History of the Peloponnesian War

Thucydides

Thucydides. Geschichte des Peloponnesischen Kriegs. Wahrmund, Adolf, translator. Stuttgart: Krais and Hoffmann, 1864.

Neunzehntes Kriegsjahr 413—12. Fortsetzung Kap. I—-VI.

Eindruck der siciliauischen Ereignisse zu Athen. Rüstungen beider Theile Kap. 1—4. — Die Atheuischeu Bundesgenossen trachten abzufallen. Tissaphernes bewirbt sich um die Hilfe der Peloponnesier Kap. 5. — Deßgleichen Pharnabazos. Die Lakedämonier beschließen, Chios zu unterstützen Kap. 6.

Zwanzigstes Kriegsjahr 412—11. Kap. VII-

Seerüstungen der Peloponnesier. Einundzwanzig ihrer Schiffe von den Atheuern geschlagen und bei Piräon blokirt Kap. 7—11. — Die Peloponnesier mit Alkibiadeö bewirken den Abfall vonAhios und Klazomenä. Gegenrnstuugen der Athener Kap. 12—15. — Keos und Milet fallen ab Kap, 16. 17. — Erster Vertrag des Tissaphernes mit Sparta Kap. 18. — Wechselndes Kriegsglück. Vorfälle zu Chios, Piräon, Samos, LesboS, Milet Kap. 39—41. — Zweiter Vertrag des Tissaphernes mit Sparta Kap. 37. — Seesieg der Peloponnesier bei Syme Kap. 42. — MißHelligkeiten zwischen Tissaphernes und den Peloponnesier« Kap. 43. — Rhodos fällt von Athen ab Kap. 44. — Jntrigueu des Alkibiadeö bei Tissaphernes zu Gunsten der Athener. Samos Kap. 45—52. — Die Oligarchen zn Athen Kap. 53. 54. — Kriegsverhältnisse zur See Kap. 55. — Dritter Vertrag des Tissaphernes mit Sparta Kap. 56 — 59. — Ereignisse auf Euböa und Chios Kap. 60.

IV
Einundzwanzigstes Kriegsjahr 411. Kap. I^XI—LIX.

Vorfälle im Hellespont Kap. 61. 63. — Von Samos ans kommt die Oligarchie nach Athen Kap. 63—70. — Die Oligarchen unterhandeln mit den Lakedämoniern Kap. 71. 72. — Bei den Athenern ans Samos gewinnt die Demokratie die Oberhand Kap. 73—77. — Unzufriedenheit der Peloponnesier mit Tissaphernes. Byzanz fällt von Athen ab Kap. 78—80. — Die Athener auf Samos erwählen den Alkibiades zum Feldherrn Kap. 80. 81. — Aufruhr im peloponnefischen Lager vor Milet. Feldherrnwechsel Kap. 83 bis 85.— Alkibiades hindert die Athener auf Samos, gegen Athen zu ziehen Kap.-86. — Tissaphernes und die phönikischen Schiffe Kap. 87. 88. — Spannung der Parteien zu Athen. Drohendes Erscheinen einer peloponnefischen Flotte, die den Abfall von Euböa bewirkt. Sturz der Oligarchen, Einsetzung der Fünftausend. Alkibiades und die auf Samos zurückgerufeu Kap. 89—^8. — Die peloponnesische Flotte geht von Milet nach dem Hellespont. Vorfälle auf Lesbos und im Hellespont Kap. 99 — 103. — Seesieg der Atheuer bei Kyuos-Sema Kap. 103—106. — Die Athener nehmen Kyzikos Kap. 107. — Alkibiades zu Halikarnassos, befestigt Kost, kehrt nach Samos zurück. Zerwürfnisse zwischen den Peloponuesiern und Tissaphernes. Dieser sucht sie zu heben Kap. 108. 109. ' '

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Als diese Nachrichten nach Athen gekommen waren, wollte qiz man lange nicht glauben, daß Alles so durchaus verloren sei, nicht ^hr. einmal den angesehensten Kriegsleuten, die aus dem Kampf selber entronnen waren und zuverlässige Meldung thaten. Als sie aber endlich die Wahrheit erkannten, geriethen sie in Zorn gegen die Redner, die zu dem Seezug mitgerathen hatten, als ob sie nicht selber dafür gestimmt hätten, und auch auf die Zeichendeuter und Wahrsager-zürnten sie und auf Alle, welche damals durch Götterzeichen' die Hoffnung in ihnen angeregt hatten, daß sie Sicilien nehmen würden. In. jeder Beziehung und von allen Seiten bedrängte sie Bekümmerniß, und Furcht und höchste Bestürzung überkam sie wegen des Geschehenen. Denn sowohl jeder Einzelne für sich hatte Verlust erfahren, und auch der Staat sah sich so vieler Schwerbewaffneter und Reiter und junger Mannschaft beraubt, für die kein neuer Ersatz-vorhanden war. Dann sahen sie auch auf den Werften keine Schiffe in genügender Zahl, noch Geld im Staatsschatz, oder Rudermann-schaft für die Schiffe, und so verzweifelten sie unter solchen Umständen an ihrer, Rettung und glaubten, die Feinde würden mit der Flotte von Sicilien aus grade auf den Piräeus lossegeln, da sie einen so gewaltigen Sieg erfochten hätten. Und ihre Feinde in Griechenland selbst, die damals in aller Hinsicht doppelt stark gerüstet waren, würden jetzt mit aller Macht zu Land und zu Wasser über sie herfallen, und mit ihnen ihre eigenen Bundesgenossen. Gleichwohl glaubten sie, so weit die vorhandenen Mittel erlaubten, nicht nachgeben zu dürfen, und beschlossen eine Flotte zu rüsten und Holz und [*]( Thukydide». VIll. ) [*]( 17 )

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[*]( 413 v. Chr. ) Geld dazu von wo immer aufzutreiben, und sich ihrer Bundesgenossen zu versichern, vor allen Dingen aber Euböa's. Zn ihrem städtischen Wesen wollten sie der Ersparungen halber sich einschränken und eine Behörde von älteren Männern wählen, welche über die Vorkommnisse nach Zeit und Umständen vorberathen sollten. In allen Dingen waren sie der augenblicklichen Furcht halber bereit, die schönste Ordnung einzuführen, wie es eben das Volk zu thun Pflegt. Und wie sie beschlossen hatten, so thaten sie auch, und damit ging der Sommer zu Ende.

In dem nun folgenden Winter waren durch das große Unglück der Athener in Sicilien alle Hellenen sofort in große Erregung versetzt worden. Diejenigen von ihnen, welche sich bis dahin keiner Partei angeschlossen hatten, glaubten sich nicht länger mehr des Krieges enthalten zu dürfen, auch wenn Niemand sie dazu auffordere, sondern aus eigenem Antrieb müsse man gegen die Athener losgehen. Denn sie glaubten, wenn die Athener nur in Sicilien gesiegt hätten, so würden sie dann auch über jeden von ihnen ohne Ausnahme hergefallen sein, und jetzt, dachten sie, könne der Krieg nur mehr kurze Zeit dauern, und gleichwohl sei es ehrenvoll, sich noch daran zu betheiligen. Die Genossen der Lakedämonier ihrerseits zeigten jetzt noch größeren BundeSeiser als früher, um sich so rasch als.möglich von so großer Bedrängniß zu befreien; vor Allem aber waren die Unterthanen der Athener selber bereit, abzufallen, ohne Berechnung ihrer eigenen Mittel, da sie Alles nur nach ihrer Leidenschaft beurtheilten und nicht einmal so viel Ueberlegung behielten, um daran zu.denken, wie sie auch nur für den folgenden Sommer sich zu halten im Stande wären. Der Staat der Lakedämonier aber gewann auS all diesen Umständen neuen Muth, zumal da auch wohl die Bundesgenossen aus Sicilien, nachdem ihnen die Noth zu einer Flotte verholfen, bei Frühlingsanbruch mit großer Macht zu ihnen stoßen würden. Da sie so von allen Seiten in zuversichtlicher Hoffnung waren, so gedachten sie, sich ganz rücksichtslos dem Krieg zu widmen, indem sie überlegten, daß sie nach dessen glücklicher Beendigung für die Zukunft auS einer so großen Gefahr befreit sein würden, wie Seitens der Athener sie ihnen gedroht hätte, wenn diese die Sikelische Macht zu der ihrigen gewönnen hätten, und daß sie, wenn jene erst

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gestürzt seien, die Obmacht über ganz Hellas ganz sicher in der [*]( 41!3 v. Chr. ) Hand haben wurden.

Sogleich nun mit Winters Anfang zog ihr König Agis mit einer Truppe von Dekeleia aus, sammelte unter den Bundesgenossen Geld für die Flotte, und sich gegen den Melischen Busen hinwendend nahm er, gemäß der alten Feindschaft '), den Oetäern viel Beute 2) ab, die er zu Geld machte, und zwang die Phthiotischen Achäer und die übrigen Thessalischen Unterthanen in dortiger Gegend, trotz Scheltens. und Einspruchs von Seiten der Thessaler, Geißeln und Geld zu geben, und versuchte? sie für die Bundesgenossenschaft der Lakedämonier zu gewinnen. Die Geißeln gab er nach Korinth in Gewahrsam. Die Lakedämonier schrieben bei den Städten den Bau von hundert Schiffen aus, sich selbst und den Böotern schrieben sie je fünfundzwanzig zu, den Phokensern und Lokrern fünfzehn und auch den Korinthern fünfzehn, den Arkadern und Pelleneern und Sikyoniern zehn, den Megarensern und Trözeniern und Epidauriern und Hermioneern zehn. Auch veranstalteten sie alle sonstige Rüstung, um sogleich gegen das Frühjahr hin den Krieg zu beginnen.

Es'betrieben aber auch die Athener in eben diesem Winter ihrem Vorhaben gemäß den Schisssbau, indem sie Holz herbeischafften, und Sunion befestigten sie, damit ihre Kornschiffe dort ungefährdet herumsegeln könnten ^). Die Verschanzung in Lakonien, welche sie bei der Ueberfahrt nach Sicilien erbaut hatten, gaben sie auf, und auch sonst, wo etwas ohne entsprechenden Nutzen Aufwand erheischte, schränkten sie sich der Ersparungen halber ein; vor Allem aber faßten sie die Verhältnisse der Bundesgenossen in's Auge, damit diese nicht abfallen könnten.

Während nun beide Theile diese Dinge betrieben und in der Rüstung zum Krieg noch nicht über den ersten Anfang hinaus- gekommen waren, schickten zuerst in diesem Winter die Euböer Botschaft zum Agis wegen ihres Abfalls von den Athenern. Dieser nun ging auf ihre Vorschläge ein und schickte nach Lakedämon um den [*]( 1) Vergl. IlI, 92. ) [*]( 2) Zm antiken Sinn Vieh und Gefangen», die als Sklaven verkauft werden. ) [*]( 3) Vergl. VII, ) [*]( 17* )

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[*]( 413 .'v. Chr. ) Älkamenes, des SthenelaidaS Sohn/und deinMelantho's^ die das Unternehmen wegen Euböa's anführen sollten. Diese kamen an und brachten von-den Neubürgern gegen dreihundert Mann mit, und Agis dachte'eben ihre Ueberfahrt in'S Werk zu setzen. "Da^ kamen aber auch Leute^von LeSboS, 'die gleichfalls von Athen abfallen'wollten^'Sa nun die Euböer-die Sache der Leöbier unterstützten, so ließ sich Agis'bereden, wegen Euböa'S noch zu warten/ und traf die Anstalten fürsden Abfall der LeSbier.' Als Statthalter "(Harmostes) gab er ihnen den Älkamenes, der nach Euböa hätte segeln >sollen/Und zehn'Schiffe versprachen ihnen die-Böotier und'zehn AgiS.- DaS Alles geschah-ohne'Befragung des Lakedämonischen Gemeinwesens, denn-für die-ganze Zeit, welche Agis mit-seiner Macht Dekeleia besetzt hielt, hatte er'freie Verfügung,- sowohl Truppen irgendwohin zu schicken, wenn'er wollte, als auch solche zu'samme'ln und Geld einzutreiben-,-ja es waren für diese ganze Zeit die'Bundesgenossen, so zu sagen; mehr an seine Person'gewiesen, als an das Staatswesen der Lakedämonier) denn da'er! eine bedeutende'Truppenmacht hatte und überall rasch-zur Hand war, so flößte er Furcht ein. Die Sache der Lesbier also betrieb er selber, die Chier aber und.'Erythräer, die ebenfalls zum! Abfall bereit waren, «wendeten sich nicht.an den Agis, sondern nach/Lakedämon.Und zugleich.mit diesen war daselbst>auch ein Gesandten des Tissaphernes. erschienen, der für den König DareioS/des Artaxerxes. Sohn, Statthalter war über die an'der Seelüfte.' Dennauch.Tissaphernes suchte die Peloponnefier.zu gewinnen und versprach:-ihnenNahrungsmittel zu liefern. Er war nämlich kürzlich gemahnt worden-vom. Könige wegen der Steuern aus seiner Statthalterschaft, mit denen er noch rückständig« wat,."da-er,sie der Athener-wegen von,den hellenischen Städten nicht einziehen konnte. Wenn er-aber die Athener, schwächte, so, dachte er diese Abgaben leichter, eintreiben-zu-können ^und zugleich die. Lakedämonier dem .Könige, als Bundesgenossen zu.gewinnen und auch iden Amorges, einen unächten Sohn des Pissuthnes, der im Karischen,Lande Aufruhr trieb, todt oder lebendig einliefern zu können, wie der König eS befohlen. ^ , [*]( 4) ziemt, V. 34 )

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Die.Chicr also und Tissaphernes betrieben gemeinsam, die. [*]( 413 v, Chr. ) selbe Sache. Kalligeitos aber, der Sohn des Laophon, uns. Megara und Timagoras,.des Athenagoras Sohn, aus KyzikoS, die, beide aus ihrer Heimak'verbannt. bei Pharnabazos, dem Sohne des Pharnakes, wohnten, kai^en',,von Pharnabazos gesendet,, um dieselbe Zeit nach . Lakedämon ,/um hier zu bewirken, daß^Schiffe nach dem Hellespont gesendet würden. Dabei hatte Pharnabazos,dieselben Gedanken wie TissapherneS, nämlich, wenn er könnte, die Städte in seiner Statthalterschaft den Athenern abwendig zu.machen, der Steuern wegen, und durch seine Bemühung dem Könige die Bundesgenossenschaft der Lakedämonier zu verschaffen. Da aber beide Theile, die Gesandten des Pharnabazos nämlich und die des Tissaphernes, ihre Sache gesondert betrieben,-' so entstand in Lakedämon unter ihnen em großer Streit, da die Einen zuerst nach Jonien und Chios, die Ändern nach dem Hellespont Schiffe und. Truppen geschickt haben wollten. ^Die Lakedämonier selbst aber unterstützten vielmehr das Anliegen der Chier und des'Tissapherneö', denn es war für diese auch Alkibiades thätig, der mit dem damaligen Ephoren Indios von den Vorfahren her in engster gastfreundlicher.Beziehung stand, daher ^denn auch die Glieder ihres Hauses eben dieser Gastfreundschaft wegen einen Lakonischen Namen erhielten: Endios nämlich hieß Sohn des AlkibiadeS 5). "/Gleichwohl sandten die Lakedämonier zuerst einen Kundschafter nach,Chios. den Phrynis, einen Mann^aus den Beisitzern,-5 ob sie nämlich.wirklich so viel Schiffe hätten,-wie fie?sagten, und ihr Gemeinwesen.auch, sonst so mächtig wäre, wie der Rufvon ihnen ging. Als nun dieser zurückmeldete,, daß in Wahrheit eS sich so verhalte, wie jene gesagt, so nahmen sie die Chier und Erythräer all-; sogleich als Bundesgenossen auf und beschlossen^ ihnen vierzig Schiffe zu senden, da nach dem, was die Chier sagten, bei ihnen selbst nicht weniger als sechzig vorhanden. wären. Und^für's.Erste wollten sie selbst deren zehn absenden und, dazu den Mela^kridas,- ihren Flottenbesehliger; als aber dann ein Erdbeben eintrat 6), so schickten sie an [*]( 5) Des Endios Vater hieß also AlkibiadeS. Daß eine abwechselnde Folge der Namen Endios und AlkibiadeS in der Familie stehend war (Arnold), »vermag ich nicht^u verz bürgen.'. (Ar.) )

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[*]( 413 v. Chr, ) des Melankridas Statt den Chalkideus ?), und rüsteten anstatt der zehn Schiffe'nür fünf auf Lakonischem Gebiete aus.. ^ ^ ^ -

So ging dieser Winter zu Ende und mit ihm- das neunzehnte Jahr dieses Krieges, den Thukydides beschrieben hat. ''

[*]( 412 v. Chr ) Da aber mit Anfang des folgenden Sommers die Chier allsofort die Absenkung der Schiffe betrieben, weitste auch fürchteten, daß die Athener von ihren Absichten^ etwas merken möchten — denn alle hatten ihre Botschaften vor den Athenern zu verheimlichen gewußt — so schickten die Lakedämonier drei spartiatische Männer nach Korinth, welche dafür sorgen sollten, daß die Schiffe vom jenseitigen Meer so rasch als möglich über die Landenge nach dem Meer'auf der Athenischen Seite gezogen würden und dann sämmtlich nach Chios unter Segel gingen, sowohl die, welche Agis für Lesbosausrüstete, als auch die andern. Es waren aber alle Schiffe der Bundesgenossen, die dort zusammen kamen, an Zahl neununddreißig. '

Kalligeitos nun und Timagoras, in Vertretung des Pharnabazos, nahmen am Zuge gegen Chios keinen Antheil und gaben auch das Geld nicht her, welches sie zum Zweck der Bchiffssendung mitgebracht hatten, — fünfundzwanzig Talente, — sondern sie gedachten später für sich mit einer eigenen Flotte unter Segel zu gehen. Agis aber, als er sah, daß die Lakedämonier zuerst'an die Unternehmung auf Chios dachten, widersprach dem für feine Person nicht, und so kamen denn die Bundesgenossen in Korinth zusammen zur Berathung, und sie beschlossen, zuerst gegen Chios'zu segeln, unter Anführung des Chalkideus, welcher in Lakonien jene fünf Schiffe ausrüstete, und dann gegen Lesbos unter dem Oberbefehl des Alkamenes, den auch Agis dafür bestimmte, und zuletzt nach dem Hellespont zu fahren, für welchen Klearchos, des Rhamphias Sohn/zum Befehlshaber bestimmt war. Ueber die Landenge solle man zuerst nur die Hälfte 6) der Schiffe ziehen und diese dann allsogleich unter Segel gehen lassen, damit die Athener nicht ihre Aufmerksamkeit mehr [*]( 6) Welches für ein göttliches WarnungSzeichen gehalten wurde. Vergl. III, 89 und Xenophon, hellen. Gesch. Ill, 2. (Kr.) ) [*]( 7) Nur als Harmvsten (Statthalter); denn Nauarch (Admiral) wurde später AftyvchoS, VIII, 20, während Chalkideus noch lebte, VIll, 24. (Ar.) ) [*]( 8) Nur ungefähr. .In der That mehr: 2l von 39.' (Kr.) )

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auf die absegelnden, als auf die noch über die Landenge zu ziehenden [*]( 412 v. Chr. ) richten möchten. Denn jenen Seezug veranstalteten sie ganz offenkundig, da sie die Ohnmacht der Athener verachteten, weil sich nirgends eine ansehnliche Schiffsmacht derselben zeigte. Wie sie beschlossen hatten, brachten sie dann auch allsogleich einundzwanzig Schiffe über die Landenge. ' '

Die Korinther aber, obgleich jene auf Beschleunigung der Abfahrt drangen, wollten nicht mitschiffen, bevor sie nicht die Isthmischen Spiele, welche damals grade einfielen, zu Ende gefeiert hätten. Agis nun war zwar darin mit ihnen einverstanden, daß der Waffenstillstand wegen der Jsthmien nicht gebrochen werden dürfe,, wollte aber doch den Seezug auf eigene Faust unternehmen ^). Da aber die Korinther auch dem nicht zustimmten und so vielmehr eine Verzögerung eintrat, so erfuhren die Athener schon mehr von den Absichten der Chier und schickten einen ihrer Feldherren hin, den Aristokrates, der ihnen deßhalb Vorwürfe machen sollte. Da nun aber die Chier läugneten, so verlangte er, daß sie als Bürgschaft der Treue Schiffe zur bundesgenössischen Flotte sollten stoßen lassen; und jene schickten deren auch sieben. Die Ursache dieser Sendung von Schiffen war, daß die Mehrzahl der Chier um die ganzen Verhandlungen nicht wußten, und daß die wenigen Eingeweihten sich die Menge nicht zu Feinden machen wollten, bevor sie nicht selbst einen sicheren Hinterhalt hätten, und daß sie jetzt kaum noch an die Ankunft der Peloponnesier glaubten, weil diese zauderten.

Unterdessen wurden die Jsthmischen Spiele gefeiert, und auch die Athener — wie sie denn dazu geladen waren — schickten ihre Festgesandtschaft und erfuhren hier noch mehr um die Pläne der Chier. Sobald sie nun wieder nach Hause zurückgekehrt waren, rüsteten sie allsogleich, damit die Schiffe nicht unbemerkt von ihnen aus Kenchreä auSlaufen könnten. Diese aber steuerten nach dem Feste, einundzwanzig Segel stark, wirklich in See gen Chios, unter dem Oberbefehl des Alkamenes. Die Athener nun hielten Anfangs mit der gleichen Anzahl von Schiffen nahe auf sie zu und zogen sich [*]( 9) .Bei einer solchen Aneignung konnte die Korinther kein Vorwurf treffen wegen Verletzung des FestjriedenS.' (Kr.) Während der großen Testspiele sollte jede Feindseligkeit ruhen. )

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[*]( 412 v. Chr. ) dann mehr in die offene See hinausDa aber die Peloponnesier nicht weit folgten, sondern wieder gegen die Küste abfielen, so kehrten auch die Athener nach Haus zurück. Sie hatten nämlich auch jene sieben Schiffe der Chier in ihrer Zahl einbegriffen, denen sie nicht trauten. Als sie dann aber andere sieben,^und dreißig^ Schiffe bemannt hatten, verfolgten sie wieder jene, die an der Küste. Hinsegelten, und trieben sie gegen Piräon auf Korinthischem Gebiet Es ist dieß ein verlassener Hafen und der letzte gegen das Epidaurische Gebiet hin. Eins ihrer Schiffe verloren die Peloponnesier noch auf hoher See, die andern aber vereinigten sie und bargen sie vor Anker. Da aber die Athener mit ihren Schiffen von der See her sie bedrängten und zugleich auch an's Land stiegen, so entstand großer Lärm und Verwirrung, und die Athener beschädigten dabei die Mehrzahl der feindlichen Schiffe am Lande und tödteten auch den AlkameneS. Auch von ihnen selbst fielen einige. ' . ^

Nachdem dann beide Theile von einander geschieden waren, stellten die Athener eine hinlängliche Zahl Schiffe aus, um jene zu beobachten, und gingen mit den übrigen bei einem Jnselchen'^) vor Anker, wo sie — da es nur eine kleine Strecke entfernt lag — ein Standlager errichteten und nach Athen um Verstärkung' schickten. Am folgenden Tag nämlich waren peloponnesischcr Seits auch Korinther erschienen und Andere aus der Nachbarschaft, um ihren Schiffen.Hilfe zu leisten. Da sie aber sahen, wie schwierig die Bewachung derselben in der verlassenen Gegend war, so geriethen sie in Verlegenheit und dachten erst daran, die Schiffe zu verbrennen, dann aber beschlossen sie, dieselben ganz auf trockenes Land zu ziehen und mit Landtruppen dabei Wache zu halten, bis . sich eine günstige.Gelegenheit zum Entkommen für dieselben zeigen würde. Auch Agis,, der davon erfuhr, schickte ihnen einen Spartiaten, den Thermon, / Die Lakedämonier aber hatten zuerst die Meldung erhalten, daß die Schiffe.vom Jsthmos aus unter Segel gegangen seien — es war nämlich dem AlkameneS von den Ephoren befohlen gewesen, in diesem [*]( 10) Um die Gegner nachzulockcn. ) [*]( 11) DaS: und dreißig erweist Kr. als eingefälscht. , ) [*]( 12) Am Sarvnischen Meerbusen. ) [*]( 13) Jetzt vvklo»ol>l, Ersten-viel, Hebräer-Insel; nach Kiepert ASpii? (Kr.) )

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Falle ihnen einen Reiter zuzuschicken,-- und sie wollten dann sofort [*]( 412 v. Chr. ) ihrerseits die fünf Schiffe unter 'dem Oberbefehl des Chalkideus ab-) senden, dem auch Alkibiades beigegeben war. Dann aber, als dme sich schon zur Abfahrt fertig gemacht hatten, wurde ihnen die Flucht jener andern Schiffe nach dem Piräon gemeldet, und nun, darüber muthloS geworden, daß ihr erstes Unternehmen im Ionischen Kriege ihnen fehlgeschlagen wäre, wollten sie nicht nur keine Schiffe mehr von ihrem Gebiet auslaufen lassen, sondern sogar auch die schon früher ausgelaufenen zurückrufen. , -j.

Als aber Alkibiades dies erfuhr, machte er sich wieder, an den Endlos und die andern Ephoren und überredete sie, den Seezug doch nicht aus Säumigkeit zu unterlassen, indem er sagte, sie würden mit ihren Schiffen noch rechtzeitig ankommen, bevor die Chier von jenem Unglück zur See gehört hätten, und daß er selbst, wenn er erst in Jonien gelandet sei, die dortigen Städte leicht zum Abfall bewegen werde, indem er ihnen die Schwäche der Athener schildere und den Eifer der Lakedämonier; denn ihm würden sie darin mehr Glauben schenken, als Andern. Dem Endios aber stellte er besonders vor, wie ruhmvoll.es ihm sei, wenn Jonien durch ihn zum Abfall gebracht und der König als Bundesgenosse der Lakedämonier gewonnen werde, und daß dieser Preis nicht dem Agis zufallen dürfe. Zwischen ihm und Agis nämlich bestand ein Zwiespalt. So überredete er den Endios und die anderen Ephoren und ging mit den fünf Schiffen unter des Lakedämoniers Chalkideus Anführung in See, und-die Ueberfahrt ging rasch von Statten..

ES kamen aber um dieselbe Zeit auch die sechzehn Schiffe von Sicilien zurück, welche dort unter Gylippos den Krieg hatten beendigen helfen. Sie wurden bei Leukadia von den siebenundzwanzig Attischen Schiffen unter Hippokles, des Menippos Sohn, überrascht, welche auf die von Sicilien heimkehrenden Schiffe lauerten, und arg mitgenommen; jedoch entkamen den Athenern alle bis auf eines und liefen in den Hafen von Korinth.

Chalkideus und Alkibiades hielten alle Schiffe, die sie auf ihrer Fahrt trafen, fest, damit sie nicht verrathen würden, und landetcn zuerst bei KorykoS auf dem (asiatischen) Festlande. Hier ließen sie die gefangenen Schiffe frei, und nachdem sie zuvor mit einigen

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[*]( 412 v. Chr. ) Chiern. die für ihre Partei wirkten,- eine Zusammenkunft gehabt, kund diese sie aufgefordert hatten , ohne sich vorher anzusagen, nach ihrer Stadt zu schiffen, so erschienen- sie daselbst plötzlich und den Chiern ganz unerwartet. Der große Haufe derselben war voll Verwunderung und Bestürzung. Mit den Oligarchen aber war abgeredet worden, daß zur selben Zeit wie zufällig der Rath, versammelt war, und da nun Chalkideus und Alkibiades vorstellten, daß noch viele andere Schiffe im Ansegeln seien, von der Einschließung ihrer Schiffe bei Piräon aber keine Erwähnung thaten, so erklärten die Chier und danach auch die Erythräer ihren Abfall von den Athenern. Darauf fuhren sie mit drei Schiffen nach Klazomenä und bewogen auch diese Stadt zum Abfall. Die Klazomenier aber setzten allsogleich nach dem Festland über und befestigten Polichna, um für den Fall der Noth von ihrer Insel, auf der sie'wohnten, dort eine Zuflucht suchen zu können. Auch die andern Abgefallenen alle waren mit Erbauung von Befestigungen und den Zurüstungen zum Kriege beschäftigt.

Nach Athen aber kam rasch Botschaft wegen Chios. Da sie nun die Gefahr für groß und bereits sehr dringend erkannten, und glauben mußten, daß nach dem Abfall der größten Stadt auch die übrigen Bundesgenossen sich nicht ruhig verhalten würden, so hoben sie in ihrer augenblicklichen Bestürzung allsogleich die Strafen auf, welche dem angedroht waren, der davon reden und dafür stimmen würde, jene tausend Talente anzugreifen, welche sie während der Dauer des ganzen Kriegs nicht zu berühren gewünscht hatten "), und faßten danach den Beschluß, dieses Geld anzugreifen und eine große Zahl von Schiffen zu bemannen. Von denen, welche bei Piräon vor Anker lagen, wollten sie die acht, welche sich von der Bewachungsflotte getrennt und die Schiffe unter Chalkideus verfolgt hatten, aber wieder zurückgekehrt waren, nachdem sie jene nicht getroffen, sofort absenden — es befehligte dieselben aber Strombichides, des Diotimos Sohn — und nicht lange danach sollten zwölf andere unter Thrasikles zu ihrer Verstärkung folgen, welche gleichfalls die Aufstellung bei Piräon verlassen mußten. Die sieben Schiffe der Chier aber, welche daselbst mit den übrigen die der Feinde eingeschlos­ [*]( 14) Vgl. II, 24. )

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sen hielten, führten sie gleichfalls weg und setzten die Sklaven auf [*]( 412 v. Chr. ) denselben in Freiheit, die Freien-aber legten sie in Ketten. Zum Ersatz für'äll diese abgegangenen Schiffe bemannten sie rasch andere und schickten sie - zur weiteren Einschließung der Peloponnesier dorthin, und beabsichtigten, noch weitere dreißig zu bemannen.- Und groß war ihr Eifer und in keinem Stuck waren ihre Rüstungen zum Auszug gegen Chios unbedeutend.

Unterdessen war Strombichides mit seinen acht Schiffen nach Samos gekommen, nahm hier noch ein SamischeS Schiff zu sich und steuerte dann nach Teos, wo er die Einwohner aufforderte, sich ruhig zu verhalten. Aber auch Chalkideus kam von Chios mit dreiundzwanzig Schiffen nach TeoS, und'zugleich marschirte die Landmacht der Klazomenier und Erythräer an der Küste her ftie Flotte begleitend^. Strombichides aber erhielt vorher Kunde und fuhr auf die hohe See hinaus, und als er hier die vielen Schiffe von Ehios herkommen-sah, floh er nach Samos; jene aber'setzten hinter ihm drein. Das Fußvolk hatten die Tejer anfangs nicht aufnehmen wollen, als aber die Athener flohen, so holten sie eS selber auf die Insel. Eine Zeit lang hielten sich diese Truppen ruhig und warteten auf die Rückkehr des Chalkideus von der Verfolgung; als dieser aber ausblieb, so rissen sie aus eigene Hand daS Kastell nieder, welches die Athener vor der Stadt der Tejer, dem Festland gegenüber, erbaut hatten. Dabei half ihnen auch eine kleine Sckaar von Persern, welche Stag'es, des Tissaphernes Untnfeldherr, befehligte.

Chalkideus aber und Nlkibiades,'nachdem sie den Strombichides bis nach Samos verfolgt hatten, nahmen die Matrosen aus ihren peloponnesischen Schiffen, gaben ihnen schwere Bewaffnung und ließen sie in Chios zurück ^); ihre Schiffe bemannten sie dafür, mit Chiern, und noch zwanzig andere dazu, und segelten gegen Milet: um die Stadt zum Abfall zu bewegen. Alkibiades nämlich, der mit den Stadtvorstehern von Milet befreundet war, wollte'den vom Pelöponnes abgegangenen Schiffen zuvorkommen und die Stadt selber zum Beitritt bewegen, um für die Chiet'und sich selbst und den Chal­ [*]( 15) Zurück ließ man diese wohl zum Schutz der Aristokraten, zu deren Gunsten man auch wohl mit Demokraten die Schiffe bemannte. Vergl. Ill, 75. (Kr.) )

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[*]( 412 v. Ehre ) kideus und zugleich auch für den Endlos, der ihn abgeschickt hatte, seinem Versprechen gemäß, den Ruhm , zu gewinnen ^ eine möglichst große Zahl von Städten mit der Macht der Chier und des, Chalki? deuS zum Abfall von den Athenern gebracht zu haben. Ohne bez merkt zu werden, legten sie den größeren Theil der Fahrt zurück und kamen um ein Kurzes dem Strombichides und Thrasykles zuvor, welcher eben von Athen aus mit zwölf Schiffen erschienen war und mit jenem die Verfolgung antrat, und brachten so Milet zum Abfall. Die Athener mit neunzehn Schiffen kamen ihnen dicht aus der Ferse nach; als aber die Milesier sie nicht aufnahmen, so gingen sie bei der nahliegenden Insel Lade vor Anker. Sogleich nach dem Abfall Milets kam durch Vermittelung des TissapherneS und des ChalkideuS der erste Bundesvertrag zwischen dem Perscrkönig und den Lakedämoniern zu Stande. Derselbe lautete: , .

„Unter diesen Bedingungen haben mit dem König und Tissaphernes die Lakedämonier und ihre Verbündeten eine Bundesgenossenschaft abgeschlossen. Alles Land und alle Städte, welche der König im Besitz hat und die Vorfahren des Königs im Besitz hatten, sollen des Königs sein. Und wenn aus diesen Städten den Athenern Geld oder anderer Werth zufloß, so sollen der König und die Lakedämonier und ihre Bundesgenossen in Gemeinschaft verhindern, daß die Athener Geld oder andere Dinge von dort erhalten. Und den Krieg gegen die Athener sollen der König und die Lakedämonier und ihre Bundesgenossen in Gemeinschaft führen. Und Frieden zu schließen mit den Athenern soll nicht erlaubt sein, wenn nicht beide Theile es beschließen, der König und die Lakedämonier und ihre Bundesgenossen. Wer aber von dem König abfällt, der soll auch Feind der Lakedämonier und, ihrer Bundesgenossen sein, und wer von den Lakedämoniern und ihren Bundesgenossen abfällt, der soll auch gleicher Maßen Feind des Königs sein."

Unter diesen Bedingungen wurde der Waffenbund geschlossen. Sogleich danach aber bemannten die Chier zehn andere Schiffe und fuhren nach Anäa '?), um zu erfahren, wie eS um Milet stehe, [*]( 16) Strombichides hatte acht nach VIII, lZ. 16. ThrasykleS zwölf nach VIII, lAs Eines mag also in Samos gebliebensein. Zwanzig wieder VIII, Ut. (Poppo.) ) [*]( 17) Vergl. IV. 75. )

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und zugleich auch, um die Städte zum Abfall zu bewegen. Als ihnen [*]( 4l2 v. Chr. ) NUN Botschaft von Chalkideus kam, sie sollten wieder nach Hause schiffen) und daß Amorges mit einem Heere zu Land erscheinen werde,' so steuerten sie gegen den Tempel des Zeus hin. Hier kamen lhnen^sechzehn Schiffe in Sicht, mit welchen Diomedon dem ThrasykleS von Athen aus nachgefahren war. Als sie diese erblickten, flohen sie mit Einem Schiffe nach EphesoS mit den übrigen gegen TeoS. Vier Schiffe nahmen ihnen die Athener weg, aber leer, da die Bemannung sich noch rechtzeitigan's Ufer gerettet hatte; die andern Schiffe entkamen glücklich nach der Stadt der Tejer. Die Athener fuhren nun nach Samos zurück/die Chier aber, nachdem sie mit ihren übrigen Schiffen wieder in See gegangen waren, und das Landheer längs der Küste sie unterstützte, brachten LebedoS zum Abfall und danach Erä. Darauf gingen Alle wieder nach Hause zurück, dasLand- Heer sowohl, als die Schiffe.' ' . - " .