History of the Peloponnesian War

Thucydides

Thucydides. Geschichte des Peloponnesischen Kriegs. Wahrmund, Adolf, translator. Stuttgart: Krais and Hoffmann, 1864.

Unterdessen war das Volk zu Kerkyra in äußerster Furcht, die Schiffe möchten heransegeln, und ließen sich deßhalb mit den Schutzflehenden und den übrigen (Vornehmen) in Verhandlungen ein, wie die Stadt gerettet werden könnte. Auch überredeten sie wirklich einige derselben, mit ihnen die Schiffe zu besteigen; sie hatten nämlich indessen gleichwohl dreißig Segel bemannt. Die Peloponnesier aber fuhren wieder davon, nachdem sie bis um die Mittagszeit das Land verwüstet hatten, und gegen Einbruch der Nacht wurde ihnen durch Feuerzeichen gemeldet, daß sechzig athenische Schiffe von Leukas an­ [*]( 41) Vergl. I. 50. Anm. 26. ) [*]( 42) Alkidas war Oberbefehlshaber und allein verantwortlich, Brasidas nur Berather. )

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segelten. Diese hatten nämlich die Athener auf die Nachricht von dem [*]( 427 v. Chr. ) Aufstande und das; die Schiffe unter Alkidas die Bestimmung gegen Kerkyra hätten, unter Anführung des Eurymedon, des Thukles' Sohn, abgesandt.

Die Peloponnesier nun machten sich trotz der Nacht allsogleich auf die Rückfahrt nach Hause, indem sie an der Küste hinruderten, und kamen auch glücklich an, nachdem sie bei Leukas ihre Schiffe über die Landenge hatten bringen lassen, um nicht bei der Umschiffnng derselben entdeckt zu werden. Die Kerkyräer aber, als sie das Ansegeln der attischen Schiffe und die Flucht der feindlichen wahrnahmen, zogen sogleich die Messenier in die Stadt, welche früher außerhalb gelagert hatten, befahlen die Schiffe, welche sie bemannt hatten, nach dem Hylläischen Hafen hinüber zu führen, und tödteten auf dieser Fahrt wen sie von ihren Feinden trafen. Auch diejenigen, welche sie die Schiffe zu besteigen beredet hatten, schifften sie aus und tödteten sie, dann drangen sie in das Heraheiligthum und überredeten ungefähr fünfzig der Schutzflehenden, sich dem gesetzlichen Spruche zu unterwerfen , und verurtheilten sie dann Alle zum Tod. Die Mehrzahl der Schutzflehenden aber, die sich nicht hatten bereden lassen, als sie sahen, was geschah, tödteten sich im Heiligthum selbst Einer den Andern; Einige erhängten sich an den Bäumen, die Andern nahmen sich das Leben, wie sie eben konnten. Und die sieben Tage hindurch, welche Eurymedon seit seiner Ankunft mit den sechzig Schiffen dort stehen blieb, mordeten so die Kerkyräer diejenigen unter ihren Mitbürgern, die sie für ihre Feinde hielten, indem sie ihnen Schuld gaben, daß sie Staatsfeinde seien; Mancher fand aber auch den Tod aus Privathaß und wieder Andere durch ihre Schuldner, die von ihnen Geld entlehnt hatten. Da war jegliche Todesart zu sehen, und was sonst bei solchen Gelegenheiten zu geschehen pflegt, das kam Alles auch hier vor und wurde noch überboten. Denn der Vater tödtete den Sohn, und von den Altären wurden die Menschen weggerissen und neben ihnen geschlachtet. Einige sogar wurden im Heiligthum des Dionysos eingemauert und fanden so ihren Tod. Bis zu solcher Grausamkeit verstieg sich die Parteiwuth, und der Eindruck war um so furchtbarer, weil es einer der ersten Fälle der Art war.

Denn später wurde, so zu sagen, das ganze Hellenenthum

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[*]( 427 v. Chr. ) in Ausregung versetzt, da überall Zerwürfniß herrschte und die Häupter der Volkspartei die Athener herbeizuführen strebten, die Vornehmen aber die Lakedämonier. Und wenn sie bei Fortdauer des -Friedens auch weder Veranlassung noch Neigung gehabt haben würden, jene herbeizurufen, so doch jetzt, wo beide in Krieg verwickelt waren. Und weil jede der kriegführenden Parteien, wie zur Schwächung des Gegners so zur eigenen Verstärkung Bundesgenossen wünschte, so war es denen, welche in den Städten Neuerungen wünschten, leicht, die Zusendung von Hülfstruppen zu erwirken. Und in diesem Ansruhr trafen die einzelnen Städte viele schwere Ereignisse, wie sie noch vorkommen und immer vorkommen werden, so lange die menschliche Natur dieselbe ist, bald härter, bald gelinder, und verschieden an Art, je nachdem die äußeren Zufälle wechseln. Denn im Frieden und unter bequemen Verhältnissen pflegen die Staaten sowohl wie die Bürger vernünftigere Gesinnung zu hegen, weil die gebieterische Nothwendigkeit sie noch nicht angefallen hat; der Krieg aber, der die gewohnte alltägliche Gemächlichkeit entzieht, ist ein gewaltsamer Lehrmeister und stimmt die Leidenschaften der Menge nach der jeweiligen Beschaffenbeit der Laae.

So herrschte also Zerwürfniß in den Städten, und wo solches erst später eintrat, da brachte die Kunde von dem, was anderwärts bereits früher geschehen war, ein höheres Maß der Verderbtheit der Gesinnung zu Wege, wie sie sich in der Verschmitztheit persönlicher Angriffe und in unerhörter Art der Rache zeigte. Ja sogar die gewohnte Bedeutung der Worte, wie sie zur Würdigung der Thaten dienen, änderte man nach Belieben. Tobsüchtige Verwegenheit galt als treufreundliche Tapferkeit; in wohlüberlegter Bedächtigkeit sah man Beschönigung der Feigheit, und besonnenes Maßhalten erschien als Vorwand der Unmännlichkeit, und wer überall vernünftig handeln wollte, galt überall als schlafsüchtig; für ein Stück Männlichkeit aber hielt man es, wenn Einer aufbrauste wie ein Wahnsinniger. Wer vorsichtig mit sich zu Rathe gehen wollte, schien nur einen anständigen Vorwand zu suchen, sich ganz aus der Sache zu ziehen. Wer recht schimpfen konnte, der galt überall als ein zuverlässiger Mann, wer ihm aber widersprach, der wurde verdächtig. Hatte Einer den Andern listig zu Fall gebracht, so galt er für klug, für noch tüchtiger aber -

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der, reicher rechtzeitig Lunte gerochen hatte. Wer aber von vorn [*]( 427 v. Chr. ) herein seine Sache so gestellt Halle, deß er nichts dergleichen bedürfte, i von dem hieß es, er störe die Freundschaft -und fürchte die Gegner. Ueberhauvt wurde den: Beifall geschenkt, der den: Andern zuror^m, wenn dieser ihn: einen Sn^eich svielen sollte, und der Andere eben dazu aufstachelte, die keine seine Rase hauen. P^arteigenoisenschasi nxir ein engeres Band, als Verrvandtshc^st, n?ei! jene bereite: war, rücksichtslos mitzurvagen- denn nicht zum Schirm der Gesetze wurden dergleichen Verbindungen eingegangen, sondern zum eigenen Vortheil aus Kosten der bestehenden Einrichtungen, und an die Eide, die sie unter einander geleistet, banden sie sich nich: sowohl an- Scheu ro: den: göttlichen Gesetz, als vielmehr im Beivußtsein gemeinsamer Verbrechen.

Von feindlicher Seite nahn: man versöhnliche Antrage an, n?enn jene etnxi in: Vortheil waren und man thaisächlich gegen sie gedeckt wurde, aber nicht ans Vertrauen und Großmuth. Hinterher Rache zu nehmen galt mehr als sich vorher vor Leid geschützt zu haben. Versöhnungseide , wenn sie et^ann vorkamen, galten nur für den Augenblick, als von beiden Seiten nur im Zwange der Umstände gegeben, und nur so lange, als kein Zuivach- an Mach: andersn-oher kommen r?oll:e. Wem aber die Gunst des Augenblicks zuerst mieder größeres Vertrauen auf seine Kraft gab, der nahm, wenn er den Gegner ungedeckt sand, gerade seines Vertrauens wegen. mit viel größerer Lust an ihm Rache, als im offenen Kampfe, und er bedcch:e dabei nicht minder die größere Sicherheit des Gelingens, als das Lob der Klugheit, das ihm als Sieger durch List zu Theil würde. Lassen sich doch die meisten Menschen viel liebe? gewiegte Schelme nennen, als gutmüthig und einfältig, denn dieses Lobes schämen sie sich, mit jenem aber thun sie groß.

Von Allem dem aber lag die Schuld in dem habsüchtigen und ehrgeizigen Regiment und in Folge deisen in dem leidenschaftlichen Eifer der Männer, die sich in die Kämpfe der Ehrsucht eingelassen hatten. Denn die Regierungshäupler in den einzelnen Städten, und zwar von beiden Parteien, indem sie der Sache einen schönen Hainen gaben, jenachdem sie und der bürgerlichen Gleichheit des ganzen Volkes, oder einer maßvollen Staatslenkung der Vornehmen den Vorzug

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[*]( 427 v. Chr.) schenkten, schienen nur die Hebung des Gemeinwohls zum Preise ihres Wettkampfs zu machen, in der That aber rangen sie nur auf jede Weise Einer des Andern Meister zu werden, indem sie dabei die äußersten Mittel wagten nnd sich einander mit immer empfindlicheren Strafen belegten, die sie nicht nach der Gerechtigkeit und dem Staatsvortheil abmaßen, sondern nach dem schadenfrohen Belieben der Parteien bestimmten, und so waren sie immer fertig, entweder durch ungerechte Verurtheilung mittels Abstimmung, oder durch das Uebergewicht der Fäuste sich den Sieg zu verschaffen und so für den Augenblick ihr Müthchen zu kühlen. Auf Furcht der Götter sah Niemand mehr, sondern wem es gelingen mochte, durch schönllingende Worte etwas Unerhörtes durchzusetzen, der wuchs dadurch nur an gutem Rufe. Wer aber von den Bürgern es mit keinem Theil hielt, der wurde von beiden tödtlich verfolgt, entweder weil sie im Kampfe nicht zu ihnen standen, oder aus Neid, daß sie allein glücklich davon kommen sollten.

So riß jede Art der Lasterhaftigkeit in Folge der Parteikämpfe unter den Hellenen ein, und die Sitteneinfalt, welche am Adel der Gesinnung so großen Theil hat, wurde verlacht und verschwand. Mißtrauischen Sinns feindlich einander entgegenzustehen wurde vorherrschend. Versöhnliche Gesinnung zu wirken, war weder ein Wort zuverlässig, noch ein Eid furchtbar genug. Ueber dergleichen waren Alle in ihrer Denkweise hinaus, so daß sie überhaupt an Treue und ' an Zuverlässigkeit nicht mehr zu glauben wagten, und Alle dachten eher daran, sich selbst vor Schaden zu hüten, als daß sie Einem hätten vertrauen können. Männern geringerer Einsicht blieb gewöhnlich der Sieg. Denn weil sie wegen ihrer eigenen Unzulänglichkeit und der überlegenen Einsicht der Gegner zu fürchten hatten, daß sie selbst, wenn es zum Reden käme, unterliegen würden, und jene bei ihrer Geistesgewandtheit ihnen mit irgend einer List zuvorkommen könnten, so gingen sie rasch entschlossen zu Thätlichkeiten. Jene aber, die in ihrem Hochmuth glaubten, sie würden schon Alles vorhermerken und es bedürfe für sie der Gewaltthat nicht, wo List auch zum Zweck führe, fanden, da sie sich nicht schützten, um so leichter den Untergang ^). [*]( ^2) So wurden in der englischem Revolution die Presbyterianer von den. Jndependenten, in der französischen die Girondisten von den Jakobinern ge-)

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Die meisten dieser Thaten nun sind zuletzt in Kerkyra vor- [*]( 427 v. Chr. ) gekommen, und darunter Alles, was nur immer von Solchen, die früher, mehr mit Uebermuth als mit Mäßigung beherrscht wurden, aus Rache geschehen sein mag, wenn Jene Gelegenheit, an ihnen Rache zu nehmen, darboten, — oder was Andere thaten, um langgetragener Armuth sich zu entziehen, oder mehr noch , was Solche widerrechtlich beschlossen, die von leidenschaftlicher Gier nach dem Gute Anderer getrieben werden, — wie auch endlich Solche, die nicht aus Habsucht, sondern bei fast gleichen Vermögensverhältnissen Andere angreifen, und weil sie meist nur durch rohe Leidenschaft hingerissen werden, grausam und erbarmungslos darauf losgehen. Wie für jene Zeit in der Stadt alle Verhältnisse des Lebens zerrüttet waren, so zeigte sich hier recht klar, wie die Natur des Menshcen, die auch sonst gegen die bestehenden Gesetze fehlt, hier aber der Gesetze bereits Meister geworden war, unfähig ist, die Leidenschaft zu beherrschen, sich hinwegsetzend über das, was gerecht ist, und alles Hervorragende anfeindend. Denn sonst würden sie nicht die Rache der Gesetzlichkeit und die Selbftbereicherung der Rechtlichkeit deßhalb vorgezogen haben, weil der bloße Neid unter den jetzigen Umständen die Kraft zu schaden verloren hatte. Die Menschen ziehen es eben vor, die auch durch solche Zustände geltende Gesetze, welche ja auch ihnen selbst für den Fall des Unterliegens Hoffnung auf Rettung gewähren, aufzuheben, um nur an Andern ihre Rachsucht zu befriedigen, und sie lieber nicht bestehen zu lassen, auch für den Fall, daß sie selbst einmal in Gefahr gerathen und ihres Schutzes bedürfen könnten*). , .

Das also war der erste Ausbruch der Leidenschaften, welche die Kerkyräer in der Stadt gegen einander zum Blutvergießen trieben. Eurymedou und seine Athener gingen danach wieder mit den Schiffen unter Segel. Später aber nahmen die Flüchtlinge der Kerkyräer — denn es hatten sich ihrer gegen Fünfhundert gerettet — einige ver­ [*]( stürzt (Arnold). Den Männern des Wortes folgten die Männer der That (Krüger). ) [*]( ») Dieß 34. Kapitel, höchst schwächlich und unklar in den Gedanken, wurde von keinem der alten Erklärer dem Thukydides zugeschrieben. ) [*]( Thukydides. III. ) [*](17. )

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[*]( 427 v. Chr. ) schanzte Werke auf dem Festlande weg und machten sich zum Herrn des der Insel gegenüber liegenden und ihr zugehörigen Landes, und von hier aus unternahmen sie dann Raubzüge gegen die Insel und richteten großen Schaden an; so daß auch in der Stadt eine große Hungersnoth entstand. Auch schickten sie Gesandte nach Lakedämon und nach Korinth und baten, sie in die Heimath zurückzuführen. Da sie aber hier Nichts ausrichteten, so verschafften sie sich nach einiger Zeit Schiffe und Hülfstruppen und setzten nach der Insel über, in Allem ungefähr sechshundert Mann stark, und nachdem sie die Schiffe verbrannt hatten, damit ihnen jede andere Hoffnung, als die in der Eroberung'des Landes für sie lag, abgeschnitten sei, erstiegen sie den Berg Jstone, erbauten daselbst eine Verschanzung und fügten von hier aus denen in der Stadt großen Schaden zu und machten sich zu Herren des offenen Landes.

Gegen Ende desselbigen Sommers sandten die Athener zwanzig Schiffe nach Sicilien unter Anführung des Laches, des Sohnes Melanopos', und des Charöades, des Euphiletes' Sohn. Die Syrakufaner nämlich und die Leontiner waren unter einander im Kriege begriffen. Es standen aber auf Seiten der Syrakufaner außer den Kamarinäern alle anderen dorifchen Städte, welche schon von vorn herein beim Beginn des Krieges zur lakedämonischen Bundesgenossenschaft getreten waren, jedoch sich nicht am Kampfe betheiligt hatten; den Leontinern halfen die chalkidischen Städte und Kamarina. Vom italischen Festland waren'die lokrer Bundesgenossen der Syrakusaner, die Rheginer hingegen standen der Blutsverwandtschast wegen bei den Leontinern. Die leontinische Bundesgenossenschaft nun schickte nach Athen und mit Berufung auf ihren alten Waffenbund, und weil sie auch Jonier seien, überredeten sie die Athener, ihnen eine Flotte zu senden; denn die Syrakusaner hatten ihnen Land und See abgesperrt. Die'Athener sandten denn auch die Schiffe ab, indem sie die Verwandtschaft zum Vorwande nahmen, in der That aber, weil sie weitere Zufuhr von Lebensmitteln von dort aus nach dem Peloponnes verhindern und einen Vorversuch machen wollten, ob es vielleicht möglich-wäre, Sicilien in Abhängigkeit von sich zu bringen. Nachdem sie sich nun in Rhegium auf dem italischen Festland festge

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setzt hatten, führten sie von hier aus den Krieg sammt ihren Bundes- [*]( 428 v. Chr. ) genossen 44). So ging der Sommer zu Ende.

Im folgenden Winter kam die Seuche zum zweiten Mal über die Athener. Ganz hatte sie zwar nie aufgehört, jedoch war eine Art Stillstand eingetreten. Das zweite Mal dauerte sie nicht weniger als ein Jahr. Das erste Mal aber hatte sie gar zwei Jahre gewährt, so daß nichts Anderes die Macht der Athener mehr geschwächt hat. Denn von den im Kriege verwendeten Truppen starben daran nicht [*]( 44) Hiemit beginnt die verhängnißvolle Einmischung der Athener in die ficilischen Angelegenheiten. Die Griechen in Unteritalien und auf Sicilien hatten eine ähnliche Stellung gegenüber der karthagischen und etruskifchen Macht, wie die des Ostens gegenüber den Persern, und in deren Behauptung eine eben so schöne Aufgabe, wie ihre östlichen Brüder, der sie zunächst auch ruhmvoll nachkamen. Im Jahr 480 schlugen Gelon von Syrakus und Theron von Akragas (Agrigentum, Girgenti) die karthagische Landmacht bei Himera aus's Haupt, wie die Sage will am selben Tage, als bei Salamis die Flotte der Perser, die mit den Karthagern zur Vernichtung der Hellenen gemeinschaftliche Sache machten, geschlagen wurde. Sechs Jahre später (47 4) schlug Hiero 1. von Syrakus die etruskische Flotte vor Kyme ((Zum»«). So schöne Anfänge hatten aber keinen entsprechenden Fortgang. Die Jtaliker gingen in Ueppigkeit unter, und auf Sicilien führten der Mißbrauch, den Syrakus von seiner Stärke machte, die Bestrebungen der Tyrannen, welche die Reinheit des Hellenenthums durch eingeführte Fremdlinge zersetzten und schwächten/ die Parteikämpfe in den Städten und die Intriguen der Karthager das Verderben herbei. So oft auch im Verlauf der Geschichte die Bevölkerung Unteritaliens und Siciliens durch neues und besseres, Blut aufgefrischt wurde, so war der Ausgang doch immer wieder ein Hinabsinken in völlige Unbedeutendheit. ) [*]( Nach unserem Kapitel stehen sich auf Sicilien die dorischen und die chalkidischen Kolonien einander gegenüber. Dorische Städte waren Syrakus, das hybläische Megara (so beigenannt zum Unterschiede von seiner Mutterstadt), Akrä, KaSmenä, Kamarina u. a.; Niederlassungen von Ehalkis auf Euböa: Naxos mit seinen Tochterstädten Leontini und Katana, Himera, Kallipolis, Euböa u. a. Auch Zankle, später Messana (Messina) war chalkidischen Ursprungs, wurde aber durch seine spätere messenische Bevölkerung dorisch; unter der Bürgerschaft herrschte daher in Bezug auf Parteinahme in diesem Kriege Spaltung. In Untcritalien waren die Lokrer für SyrakuS, das chalkidifche, aber auch mit Messeniern untermischte Rhegium, vorzüglich aus Haß gegen die benachbarten Lokrer, für Leontini.. Das von den Syrakusanern sehr hart mitgenommene dorische Kamarina hielt ebenfalls zu den Leontinern. Akragas, Pflanzstadt des rhodischen Cela,stand zu Syrakut. ) [*]( 17* )

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[*]( 426 v. Chr. ) weniger als viertausend vierhundert Schwerbewaffnete und dreihundert Reiter, des übrigen Volks aber eine unzählige Menge. Damals fanden auch die vielen Erdbeben statt, in Athen, auf Euböa und in Böotien, sonderlich aber im böotischen Orchomenos.

^n demselben Winter segelten die Athener in Sicilien und die Rheginer mit dreißig Schiffen gegen die Inseln, die des Aeolo s heißen ^); denn zur Sommerszeit war es wegen der seichten Anfuhr nicht möglich, sie anzugreifen. Es bebauen dieselben Liparäer, Absendlinge der Knidier, und sie wohnen nur auf einer dieser Inseln, die auch nicht eben groß ist und Lipara genannt wird. Den Anbau der andern Inseln, Didyme und Strongyle und Hiera, betreiben sie von dieser aus. Die Leute dort glauben, daß Hephästos auf Hiera seine Schmiede habe, weil man in der Nacht einen großen Feuerschein aufsteigen sieht und des Tags über Rauch. Es liegen aber diese Inseln dem Lande der Sicilier und Messenier gegenüber, und sie waren den Syrakusanern verbündet. Als die Athener das Land verwüstet hatten und jene ihnen nicht entgegenrückten, so fuhren sie wieder nach Rheginm zurück. So ging der Winter zu Ende und damit das fünfte Jahr des Krieges, den Thukydides beschrieben hat.

Im folgenden Sommer wollten die Peloponnesier und ihre Bundesgenossen wieder in Attika einfallen und waren schon unter Führung deZ Lakedämonierkönigs Agis, des Sohnes Archidamos; bis zum Jsthmos gekommen; da aber viele Erdstöße eintraten, so wen- deten sie wieder um und der Einfall fand nicht statt. Um eben die-, selbe Zeit, da die Erde erbebte, drang in Enböa bei Orobiä das Meer von der damaligen Küste landeinwärts, und hoch schwellend flnthete es über einen Theil der Stadt und schlang zum Theil die Erde.ein, zum Theil aber kehrte es wieder zurück, und jetzt ist dort an einer Stelle das Meer, wo früher Land war. Auch Menschen verschlang es, Alle, die nicht schnell genug nach den Anhöhen fliehen konnten. Auch bei der Insel Atalante in der Gegend der opuntischen Lokrer geschah eine ähnliche Ueberschwemmnng und riß einen Theil der athe- [*]( 45) Lipara, die größte der Inseln des AeoloS, daher diese seist liparische heißen, war von KnidoS bevölkert worden, welches seinerseits von Lakedämon abstammen wollte. )

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nischen Verschanzung weg und zerbrach von zwei an das Land gezo- [*]( 426 v. Chr. ) genen Schiffen das eine. Auch bei Peparethos sPalanisi^ zeigte sich ein Zurücktreten des Meeres, aber ohne daß Uebersluthung folgte, und ein Erdstoß warf ein Stück der Stadtmauer um, wie auch das Prytaneum und etliche andere Gebäude. Für die Ursache davon halte ich, daß, wo der Erdstoß am stärksten war, er dort das Meer zurückstaute und dann es plötzlich wieder heranzog und um so gewaltsamer übersluthen ließ. Ohne ein Erdbeben aber glaube ich nicht, daß etwas der Art hätte eintreten können.

Zur selbigen Sommerzeit kämpften sowohl die Andern, wie es sich gerade Jedem schickte, als auch auf Sicilien die Sicilianer selbst unter einander und auch die Athener mit ihren Bundesgenossen. Was nun Erwähnenswerthes die Verbündeten mit den Athenern ausführten, oder auch die gegen die Athener fochten, das will ich hier aufzählen. Da Charöades, Feldherr der Athener, damals schon im Kampfe gegen die Syrakusier gefallen war, so zog Laches, der nun den Oberbefehl über sämmtliche Schiffe hatte, mit den Bundesgenossen gegen Mylä, die Stadt der Messenier. Es lagen aber in Mylä zwei Bürgerabtheilungen der Messenier als Besatzung, die denen von den Schiffen auch einen Hinterhalt legten. Die Athener jedoch und die Bundesgenossen schlugen die in dem Hinterhalt in die Flucht, tödteten ihnen viele Leute, und gegen den Wall stürmend nöthigten sie sie vergleichsweise die Burg zu übergeben und mit ihnen gegen Messens zu Felde zu ziehen. Und auch die Messenier, als dann die Athener mit den Verbündeten heranrückten, glichen sich mit ihnen aus, indem sie Geißeln stellten und auch sonst Bürgschaft gewährten.

In demselben Sommer schickten die Athener dreißig Schiffe nach dem Peloponnes, auf denen befehligten Demosthenes, Sohn des Alkisthenes, und Prokles, des Theodoros Sohn, und sechzig andere Fahrzeuge mit zweitausend Schwerbewaffneten gegen Melos sMilo) ^). [*]( 46) Die Mehrzahl der Messinesen war bis zum siebenten Jahr des Krieges fiir Athen. Die bürgerlichen Abtheilungen waren zugleich die militärischen. ) [*]( 47) Die Insel Melos, eine der Kykladen, sehr fruchtbar, mit einem Hasen, hatte dorische Bevölkerung, wollte aber neutral bleiben. Später wurde es von den Athenern genommen. )

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[*]( 426 v. Chr. ) Diese führte Nikias, des NikeratoS Sohn. Sie wollten nämlich die Melier, die auf einer Jnfel wohnten und ihnen weder gehorchen noch auch ihrem Waffenbunde beitreten wollten, mit Gewalt zwingen. Da sich diese aber, nachdem ihr Land verwüstet worden, doch nicht fügten, so gingen sie von Melos aus wieder unter Segel und schifften nach Oropos sNordgränze von Attika^s an der jenseitigen Festlands- küste. Dort landeten sie bei Nacht und sogleich marshcirten die Schwergerüsteten von den Schiffen zu Lande gegen Tanagra in Böotien. Die Athener in der Stadt mit gesammter Macht, befehligt von Hip-ponikos, Kallias'Sohn, und Eurymedon, dem Sohne des Thukles, rückten auf ein gegebenes Zeichen auf dem Landwege eben dahin und stießen zu jenen. An diesem Tage schlugen sie ein Lager bei Tanagra 46), verheerten das Land und übernachteten im Lager. Am folgenden Tage schlugen sie in einem Gefechte die gegen sie ausgerückten Leute der Tanagräer, denen auch einige Thebaner zu Hülfe gekommen waren, erbeuteten die Waffen der Gebliebenen nnd stellten ein Siegeszeichen auf. Dennoch zogen sie ab, die Einen nach der Stadt zurück, die Andern auf die Schiffe. Darauf kreuzte Nikias in den Gewässern von Lokris, verwüstete die Küstenstriche und kehrte dann nach Hause zurück.

Um diese Zeit gründeten die Lakedämonier im Trachinischen Lande die Ansiedelung Heraklea in der Absicht, wie folgt. Der Melier insgesammt sind drei Stämme: die Paralier, Hiereer und Trachimer. Von diesen wurden die Trachinier durch die gränzanwohnenden Oetäer in kriegerischen Anfällen fast vernichtet und wollten sich nun zuerst unter den Schutz der Athener stellen, dann aber fürchteten sie, diesen doch nicht trauen zu dürfen, und schickten darum nach Lakedämon , zum Gesandten wählend den Tisamenos. Mit ihnen ging auch eine Gesandtschaft der Dorier aus dem spartanischen Mutterlands, mit demselben Anliegen, denn auch sie wurden von den Oetäern hart bedrängt. Als die Lakedämonier sie angehört, faßten sie Beschluß, dort eine Pflanzstadt zu gründen, um den Trachiniern und den Doriern Sicherheit zu vershcaffen. Zugleich schien es ihnen, daß es für den Krieg mit den Athenern sehr passend sei, die Stadt dort anzu­ [*]( 48) Gehörte zum böotischen Bund, vergl. II. 2. )

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legen, denn man könne dort eine Flotte gegen Euböa ausrüsten und [*]( 426 v. Chr. ) auf kurzem Wege überfahren, und man habe dort auch zum eigenen Vortheil den Weg nach Thrakien in der Hand. Kurz, es trieben sie viele Gründe, sich im Lande anzusiedeln. Zuerst nun fragten sie den Gott in Delphi, und da dieser ermunterte, schickten sie Ansiedler aus ihrer eigenen Mitte und aus ihren Beisitzern und forderten auch von den andern Hellenen zum Anschluß auf, wer wolle, ausgenommen die Jonier und Achäer und einige andere Völkerschaften. Als Gründer standen an der Spitze drei Lakedämonier, Leon und Alkidas und Damagon. Die also setzten sich dort fest und gaben der Stadt neue Mauern. Jetzt heißt sie Heraklea und liegt von den Thermopylen ungefähr vierzig Stadien weit ab und vom Meere zwanzig. Schiffswerften legten sie auch an und begannen damit im Engpaß der Thermopylen selbst, damit sie um so leichter zu vertheidigen wären ^).

Die Athener nun hatten zuerst große Furcht, als. diese Stadt gegründet wurde, und glaubten, daß ihre Anlage besonders gegen Euböa gerichtet sei, weil die Ueberfahrt nach Kenäon auf Euböa nur kurz ist. Später aber verlief sich das Ganze gegen ihre Befürchtung, denn es geschah von dort aus Nichts Gefährliches. Ursache davon waren die Thessaler, welche die dortigen Plätze in ihrer Gewalt hatten, und die, auf deren Gebiet die Ansiedelung stattfand. Diese fürchteten, ihre neuen Nachbarn da möchten mit großer Kraft unter ihnen auftreten, und darum schädigten sie sie und bekriegten unaufhörlich die neuen Ansiedler, bis sie ganz aufgerieben waren, obwohl ihre Zahl Anfangs sehr groß war; denn da die Lakedämonier als die Gründer dastanden, so trat Jeder voll Zuversicht bei, da er die Zukunft der Stadt gesichert glaubte. Aber auch die Anführer, die von den Lakedämoniern selbst gekommen waren, waren nicht die geringste Ursache, denn sie. verdarben das Ganze und brachten die Einwohner an Zahl herab, weil sie eine Schreckensregierung gegen die Menge führten und kaum irgend eine gute Maßregel trafen, so daß die Umwohner ihrer um so leichter Meister wurden. [*]( 49) Der Besitz der Gegend war wegen ihres Holzreichthums wichtig ftir das Zustandekommen einer starken lakcdämonischen Flotte. )

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[*]( 428 v. Chr. ) Im selben Sommer und zu derselben Zeit, als die Athener auf Melos standen, hatten die Athener auf den dreißig Schiffen in den peloponnesischen Gewässern zuerst bei Ellomenos in Leukadien Leute von der Besatzung in einem Hinterhalt erschlagen, dann zogen sie mit größerer Mannschaft gegen Leukas, nämlich mit allen Akarnanern, die mit ihrer Gesammtmacht — nur die Oeniader ausgenommen, — sich angeschlossen hatten, mit den Zakynthiern und Kephalle-nern und fünfzehn Schiffen der Kerkyräer. Die Leukadier nun, da ihr Land außer und inner der Landenge, auf der die Stadt Leukas selbst und das Heiligthum des Apollo liegen, hielten sich ruhig, von der Menge gewältigt, die Akarnaner aber baten Demosthenes, den athenischen Feldherrn, er solle sie durch Verschanzungen absperren, denn sie glaubten, die Eroberung sei leicht und so würden sie einer Stadt ledig, die ihnen immer feindlich gesinnt gewesen. Demosthenes ließ sich aber damals von den Messeniern bereden, weil schon ein so großes Heer versammelt wäre, so schicke es sich ihm, die Aetoler anzugreifen, die Naupaktos' Feinde seien, und wenn er erst über diese gesiegt habe, so könne er leicht auch den Athenern zuwenden, was sonst noch dort das Festland bewohnt. Denn das Volk der Aetoler sei zwar zahlreich und streitbar, aber sie wohnten in offenen Dörfern, die überdies; noch weit von einander lägen, und man habe dort nur leichte Rüstung; so sei es nicht schwer, bewiesen sie, sie zu unterwerfen, bevor sie sich zur Abwehr vereinigt hätten. Zuerst solle er die Apodoter angreifen, dann die Ophioneer und nach diesen die Eurytaner, welche den zahlreichsten Theil der Aetoler ausmachen, aber eine ganz unverständliche Sprache reden und das Fleisch roh'essen, wie behauptet wird.' Seien die erst niedergeworfen, so würden die Andern leicht nachkommen.

Demosthenes also folgte den Messeniern zu Gefallen diesem Rathe und besonders auch, weil er glaubte, er könne auch ohne athenische Streitmacht nur mit den festländischen Bundesgenossen nnd den dazu gewonnenen Aetolern zu Lande gegen die Böotier ziehen, nämlich durch das Gebiet der ozolifchen Lokrer nach dem dorischen Kytinion, den Parnaß rechts lassend, bis er in's Land der Phoker käme, die immer den Athenern Freund gewesen und wohl eifrig sich dem Zuge anschließen würden, oder auch dazu gezwungen werden könnten,

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und dicht an das Phokergebiet stößt bereits Böotien 50); so brach er [*]( 426 v. Chr. ) also gegen den Willen der Akarnaner mit der gesammten Macht, von Leukas auf und segelte nach Sicilien: Dann theilte er den Akarnanern seine Absicht mit, und da sie nicht einstimmten, weil die Umschließung von Leukas unterblieben war, so zog er mit dem übrigen Heere, den Kephallenern, Messeniern) Zakynthiern und den dreihundert Mann Athenern von den eigenen Schiffen — denn die fünfzehn Schiffe der Kerkyräer hatten sich von ihm getrennt — gegen die Aetoler zu Felde. Der Aufbruch geschah von Oeneon in Lokris. Diese ozolischen Lokrer waren nämlich Bundesgenossen und sie sollten im inneren Lande mit ihrer Gesammtmacht zu den Athenern stoßen. Denn da sie Gränznachbarn der Aetoler waren und mit ihnen von gleicher Bewaffnung, so schien ihr Zuzug großen Vortheil zu versprechen, weil sie die Kampfweise jener und die Ortsgelegenheiten wohl kannten.

Die Nacht über lag er mit dem Heerhaufen im Heiligthum des neme'i'shcen Zeus, in welchem der Dichter Hesiodos von den dortigen Einwohnern soll erschlagen worden sein, nachdem ihm ein Orakel verkündet hatte, daß ihm dieß in Nemea geschehen werde, und mit der Morgenröthe brach er auf und marfchirte in Aetolien ein. Auch nahm er am ersten Tage noch Potidania, Tags darauf Krokyleion und am dritten Teichion, und daselbst verweilte er und sandte die Beute nach Eupalion in Lokris. Sein Gedanke war nämlich, wenn er die andern Landstriche unterworfen habe, sich auf Neupaktos zurückzuziehen und dann später erst gegen die Ophioneer in's Feld zu rücken, wenn sie nicht nachgeben wollten. Den Aetolern aber blieb diese Veranstaltung schon von vorn herein, als der Plan gefaßt wurde, nicht verborgen; als aber nun das Heer eingefallen war, so zogen sie ins- [*]( 50) In Phokis standen zwei Parteien einander gegenüber. Die Masse der Bevölkerung war demokratisch und für Athen gesinnt, die Delphier aber und besonders die Prtestergeschlechter oligarchisch und deßhalb für Sparta. Sparta wollte überdies, da Athen das Oberpriesterthnm ans Delos an sich gebracht hatte, vergl. l, 8. II, 104., seinerseits als Gegengewicht das Vorsteheramt in Delphi, da daS dortige Orakel in der hellenischen Volks-Meinung vom höchsten Gewicht war. Auch hatte sich ja der Gott gradezu für die Spartaner erklärt l, lIS. Das Schwankende der politischen Stellung erhellt, wie aus dieser Stelle, so aus I, 107. III, II, 9. IlI, 101. u. a. )

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[*]( 426 v. Chr. ) gesammt mit großer Mannschaft zur Abwehr heran, so daß sogar die hintersten von den Ophioneern, die am melischen Busen sitzen, die Bomieer und Kallieer, mit heranrückten.

Dem Demosthenes aber lagen die Messemer mit ähnlichen Rathschlägen in den Ohren, wie auch von Anfang. Sie zeigten ihm, wie leicht es sei, die Aetoler zu fangen, und er solle nur so schnell als möglich gegen die Dörfer ziehen und nicht abwarten, bis Alle mit vereinter Macht sich ihm entgegenstellen, und nur immer den in den Weg kommenden Flecken wegzunehmen trachten. Der nun gab Gehör, und auf sein Glück vertrauend, weil Nichts sich ihm entgegenstellte, wartete er nicht die Lokrer ab — deren Hülfe er gebraucht hätte, da ihm besonders die speerschießenden Leichtbewaffneten abgingen, — sondern marshcirte gegen Aegition und nahm es im Sturm. Die Einwohner flohen nämlich und setzten sich auf den Anhöhen oberhalb der Stadt, denn sie lag hoch in einer bergigen Gegend, ungefähr achtzig Stadien vom Meere ab. Die Aetoler aber, denn sie waren zur Hülfe gegen Aegition herangerückt, fielen die Athener und ihre Bundesgenossen an, von den Höhen herabstürmend, die Einen in der, die Andern in jener Richtung, und Speere schießend, und wenn das Heer der Athener vorrückte, wichen sie zurück, ging jenes aber rückwärts, so fielen sie ihm in den Rücken. So schwankte der Kampf lang zwischen wiederholter Verfolgung und Rückzug, in beidem aber waren die Athener im Nachtheil.

So lange nun die Bogenschützen noch Pfeile hatten und schießen konnten, behaupteten die Unseren das Feld, denn die Aetoler als Leichtbewaffnete wurden durch die Geschosse zum Weichen gezwungen. Als aber der Führer der Bogenschützen gefallen war und diese auseinander gesprengt wurden, auch die Athener durch die langdauernde immer gleiche Anstrengung ermüdet waren, und die Aetoler ihrerseits andrängten und Speere schoßen, so wandten sie um und lfohen. Nun geriethen sie aber in Schluchten ohne Ausweg und in Gegenden, deren sie unkundig waren, und hatten großen Verlust, denn auch ihr Wegsührer Chromon, der Messemer, war gefallen. Die Aetoler aber, immer Speere schießend, ereilten viele auf der Flucht als schnellfüßige und leichtbewaffnete Leute ohne alle Mühe und tödteten sie; den größeren Hausen aber, der des Weges verfehlte und in einen Wald ge

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rieth, der keinen AuSgang gestattete, umgaben sie mit Feuer und ver- [*]( 426 v. Chr. ) brannten sie. Da stellte sich dem Heere der Athener jegliches Bild der Flucht und des Verderbens vor Augen und kaum retteten sich die Ueberbleibenden an's Meer und nach Oeneon in Lokris, von wo sie ausgezogen waren. Es fielen aber von den Bundesgenossen Viele, und Schwerbewaffnete der Athener ungefähr hundert und zwanzig. So groß war ihre Zahl, und eben diese junge Mannschaft bestand aus den trefflichsten Leuten, welche die Stadt Athen im Laufe dieses Krieges verloren hat.

Um dieselbe Zeit segelten die Athener in den sicilischen Gewässern gegen Lokris, schlugen bei einer Landung die zur Abwehr herangerückten Lokrer und gewannen eine Verschanzung am Flusse Halex.