History of the Peloponnesian War

Thucydides

Thucydides. Geschichte des Peloponnesischen Kriegs. Wahrmund, Adolf, translator. Stuttgart: Krais and Hoffmann, 1864.

Achtzehntes Kriegsjahr: 414—13. Fortsetzung. Kapitel I—XVIII.

Gylippos kommt an und bringt den Syrakufanern Hilfe Kap. 1. 2; greift die Athenischen Verschanzungen an Kap. 3. — Anfangs zurückgedrängt, ist er später siegreich Kap. 4—6. — Korinthische Schiffe erscheinen. Die Syrakusaner verlangen vom Peloponnes weitere Hilfe und bemannen ihre Flotte Kap. 7. — Nikias verlangt Verstärkung von Athen Kap. 8. — Der Athener Euetion schließt Amphipolis ein Kap. 9. — Schreiben des Nikias an die Athener Kap. 10—15. — Die Athener beschließen den Nikias zu verstärken. Demosthenes und Eurymedon zu Mitfeldherrn ernannt Kap. 16. — Der Peloponnesier weitere Rüstuugen Kap. 17. — Die Lakedämonier besetzen Dekcleia Kap. 18.

Neunzehntes Kriegsjahr: 413—412. Kapitel XIX—I.XXXVII.

Einfall der Lakedämonier in Attika Kap. 19. — Demosthenes geht nach Sieilien ab Kap. 20. — Die Syrakufaner greifen die athenischen Schiffe an und werden geschlagen. Gylippos nimmt Plemmyrion Kap. 21—24« — Neue Abgesandte der Syrakusaner nach dem Peloponnes Kap. 25. — Demosthenes plündert unterwegs Lakonien Kap. 26. — Bedrängniß der Athener zu Haus Kap. 27. 28. — Thrakische Hülfsvölker der Athener überfallen MykalessoS; werden von den Thebanern auf dem Rückzug überfallen Kap. 29. 30. — Demosthenes unterwegs Kap. 31. — Si

IV
kuler erschlagen Syrakusanische Hülfsvölker Kap. 32. — Demosthenes und Eurymedon in den italischen Gewässern Kap. 33. 35. — Seekampf zwischen Athenern und Korinthern vor Naupaktos Kap. 34. — Die Athener von den Syrakusanern zur See geschlagen Kap. 36—41. — Demosthenes kommt an. Sein vergeblicher Angriff auf Epipolä. Die Syrakusaner siegreich Kap. 42—46. — Uneinigkeit der Athenischen Feldherrn. Sie beschließen den Rückzug Kap. 47—50. — Zweite Niederlage der Athener zur See Kap. 51—54. — Die Hülfsvölker beider Theile Kap. 55—59. — Die Atheuer zum dritten Mal zur See geschlagen Kap. 60—71. — Ihr unheilvoller Rückzug zu Land Kap. 72—81. — Sie ergeben sich Kap. 82—85. — Niklas und Demosthenes.hingerichtet. Die gefangenen Athener in der Sklaverei lind-in den Steinbrüchen Kap. 86. 87.

-

Gylippos aber und Pythen, nachdem sie ihre Schiffe in [*]( 414 v. Chr. ) guten Stand gesetzt, segelten von Tarent nach Lokri Epizephyrii. Da erfuhren sie denn bereits mit mehr Gewißheit, daß Syrakus noch nicht ganz eingeschlossen und es noch möglich wäre, bei Epipolä mit einem Heere in die Stadt zu kommen. So beriethen sie nun, ob sie die Insel Sieilien zur Rechten nehmen und die Einfahrt zu erzwingen wagen sollten/oder zuerst links gen Himera segeln und die Dortigen selbst und andere Mannschaft an sich ziehen, wen sie immer dazu überreden könnten, und dann zu Lande weiter ziehen. Beschlossen wurde, nach Himera zu segeln, zumal auch die vier attischen Schiffe noch nicht vor Rhegium erschienen waren, obgleich doch Nikias dieselben abgeschickt, sobald er erfahren hatte, daß jene in Lokri seien. Sie kamen auch diesen Wachschiffen zuvor, segelten durch die Meerenge, landeten bei Rhegium und Messana und kamen so nach Himera. Hier überredeten sie die Himeräer, auch den Krieg zu wagen und mit ihnen zu ziehen und den unbewaffneten Seeleuten auf ihren Schiffen Waffen zu geben — sie hatten nämlich ihre Schiffe bei Himera an's Land gezogen. Auch schickten sie zu den Selinuntiern und hießen sie mit ihrer Mannschaft an einem bestimmten Punkte zu ihnen zu stoßen. Etliche Mannschaft versprachen ihnen auch die Getaner zu schicken, und so auch einige von den Sikulern, die jetzt schon viel eifriger waren ihnen beizutreten, da Archonidas kurz zuvor gestorben war, der König gewesen über einige Sikulerstämme in jener Gegend und nicht ohne Macht und den.Athenern befreundet, und weil auch von Lakedämon der Zug des Gylippos mit Eifer unternommen zu sein [*]( ThukydideS. VII. ) [*]( 12 )

158
[*]( 414 v. Chr. ) schien. Gylippos nahm nun von seinen Mairosen und Seesoldatcn die wohlbewaffneten, ungefähr isebenhundert, und dazu schwer- und leichtbewaffnete Himeräer, beide zusammen tausend Mann, und hundert Reiter und einige Leichtbewaffnete und Reiter der Selinuntier sammt wenigen Gelanern, und von den Sikulern im Ganzen tausend, und marschirte so gegen Syrakus.

Die Korinther mit den andern Schiffen trachteten von LeukaS aus so schnell es ging nachzukommen, und Gongylos, einer der korinthischen Hauptleute, der mit Einem Schiffe zuletzt abgesegelt war, kam zuerst nach Syrakus, kurz vor Gylippos. Die Bürger der Stadt traf er, wie sie grade eine Versammlung halten wollten, um zu berathen, wie sie der Kriegsbedrängniß ledig würden. DaS hieß er sie unterlassen und sprach ihnen Muth zu und sagte ihnen, daß noch andere Schiffe auf der Herfahrt seien und auch der Befehlshaber Gylippos, des Kleandridas Sohn, von den Lakedämoniern gesendet. Da faßten die Syrakusier wieder Muth und zogen sogleich mit gesammter Macht aus, um dem Gylippos entgegenzugehen, denn sie hatten schon vernommen, daß er in der Nähe sei. Dieser hatte unterwegs eine Festung der Sikuler, mit Namen Geta ), genommen und rückte in Schlachtordnung gegen Epipolä an. Dann erstieg er den Euryelos dort, wo auch die Athener das erste Mal hineingekommen waren, und rückte mit den Syrakusanern gegen die Belagerungsmauer der Athener. Es traf sich aber, daß er zu der Zeit kam, als die Athener ihre doppelte Mauer nach dem großen Hafen schon auf sieben oder acht Stadien Länge fertig hatten, und eS fehlte nur noch ein kleines Stück zum Meere, und daran bauten sie eben. Für den andern Theil der Ringmauer, gegen den Trogilos hin, nach dem Meere aus der andern Seite, lagen die Steine zum meisten Theil schon bereit, und zum Theil wurde die Arbeit halbfertig, zum Theil auch schon ganz fertig im Stich gelassen. So nah war Syrakus an der äußersten Gefahr.

Die Athener, als Gylippos und die Syrakusaner so plötzlich gegen sie heranrückten, geriethen Anfangs in Verwirrung, stellten [*]( 1) Andere lesen Tetai. Stand, Zeigt. Vergl. Held zu Plutarch, Timoleon 30 Kp. )

159
sich aber doch in Schlachtordnung auf. Jener aber ließ in der Nähe [*]( 4l4 v. Chr. ) Halt machen und schickte einen Herold zu ihnen und ließ sagen:, wenn sie inner fünf Tagen von Sieilien abziehen wollten und das Ihrige mitnehmen, so wolle er einen Vertrag mit ihnen schließen. Die Athener verachteten dieß aber und gaben gar keine Antwort, und danach stellten sich beide Theile gegen einander auf wie zur Schlacht. Da aber Gylippos sah, daß die Syrakusaner in Verwirrung geriethen und nicht leicht in Ordnung zu bringen waren, so führte er das Heer wieder etwas rückwärts, wo er mehr Raum hatte. Nikias aber führte seine Athener nicht nach, sondern blieb ruhig bei seiner Mauer stehen, und da Gylippos sah, daß sie nicht heranrückten, so führte er sein Heer auf die Temenitische Anhöhe, und dort blieben sie die Nacht über. Den folgenden Tag führte er den größten Theil seines Heeres hinab und stellte ihn nah gegen die Mauer der Athener in Schlachtordung, damit sie nicht anderwärts Hülse schicken könnten, und unterdeß schickt er eine Abtheilung gegen den festen Posten Labdalon und nimmt ihn und läßt Alle niederhauen, die gefangen wurden. Dieser Platz lag aber den Athenern nicht im Gesicht. Und am selben Tage wurde den Athenern auch ein Dreiruderer von den Syrakusanern abgenommen, der im großen Hafen vor Anker lag.

Danach bauten die Syrakusaner und ihre Bundesgenossen eine einfache Mauer, von der Stadt angefangen landeinwärts durch Epipolä durch bis an die Quermauer, damit eS den Athenern, sofern sie das nicht hindern könnten, unmöglich würde, sie ganz mit ihrer Mauer einzuschließen. Auch die Athener rückten mit ihrem Bau schon landeinwärts, denn sie hatten die Mauer am Meer bereits vollendet. Eine Stelle der athenischen Mauer war aber schwach, und so bot Gylippos in einer Nacht sein Heer auf und rückte gegen diesen Punkt heran. Wie das aber die Athener merkten, denn sie hatten sich zufällig die Nacht über außerhalb gelagert, so marschirten sie ihm entgegen, und da jener dieß sah, so führte er die Seinigen rasch wieder ab. An dieser Stelle nun bauten die Athener ihre Mauer noch höher und hielten daselbst Wache, und auch ihren Bundesgenossen wiesen sie an der übrigen Mauer die Stelle an, wo ein Jeder Wache halten sollte. [*]( 12» )

160
[*]( 4l4 v Chr. ) Dem Nikias aber schien es gut, das sogenannte Plemmyrion zu befestigen. Es ist dieß ein Vorgebirg, der Stadt grade gegenüber, springt über den großen Hasen vor und verengt dessen Einfahrt. Wenn dasselbe befestigt würde, so schien es ihm, werde die nöthige Zufuhr leichter vor sich gehen, denn so würden seine Schiffe in größerer Nähe beim Hafen der Syrakusaner ankern, und wenn diese etwas mit ihrer Flotte unternehmen sollten, so dürfte er nicht erst aus dem entfernten Winkel des Hafens sein Ansegeln gegen sie in's Werk fetzen. Und überhaupt dachte er sich jetzt mehr an den Seekrieg zu halten, da er sah, daß seit des Gylippos Ankunft der Krieg zu Lande wenig mehr versprach. So brachte er also sein Heer und die Schifft hinüber und erbaute drei Kastelle, in denen dann auch das Meiste von Geräthschaften aufbewahrt lag, und auch die großen Schiffe gingen dort vor Anker und die Schnellsegler, weßhalb denn auch, wohl schon von jetzt an, die Schiffsmannschaft in eine schlimme Lage kam, denn es war nur wenig Wasser da und weither zu holen, und auch wenn die Schiffsleute zum Holzsammeln ausgingen, wurden sie von den Syrakusanischen Reitern, welche die Gegend beherrshcten, niedergemacht. Die Syrakufier hatten nämlich den dritten Theil ihrer Reiterei derer in Plemmyrion wegen bei dem Städtchen am Olympieion aufgestellt. Nun erfuhr Nikias, daß auch die übrigen Schiffe der Korinther im Ansegeln seien, und schickte, ihnen aufzupassen, zwanzig von seinen Schiffen ab, denen befohlen wurde, in der Gegend von Lokri und Rhegium und an den fikelischen Landungspunkten auf der Lauer zu liegen.

Gylippos aber baute nicht nur an der Mauer durch Epipolä, indem er dazu die Steine verbrauchte, welche die Athener vorher für sich selbst herbeigeschafft hatten, sondern führte auch täglich die Syrakufier und die Bundesgenossen vor die Befestigungswerke und stellte sie in Schlachtordnung auf, und die Athener thaten ebenso. Da nun einmal dem Gylippos die Gelegenheit günstig schien, so begann er den Angriff, und als man handgemein geworden, kämpften beide Theile zwischen ihren Mauern, wo den Syrakusanern ihre Reiterei zu Nichts nützte. Als nun die Syrakufier und ihre Bundesgenossen besiegt worden waren und unter dem Schutz eines Vertrages ihre Todten aufgehoben und die Athener ein Siegeszeichen ausgestellt

161
hatten, berief Gylippos sein Heer zusammen und sagte, nicht an [*]( 414 v. Chr. ) ihnen läge die Schuld, sondern an ihm selber; denn da er die Schlachtlinie zu weit zwischen die Mauern hinein aufgestellt habe, so sei die Reiterei und die Speerschützen nicht in's Gefecht gekommen; jetzt wolle er sie aber wieder gegen den Feind führen, und sie sollten doch bedenken, daß sie an Kriegsrüstung nicht die Schwächeren seien, und was den Muth anbelange, so wäre es doch unerträglich, wenn sie als Dorier und Peloponnesier sich nicht getrauten, über Jopier, Insulaner und zusammengelaufenes Volk Herr zu werden und sie auS dem Land zu jagen.