History of the Peloponnesian War

Thucydides

Thucydides. Geschichte des Peloponnesischen Kriegs. Wahrmund, Adolf, translator. Stuttgart: Krais and Hoffmann, 1864.

„Wir hätten also um so weniger Grund zur Furcht, wenn wir zusammenstünden, und sollten um so entshciedener Bundesgenossenschast schließen, zumal uns ja auch vom Peloponnes her Hilfe kommen wird, welche im Kriegswesen diesen in allen Stücken überlegen sind. Und glaube auch ja Keiner, daß jene vorsichtige Neutralitat uns gegenüber das Recht nicht verletze und euch doch Sicherheit verbürge, wenn ihr nämlich keinem von beiden Theilen Hilfe leistet, als mit beiden in Bundesgenossenschaft befindlich. Denn in der That wird damit nicht das Recht gewahrt, wie es den Worten nach scheint. Denn wenn durch Verweigerung der BundeShilse eurer Seits der Angegriffene unterliegen und der Gewaltthätige siegen wird, so habt ihr doch mit eurer Nichtbetheiligung nichts Anderes zu Wege gebracht, als die in's Verderben gestürzt, denen ihr hättet helfen können, und die Andern ein Verbrechen begehen lassen, die ihr daran hättet verhindern sollen. Es ist doch fürwahr ruhmvoller, sich mit den ungerechter Weise Angegriffenen, die zugleich Verwandte find, zu verbünden und die gemeinsame Sache SieilienS zu schützen und zugleich die Athener, wenn sie schon einmal Freunde sind, an einem Verbrechen zu hindern!"

„Sollen wir uns nun kurz fassen, so haben wir Syrakufaner Folgendes zu sagen: Euch die richtige Einsicht in die Sache beizubringen, dazu braucht'S keine große Anstrengung, bei euch so wenig, wie beiden Andern, denn ihr habt keine schlechter« Augen, als wir. Fruchtet aber unsere Ueberredung Nichts, so bitten und beschwören wir euch; bedenket, daß wir von Jonern, unseren Feinden von jeher, angegriffen werden, und daß wir durch euch verrathen sind, Dorer durch Dorer! Unterwerfen uns die Athener, so haben sie den Sieg euren Entschlüssen zu danken; der Ruhm und die Ehre aber wird auf ihren Namen fallen, und als Preis des Sieges werden-sie grade

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[*]( 414 v. Chr. ) die einstecken, welche ihnen zum Sieg verholfen haben. Wenn.aber wir den Sieg gewinnen, so werdet ihr selbst die Strafe zu tragen haben, dafür, daß ihr so große Gefahr habt über uns kommen lassen. So sehet denn zu und wählt jetzt entweder die augenblickliche gesahrlose Knechtschaft, oder mit uns zu stehen und im Fall des Sieges die schimpfliche Herrschaft der Athener ^ind die Rache unserer Feindschaft zu vermeiden, die euch gewiß nicht verschonen würde."

So redete Hermokrates; nach ihm aber sprach Euphemos, der Athenische Gesandte, wie folgt:

„Wir sind hieher gekommen, um die früher bestandene Bundesgenossenschaft zu.erneuern; weil uns aber der Syrakusaner angreift, so bin ich gezwungen, auch über unsere Herrschaft zu reden, um zu zeigen, daß wir sie mit Recht besitzen. Den stärksten Vertheidigungsgrund hat er selber beigebracht, daß nämlich die Joner allezeit Feinde der Dorer seien. Und so ist es auch in der That. Wir Athener nämlich, die wir Joner sind, mußten gegenüber den Peloponnesiern, die Dorer sind und, an Zahl überlegen, in unserer nächsten Nähe wohnen, nach Mitteln und Wegen suchen, um uns vor ihrer Herrschaft so sicher als möglich zu stellen, und als wir nach den Perserkriegen im Besitz einer Flotte waren, haben wir uns von der Herrschaft und Führung der Lakedämonier frei gemacht, da doch jene durchaus nicht mehr berechtigt waren, uns zu befehlen, als wir ihnen, wenn sie nicht eben im Augenblicke die Stärkeren waren. So traten wir denn auf als Führer der Hellenen, die früher dem Perserkönig gehorcht, und haben unsere Staatseinrichtungen getroffen, von der Ueberzeugung ausgehend, daß wir vor der Herrschaft der Peloponnesier am sichersten seien, wenn wir selber die Macht besäßen, um sie abzuwehren. Und will man genau zusehen, so haben wir die Joner und Inselbewohner nicht einmal mit Unrecht uns unterworfen, obgleich die Syrakusaner sagen, daß wir sie trotz der Stammverwandtschaft mit Gewalt geknechtet hätten. Denn sie sind im Bunde mit den Medern gegen uns, ihren Mutterstaat, zu Feld gezogen und haben eS nicht gewagt abzufallen und ihr Haus und Gut preiszugeben, wie wir gethan, die unsere Stadt verließen, sondern die Knechtschaft zogen sie vor und wollten auch uns dieselbe aufzwingen."

„Dafür aber herrschen wir, als die Würdigsten, mit Recht,

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denn wir haben die größte Flotte gestellt und für die Hellenische Sache [*]( 414 v. Chr. ) den rücksichtslosesten Eifer gezeigt, während jene bereitwillig dem Meder folgten, um uns zu schädigen; und zugleich auch trachteten wir so in den Besitz der Macht zu gelangen, durch die wir den Peloponnesiern gewahcsen seien. Uebrigens beschönigen wir unser Verfahren keineswegs dadurch, als ob uns die Herrschaft gebühre, weil wir allein die Macht des Barbaren gebrochen, oder uns den Gefahren unterzogen hätten mehr um der Befreiung jener willen, als wegen der Freiheit Aller und damit auch unserer eigenen., Es kann ja Niemanden einen Vorwurf zuziehen, wenn er sich die gebührende Unabhängigkeit zu erwirken sucht: Und so find wir denn auch jetzt unserer eigenen Sicherheit wegen hieher gekommen und sehen auch, daß unser Vortheil zugleich' der'eure ist. Das bringen wir übrigens nur vor, weil diese grade hieraus den Stoff zu ihren Verläumdungen nehmen und auch ihr daraus mehr Furcht schöpft, als billig ist; denn wir wissen, daß die mit großer Furcht und Argwohn Erfüllten sich zwar für den Augenblick durch gewinnende Rede, verlocken lassen?"), wenn es aber hinterdrein zur That kommt, doch nach ihrem wahren Vortheil handeln. Wir haben deßhalb gezeigt, daß wir unsere dortige Herrschaft aus Furcht für uns selbst erwerben mußten, und daß wir aus eben demselben Beweggrunde hieher gekommen sind, um im Bunde mit unsern Freunden auch die hiesigen Verhältnisse zu unserer Sicherstellung zu gestalten, keineswegs aber, um Andere zu unterjochen, vielmehr um zu verhindern, daß uns selbst dieß durch Andere geschehe."

„Und denke auch Keiner, daß wir uns in eure Angelegenheiten mischen, ohne daß uns dieselben berühren. Bedenke er doch, daß, wenn ihr bleibt und den Syrakusanern mit euren nicht schwachen Mitteln den Widerpart haltet, diese viel weniger im Stande find, den Peloponnesiern'zu unserm Schaden eine Macht zu Hilfe zu schicken. Und insofern ist euer Interesse mit dem unfrigen sogar aüf's Engste verknüpft. Und deßhalb hat es auch die triftigsten Gründe, daß wir die Leontiner wieder in ihre Stadt zurückführen, nicht als unsre Unterthanen, wie ihre Stammverwandten aus Euböa, sondern daß wir sie vielmehr so mächtig, als nur möglich, machen, [*]( 70) Wie jetzt ihr durch die Darstellung deS HeryivkrateS. )

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[*]( 414 v. Chr. ) damit sie von ihrem eigenen Gebiete aus als Gränznachbarn der Syrakusaner zu unserm Vortheil diesen so viel Schaden, als möglich, zufügen. Denn dort in unserer Heimath sind wir unseren Feinden selbst gewachsen, und man sagt zwar, eS habe keinen Sinn, daß wir den Chalkidier dort geknechtet hielten und den hiesigen befreien wollten, allein der dortige ist uns nützlicher, wenn er keine eigene Kriegsmacht besitzt und uns nur Geld beisteuert, hier aber ist eS unser Vortheil, wenn die Leontiner und unsere andern Freunde so frei und unabhängig wie nur möglich sind." " ' ^

„Für einen Alleinherrscher, oder für eine Stadt, welche Herrschaft besitzt, ist keine Handlungsweise'ungereimt, die ihnen Nutzen bringt, und es gibt für sie keine Freundschaft, die nicht zugleich eine zuverlässige Stütze für sie ist. Mit allen Menschen muß man Feindschaft oder Freundschaft schließen je nach den Umständen, und für.- uns ist es hier nützlich, nicht wenn wir unsere Freunde schwächen, sondern wenn unsere Feinde durch die Macht unserer Freunde unschädlich gemacht find. Zum Mißtrauen ist kein Grund vorhanden; denn auch mit unseren dortigen Bundesgenossen halten wir eö, wie wir grade von Jedem den meisten Nutzen erwarten; die Chalkidier und Methymnäer^ haben ihre eigene Verfassung behalten und stellen Schiffe; die Mehrzahl ist schon in größerer Abhängigkeit nnd zahlt Steuern; Andere behandeln wir als völlig freie Bundesgenossen, obgleich sie auf Inseln wohnen und leicht zu erobern wären, und zwar, weil sie in der Nähe des Peloponnes und günstig gelegen wohnen. Und so ist es auch natürlich, wenn wir die hiesigen Verhältnisse zu unserem Vortheil und, wie gesagt, zur Abschreckung der Syrakusaner einrichten. Denn sie streben nach der Herrschaft über euch, und wenn sie euch jetzt durch Verdächtigung unserer Absicht zum Bunde gegen uns bewogen haben, wollen sie dann,.wenn wir unverrichteter Dinge abziehen mußten, die Herrschaft über Sieilien an sich reißen, indem ihr entweder ihren Waffen unterlieget, oder ihnen wegen Mangels an Bundesgenossen preisgegeben seid. Und so muß es nothwendig kommen, wenn ihr jetzt zu ihnen übertretet, denn weder könnten wir es mit einer so großen vereinigten Macht leicht aufnehmen, noch auch werden diese euch gegenüber zu schwach sein, wenn wir erst nicht mehr hier sind." > ,

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„Wem aber dieß nicht also zu sein scheint, den überführt [*]( 414 v. Chr. ) die That selbst. Denn als ihr uns das erste Mal") herbnneset, habt ihr uns nur das eine Schreckbild vorgehalten, daß wir selber in große Gefahr gerathen würden, wenn wir ruhig zusähen,.wie ihr von den Syrakusanern unterjocht würdet. ES wäre also nicht recht, wenn .ihr jetzt nicht denselben Grund für glaubwürdig hieltet, durch den ihr uns zu überreden suchtet, oder wenn ihr uns deßhalb mit Argwohn betrachten wolltet, weil wir mit überlegener Macht gegen diese hieher gekommen find; vielmehr müßt ihr diesen mißtrauen. Sind wir doch nicht einmal im Stand, ohne eure Hilfe uns hier zu behaupten; und selbst wenn wir zu Verräthern an euch würden und euch unterjochten, so wäre es uns ja doch wegen der weiten Schiff- fahrt und wegen Mangels an Besatzungstruppen unmöglich, uns gegen so große Städte zu halten, die eine Kriegsmacht besitzen, wie die Städte des Festlandes. Diese fitzen euch aber dahier auf dem Nacken, und zwar nicht mit einem Feldlager, sondern mit ihrer Stadt, die größere Kriegsmittel besitzt, als wir solche mit uns gebracht haben; und stets schmieden sie verderbliche Pläne gegen euch, und wo immer sie die Gelegenheit erfassen können, lassen sie dieselbe nicht unbenützt — davon haben sie schon Beweise gegeben, und so auch gegen die Leontiner. Und nun wagen sie es gegen die, welche fie daran hindern wollen und bis jetzt die Unabhängigkeit Siciliens gegen sie vertheidigt haben, euch zu Hilfe zu rufen, gleich als ob ihr ohne allen Verstand wäret. Zu viel gewisserer Rettung rufen wir euch dagegen auf, indem wir euch bitten, die Sicherstellung, welche beide Theile, ihr und. wir, uns gegenseitig gewährleisten, nicht auf's Spiel zu setzen, sondern überzeugt zu sein, daß diesen dahier ihrer großen Zahl wegen auch ohne Bundesgenossen der Weg zu eurer Stadt offen steht, daß sich euch aber die Gelegenheit nicht oft bieten werde, euch ihrer mit so bedeutender Hilfsmacht zu erwehren. Laßt ihr dieselbe aus irgend einem Argwohn entweder unverrichteter Dinge wieder abziehen, oder gar eine Schlappe erleiden, so werdet ihr später schon in die Lage kommen, auch nur einen geringen Theil derselben herbei zu wünshcen, [*]( 71) Vrgl. III, 85. ) [*]( Thukydtdes VI 10 )

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[*]( 414 v. Chr. ) dann nämlich, wenn Nichts mehr über die See zu euch herüber kommen wird."

„Aber weder ihr, o Karaminäer, noch auch die Andern dürft euch durch ihre Verläumdungen überreden lassen. Wir haben euch in Betreff der Verdachtsgründe, die gegen uns vorgebracht werden, die ganze Wahrheit gesagt, und wir wollen dieselben, um euch zu gewinnen, nochmals kurz zusammenfassen. Wir sagen also, daß wir die Hellenen dort unter unsere Herrschaft gebracht, um nicht selber einem Andern unterthänig zu werden, daß wir aber dahier Freiheit und Unabhängigkeit herstellen wollen, um durch die hiesigen Verhältnisse nicht selber zu Schaden zu kommen; — ferner, daß wir genöthigt sind, vielerlei zu unternehmen, weil wir von vielen Seiten drohende Gefahr abwenden müssen, und daß wir jetzt sowohl, wie früher, als Bundesgenossen derjenigen unter euch erschienen find, denen dahier Unrecht geschehen ist, — und zwar nicht ungerusen, sondern dazu aufgefordert. Auch seid ihr nicht zu Richtern bestellt über unsere Unternehmungen, noch auch dürft ihr versuchen uns zu schulmeistern und von unserm Vorhaben abwendig zu machen, was jetzt nicht mehr an der Zeit wäre. Vielmehr müßt ihr das, was immer an unserer vielseitigen Thätigkeit und an unserem Gebahren zugleich auch für euch vortheilhaft ist, herausnehmen und euch zu Nutzen machen; und seid überzeugt, daß dieß Gebahren nicht allen Hellenen in gleicher Weise schädlich wird, sondern noch viel mehreren derselben sogar Nutzen bringt. Denn Jeder und an jedem Orte, — auch wenn wir nicht nah zur Hand find, — wer immer glaubt Gewalt befürchten zu müssen, oder wer selbst an Andern Gewalt zu üben denkt, die werden beide, — der Eine, weil er hoffen darf, daß unsere Hilfe ihm bereit ist, der Andere, weil er von unserm Erscheinen Gefahr fürchten muß — in der Lage sein, — dieser, auch wider Willen sich zu mäßigen, — jener, auch ohne sein Zuthun seine Unabhängigkeit zu retten. So stoßet also diese sichere Hilfe, die Jedem, der ihrer bedarf, und jetzt auch euch bereit ist, nicht von euch, sondern macht es wie die Andern, und anstatt immer nur vor dem Angriff der Syrakusaner auf der Hut zu sein, schließt euch dafür einmal in gleicher Weise an uns an, um ihnen zu Leibe zu gehen!"

So redete Euphemos. Mit der Gesinnung der Kamarinäer

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aber stand es so. Den Athenern waren sie geneigt, allein sie sürch- [*]( 4l4 v. Chr. ) teten, daß dieselben Sieilien sich wirklich unterwerfen wollten; mit den Syrakusanern hingegen waren sie als Gränznachbarn von jeher in Zwist, und sie fürchteten sich auch vor diesen, die sie'ganz in nächster Nähe hatten, falls diese nämlich auch ohne ihre Hilfe den Sieg davontragen sollten, weßhalb sie ihnen denn auch das erste Mal die geringe Zahl Reiter zu Hilfe geschickt hatten; und so beschlossen sie denn auch jetzt, fernerhin lieber die Syrakusaner durch thätige Hilfe zu unterstützen, jedoch mit so geringer Macht, als es eben nur angehe; — um aber auch den Athenern anscheinend nicht weniger gerecht zu werden, zumal diese auch in der Schlacht gesiegt hatten, so wollten sie in Worten beiden Theilen denselben Bescheid geben. Und wie beschlossen, so ertheilten sie die Antwort; da beide Krieg führende Theile ihre Bundesgenossen seien, so erachteten sie es ihren Eiden gemäß, für jetzt keinem von beiden Hilfe zu leisten. So reisten denn die Gesandten beider Theile wieder ab.

Die Syrakusaner nun rüsteten ihrerseits zum Kampfe, die Athener aber lagerten bei Naxos und unterhandelten mit den Sikulern, um deren möglichst viele aus ihre Seite zu bringen. Von denjenigen Sikulern nun, welche mehr gegen die Ebene hin wohnten und Unterthanen der Syrakusier waren, gingen nicht viele zu ihnen über; dagegen hielten es die meisten Ortschaften derer im Binnenlande, die auch vorher allezeit unabhängig geblieben waren, nur Wenige ausgenommen, mit den Athenern und brachten Getreide für das Heer, und zum Theil auch Geld. Gegen die nicht Uebergetretenen zogen die Athener zu Feld und nöthigten auch Einige derselben zwangsweise, es mit ihnen zu halten, bei Andern aber wurden sie von den Syrakusanern, die Besatzungen und Hilfstruppen schickten,' daran gehindert. Für den Winter aber gingen sie von Naxos zur See nach Katana zurück, stellten-das von den Syrakusanern verbrannte Lager wieder her und überwinterten daselbst. Auch schickten sie wegen eines Freundschaftsbündnisses einen Dreiruderer nach Karthago, ob sie vielleicht von dort Unterstützung erhalten könnten, und so auch Abgesandte in das Tyrrhenische Land^), wo einige Städte sich freiwillig zur [*]( 72) Tyrrhenien. Etrurien. Die ElruSker sind alte Bundesgenossen der Kartha» gcr, freilich zunächst gegen die italischen und sicilischen Griechen, welche ihnen als Han» ) [*]( 10* )

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[*]( 414 v. Chr. ) Kriegshilfe erboten hatten. Auch unter den Sikulern schickten sie Botschaft umher, und auch nach Egesta Gesandte, mit der Aufforderung, ihnen möglichst viel Reiterei zu schicken, und zur Einschließung von Syrakus durch Mauern bereiteten sie Backsteine und Eisen, und was sonst Alles von Nöthen war, vor, um mit Frühlingsansang mit Eifer an den Krieg zu gehen.

Die Gesandten der Syrakusaner aber, welche nach Korinth und Lakedämon geschickt worden waren, suchten auch auf ihrer Fahrt an den Küsten Italiens hin die dortigen Städte zu überreden, daß sie doch den Unternehmungen der Athener nicht ruhig zusehen möchten, da ja auch sie selbst in gleicher Weise dadurch bedroht seien; und nachdem sie in Korinth angekommen waren, hielten sie daselbst ihren Vortrag und verlangten, daß man der Stammverwandtschaft gemäß ihnen zu Hilfe kommen solle. Und so beschlossen denn die Korinther zuerst für sich und allsogleich, ihnen mit allem Eifer beizustehen, und gaben den Syrakusiern auch ihrerseits Gesandte nach Lakedämon mit, um auch diese überreden zu helfen, daß sie den Krieg gegen die Athener im Lande selbst offen und entschieden betreiben und auch nach Sieilien eine Hilfsmacht schicken möchten. Als diese Korinthischen Gesandten nach Lakedämon kamen, war daselbst auch Alkibiades nebst seinen Mitflüchtlingen anwesend, der damals von Thuria aus sofort aus einem Lastschiffe zuerst nach Kyllene in Eleia und dann nach Lakedämon gekommen war, und zwar auf besondere Einladung und unter Ausbedingung persönlicher Sicherheit; denn er war nicht ohne Besorgniß vor ihnen, wegen seiner Betheiligung an den Mantineischen Ereignissen^). Und so traf es sich, daß in der Volksversammlung der Lakedämonier, die Korinther und Syrakusaner und Alkibiades zugleich dieselben Anträge stellten und die Lakedämonier zu überreden suchten. Und da die Ephoren und Behörden nur die Absicht hatten, Gesandte nach Syrakus zu schicken, um zu ermähnen, daß sie sich mit den Athenern nicht gütlich abfinden möchten, hingegen nicht gewillt waren, Hilfstruppen hinzusenden, so trat Alkibiades auf, um die La­ [*]( delöleute in der Westhälste des Mittelmeeres Concurrenz machten. — Man sieht aus diesen Allianzen, wie groß überall die Furcht vor der Macht und dem Unternehmung?» geist der Athener war. ) [*]( 73) Pest. V. 43 ff. )

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tedämonier aufzureizen, und trieb mit folgenden Worten zum [*]( 414v. Chr. ) Kriege:

«Nothwendig muß ich zuerst meiner eigenen Verunglimpfung wegen zu euch reden, damit ihr aus Argwohn gegen meine Person nicht etwa auch meine Ansichten über die Interessen des Staa» teS ungünstig anhöret. Nachdem also meine Vorsahren die Staatsgastfreundschaft mit euch^), irgend einer Beschwerde wegen, aufgesagt hatten, habe ich, um dieselbe wiederum aufzunehmen, mich eurem Vortheil dienstbar gezeigt, in vielen andern Stücken sowohl, als auch damals in dem Unglück von Pylos Während ich mich nun unausgesetzt freundlich und eifrig gegen euch erwies, habt ihr euch mit den Athenern wieder vertragen und bei dieser Gelegenheit meinen Feinden Macht und Ansehen verschafft, indem ihr die Unterhandlungen durch jene fuhren ließet, mir aber Unehre. Und so habt ihr euch meinerseits nur ganz gerechter Weise Schaden zugezogen, indem ich mich zu den Mantineern und Argivern hielt, und was ich sonst Alles zu eurem Nachtheil in's Wer? gesetzt habe. Und wenn nun auch damals, während ich euch schadete. Einer nicht mit Unrecht auf mich zürnen durfte, so möge er jetzt, nach Erwägung der wahrhaften Gründe, seine Stimmung gegen mich ändern. Oder wenn Einer, weil ich mehr aus die Seite des Volks neigte, mich deßhalb für schlechter halten sollte, so darf man auch aus diesem Grunde mir nicht mit Recht zürnen. Denn von jeher find wir'^) Feinde der Tyrannen, und die Gesammtheit aller derer, die dem Alleinherrscher feindlich find, heißt eben Volk, und so ist uns denn von jenem Tyrannenhasse her die Vorsteherschaft der Bolkspaitei geblieben. Ueberdieß waren wir ja auch bei der meist demokratischen Einrichtung unseres StaatSwesens gezwungen, uns den bestehenden Verhältnissen zu fügen, doch waren wir bestrebt, uns in Staatsdingen gemäßigter zu zeigen, als die herrschende Zügellosigkeit es mit sich brachte. Hingegen waren eS in früherer Zeit, und find eS jetzt noch Andere, welche den großen Hausen zum Schlechter», anleiten, und diese eben haben auch meine Ver­ [*]( 74) Pest. V, 43 und Zlnm. ) [*]( 75S) Ich und meine Familie, die Alkmäoniden, mit Bezug auf deren Antheil an Beitreibung der Peisistratiden (Kr.). Eine passende Erinnerung für die Lakedämonier. da auch diese sich mitbetheiligt hatten. )

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[*]( 414 v. Chr. ) bannung erwirkt. Wir aber haben an der Spitze des gesammten Staatswesens nach dem Grundsatze gehandelt, daß diejenige Versassung die beste sei, bei welcher der Staat die größte Macht besitze und die größte Freiheit genieße, und daß man das Ueberkommene festhalten müsse. Denn was im Uebrigen an der Demokratie ist, das wissen wir, die einige Einsicht haben, ja Alle, und ich nicht minder, als irgend ein Anderer, je mehr ich Grund hätte, sie zu schmähen; aber über etwas, was so allgemein als Thorheit anerkannt ist, möchte Einer so leicht nichts Neues vorbringen: und die Verfassung abzuändern, schien uns zu gefahrvoll, während ihr uns als Feinde aus dem Nacken saßet."

„Von der Art sind die Thatsachen, auf welchen die Verunglimpfungen meiner Person beruhen; und nun höret, was ihr in Berathung zu ziehen habt, und worüber ich euch, sofern ich genauere Kenntniß habe, einige Anweisung geben kann. Wir sind gegen Sieilien ausgefahren, um fürs Erste wo möglich die Sicilianer zu unterjochen, und nach diesen die Jtalioten, und um dann einen Versuch gegen das Gebiet der Karthager und sie selber zu machen^). Und wenn dieß in allen Stücken, oder doch in der Hauptsache gelänge, so hatten wir im Sinne, den Peloponnes anzugreifen, wozu wir die gesammte uns von dort zugewachsene Macht der Hellenen mitgeführt und zahlreiche Barbaren in Sold genommen hätten, Iberer und Andere, welche heutzutage allgemein für die Tapfersten der dortigen Barbaren gehalten werden. Und zu unseren vorhandenen Kriegsschiffen hätten wir noch viele andere gebaut, da Italien großen Reichthum an Holz besitzt, um mit denselben den ganzen Peloponnes ringsum abzusperren, und mit unserem Heere hätten wir durch Angriffe von der Landseite her die Städte theils mit Gewalt genommen, theils mit Schanzen eingeschlossen. Auf diese Weise hofften wir den Krieg leicht zu Ende zu führen und dann über die gesammte Hellenische Welt zu herrshcen. Und um diese Pläne leichter auszuführen, würden uns jene neugewonnenen Gebiete Geld und LebenSmittel in genügender Menge liefern, so daß wir die hiesigen Einkünfte nicht anzugreifen brauchten." [*]( 76) Das Gebiet der Karlhager: Sardinien, Korsika, Städte in Afrika; — sie selbst, die Stadt Karthago. )

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„Hiemit habt ihr gehört, mit welchen Absichten der neu-- [*]( 4l4 v. Chr. ) lich abgegangene Kriegszug in's Werk gesetzt wurde, und zwar von. Einem, der auf's Genaueste eingeweiht ist, und die andern Feldherrn werden diese Absichten auch in solcher und ähnlicher Weise durchzuführen suchen. Jetzt lasset euch belehren, daß Sieilien unterliegen muß, wenn ihr nicht Hilfe sendet. Die Sicilianer nämlich find viel zu unerfahren, obwohl sie auch so vielleicht noch Sieger bleiben könnten, wenn sie nur Alle einträchtig zusammenstünden. Aber die Syrakusier für sich allein haben schon mit ihrer gesammten Macht eine Niederlage erlitten, und wenn sie nun auch durch die Flotte zur See eingeschlossen werden, so find sie nicht im Stande, der dortigen Macht der Athener zu widerstehen. Und ist erst diese Stadt genommen, so ist auch schon ganz Sieilien gewonnen, und Italien wird dann bald, folgen, und die Gefahr, die ich euch eben vorgestellt habe, dürste dann nicht lang anstehen, auch über euch hereinzubrechen. So glaube also- Niemand, daß es sich in dieser Berathung blos um Sieilien handle, sondern auch um den Peloponnes, der selbst bedroht ist, wenn ihr nicht in Bälde das Folgende thut. Sendet auf Schiffen ein Heer in der Art hinüber, daß die, welche unterwegs die Ruderdienste versehen, dort sogleich als Schwerbewaffnete auftreten, und — was ich noch für ersprießlicher als ein solches Heer halte, — schickt einen Spartanischen Mann als Feldherrn mit, der die dort vorhandene Streitmacht organisire und die Unwilligen zum Beitritt zwinge. Denn aus diese Weise werden eure Freunde mehr Muth fassen und die noch Unschlüssigen um so furchtloser zu euch übertreten." .> .« ' ?

„Zugleich aber müßt ihr hier im Lande den Krieg mit Entschiedenheit beginnen, damit die Syrakusaner sich von eurer.Theilnahme überzeugen und um so kräftigeren Widerstand leisten, und die Athener umso weniger im Stande sind, den Ihrigen eine Hilfsmacht nachzuschicken. Ihr müßt Dekeleia auf Attischem Boden befestigen/ denn das ist es; was die Athener von jeher am meisten fürchten, und sie glauben, dieß sei die einzige Bedrängniß, die ihnen in diesem Kriege erspart geblieben sei. Auf die Weise kann Einer ja wohl seinen Feinden auf daS Sicherste schaden, wenn er in gewisse Erfahrung bringt, was jene am meisten fürchten, und ihnen dann grade dieß anthut. Denn es ist doch natürlich, daß Alle ihre schwachen, Seiten'

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[*]( 41l4 v. Chr. ) selber am besten kennen und für dieselben fürchten. Worin ihr aber durch diese Befestigung euch selber nützt und den Gegnern Abbruch thut, das will ich jetzt, um Vieles gar nicht zu erwähnen, nur m der Hauptsache anführen. Der meisten Hilfsmittel der Landschaft selbst werdet ihr euch theils mit Gewalt bemächtigen, theils werden sie euch von selbst in die Hände laufen^). Die Einkünfte von den Silbergruben in Laurion und, was sie jetzt sonst vom Lande und aus den Gerichten^) einnehmen, das werden sie sofort verlieren; am meisten aber werden sie es an den Einkünften von den Bundesgenossen empfinden, die ihnen nicht mehr so zufließen werden, denn wenn diese erst die Ueberzeugung gewonnen haben, daß eurerseits der Krieg mit Entschiedenheit betrieben wird, so kümmern sie sich wenig mehr um die Athener."

„Daß nun etwas hievon rasch und mit dem gehörigen Eifer geschehe, das ist eure Sache, ihr Lakedämonier; daß es aber durchführbar ist, das glaube ich ganz zuversichtlich, und ich bin überzeugt, mich hierin nicht zu täuschen. — Zch wünsche aber auch deßhalb Keinem von euch als ein schlechterer Mann zu erscheinen; wenn ich, der einst für einen großen Freund meines Vaterlandes galt, jetzt, im'Bunde mit seinen erbittertsten Feinden, ihm so kräftig zu schaden suchez'und ich will auch nicht in den Verdacht kommen, als ob meine Anträge nur der Leidenschaft des Flüchtlings entsprangen. Geflohen bin ich vor der Schlechtigkeit derer, die mich ausgetrieben haben, aber ich fliehe nicht den Dienst eures Vortheils, wenn ihr mir nur folgen wollt. Ich erachte diejenigen, welche ihren Feinden einmal geschadet haben, wie ihr, nicht so sehr als Feinde, als vielmehr diejenigen, die ihre Freunde zwingen, Feinde zu werden. Vaterlandsliebe empfinde ich nicht da, wo man mir Unrecht thut, sondern da, wo ich als Bürger in Sicherheit lebe. Auch glaube ich jetzt nicht sowohl ein Land anzugreifen, das jetzt noch mein Vaterland wäre, als vielmehr ein solches wiederzugewinnen ^ welches eS jetzt nicht mehr ist.- Auch wird nicht derjenige mit Recht ein Freund des Vaterlandes genannt, [*]( 77) D. h. die Sklaven der Athener werden euch zulaufet. Erst. VII, 27. ) [*]( 78) Wahrscheinlich, weil bei der Besetzung eines Gebietsteiles durch den Feind ein Stillstand der Gerichte eintreten würde, welche durch Straferkenntnisse den Athenern viel eintragen. (Ostander.) )

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der dasselbe nicht angreist, obgleich er es ungerechter Weise verloren [*]( 414 v. Chr. ) hat, sondern vielmehr; wer aus Sehnsucht nach demselben eS aus zede Art wieder zu gewinnen bemüht ist." . ^ ^

„So verlange ich also, ihr Lakedämonier, daß ihr mich ohne alles Bedenken zur Theilnahme an den Gefahren und jeder andern Mühsal zulasset, und ihr kennt ja den Ausspruch, der in Aller Munde ist, daß, wenn ich euch als Feind sehr viel geschadet habe, ich als Freund auch viel nützen kann, da ich die Verhältnisse der Athener kenne und auch die eurigen richtig errathen habe ^). Und für euch selbst seid überzeugt, daß ihr jetzt um die allerwichtigsten Interessen euch zu berathen habt und den Zug nach Sieilien, wie den nach Attika, nicht aus Bedenklichkeiten unterlassen dürft, damit ihr dort mit einem geringen Theil eurer Macht eine große rettet und der Athener jetzige und zukünftige Macht vernichtet, wonach ihr denn für euch selbst sicher wohnen und für ganz Hellas^ das euch freiwillig folgt, ohne Gewaltmittel, nur im Wohlwollen die Führer sein werdet." l

-So redete Alkibiades; die Lakedämonier aber, die selber schon früher-im Plane gehabt hatten, einen Feldzug gegen Athen auszuführen, bis jetzt aber noch gezögert und abgewartet hatten, wurden nun viel muthiger/ da er ihnen über alle Punkte diese Ausschlüsse gab, denn sie waren überzeugt, das Alles aus dem Munde eines auf's Beste Unterrichteten gehört zu haben. Sie richteten.'also ihre Gedanken sogleich auf die Befestigung von Dekeleia und wollten auch sofort eine Hülfe nach Sieilien senden. Und Gylippos, des KleandridaS Sohn, den sie zum Anführer für die Syrakusaner bestimmten, sollte mit diesen und den Korinthern sich berathen und den Umständen gemäß solche Mittel ergreifen, daß jenen auf's Beste und Rascheste geholfen werde. Der befahl nun, daß ihm die Korinther sofort zwei Schiffe nach^ Asien schicken sollten, und die übrigen, die sie zu senden gewillt seien,' ausrüsten, um bereit zu sein, wann-die günstige Zeit gekommen sei. Nachdem sie dieß vereinbart,:reisten die Korinthischen Gesandten wieder von Lakedämon ab. - c. '

Es kam aber auch der Athenische Dreiruderer, den die Feld­ [*]( 79) Mit Bezug auf die Verstecktheit der Lakedämonier. )

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[*]( 414 v. Chr. ) Herren von Sicilien um Geld und Reiter abgeschickt hatten, zu Hause an, und die Athener, nachdem sie die Botschaft angehört, beschlossen, dem Heere die Verpflegungsgelder und die Reiter zu schicken..

So ging der Winter zu Ende und mit ihm-das siebzehnte Jahr dieses Krieges, den Thukydides beschrieben hat.

Im folgenden Sommer aber, sogleich zu Frühlings-Anfang, brachen die Athener von Katana in Sieilien auf und segelten an der Küste hin gegen Megara auf Sieilien, welches die Syrakusaner, wie ich schon oben ZU) gesagt habe, unter dem Tyrannen Gelon. in Besitz genommen, nachdem sie die Einwohner vertrieben hatten. Sie stiegen an'S Land und verwüsteten die Aecker und bekannten ein Kastell der Syrakusaner, welches sie jedoch nicht nehmen konnten. Danach marshcirten sie zu Lande und von den Schiffen längs der Küste begleitet zum Terms-Fluß, .zogen denselben aufwärts und verwüsteten das offene Land. Auch trafen sie auf eine kleine Schaar Syrakusaner und tödteten deren Einige, errichteten danach ein Siegeszeichen und gingen wieder auf ihre Schiffe. Sie fuhren nach Katana zurück, nahmen Lebensmittel ein und rückten dann mit gefammter Macht vor Kentoripa, ein, Städtchen der Sikuler) bewogen dieß durch Vertrag zum.Uebertritt und zogen dann wieder ab, indem sie das Korn auf den Feldern der Jnessäer und Hybläer verbrannten. Als sie in Katana wieder einrückten, trafen sie dort die zweihundert und. fünfzig Reiter, die eben von Athen angekommen waren, jedoch blos mit Reitzeug und ohne Pferde, — da man diese sich an der Stelle verschaffen könne, — sowie dreißig berittene Bogenschützen und dreihundert Talente Silbers ^^

Im selben Frühling zogen auch die Lakedämonier gegen Argos zu Felde, kamen aber nur bis Kleonä, denn hier trat ein Erdbeben ein und sie kehrten wieder nach Hause zurück. Danach fielen die Argiver ihrerseits in die Thyreatische Landschaft ein, welche an ihre Gränzen stößt, und nahmen den Lakedämoniern viele Beute ab, die um nicht weniger als fünfundzwanzig Talente verkauft wurde. Nicht lange danach, im selben Sommer, machte die Volkspartei unter [*]( 80) Vergl. VI, 4. ) [*]( 81) Ueber 780000. st. wein. ) [*]( 8«2) Ueber 65,000) st. rhein. )

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den Thespierneinen Angriff aus die Herrschenden und jm Besitz [*]( 4l4 v. Chr. ) der StaatSämter Befindlichen, konnte jedoch Nichts ausrichten, sondern, als die Thebaner jenen zu Hülse kamen, wurden sie theils gefangen, theils flüchteten sie sich nach Athen. .

Jm selben Sommer, als die Syrakusaner erfuhren, daß die Athener Verstärkung an Reiterei erhalten hätten und sich eben zum Angriff auf sie anschickten, beschlossen sie, die Zugänge zu'der Höhe von Epipolä zu besetzen, damit die Feinde hier nicht unvermerkt eine Ersteigung ausführen könnten, denn sie waren überzeugt, daß die Athener selbst im Fall eines Sieges die Stadt nicht leicht würden einschließen können, wenn sie sich nicht zuvor in den Besitz von Epipolä, einer dicht hinter der Stadt gelegenen, abschüssiigen Höhe, gesetzt hätten. An einem andern Punkt, glaubten sie, würde jenen eine Ueberraschung wohl nicht gelingen können; denn die ganze übrige Gegend senkt sich von Epipolä abwärts und dacht sich gegen die Stadt hin ab und ist nach Innen zu ganz offen-einzusehen, und eben deßhalb hat der Ort von den Syrakusanern den Namen Epipolä (d. i. die Stadt überragend) erhalten, weil er höher liegt als das Uebrige. Die Syrakusaner zogen also bei Tagesanbruch mit ihrer ganzen Streitmacht zu der. Wiese am Fluß Anapos — denn zufällig hatten grade Hermokrates und seine Mitfeldherren ihr Amt angetreten — und hielten hier Waffenschau und wählten sür's Erste unter den Schwerbewaffneten sechshundert Mann Kerntruppen aus, welche Diomilos, ein Verbannter aus Andros, kommandirte. Diese sollten nämlich Epipolä besetzen und auch sonst, wenn es nöthig würde, sich rasch zusammenziehen und zur Hand sein. -

Die Athener aber waren in eben der Nacht, welche dieser Musterung vorausging, ohne daß die Syrakusaner etwas davon erfahren hatten, mit ihrer gesammten Macht von Katana abgefahren und beim sogenannten Löwen gelandet, der sechs oder sieben Stadien von Epipolä entfernt ist. Hier ließen sie die Landtruppen aussteigen und gingen mit ihren Schiffen bei Thapsos vor Anker: ES ist dieß eine Halbinsel, die von einer schmalen Landenge aus sich in's'Meer [*]( 89) Ueber die Stellung von Thespiä zu Theben und Athen vergl. Anm. 3. Buch II. >... )

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[*]( 414 v. Chr. ) erstreckt und von der Stadt der Syrakusaner weder zu Wasser, noch zu Land weit entfernt. Das Schiffsheer der Athener verpallissadirte den engen Hals der Halbinsel Thapsos und verhielt sich auf derselben ruhig; das Landheer aber rückte sogleich im Laufschritt gegen Eptpolä und bestieg den Euryelos, bevor noch die Syrakusaner es merkten und von der Wiese und Musterung herbeikommen konnten. Trotzdem eilten sie Alle, so rasch Jeden seine Beine trugen, zur Abwehr.herbei, und auch die sechshundert Mann des Diomilos. Sie hatten aber von der Wiese aus nicht weniger als fünfundzwanzig Stadien zurückzulegen,, bevor sie an die Feinde kamen. Da sie also nur in schlechter Ordnung angreifen konnten, so wurden die Syrakusaner in diesem Gefecht bei Epipolä besiegt und zogen sich nach der Stadt zurück. DiomiloS selbst war gefallen, und von den Andern gegen dreihundert. Danach errichteten die Athener ein Siegeszeichen und gaben den Syrakusanern unter dem Schutze eines Vertrages ihre Todten heraus. Am folgenden Tag rückten sie weiter gegen die Stadt herab; da aber jene ihnen nicht aus der Stadt entgegenrückten, so zogen sie sich wieder zurück und .erbauten eine Verschanzung aus dem Labdalon, auf dem höchsten Punkt von Epipolä und dicht am steilen Abhang, der gegen Megara hin schaut. Dieselbe sollte ihnen als Niederlage für ihr Gut und ihre Waffen dienen, wenn sie zum Gefecht oder zur Einschließung der Stadt vorrückten.

Nicht lange danach stießen aus Egesta dreihundert Reiter zu ihnen, und von den Sikulern und Naxiern und einigen Andern gegen-hundert. Die Athener hatten deren bereits zweihundert und fünfzig, für welche sie die Pferde theils von den Egestanern und Katanäern nahmen, theils kauften. Im Ganzen waren also sechshundert und fünfzig Reiter zusammengekommen.. Die Athener ließen nun im Labdalon.eine Besatzung zurück und rückten vor gegen Syke ^), vor welchem Stadttheil sie sich festsetzten und die kreisförmige Einschließungsmaner rasch aufbauten. Die Schnelligkeit dieses Baues erregte Bestürzung bei den Syrakusanern und sie faßten deßhalb den Entschluß, dagegen auszurücken, und nicht ruhig zuzusehen. Als nun schon beide Theile einander in Schlachtlinie gegenüber tsan- l [*]( 84) Der nordöstliche Stadttheil. )

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den, da sahen die Syrakusanischen Feldherren, daß ihre Streithaufen [*]( 4l4 v. Chr. ) sich von einander abgerissen hatten und nicht leicht wieder m Ordnung gestellt werden könnten, und deßhalb führten sie ihre Truppen wieder in die Stadt zurück, ausgenommen einen kleinen Theil der Reiter. Diese blieben außerhalb und hinderten die Athener, Steine herbeizuholen und sich aus weitere Entfernung zu zerstreuen. ^ Eine Stammabtheilung Es der Athenischen Schwerbewaffneten aber, von der gesammten Reiterei unterstützt, griffen die Syrakusanischen Reiter an und schlugen sie in die Flucht, auch tödteten sie einige derselben und stellten für dieß Reitergefecht ein Siegeszeichen auf. > > ? .

Am folgenden Tage arbeitete ein Theil der Athener.an dem gegen Norden gewendeten Theil der Einschließungsmauer, und die Andern trugen Steine und Holz herzu und schichteten dieselben in Hausen aus beim sogenannten Trogilos^), an welcher Stelle die Mauer vom großen Hafen bis zum jenseitigen Meere auf der kürzesten Strecke durchgeführt werden konnte. Die Syrakusaner aber, und zwar hauptsächlich weil von ihren Feldherrn Hermokrates es so angab, wollten nicht mehr mit gesammter Macht den Athenern entscheidende Gefechte liefern, sondern hielten es für besser, wenn sie eine Quermauer errichteten, da, wo jene ihre Mauer vorbeiführen wollten, so daß sie dieselben abgeschnitten hätten, wenn sie noch rechtzeitig fertig würden. Sollten die Athener aber Truppen herschicken, um sie daran zu hindern, so könnten sie denselben einen Theil ihrer streitbaren Macht entgegensenden und würden unterdessen wohl noch rechtzeitig mit der Verpsählung der leicht angreifbaren Stellen fertig werden, jene aber müßten dann von ihrem Bau ablassen und mit ihrer gesammten Macht sich gegen sie wenden. Sie zogen demnach aus der Stadt und bauten, von ihrer Stadt beginnend, unterhalb der Einshcließungsmauer der Athener eine Quermauer, hieben die Oelbäume des heiligen Haines um und setzten hölzerne Thürme [*]( 85) Nach den bürgerlichen Stämmen wurden auch die Soldaten abgetheilt. Vergl. Herodot VI, NI. Plutarch. AristideS Kap. 5.. (Kr.).,.- Vergl. JliaS II, 362: Sondre rings die Männer nach Stamm und Geschlecht, Ngamemnon: ^ Daß ein Geschlecht dem Geschlecht ieisteh' und Stämme den Stämmen. ) [*]( 86) Dem kleinen Hasen.. ) [*]( 87) DeS Apollo TemeniteS. )

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[*]( 414 v. Chr. ) auf die Mauer. Die Schiffe der Athener waren damals aber noch nicht von der Halbinsel Thapsos bis in den großen Hafen herum- gesegelt, sondern die Syrakusaner beherrschten noch die Gegend am Meere, und die Athener führten ihre Bedürfnisse von Thapsos her auf dem Landwege zu. - ^ -