History of the Peloponnesian War

Thucydides

Thucydides. Geschichte des Peloponnesischen Kriegs. Wahrmund, Adolf, translator. Stuttgart: Krais and Hoffmann, 1864.

Viertes Kriegsjahr: 423—27. Kapitel I—XXV.

Kap. 1. Dritter Einfall der Peloponnesier in Attika. — 2 — 6. Abfall der Insel Lesbos und Maßnahmen der Athener unter Paches. — 7. Unternehmung gegen Oeniadä und Nerikon. — 8—15. Die Mytilenäer bewegen die Peloponnesier, ihnen eine Hülfsflotte zu senden. — 16—17. Thätig- keit der attischen Flotte. Seemacht der Athener. — 18. Absperrung von Mytilene. — 19. Des Atheners Lysikles Niederlage in Karien. — 20—24. Ein Theil der belagerten Platäer schlägt sich nach Athen durch. — 25. Der Spartaner Saläthos kommt nach Mytilene.

Fünftes Kriegsjahr: 427—26. Kapitel XXVI—I^XXXVIII.

Kap. 26. Vierter Einfall der Peloponnesier in Attika. — 27 — 28. Mytilene an die Athener übergeben. — 29 — 33. Der peloponnesischen Flotte unter Alkidas vergebliche Ausfahrt. — 34. Die Athener nehmen Notion. — 35 — 36. Die Athener verurtheilen alle Mytilenäer zum Tode. Reue deßhalb. — 37 — 40. Rede Kleon's für die Hinrichtung. — 41—48. Rede des Diodotos gegen dieselbe. — 49. Mytilene gerettet. — 50. Die Atheuer senden Kleruchen nach Lesbos. — 51. Niki as erobert und befestigt Minoa. — 52. Die Platäer ergeben sich an die Lakedämonier. — 53 — 59. Vertheidigungsrede der Platäer. — 60 — 67. Der Thebaner Gegenrede. — 68. Hinrichtung der

IV
Platäer und Zerstörung ihrer Stadt. — 69. Anschlag der Lakedämonier aus Kerkyra. — 70—75. Innere Zerwürfnisse auf Kerkyra. — 76—80. Die peloponnesische Flotte vor Kerkyra. — 81. Grausamkeiten der Kerkyräer gegen einander. — 82 — 85. Allgemeine politische und sittliche Zerrüttung Griechenlands. — 86. Attische Schiffe nach Sicilien. — 87. Die Seuche abermals in Athen. — 88. Gescheitertes Unternehmen der Athener gegen Lipara.

Sechstes Kriegsjahr: 426-25. Kapitel I.XXXIX—LXVl.

Kap. 89. Erdbeben und Überschwemmungen. — 90. Des Lach es Eroberungen auf Sicilien. — 91. Sieg der Athener bei Tanagra. — 92—93. Heraklea, neue Pflanzstadt der Lakedämonier. — 94. Demosthenes auf Leukadien.— 95—98. Unglücklicher Feldzug desselben gegen die Aetoler. — 99. Landung der attischen Schiffe im italischen Lokris. — 100 — 102. Die Lakedämonier unter Eurylochos in Aetolien und gegen Naupaktos — 103. Ereignisse auf Sicilien. — 104. Die Athener reinigen Delos. — 105— 114. Die Amprakioten von den Akarnanern und Athenern zweimal geschlagen. — 115. Weitere attische Schiffe nach Sicilien. — 116. Ausbrüche des Aetna.

175

Des folgenden Sommers fielen die Peloponnesier und ihre Bundesgenossen zur Zeit, da das Getreide in Blüthe stand, mit Heeresmacht in Attika ein und verwüsteten das Land, nachdem sie ein Lager geschlagen. Anführer war der Lakedämonier-König Archidamos, [*]( 428 v. Chr. ) des Zeuxidamos Sohn. Wie sie auch früher gewohnt waren, machten ^ die athenischen Reiter Ausfälle, wenn es thunlich schien, und verhinderten so wenigstens den großen Haufen der Leichtbewaffneten, sich vom Lager zu entfernen und in der Nähe der Stadt Schaden zu thun. Die Feinde blieben so lange im Lande stehen, als die Lebensmittel ausreichten, zogen sich dann zurück und gingen ein Jeder in seine Heimath.

Gleich nach diesem Einfalle der Peloponnesier fiel Lesbos mit Ausnahme der Stadt Methymne') von den Athenern ab, was [*]( 1) Die Insel Lesbos, nach Strabo XIII, 616. 1100 Stadien, d. i. 27 bis 2S Meilen im Umfang, wurde nach Herodot, Leben Homer's SS. 130 Jahre nach dem Trojanischen Kriege mit Kolonisten besetzt, während sie früher keine Städte gehabt haben soll. GrayS, des Penthylos Sohn, Nachkomme Orest's, soll peloponnesische Achaier, gemischt mit andern Aeoliern aus Böotien und Thessalien dahin geführt haben. Die äolischen Kolonien an der Küste Kleinasiens, und selbst Kyme, welches seinen vortrefflichen Hasen erst spät benutzte, wurden durch Lesbos verdunkelt. Ueppige Luft, höchst fruchtbarer Boden und herrliche Weinpflanzungen zeichneten es auS, daher es bei den Alten das seelige, liebreizende genannt wird (Plin. Naturgesetz. S, 39). Hier wurden Wcttkämpfe der Weiberschönheit zu Ehren der Hera abgehalten, wie auch aus Tenedos und an den Ufern des AlpheioS in Arkadien. Trunk und Wollust waren vor-) [*]( ThukydideS. lll. ) [*]( 13 )

176
[*](428 v. Chr. ) sie schon vor dem Kriege hatten thun wollen; aber die Lakedämonier nahmen sie damals nicht an. Auch dieses Mal waren sie genöthigt, [*]( herrshcende Laster; daneben aber herrschte große geistige Rührigkeit, wie denn die Insel von den frühesten bis in die späteren Zeiten viel Ausgezeichnetes auf dem Gebiet des Geistes hervorgebracht hat: Pittakos, einen der sieben Weisen, dann Alkäos, den Dichter und gleichzeitig Sappho, „eine wunderbare Erscheinung; denn in dem so großen Zeiträume menschlichen Denkens ist meines Wissens keine Frau aufgetreten, die in der Dichtkunst mit jener auch nur entsernt zu vergleichen wäre," (Strabo XIII, 617); — den Redner Diophanes; die Sänger Arion aus Methymne und Terpander, der sich zuerst der siebensaitigen Leier bediente anstatt der viersaitigen, daher von ihm die Verse: Wir jedoch wollen dir jetzt, viertönigem Liede entsagend. Neue Gesäng' anstimmen zu siebensaitiger Leier; — die Peripatetiker Phanias und Theophrast, aus Eresos, von dem es heißt, daß Aristoteles zwar alle seine Schüler beredt gemacht habe, zum beredtesten aber Theophrast, den Eresier. Auch die Geschichtschreiber Hellanikos und Theophanes, Freund Pompejus d. Gr., und Kallias, Erklärer des Alkäos und der Sappho, waren Lesbier. ) [*]( Die Insel hatte fünf größere Städte: Mytilene, Antissa, Pyrrha, Eresos und Methymna. — Mytilene, die größte Stadt, war anfangs auf einer kleinen Insel dicht vor der größeren, dann aus dieser selbst erbaut. Die schmale Meerenge zwischen beiden (jetzt ist auch die kleinere Insel mit Lesbos verbunden) wurde zu zwei Häfen benützt: der südliche, verschlossene, faßte 50 Dreiruderer, der nördliche war größer und tiefer und durch einen Damm geschützt. Die Stadt war, wie Strabo sagt, mit Allem wohl versehen. Nächst ihr war die Hafenstadt Methymna die bedeutendste, und während Antissa, Pyrrha und Eresos von Mytilene in Abhängigkeit gerathen zu sein scheinen, bewahrte dieß seine Selbständigkeit, daher Eifersucht zwischen beiden. Aus älterer Zeit wird von Parteikämpsen erzählt, in deren Folge Zwingherrn in Mytilene austraten, Myrsilos, Melanchros, die Kleanaktiden. Die sogenannten Aufruhrlieder des Alkäos waren gegen diese gerichtet. Nun trat Pittakos als Aesymnet aus. So, d. h. Ausgleicher, nannte man Männer, welchen in Folge der Achtung, die sie bei allen Parteien genossen, die unumshcränkte Gewalt auf unbestimmte Zeit anvertraut wurde, um den Parteikamps zu schlichten und Ordnung wieder herzustellen. (Vergleiche besonders Plutarch, Solon, Kap. 14). Pittakos führte seine Ausgabe durch und legte dann das Regiment nieder. — Seit Dareios Hystaspis war Lesbos den Persern unterthänig. Es betheiligte sich dann am Aufstand des Aristagoras, allein Krieger waren die Lesbier nicht, sie verloren den Muth und ließen sich wie die Samier gewinnen, während der Schlacht zu den Persern überzugehen. Nun folgte wieder Tyrannis unter perfischer Oberhoheit, dann die Besreiung durch die Schlacht von Mykale. In Folge )
177
den Abfall früher in's Werk zu setzen, als sie zu thun im Sinne hatten; [*](428 v. Chr. ) denn sie hatten warten wollen, bis die Häfen abgedämmt, die Mauern ausgebaut und die Ausrüstung der Schiffe vollendet und Alles angelangt wäre, was aus dem Pontos Euxinos kommen sollte, Bogenschützen , Getreide und was sie sonst von dort erwarteten. Aber die Tenedier^), die ihnen gram waren, wie auch die Methymnäer und selbst eine Partei unter den Mytilenäern, Gastfreunde der Athener, hatten in Folge eines Zwistes unter den Bürgern den Athenern die Anzeige gemacht, das; jene mit Gewalt alle Bewohner der Insel nach Mytilene verpflanzen wollten, und daß sie mit Beihülfe der Lakedämonier und der Böotier, die ihnen blutsverwandt waren, sich eifrig rüsteten, um in Bälde abzufallen, und wenn man nicht zuvorkomme, so würde Lesbos verloren gehen.

.Die Athener aber, die sowohl von der Seuche bedrängt waren, als auch von dem Kriege, der eben recht in Gang kam und mit Anstrengung betrieben wurde, dachten, es sei eine schlimme Sache, wenn auch noch die Lesbier mit ihrer Flotte und ihrer ungeschwächten Macht auf die Seite ihrer Feinde treten sollten. Deßhalb mochten sie Anfangs jenen Anklagen keinen Glauben schenken, und weil sie nicht wünschten, daß sie wahr seien, so trösteten sie sich eines großen Theiles damit, daß sie wohl auch wirklich nicht begründet seien. Als sie aber dann durch abgeordnete Gesandte die Mytilener nicht dahin vermögen konnten, mit der Verpflanzung der Einwohner und den Kriegsrüstungen auszuhören, so wurden sie wirklich besorgt und beschlossen ihnen zuvorzukommen. Sie schickten also schleunigst vierzig Schiffe, die fertig gerüstet lagen , um nach dem Peloponnes unter Segel zu gehen, dorthin ab. Kle'ippides, des Deinias Sohn, befehligte sie selbdritt. Es war ihnen nämlich gemeldet worden, daß das Fest des Apollo Maloeis") bevorstehe, welches die Mytilenäer insgesammt außerhalb [*]( des Benehmens des Pausanias trat Lesbos mit ChioZ und SamoZ zu den Athenern über. ) [*]( 2)Tenedos, 80 Stadien im Umfang, mit der gleichnamigen äolischen Stadt, hielt treu zu Athen und war mit jährlichen 3 426 Drachmen besteuert (die Dr. — 5 Ggr. 6 Pf.). ) [*]( 3) Blutsverwandt waren nur die Böotier als Aeoler; siehe Anm. l.- Die Lakedämonier waren Dotter. ) [*]( 4) Neben dem Feste der Mesostrophonien, dessen Bedeutung unklar ist, ) [*]( 13*)

178
[*]( 428 v. Chr. ) der Stadt feierlich zu begehen pflegten, - und wenn die Fahrt beschleunigt würde, so könne man sie vielleicht unvermuthet übersallen. Der Versuch könne wohl gelingen. Gelänge er aber nicht, so solle an die Mytilenäer die Aufforderung ergehen, ihre Schiffe auszuliefern und die Mauern niederzureißen, und wollten sie sich darein nicht fügen, so solle der Krieg beginnen. Diese Schiffe beeilten nun ihre Fahrt. Die zehn Dreiruderer der Mytilenäer aber, welche dem Bundesvertrag gemäß als Hülfsgeschwader bei ihnen lagen, hielten die Athener zurück und brachten die Bemannung in festen Gewahrsam. Den Mytilenäern aber that ein MannH der von Athen nach Euböa übersetzte, dort zu Lande bis nach Geraistos ging, von hier mit einem glücklicher Weise angetroffenen Frachtschiff absegelte und so in drei Tagen von Athen nach Mytilene kam, Meldung von der ansegelnden Flotte. Diese nun unterließen den Auszug nach Maloeis und hielten im Uebrigen gut Wache, nachdem sie um die unvollendeten Theile der Häfen und der Mauern Verfperrungen angelegt hatten.