei Argeier, Thrasyllos, einer der fünf Feld­ herren, und Alkiphron, der Staatsgastfreund der Lakedämonier, zu Agis, um ihm vorzustellen, es nicht zur Schlacht kommen zu lassen, da man in Argos bereit sei, durch einen beiden Teilen annehmbaren Ausgleich etwaigen Beschwerden der Lake­ dämonier gerecht zu werden, und hinfort wieder in Frieden mit ihnen zu leben wünsche.

Die beiden Argeier handelten dabei freilich nicht im Auf­ trage der Gesamtheit, sondern lediglich auf eigene Hand. Agis aber ging darauf seinerseits ein, ohne sich mit den übrigen

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zu benehmen, machte nur einem einzigen der im Heere an­ wesenden Beamten davon Mitteilung und schloß mit ihnen einen Waffenstillstand auf vier Monate, innerhalb welcher sie ihre Zusage erfüllen sollten. Gleich darauf zog er mit dem Heere ab, ohne einem der Bundesgenossen ein Wort zu sagen. Die Lakedämonier und ihre Bundesgenossen fügten sich zwar pflichtschuldig seinem Befehl, schalten aber unters sich um so mehr auf ihn: Hier wäre doch die schönste Gelegenheit ge­ wesen, dem durch Reiterei und Fußvolk von allen Seiten um­ stellten Feinde eine Schlacht zu liefern, und nun so abzuziehen und nichts erreicht zu haben, was ein solches Aufgebot von Kräften verlohnt hätte! Und wirklich war in Griechenland noch nie ein schöneres Heer beisammen gewesen. Man konnte das recht sehen, als es bei Nemea noch vollständig vereinigt war. Da waren die Lakedämonier mit ihrem ganzen Heer­ bann, die Arkadier, Böotier, Korinther, Sikyoner, Pellener, Phliasier und Megarer, alles auserlesene Truppen, die es offenbar nicht nur mit den Argeiern und ihren Verbündeten, sondern noch mit einem weit zahlreicheren Feinde hätten auf­ nehmen können. So trat denn das Heer unter Verwünshcungen gegen Agis den Rückzug an, löste sich auf, und alles ging nach Hause. Noch übler aber waren die Argeier auf ihre beiden Landsleute zu sprechen, die auf eigene Hand den Waffenstillstand geschlossen hatten; denn auch sie glaubten, die Lakedämonier seien ihnen bei der schönsten Gelegenheit durch die Lappen gegangen, wo man sie hier vor den Toren der Hauptstadt mit so viel tapferen Bundesgenossen vereint vor der Klinge gehabt. Auf dem Rückwege am Charadrosbache, wo sie nach einem Feldzuge noch außerhalb der Stadt Kriegs­ recht zu halten pflegen, wollten sie Thrasyllos sogar steinigen; er flüchtete sich jedoch an den Altar und kam mit dem Leben davon; sein Vermögen aber wurde eingezogen.