History of the Peloponnesian War

Thucydides

Thucydides. Geschichte des Peloponnesischen Kriegs. Wahrmund, Adolf, translator. Stuttgart: Krais and Hoffmann, 1864.

Als nun die Syrakusaner sahen, daß ihre Pallisaden und der Bau der Quermauer bereits weit genug vorgeschritten seien, und die Athener nicht erschienen, um sie daran zu verhindern, weil sie Nämlich fürchteten, daß jene mit größerem Vortheil kämpfen würden, wenn sie selbst ihre Macht theilten, und da sie zugleich auch mit ihrer eigenen Einschließungsmauer rasch' fertig werden wollten, so ließen die Syrakusaner eine Stammabtheilung zur Bewachung ihres ' Baues an Ort und Stelle und kehrten in die Stadt zurück. Die Athener aber zerstörten unterdessen die unterirdischen Leitungen, welche das Trinkwasser in die Stadt führten und warteten ab, bis die andern Syrakusaner zur Zeit der Mittagshitze in ihren Zelten ruhten und Einige auch nach der Stadt gegangen waren, während die beim Pfahlwerk die Wache nur nachlässig versahen. Sie hatten unterdessen dreihundert auserlesene Mann von ihren eigenen Truppen und etliche ausgesuchte Leichtbewaffnete mit schwerer Rüstung vorangestellt und ließen sie jetzt ganz plötzlich gegen die Q-uermauer Sturm laufen; ihr übriges Heer aber theilten sie in zwei Theile, und der eine mit dem Einen der beiden Feldherren rückte gegen die Stadt, falls jene zur Abwehr ausrücken sollten, der andere aber unter dem zweiten Feldherrn gegen das Pfahlwerk bei dem kleinen Thore. Jene dreihundert nun nahmen die Pallisaden im Anlauf weg, und die Besatzung ließ dieselben im Stich und floh in das Vorwerk beim Temenites. Mit ihnen aber drangen auch ihre Verfolger zugleich ein, wurden jedoch aus dem Innern mit Gewalt wieder hinausgeworfen, wobei etliche Argiver und einige wenige von den Athenern blieben. Nun zog sich das ganze Heer der Athener wieder zurück, machte die Quermauer dem Boden gleich, riß das Pfahlwerk nieder und trug die Pfähle mit sich fort, worauf sie denn auch ein Siegeszeichen aufstellten. [*]( 88) Rudern der Wasserleitung sind noch vorhanden. (Kr.), ) [*]( 89) Vergl. VI, 75. )

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Am folgenden Tag besetzten die Athener, von der Ring­ [*]( 414 v. Chr.' ) mauer ausgehend, den jähen Felsabhang oberhalb des Sumpfes, welcher auf dieser Seite von Epipolä gegen den großen Hasen hinschaut, und von wo aus sie ihre Einschließungsmauer abwärts durch die Ebene und den Sumpf 9") bis zum Hafen in der kürzesten Linie ziehen konnten. Aber auch die Syrakusaner zogen jetzt wieder aus und errichteten auch ihrerseits wieder ein Pfahlwerk, von ihrer Stadt anfangend mitten durch den Sumpf durch; und zugleich zogen sie einen Parallelgraben daneben, damit die Athener ihre Einschließungsmauer nicht bis zum Meer hinabführen könnten. Diese hingegen, als sie die Befestigung an dem Felsabhang vollendet hatten, machten wieder einen Angriff auf das Pfahlwerk und den Graben der Syrakusaner, nachdem sie den Schiffen befohlen hatten, von der Halbinsel Thapsos aus in den großen Hafen der Syrakusaner herumzusegeln. Sie selbst rückten beim Morgengrauen von Epipolä in die Ebene hinab und überschritten den Sumpf, da, wo der Boden mehr lehmig und etwas fester war, indem sie Thüren und breite Bretter überlegten. Mit Sonnenaufgang nahmen sie das Pfahlwerk, ein kleines Stück ausgenommen, und den Traben, und später auch den übrigen Theil. Auch kam es zum Gefecht, und es siegten dabei die Athener, wonach die Syrakusier des rechten Flügels gegen die Stadt hin flohen, die vom linken aber längs dem Fluß hin. Diese letzteren nun wollten die dreihundert athenischen Auserlesenen abschneiden, damit sie den Fluß nicht überschreiten könnten, und rückten deßhalb im Laufschritt gegen die Brücke. Dadurch wären die Syrakusaner, bei denen hier auch der größte Theil ihrer Reiterei war, in große Gefahr gerathen, sie rückten also den Dreihundert entgegen, trieben sie in die Flucht und brachen selbst in den rechten Flügel der Athener ein, so daß bei diesem Anprall auch die erste Abtheilung dieses Flügels mit in die Flucht gerissen wurde. Da dieß Lamachos sah, eilte er von seinem linken Flügel mit wenigen Bogenschützen zur Hülfe herbei, indem er auch die Argiver an sich nahm; als er aber einen Graben überschreiten wollte, wurde er mit einigen wenigen Begleitern allein gelassen, und dabei fiel er mit fünf oder sechs von [*]( 90) Der'See oder Sumpf Lhslmeleia. )

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[*]( 414 v. Chr. ) denen, die mit ihm waren. Diese nahmen die Syrakusaner noch rasch an sich und brachten sie jenseits des Flusses in Sicherheit und zogen sich dann selbst zurück, da jetzt auch die übrige Macht der Athener anrückte.

Als aber die von den Syrakusanern, welche zuerst nach der Sadt geflohen waren, diese Vorfälle sahen, so faßten sie wieder Muth und stellten sich wieder vor ihren Mauern in Schlachtordnung gegen die ihnen gegenüberstehenden Athener und schickten zugleich einen Theil der Ihrigen nach der kreisförmigen Mauer bei Epipolä, im Glauben, dieselbe unbesetzt zu finden und nehmen zu können. Auch nahmen sie ein Vorwerk von zehn Plethren (1000 Fuß) Länge und zerstörten es, aber die Kreismauer selbst zu nehmen, hinderte sie Nikias, der zufällig krank daselbst zurückgeblieben war. Dieser befahlnämlich seinen Wärtern, die Maschinen und das Holz, das vor den Mauern aufgehäuft lag, in Brand zu stecken, da er einsah, daß sie bei ihrer Entblößung an Mannschaft auf andere Weise sich nicht aus der Noth helfen könnten. Und dieß hatte auch die beabsichtigte Wirkung; denn des Feuers wegen drangen die Syrakusaner nicht weiter mehr vor,- sondern zogen sich wieder zurück. Und bereits war auch Hülfe im Anzug gegen die Kreismauer, von den Athenern unten in der Fläche, welche die Syrakusaner daselbst zurückgeschlagen hatten, und zugleich mit diesen erschienen auch die Schiffe, die von Thapsos her, wie befohlen war, in den großen Hafen einliefen. Als die von oben das sahen, zogen sie. sich schnell zurück in die Stadt, und so auch das ganze übrige Heer der Syrakusaner. und sie, hofften jetzt nicht mehr mit ihrer gegenwärtigen Macht im Stande zu sein, die Einschließung bis an's Meer hinab verhindern zu können.

Danach stellten die Athener ein Siegeszeichen auf und gaben den Syrakusanern unter dem Schutze eines Vertrags ihre Todten heraus, wofür sie die Leichen des Lamachos und der mit ihm Gefallenen erhielten. Da jetzt ihre ganze Macht versammelt war, die Flotte sowohl, wie das Landheer, so schlossen sie, von Epipolä und dem Felsabhang angefangen, bis an'S Meer hinab die Syrakusaner mit einer doppelten Mauer ein. Die Bedürfnisse wurden dem Heer von allen Gegenden Italiens zugeführt. ES traten aber auch von den Sikulern Viele als Bundesgenossen zu den Athenern über,

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welche sich früher abwartend verhalten hatten, und aus Tyrfenien [*]( 414 v. Chr. ) kamen drei Fünfzigruderer..Auch im Uebrigen.ging ihnen Alles so von Statten, daß sie die besten Hoffnungen fassen konnten. Die Syrakusaner ihrerseits glaubten ebenfalls nicht mehr/aus diesem Kriege siegreich hervorzugehen, da ihnen bis jetzt auch keine Hilfe aus dem Peloponnes gekommen war, und sowohl unter ihnen selbst, als auch gegen den Nikias wurde schon von Uebergabe geredet. Dieser nämlich befehligte mit dem Tode des Lamachos allein. Es kam zwar zu keinem festen Abschluß, aber es wurde doch mit Nikias viel darüber geredet und mehr noch in der Stadt selber, wie es ja natürlich ist bei solchen Menshcen, die in Bedrängniß waren und enger eingeschlossen, als vorher. Aus den vorhandenen Uebeln entsprang auch eine gegenseitige Verdächtigung^ wie sie denn auch die Feldherren absetzten, unter deren Führung sie solches Mißgeschick erlitten, gleich als ob deren Unglück oder Verrätherei sie zu Schaden gebracht hätte. An ihre Stelle wählten sie Andere, den Herakleides nämlich und Eukles.und Tellias.. /

Um diese Zeit waren Gylippos, der Lakedämonier, und die von Korinth ausgelaufenen Schiffe bereits in Leukas und dachten, Sieilien so rasch'als möglich zu Hülfe zu kommen. Da aber so schlimme Nachrichten zu ihnen kamen, die zwar falsch waren, aber immer auf dasselbe hinausliefen, daß nämlich Syrakus bereits gänzlich eingeschlossen sei, so ließ Gylippos alle Hoffnung auf Sieilien fahren und dachte nur daran, wenigstens Italien zu retten, weßhalb er und der Korinther Python mit zwei Leukadischen und zwei Korinthischen Schissen so rasch als möglich über den Ionischen Meerbusen segelten, während die Korinther, die zu ihren zehn eigenen Fahrzeugen noch zwei Leukadische und drei Amprakiotische bemannt hatten, später nachfahren sollten.Gylippos schickte von Tarent aus zuerst Botschaft nach Thuria, indem er sie an das Bürgerrecht erinnerte, welches sein Vater bei ihnen genossen er konnte sie jedoch nicht gewinnen und schiffte deßhalb weiter an der Küste hin um Italien herum. Unterwegs wurde er im Terinäischen Busen von einem [*]( 91) Vergl. VI, 93. ) [*]( 92) Sein Vater KleandridaS, aus Sparta entflohen. Plutarch, Perikles Kap. 22. Thukndides. VI. ) [*]( 11 )

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[*]( 414 v. Chr. ) Sturm überfallen, welcher in dieser Gegend mit großer Heftigkeit ständig aus Norden weht, und in'S offene Meer hinaus verschlagen, und nachdem er auf das Heftigste herumgeshclendert worden war, lief er wieder in den Hasen von Tarent ein, wo er die Schiffe, die vom Sturm gelitten hatten, an's Land zog und ausbesserte. Nikias erfuhr zwar, daß er heransegele, aber er verachtete die geringe Zahl seiner Schiffe, wie auch die Thurier gethan; denn er glaubte, sie seien mehr in der Art von Seeräubern gerüstet ausgefahren, und ergriff ihretwegen keine Vorsichtsmaßregeln.

Um dieselbe Zeit in diesem Sommer machten auch die Lakedämonier einen Einfall in Argolis, sie selbst sammt ihren Bundesgenossen, und verwüsteten den größten Theil des Gebietes. Die Athener aber kamen den Argivern mit dreißig Schiffen zu Hülfe, wodurch sie ihren Friedensvertrag mit den Lakedämoniern auf's Unzweideutigste brachen. Vorher nämlich hatten sie zwar von Pylos aus Raubzüge unternommen und auch sonst die Argiver und Mantimer mit den Waffen unterstützt, allein sie waren dabei mehr auf den andern veloponnesischen Küsten gelandet, und nicht in Lakonien, und obgleich die Argiver sie oft aufgefordert hatten, mit ihnen bewaffnet auf Lakonischem Gebiet zu landen und auch nur einen noch so kleinen Theil desselben zu verwüsten und dann wieder abzuziehen, so hatten sie nicht gewollt. Jetzt aber machten sie unter Führung des Pythodoros und Laispodios und Demaratos eine Landung beim Limerischen EpidauroS und Prasia und verwüsteten diese und andere Gegenden und gaben also damit den Lakedämoniern jetzt einen noch begründeteren Vorwand an die Hand, sich gegen sie vertheidigen zu müssen. Als die Athener von Argos auf ihren Schiffen wieder zurückgekehrt waren, und ebenso auch die Lakedämonier, so sielen die Argiver in Phliasia ein, verwüsteten das Land, tödteten einige Mannschaft und kehrten dann wieder nach Hause zurück.

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