History of the Peloponnesian War
Thucydides
Thucydides. Geschichte des Peloponnesischen Kriegs. Wahrmund, Adolf, translator. Stuttgart: Krais and Hoffmann, 1864.
Neue' Unternehmung der Athener gegen Sicilien. — Urbewohner'Sicilicus und hellenische Kolonien, daselbst Kap. 1 bis 5.— Egesta bittet um Hülfe gegen Syrakus. Pläne der Athener Kap. 6. — Vorfälle in Argos, Thrakien, Makedonien Kap.. 7... ' s.
Siebenzehntes Kriegsjahr 415—14. Kap. VIII—XLIII.Athenische Gesandte nach Sieilien; dieselben rathen zu; das Volk beschließt das Unternehmen Kap. 8. — Nikias räth ab Kap. 9—14. — Alkibiades räth zu Kap. '15—18. — Nochmals Nikias Kap. 19—23. — Nikias, Lamachos nnd Alkibiades zu Feldherrn ernannt. Rüstungen Kap. 24—26. — Verstümmelung der Hermen. Alkibiades angeklagt Kap. 27 bis 29. — Abfahrt der Flotte Kap. 30—32. — Zustände zu Syrakus Kap. 32—41. Rede des Hermokrates daselbst Kap. Es. 34. Gegenrede des Athenagoras Kap. 36—40. Rede des Feldherrn Kap. 41. — Die athenische Flotte kommt an. Zunächst geringe Erfolge Kap. 42—52. — Alkibiades zurückberufen Kap. 53. — Geschichte des Sturzes der Peisistratiden. Harmodios und Aristogeiton (Einschaltung) Kap. 54 bis 59. — Stimmung der Athener wegen der Religionsfrevel Kap. 60. — Alkibiades entkommt Kap. 61. — Sieg der Athener vor Syrakus. Gehen aber nach Katana zurück Kap. 62
Die Athener auf Sieilien siegreich Kas. 94. —^ Die Lakedämonier gegen'Argos. Thespiä Kap. 95. —-^Die Athener setzen sich unter siegreichen Gefechten vor Syrakns fest. Lamachos fällt Kap. 97—102. — Die Athener in bester Lage, die Syrakusaner verzweifelt Kas. 103. — Der Spartaner Gylippos schon in Tarent Kap. 104. — Die Lakedämonier gegen Argos. Athener kommen zu Hülfe Kas. 105. ^
Im selbigen Winter wollten die Athener zum andern Mal und mit noch stärkerer Kriegsmacht als unter Laches und Eurymedon') aussegeln, um — wenn sie es vermöchten — Sicilien zu unterwerfen. Gleichwohl wußten die Meisten unter ihnen nicht, weder wie groß die Insel sei, noch wie zahlreich ihre Bewohner, an Hellenen sowohl, als an Barbaren, und dachten nicht, daß sie sich damit in einen Krieg einließen, der nicht viel unwichtiger sei, als der gegen die Peloponnesier. Denn zur Umfahrt ulk Sicilien braucht ein Lastschiff nicht viel weniger als acht Tage, und daß es bei diesem Umfang nicht mit dem Festland zusammenhringt, bewirkt nur eine Meerenge von höchstens zwanzig Stadien.
Bewohnt war die Insel schon in alten Zeiten, und dieß ist die Zahl aller ihrer Völker: Im grauen Alterthum, sagt man, haben in einem Theile des Landes die Kyklopen und Lästrygonen gewohnt. Von wem diese abstammten, weiß ich nicht zu sagen, noch auch, von woher sie eingewandert, oder wohin sie weitergezogen sind. Genügen muß, was über sie von den Poeten gesagt worden ist, oder mag sich Jeder seine besondere Meinung machen. Zuerst nach jenen, scheint es, haben sich die Sikaner angesiedelt, die, wie sie selber sagen, gar noch vor ihnen im Lande waren, denn sie nennen sich Eingeborne; in Wahrheit aber sind sie Iberer und aus ihren alten Wohnsitzen am Fluß Sikanos^) in Jberien, von den Ligyern verdrängt, ausge- [*]( 1) Vgl. III, 86 u. VI, 2 u. es. ) [*]( 2) Iberer, die Spanier. — Zweifelhaft, ob der Fluß Sicoris, jetzt Sexne, Nebenfluß desEbro, gemeint ist. Hierüber und über andere der hier vorkommenden Zweifelhaften) Angaben s. Schlegels Werke. Bd. litt, S. 47l f. (Kr.). ) [*]( ThukydideS. VI. ) [*]( 6 )
Von Hellenen kamen zuerst Chalkidier aus Euböa unter des Thukles Anführung über's Meer und gründeten Naxos^) und bauten dem Führer Apollon^) einen Altar, der jetzt außerhalb der Stadt steht und auf welchem die heiligen Sendboten'"), wann sie von Sicilien absegeln, vorher Opfer bringen. Ein Jahr darnach gründete Archias, ein Heraklide aus Korinth, Syrakus, nachdem er zuerst die Sikuler von der Insel") verjagt hatte, auf der jetzt, nicht völlig mehr von der See umflossen, die innere Stadt liegt; später wurde aber auch die äußere Stadt mit in die Mauer eingeschlossen, und die Bevölkerung wurde zahlreich. Thukles aber und seine Chalkidier von Naxos aus gründeten im fünften Jahr, nachdem Syrakus erbaut war, Leontini, nachdem sie die Sikuler im Kampf vertrieben hatten, und danach Katana. Die Katanäer aber machten für sich den Euarchos zum Gründer.
Um dieselbige Zeit'^) kam auch Lamis als Führer einer Kolonie von Megara nach Sieilien und gründete am Pantakyos- Flusse eine Niederlassung, TrotiloS'^) mit Namen. Darnah caber zog er aus von dort und schloß sich eine Zeit lang an die Gemeinde der Chalkidier in Leontini, und als ihn diese austrieben, gründete er Thapsos'4) und starb dann; seine Leute aber, aus Thapsos verjagt, und da auch der Sikulerkönig Hyblon die ganze Gegend aufgab, nahmen diesen zum Führer und gründeten Megara III, das das Hybläische genannt wird. Dort hatten sie zweihundert und fünsund. [*]( 8) r,orwio» 733 v. Chr. ) [*]( 9) Apollo ArchegeteS, d. h. Apollo, als göttlicher Führer der Kolonisten und Beschützer der neuen Ansiedelung gedacht. ) [*]( 10) w) Die Abgesandten zu den Festen der Mutterstadt, nach Delphi. Olympia u. s. w. ) [*]( 11) 1 Die Insel Ortygia, meist nur Nisos, d. i. dorisch die Insel genannt, anfangs durch einen Damm, später durch eine Brücke mit dem Festlande verbunden. ) [*]( 12) 727 v. Chr. ) [*]( 13) Trotilos oder ProtiloS am PantakyoS oder Pantagias. ) [*]( 14) Magnisi. ) [*]( 15)) Verjagt wurden sie wohl von Sikulern, die zugleich auch Feinde und Bedränger des Hydlon waren, weßhalb dieser sich den Megarern als Führer anschloß (Kr.). ) [*]( 6* )
Später aber wurden sie von Samiern und andern Joniern vertrieben, die, vor den Medern geflohen, in Sieilien landeten. Die Samier hinwieder vertrieb nicht lange danach Anaxilas, der Rheginer Tyrann, und führte in die Stadt eine gemischte Bevölkerung und nannte sie Messana nach seinem eigenen alten Vaterlande. Himera ist von Zankle aus gegründet worden durch Eukleides und Simos und Sakon; und das Volk in der Ansiedelung war meist chalkidisch; es zogen zu ihnen aber auch Vertriebene aus Syrakus, die man Myletiden nannte und die durch eine feindliche Partei besiegt worden waren. [*]( 18) 482 v. Ehr. ) [*]( 17) 687 v. Chr. ) [*]( 18) Xxrixeotvm, klrxentl, 579 v. Ehr. G, ) [*]( 19) Später Messana, Mtssina. ) [*]( 20) Turmae in Campanien. )
Dies sind die Völker hellenischer und barbarischer Abkunft, welche auf Sieilien wohnten, und so groß ist diese Insel, gegen welche die Athener den Kriegszug unternahmen. Der wahrhaste Grund dazu war, daß sie die ganze Insel sich zu unterwerfen gedachten, als glimpflichen Vorwand aber gebrauchten sie, daß sie ihren Blutsverwandten und neuen Bundesgenossen zu Hülfe ziehen wollten. Am meisten zu diesem Zuge reizten sie die Egestaner, deren Gesandte anwesend waren und aus'S eifrigste anstachelten. Diese nämlich waren Nachbarn der Selinuntier, und einiger Heirathsgeschichten und eines streitigen Landstücks wegen mit ihnen in Krieg verwickelt, und die Selinuntier hatten die Syrakufaner als Bundesgenossen herbeigeholt und bedrängten jene feindselig zu Land und zu Wasser. Die Ege- [*]( 415 v. Chr. ) tsaner erinnerten also die Athener an ihre Bundesgenossenschaft mit den Leontinern^) in dem früheren (sikelifchen) Krieg unter Laches und baten, ihnen Schiffe zu Hülfe zu senden. Unter vielem Anderem, was sie zu diesem Zwecke vorbrachten, war der Hauptgrund: wenn erst die Syrakusaner die Freiheit der Leontiner ungestraft vernichtet und, nachdem sie dann auch die übrigen Bundesgenossen zu [*]( 21) Regierte von* 493 bis 491 v. Chr. ) [*]( 22) d. h. wohl an der Egestaner BundeSgenossmschast mit Leontinern. Vergl. III, 86 - 90. )
Die Gesandten der Athener nach Sieilien wurden also abgeschickt; die Lakedämonier aber und ihre Bundesgenossen, mit Ausnahme der Korintber, zogen in diesem Winter gegen Argos zu Felde, verheerten einen kleinen Landstrich und führten Getreide auf mitgebrachten Wagen davon. Nachdem sie dann die Verbannten der Argiver 23) nach Orneä verpflanzt und zu deren Schutz auch einen Theil ihrer übrigen Mannschaft zurückgelassen hatten, schloßen sie einen Waffenstillstand aus einige Zeit ab, wonach die Orneaten und die Argiver einander unbehelligt lassen sollten, und gingen dann mit dem Heere nach Hause zurück. Als aber nicht lange danach die Athener mit dreißig Schiffen und sechshundert Schwerbewaffneten ankamen, so zog die ganze Mannschaft der Argiver mit den Athenern aus, und beide belagerten die in Orneä einen Tag lang. In der Nacht aber, während ihr Heer in einiger Entfernung lagerte, entwischten ihnen die aus Orneä. Als am folgenden Tag die Argiver dieß merkten, so zerstörten sie Orneä und kehrten nach Hause zurück, und deßgleichen später auch die Athener mit ihren Schiffen.
Auch nach Methone, welches an Makedonien gränzt, schickten die Athener zur See Reiter aus ihren eigenen Bürgern und die Ma [*]( 23) Vergl. V. 83 und 116. )
So ging dieser Winter zu Ende und mit ihm das sechzehnte Jahr dieses Krieges, den Thukydides beschrieben hat.
Im nächsten Sommer zu Frühlingsanfang kamen die Gesandten der Athener aus Sieilien zurück und mit ihnen Egestaner, welche sechzig Talente ungemünzten Silbers mitbrachten als Sold für sechzig Schiffe auf einen Monat, um deren Zusendung sie bitten wollten. Die Athener hielten nun eine Volksversammlung, und nachdem sie von ihren eigenen Gesandten und den Egestanern sowohl anderes Verlockendes angehört hatten, welchem die Wahrheit nicht entsprach, als auch von dem vielen Geld, welches in Tempeln und in Staatskassen bereit läge, so beschloßen sie, sechzig Schiffe nach Sieilien zu schicken und als Feldherrn mit unumshcränkter Vollmacht den Alkibiades, Sohn des Kleinias, den Nikias, Sohn des Nikeratos, und den Lamachos, des Lenophanes Sohn. Diese sollten den Egestanern gegen die Selinuntier Hülse leisten, und wenn der Krieg ihnen die Mittel dazu ließe, Leontini wieder neu gründen helfen und auch sonst diejenigen Einrichtungen in Sieilien treffen, die ihnen für die Athener die vortheilhaftesten schienen. Am fünften Tage danach wurde-wieder eine Volksversammlung abgehalten, wie man die Ausrüstung der Schiffe so rasch als möglich in's Werk setzen! könne, und um den Feldherrn zu bewilligen, was etwa noch zur Abfahrt nothwendig sei. Da trat Nikias auf, der gegen seinen Willen zum Feldherrn gewählt war und glaubte, der Staat habe sich nicht wohl berathen, sondern unter einem nichtsnutzigen und nur scheinbaren Vorwande stürze man sich in ein so maßloses Unternehmen, wie die Eroberung von ganz Sieilien. In der Absicht, die Athener davon abzubringen, hielt er folgende Rede: [*]( 24) Vergl. l, 59. II, 95. ) [*]( 25) Vergl. V, 26. )
[*]( 415 v. Chr. ) „Diese Volksversammlung ist zwar zu dem Zwecke berufen worden, um über die gArt und Weise der Rüstung zum Seezug nach Sieilien zu berathen; ich aber bin der Meinung, daß man erst die Sache selbst noch wohl überlegen solle, ob es nämlich überhaupt wohlgethan ist, die Flotte dorthin zu senden. Wir sollten nicht nach einer so kurzen Berathung in Betreff so wichtiger Dinge ohne Weiteres auf die Reden fremder Männer eingeben und einen Krieg aufnehmen, der uns Nichts angeht. Ich zwar für meine Person soll dabei durch eine Ehrenstelle ausgezeichnet werden und dürfte also um mich selbst weniger zu fürchten haben, obwohl ich indeß der Meinung bin, daß auch der immer noch ein ebenso guter Bürger ist, wie Andere, der für seine Person und sein Vermögen einigermaßen besorgt ist 2^ da grade ein solcher um seiner eigenen Sicherheit willen wünschen muß, daß der Staat wohlbehalten bleibe. Gleichwohl habe ich weder in früherer Zeit aus Sucht nach Ehrenstellen jemals etwas gegen meine Ueberzeugung gesagt, noch auch werde ich es jetzt thun, sondern ich werde nach bestem Wissen und Gewissen reden. In Anbetracht eurer Denkart aber dürfte ich von meinen Worten wohl keinen Eindruck erwarten, wenn ich euch nur auffordern wollte, auf Erhaltung eurer jetzigen Macht bedacht zu sein und das Gegenwärtige nicht um Unsicheres und Zukünftiges auf's Spiel zu setzen. Ich will euch darum überzeugen, daß euer Unternehmungseifer hier ganz zur Unzeit kommt und daß keineswegs so leicht zu erlangen ist, wonach ihr die Hände ausstreckt."
„Ich sage euch also, daß ihr hier sehr zahlreiche Feinde zurücklasset und trotzdem dorthin fahren wollt, um euch noch neue dazu in's Land herein zu ziehen. Vielleicht glaubt ihr, die mit euch geschlossenen Waffenstilltsandsverträge hätten Kraft und Bestand, aber die haben sie nur dem Namen nach und nur so lange, als ihr selber euch ruhig verhalten werdet — und daß dem so ist, daS haben Männer von hier28) und aus der Zahl eurer Feinde^) durchzusetzen gewußt — sobald eure Macht aber nur einen einigermaßen beträchtlichen Verlust erlitten haben wird, werden eure Feinde ohne viel [*]( 27) Bei Vielen galt Nikias für furchtsam; also hier zugleich beiläufige Selbst»»theidigung (Kr.). ) [*]( 28) AlkidiadeS und sein Anhang. ) [*]( 29) Besonders KleobuloS und XenareS. Vergl. V, 36 ff. )
„Und doch könnten wir diese leicht bewältigen und im Zaum halten, über jene aber, auch wenn wir sie besiegt hätten, könnten wir ihrer Entfernung und großen Zahl wegen eine Herrschaft nur mit großer Schwierigkeit ausüben. Es hat aber keinen Sinn und Verstand, gegen solche zu Felde zu ziehen, die man im Falle des Sieges nicht niederhalten kann, und zu denen man im Fall der Niederlage nicht mehr im gleichen Machtverhältniß steht, wie vor dem Angriff auf sie. Die Sikelioten aber, so wie es jetzt mit ihnen steht, scheinen mir keineswegs gefährlich für uns, und noch viel weniger, wenn einmal die Syrakusier sie alle beherrshcen sollten, womit uns [*]( 30 ) Die Kvrinthcr^v, 32 oder die Diktidicr V, 35 und Perdilkas V, 83? (Kr.) )
„Bedenken müßt ihr auch, daß wir erst seit Kurzem von einer großen Pest und dem Kriege uns ein wenig erholt und an Geld und Menschenzahl wieder zugenommen haben. Diesen Zuwachs an [*]( As) Don den Lakedämoniern all vorgeblichen Befreiern der Hellenen. )
„Wenn aber Einer aus eurer Mitte, der zu seiner großen Freude zum Feldherrn gewählt worden ist, Euch zu dem Seezug räth, — Einer, der nur auf seinen eigenen Vortheil schaut und übrigens zum Feldherrn auch noch zu jung ist^), — Einer, der sich gern seiner schönen Pferde wegen bewundern läßt und wegen der Kostspieligkeit derselben aus der Feldherrnstelle seinen Profit herausshclagen will, so gestattet doch dem nicht, daß er auf die Gefahr des Staatsbankerots mit seiner eigenen Person prachere, und denkt, daß dergleichen Menschen den Staat bestehlen und das Eigene durchbringen. Bedenkt, daß es sich um die wichtigsten Dinge handelt, die nicht danach find, daß junge Leute ihren unreifen Witz daran üben und sie mir Nichts dir Nichts in die Hand nehmen."
„Freilich muß ich mich vor denen fürchten, die ich da neben eben diesem Manne als seine Für- und Zusprecher sitzen sehe, und ich fordere deßhalb die Aelteren auf, nicht scheu zu sein, wenn Einer von diesen neben ihnen sitzt, und nicht zu fürchten, sie würden als feige erscheinen, wenn sie gegen den Krieg tsimmen, und daß sie sich ebensowenig durch verhängnißvolle Gier nach weit entfernten Dingen — denn die könnte auch sie noch ankommen — hinreißen lassen. Sie sollen bedenken, daß durch Leidenschaftlichkeit das Wenigste, durch kluge Vorsicht aber das Meiste erreicht wird. Ihr müßt also zur Rettung des Vaterlandes, welches jetzt mit der größten Gefahr spielt, die es je bedrohte, gegen den Zug stimmen und beschließen, daß die Sikelioten sich uns gegenüber in den bisherigen Grenzen zu halten haben, die auch wir genehm halten müssen, nämlich im Ionischen Meer, wenn Einer längs der Küste hinschifft, und im Sikelischen, wer [*]( 32) Die Leontiner. ) [*]( 38) AlkibiadeS war damals etwas über dreißig Jahre alt. )
„Und du, Prytane^), sofern du es für deine Pflicht hältst, für das Staatswohl besorgt zu sein, und sofern du dich als guter Bürger zeigen willst, berufe die Athener zur Abstimmung und lege ihnen die Sache nochmals zur Berathung vor! Wenn du dich fürchtest, auf Abänderung des Volksbeschlusses anzutragen, so bedenke, daß die Aufhebung gesetzlicher Beschlüsse unter Theilnahme so vieler Zeugen keine Anschuldigung begründen kann! Bedenke, daß du so an der Stadt, die jenen Beschluß gefaßt hat, wie ein Arzt handelst, und daß die rühmliche Verwaltung deines Amtes darin besteht, dem Vaterland so viel als möglich zu nützen, oder ihm doch wenigstens nicht mit Wissen und Willen zu schaden!"
So redete Nikias. Von den Athenern aber, die noch auftraten, forderten die Meisten zum Kriegszug aus, und man solle den gefaßten Beschluß nicht aufheben; Einige indeß sprachen auch dagegen. Am eifrigsten aber trieb zum Feldzug Alkibiades, des KleiniaS Sohn, einmal, weil er dem Nikias den Widerpart halten wollte, dessen Gegner er auch sonst in Staatssachen war, zumal er eben auch seiner ungünstige Erwähnung gethan, hauptsächlich aber, weil er die Feldherrnwürde eifrig wünschte und in dieser Stellung Sieilien und Karthago zu erobern gedachte, was im Fall des glücklichen Gelingens auch ihn selbst an Geld und Ehren heben würde. Er stand in Ansehen bei den Städtern, stöhnte aber seinen Leidenschaften in Bezug auf Pferde und sonstigen Luxus über Vermögen, was denn auch später nicht die kleinste Ursache zum Untergang der Athenischen Macht wurde. Denn als die Meisten die Größe seiner Ueberhebung in Bezug aus persönliche Lebensweise und die Großartigkeit seines Strebens, die er [*]( 54) Der Rathsvorsteher, der bei der Volsversammlung den Vorsitz führte. )
„In der That, ihr Athener, kommt mir ein Oberbefehl eher als Andern zu — denn hiemit muß ich beginnen, da Nikias mich angegriffen hat — und ich glaube desselben würdig zu sein. Weßhalb ich verschrieen bin, das grade brachte meinen Vorfahren und bringt mir Ruhm ein und dem Vaterland Nutzen. Beim Anblick meines prächtigen Aufzuges zu Olympia mußten die Hellenen die Macht unserer Stadt noch für größer halten, als sie wirklich ist, nachdem sie zuvor sich geschmeichelt hatten, sie sei durch den Krieg zu Grunde gerichtet. Deßhalb habe ich sieben Wagen in die Rennbahn geschickt, was vor mir ein Privatmann nie gethan, und so habe ich den ersten und zweiten und vierten Preis gewonnen ^), und dieses Sieges würdig war mein übriger Aufwand. Schon nach dem Gesetz gewährt dieß Ehre, und nach dem Geleisteten bildet man sich eine Vorstellung von der Macht (des Staates). Mein sonstiger glänzender Aufwand in der Stadt, wenn ich Chorführer bin ^), oder bei Andern Gelegenheiten, erregt natürlich unter den Stadtbürgern Neid, für die Fremden aber entfaltet sich auch hierin die Staatskraft. Das ist doch fürwahr keine schädliche Thorheit, die auf eigene Kosten nicht nur sich selbst, sondern auch dem Staate nützt, und eS ist auch nicht ungerecht, daß Einer, der von sich groß denken darf, sich nicht mit anderen auf eine Linie stellt. Findet doch auch der Unglückliche Keinen, der von seinem Unglück den gleichen Antheil auf sich nehmen will. Sondern wie uns im Unglück kein Mensch den Hof macht, so muß es sich Einer auch wohl gefallen lassen, wenn ihn die Glücklichen über die Achsel ansehen. Erst stelle er sich auch dem Unglücklichen gleich, [*]( 35) Vergl. Plutarch, Alkibiades Kap. II. ) [*]( 38) Vergl. Anm. 1l, Buch III. )
„Solche Erfolge hat meine Jugend und Unverstand, der jenen über alle Gränzen zu gehen scheint, gegen die Macht der Peloponnesier durch angemessene Worte zu Wege gebracht. Mein Feuereifer flößte Zuversicht ein und überredete. So fürchtet also auch ihr jetzt diese Eigenschaften nicht, sondern so lange ich in ihrem Besitz der Jugendkraft genieße, und Nikias den Namen des Glücklichen wird behaupten können^), so zieht möglichsten Nutzen vom Einen wie vom Andern! Und nehmt den beschlossenen Zug nach Sieilien nicht zurück, als ob derselbe gegen eine starke Macht gerichtet wäre. Denn die dortigen Städte haben eine zahlreiche Bevölkerung von sehr gemischten Massen^), und Umänderungen der Versassung und Aufnahme von Ncubürgern haben dort keine Schwierigkeit. Deßhalb ist dort aber auch Keiner für seine eigene Person mit Waffen gerüstet, als ob er ein eigenes Vaterland zu vertheidigen habe, noch auch gibt [*]( 37) Vergl. V, 6K ff. ) [*]( 38) d. h. wenigstens glücklich, wenn auch eben nicht sehr klug und unternehmend. Gegenhied. ) [*]( R) also ohne Einheit der Gesinnung und Interessen. (Kr>) )
„Mit welchen Gründen also könnten wir denn hier vor uns selbstuns entschuldigen, wenn wir das Unternehmen aus den Händen ließen? — mit welchen gegenüber unsern dortigen Bundesgenossen, [*]( 40) In diesem Kriege ist nach der Auffassung des Thukydideö der ganze peloponnesische Krieg. Denn die Athener konnten doch nicht daran denken, auch die noch solt genden Begebenheiten mit den vorangegangenen zusammenzufassen. Ja. sie hatten jelz» eigentlich seit sechs Jahren Frieden. (Kr.) )
„Bedenken wir also, daß wir unsere hiesige Macht verstärken, wenn wir gegen jene zu Felde ziehen, und laßt uns den Seezug unternehmen, damit den Peloponnesiern ihr Hochmuth vergehet, wenn sie sehen, daß wir diese gegenwärtige Unthätigkeit verachten und sogar gegen Sieilien segeln. Und entweder werden wir aller Wahrscheinlichkeit nach über ganz Hellas herrschen, wenn wir auch die dortigen Staaten unterworfen haben, oder wir werden doch wenigstens den Syrakusanern empfindlich schaden, und auch davon werden sowohl wir selbst, als unsre Bundesgenossen Nutzen haben. Sichere Bürgschaft des Verbleibens sowohl, wenn die Sache von Statten geht, als auch der Rückkehr, werden uns die Schiffe gewähren, denn auch
So redete Alkibiades. Die Athener aber, nachdem sie ihn gehört hatten und nach ihm die Egestaner und etliche Leontinische Verbannte, welche bittend auftraten und mit Erinnerung an die Eidschwüre für sich um Hülfe flehten, da drangen sie noch viel stärker auf den Kriegszug, als vorher. Nikias nun sah wohl ein, daß er sie mit seinen Gründen nicht mehr auf andere Ansichten bringen würde, dachte aber, daß er sie durch großen Umfang der Kriegsrüstungen, wenn er diese in hohem Maße von ihnen fordere, leicht anderes Sinnes machen werde. So trat er denn zum zweiten Male auf und redete, wie folgt: