History of the Peloponnesian War

Thucydides

Thucydides. Geschichte des Peloponnesischen Kriegs. Wahrmund, Adolf, translator. Stuttgart: Krais and Hoffmann, 1864.

Diese Makedonier nun waren nicht im Stande, sich der heranrückenden großen Heeresmacht entgegenzustellen, und zogen sich deshalb in die Burgen und festen Plätze zurück, so viele deren im Lande waren. Ihre Zahl war aber nicht gar groß, sondern erst später hat Archelaos, des Perdikkas Sohn, nachdem er König geworden, die jetzigen Festungen im Lande gebaut, grade Straßen angelegt und die sonstigen, das Kriegswesen fördernden Maßregeln getroffen, wie er denn in Verbesserung der Reiterei, der Bewaffnung

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und der Ausrüstung überhaupt mehr gethan hat als alle acht Könige [*]( 429 v. Chr. ) vor ihm. — Das Heer der Thraker nun fiel aus Doberos zuerst in die Landschaften ein, welche früher die Herrschaft des Philippos gebildet hatten, und nahmen Eidomene mit Gewalt; Gortynia aber und Atalante und einige andere Plätze ergaben sich aus Zuneigung zu dem mitziehenden Amyntas, dem Sohne des Philippos, durch gütlichen Vergleich. Europos belagerten sie, konnten es aber nicht nehmen. Darauf drangen sie weiter in das übrige Makedonien vor, welches links von Pella und Kyrrhos sich erstreckt; diesseits dieser Plätze aber, nach Bottiäa und Pieria kamen sie nicht, sondern verheerten nur Mygdonia, Grestonia und Anthemus. Die Makedonier konnten gar nicht daran denken, ihnen Fußvolk entgegenzustellen, sondern nahmen Reiter von ihren binnenländischen Bundesgenossen, die bei guter Gelegenheit in geringer Zahl in den großen Heerhaufen der Thraker einbrachen, und wo sie anstürmten, konnte den tapferen Panzerreitern Nichts widerstehen; da sie aber umringt werden konnten, so geriethen sie dem vielfach überlegenen Haufen gegenüber oft in große Gefahr, so daß sie endlich Ruhe gaben, weil sie sich nicht stark genug glaubten, den Kampf mit der Mehrzahl zu wagen.

Sitalkes knüpfte nun mit Perdikkas Unterhandlungen an wegen der Dinge, die ihn zum Kriege veranlaßt hatten, und da die Athener mit der Flotte nicht ershcienen waren, weil sie nicht geglaubt hatten, daß er mit dem Heere kommen werde, sondern nur Gesandte mit Geschenken an ihn schickten, so entsandte er einen Theil seines Heeres gegen die Chalkidier und Bottiäer, trieb sie hinter ihre Mauern und verwüstete das Land. Während er nun in diesen Gegenden stand, so fürchteten die nördlichen Thessaler, die Magneter und die andern thessalischen Unterthanen und die Hellenen bis zu den Thermopylen hin, der Zug möge vielleicht auch ihnen gelten, und hielten sich deshalb gerüstet auf ihrer Hut. Es fürchteten sich aber auch die Thraker jenseits des Strymon, welche die gegen Norden sich dehnende Ebene bewohnen, Panäer und Odomunter, Droer und Dersäer; denn diese alle sind noch unabhängig. Auch bei den den Athenern feindlich gesinnten Hellenen erregte er die Besorgniß, ob er nicht, von jenen bewogen, gemäß des Bundes- vertrages gegen sie heranziehen werde. Er aber hielt unterdessen das

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[*](429 v. Chr ) Chalkidische und Bottische Gebiet und Makedonien besetzt und verheerte das Land, und da er Nichts von dem durchzusetzen vermochte, weshalb er den Krieg unternommen, auch sein Heer keine Nahrungsmittel mehr sand und überdies von der Kälte litt, so ließ er sich von seines Bruders Spardakos Sohn, dem Seuthes, der nach ihm der machtigste Mann war, überreden schleunig abzuziehen. Den Seuthes hatte aber heimlich Perdikkas gewonnen, indem er ihm seine Schwester mit großer Mitgift zu geben versprach. Jener also ließ sich überreden und zog, nachdem er dreißig Tage im Lande gestanden, wovon acht bei den Chalkidiern, mit dem Heere schleunig nach Haus zurück. Perdikkas aber gab später seine Schwester Stratonika wirklich dem Seuthes, wie er versprochen hatte. — Diesen Verlauf hatte der Feldzug des Sitalkes genommen.

Die Athener in Naupaktos aber unternahmen, nachdem die Flotte der Peloponnesier sich aufgelöst hatte, im Laufe des Winters unter Anführung des Phormio zur See einen Zug nach Astakos, landeten, drangen mit vierhundert athenischen Schwerbewaffneten von den Schiffen und vierhundert Mesfeniern in das Innere des Landes, trieben in Stratos, Koronta und den andern Plätzen diejenigen Bürger aus, denen sie nicht trauen zu dürfen glaubten, und kehrten dann, nachdem sie den Kynes, des Theolytos Sohn, nach Koronta zurückgeführt hatten, wieder auf ihre Schiffe zurück. Gegen Oiniadä nämlich, welches allein unter allen Akarnanern ihnen immer feindselig gewesen war, schien ein Zug des vorgerückten Winters wegen nicht mehr thunlich. Denn der Acheloos-Fluß, der vom Pindos herab durch Dolopia, das Gebiet der Agräer und Amphilocher und die Akarnanische Ebene fließt, dann seinen Lauf an der Stadt Stratos vorüber nimmt und bei Oiniadä sich in's Meer ergießt, indem er rings um die Stadt Seen bildet, macht des Wassers wegen einen Winterfeldzug schwierig. Es liegen auch von den Echinadischen Inseln die meisten Oiniadä grade gegenüber, dicht vor den Mündungen des Acheloos, so daß der Fluß, wenn das Wasser groß ist, fort und fort Land anschwemmt, und einige dieser Inseln sind bereits zum Festlande geworden, und wahrscheinlich wird es in nicht langer Zeit allen übrigen ebenso gehen. Denn die Strömung ist mächtig, wasserreich und schlammig, die Inseln

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[*]( 429 v. Chr. ) aber liegen dicht bei einander und halten zusammen das angeschwemmte Erdreich auf, so daß es sich nicht zerstreuen kann, weil sie quer vor dem Flusse und nicht in einer Linie mit demselben liegen und dem Wasser keinen graden Weg in's Meer lassen. Sie sind aber unbewohnt und von geringem Umfange. Es wird auch erzählt, daß Apollo dem Alkmäon, dem Sohne des Amphiaraos, als er nach dem Morde seiner Mutter umherirrte, durch einen Orakelspruch befohlen habe, dieses Land zu bewohnen; denn, sagte er, keine Heilung seiner Gewissensqual gäbe es, bevor er sich nicht ein Land zur Wohnung gefunden, welches noch nicht von der Sonne beschienen worden und noch nicht Land gewesen sei, als er die Mutter tödtete; alle übrige Erde sei durch ihn verunreinigt. Er aber in seiner Drangsal, erzählen sie, fand nur mit Mühe diese Anschwemmung des Acheloos, und es schien ihm, seitdem er nach dem Morde der Mutter so lange umhergeirrt, genug Land angewahcsen zu sein, um als einzelner Mann darauf wohnen zu können. So siedelte er sich denn an und gewann die Herrschaft über die Gegend um Oiniadä und hinterließ von seinem Sohne Akarnan dem Lande die Benennung. So wird uns die Sage vom Alkmäon überliefert.

Die Athener unter Phormio aber kehrten von Akarnauien nach Naupaktos zurück und fuhren dann mit Frühlingsanfang nach Athen, mitführend die Freigeborenen, die sie in den Seeschlachten zu Gefangenen gemacht, und die nun Mann gegen Mann ausgewechselt wurden, und mit den Schiffen, die sie genommen hatten. So hatte dieser Winter geendet, und mit ihm war auch das dritte Jahr dieses Krieges zu Ende gegangen, den Thukydides beschrieben hat.

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Druck von C. Hoffmann in Stuttgart.

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