History of the Peloponnesian War

Thucydides

Thucydides. Geschichte des Peloponnesischen Kriegs. Wahrmund, Adolf, translator. Stuttgart: Krais and Hoffmann, 1864.

Als nun Pausanias sich zu ihm begab und um den Grund fragte,-weßhalb er sich als Hilseflehender gebehrde, so vernahmen sie Alles aus's Klärlichste, da ihm der Mensch sowohl das seinetwegen Geschriebene vorhielt und auch die andern Punkte einzeln zur Sprache brachte, wie er ihm ja doch in den Geschäften mit dem Perserkönig niemals fahrlässig gedient habe, und nun trotzdem den Ehrenlohn haben solle, sich wie so viele andere seiner Diener tödten zu lassen, woraus jener zugestehend antwortete und ihn bat, doch jetzt seinen Groll fahren zu lassen, und ihm Sicherheit verbürgte, wenn er sich aus dem Tempel entferne, und in ihn drang, doch so schnell als möglich abzureisen, damit die Unterhandlungen nicht in's Stocken geriethen 2").

Als die Ephoren dies Alles deutlich gehört hatten, entfernten sie sich, um ihn in der Stadt verhaften zu lassen; denn sie hatten jetzt eine sichere Ueberzeugung gewonnen. Da er nun auf der Straße ergriffen werden sollte, so merkte er, wie erzählt wird, an der Miene eines Ephoren, der auf ihn zuging, was dieser im Schilde [*]( 211)Die stanze Episode von Kap. 126 an wurde ihrer Klarheit wegen von jeher bewundert Die alten Nhetoren äußerten hier über TliukydideS Αέων έγέλασεν ένταυσα, ,,Hier hat der Löwe einmal gelacht." — Die ganze Episode könnte wohl von Thnkyd schon früher niedergeschrieben gewesen sein. ' )

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führe, und da auch ein Anderer ihm aus Freundschaft versteckter Weise einen Wink gab, so lief er schnell zum Tempel der Athene Chalkioikos und erreichte denselben noch rechtzeitig, denn dieser heilige Grund befand sich ganz in der Nähe. Dort trat er, um nicht dem Wetter ausgesetzt zu sein, in ein kleines Gebäude, welches zum Tempel gehörte, und verhielt sich daselbst ruhig. Jene kamen zu spät, um ihn noch ergreifen zu können, und ließen das Dach und die Thüren wegnehmen und hielten ihn scharf bewacht. Als sie abgepaßt hatten, daß er in's Innere des Tempels getreten war, ließen sie ihn einmauern und hielten ihn umlagert, bis er ausgehungert war, und als er in dem Gebäude eben den Geist aufgeben wollte, bemerkten sie es und brachten ihn noch lebend heraus, kaum außen aber verschied er aus der Stelle. Sie wollten ihn zuerst in die Käadische Schlucht werfen, wie die andern Verbrecher, dann aber besannen sie sich anders und gruben ihn in der Nähe ein. Später jedoch befahl den Spartanern der delphische Gott, sein Grab an die Stelle zu versetzen, wo er gestorben sei, — und noch jetzt ruht er in dem Tempelhof, wie eine Schrift auf den Säulen anzeigt, — und da sie durch ihr Verfahren einen Frevel begangen hätten, so sollten sie der Chalkioikos statt eines Körpers zwei andere zur Sühne darbringen. Die Lakedämonier ließen nun zwei eherne Bildsäulen verfertigen und stellten sie gleichsam anstatt des Paufanias als Weihgeschenke auf.

Die Athener also verlangten ihrer Seits, daß die Lake-dämonier diesen Frevel tilgen sollten, als welchen ja auch der Gott selbst ihn erkannt habe. — Die Lakedämonier aber schickten Gesandte an die Athener und erhoben auch gegen den Themistokles die Anklage wegen Perserfreundschaft, denn die Untersuchung gegen den Pausanias habe dieselbe dargethan, und verlangten, er solle die Strafe erleiden. Die Athener ließen sich bereden, und da Themistokles, bereits durch das Scherbengericht verbannt? IV, damals in Argos wohnte, aber auch im Peloponnes umherreiste, so schickten sie mit den zur Verfolgung gleichfalls bereiten Lakedämoniern einige Leute aus, mit dem Befehl, ihn zu ergreifen, wo immer sie ihn träfen. [*]( 212) Der Tod des Pausn», fällt in Ol. 76,^ — 473 v. Chr.; Themi« stokle« war verbannt worden. Oh 76,l — 4 76 v. Chr. Krüger, Sind. S. 46, AS. )

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Themistokles erhielt jedoch zu rechter Zeit Wind und floh aus dem Peloponnes nach Kerkyra, da er sich dessen Einwohner verpflichtet hatte ^ Weg. Weil aber die Kerkyräer sich fürchteten, ihn bei sich zn behalten, da sie sich dadurch, wie sie sagten, die Lakedämonier und Athener zu Feinden machen würden, so ließ er sich von ihnen . nach dem gegenüberliegenden Festland bringen. Da ihm aber die zur Verfolgung Ausgesandten auf der Ferse blieben, — denn sie hatten erfahren, wohin er gehe, — so zwingt ihn die Noth, beim Molosserkönig Admet, der nicht sein Freund war, einzukehren. Dieser selbst war nicht zu Hause, und Themistokles tritt als Hilfeflehender vor sein Weib, und diese weist ihn an, daß er ihrer beider Knäblein nehme und sich auf den Herd setze. Als nun nicht lange darauf Admet nach Haus kommt, gibt er zu erkennen,-wer er ist, und bittet, wenn er ihm auch einmal bei den Athenern in einer Rede entgegengetreten sei, so möge er das am Flüchtlinge nicht rächen; denn jetzt könne auch ein viel Schwächerer, als der König sei, ihm Schlimmes zufügen; edel aber sei es nur, vom Gleichen in gleicher Lage Sühnung zu fordern; auch habe er nur in einer unbedeutenderen Angelegenheit gegen jenen gesprochen und nicht in einer Sache, wo es sich um das Leben handelte; wenn er ihn aber jetzt ausliefere, so nehme er ihm alle Hoffnung auf Rettung; und zugleich erzählt er, weßhalb er verfolgt werde.

Da heißt ihn Admet mit seinem Söhnlein aufstehen, — so wie er sich mit dem Kind im Arme niedergesetzt hatte, denn das war die kräftigste Art der Schutzbitte, — und wie nicht lange darauf die Lakedämonier und Athener ankommen und viel Redens machen, gibt er ihnen den Themistokles nicht heraus, sondern läßt ihn, weil er zum König reisen wollte, auf dem Landwege nach dem jenseitigen [*]( 212*)Die Flucht faut Ol. 76,4, 473 v. Chr. Krnger, Sind. I, S. 51. Themistokles hatte davon abgerathen, die Kerkyräer und Andere, welche sich am Kampfe gegen die Perser nicht hatten bctheiligen wollen, zu bestrafen, Herab. 7, lK8; nach Blut. Thennst. 24 aber, weil er als Nichter einen Streit, den sie mit Korinth hatten, zn ihrem Vortheil entschied. Dem »achgenannte» König Admet hingegen hatte er sich hinderlich erwiesen, indem er den Athenern ein von demselben angetragenes Bündnis inißrieth. )

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Meer bis nach Pydna, der Stadt Alexanders 2'3), geleiten. Dort traf er ein Lastschiff, welches gen Jonien segeln wollte, und da er es bestiegen hatte, wurde er durch einen Sturm mitten unter die athenische Flotte vershclagen, welche Naxos belagerte, und aus Besorgniß theilte er dem Schiffsherrn mit, wer er sei, — denn er war den Leuten im Schiff unbekannt, — und weßhalb er flüchtig gehe; wenn er ihn nicht retten wolle, so werde er angeben, daß er durch Geld bestochen ihn aufgenommen habe; seine Sicherheit liege darin, daß Keiner das Schiff verlasse, bis es weitersegele; wenn er ihm zu Willen sei, so wolle er es mit angemessenem Dank vergelten. Der Schiffsherr that nach seinem Willen, und nachdem er sich einen Tag und eine Nacht hindurch auf offenem Meer von der Flotte entfernt gehalten hatte, gelangte er später nach Ephesos. Themistokles lohnte ihm mit einem Geschenk an Geld, — denn von den Freunden zu Athen und aus Argos kam an, was er dort hinterlegt hatte, — und nachdem er dann in Gesellschaft eines Persers von der Seeküste auswärts in's Innere gereist war 2"), schickte er einen Brief an den König Artaxerxes, des Xerxes Sohn, der kurz vorher den Thron bestiegen hatte. Das Schreiben lautete: ,Ich Themistokles komme zu dir, der ich von allen Hellenen eurem Hause am meisten Böses angethan habe, so lange dein Vater uns bedrängte und mich zur Abwehr zwang, noch viel mehr Gutes aber, als ich in Sicherheit war und jener unter großer Fahrniß die Heimkehr beschickte. Und man ist mir Dank sür eine Wohlthat schuldig, — hier erwähnte er seine Meldung von Salamis aus wegen des Rückzugs / und wie der Abbruch der Brücke, den er fälschlich ersonnen hatte, damals durch ihn hintertrieben worden sei,— und da ich auch jetzt noch dir viel Gutes zu erweisen vermag, so bin ich zu dir gekommen, verfolgt von den Hellenen wegen meiner Freundschaft sür dich. Wenn ich aber ein Jahr hier verweilt haben werde, so will ich dir selbst eröffnen, weßhalb ich gekommen bin."

Der König nun, wie erzählt wird, bewunderte seine Klug- [*]( 213) Alexanders von Makedonien, vgl. Anm. 97. Das jenseitige Meer ist' daS Aestäische. ) [*]( 214) In Gesellschaft des sein theides, der sein und des Xerres Gastfreund war. Ausführlich erzählt bei Diodor XI, 56. )

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hcit und hieß ihn so thun, wie er geschrieben habe. Jener aber lernte in der Frist, die ihm zugestanden war, so gut er konnte, die Sprache und die Sitten des Landes, und nach Verlauf des Jahres stellte er sich dem König dar und gelangte bei ihm zu sehr großen Ehren, wie vordem nie ein Hellene, sowohl wegen des großen Ruhms, den er erworben hatte, als auch, weil er ihm Hoffnung auf Unterwerfung der Griechenvölker machte, vornehmlih caber, weil er sich ihm deutlich als ein kluger Mann erwies. Denn in Themistokles offenbarte sich eine außerordentliche Kraft des Geistes, und er ist darum mehr als ein Anderer der Bewunderung würdig. Durch den angebornen Verstand nämlich, denn er hatte weder vorher etwas gelernt, noch später durch, Lernen etwas nachgeholt, fand er für den Augenblick nach sehr kurzer Ueberlegung den besten Rath, und auch in zukünftigen Dingen war, er aus lang hinaus der beste Vorausseher dessen, was eintreffen sollte;, und was er vorhatte, das wußte er auch durch die Rede trefflich darzustellen, und auch Unersahrenheit in einem Ding hinderte ihn nicht, geschickt zu urtheilen, und was besser oder schlechter sei, sah er meist schon voraus, wann der Ausgang noch im Dunkeln lag; kurz, er ver-, mochte durch angeborne Geistesschärfe und mit rascher Ueberlegung das, was Noth that, am sichersten herauszufinden. Er starb an einer Krank-heit; doch sind auch solche, welche erzählen, daß er Gift genommen habe, weil er es für unmöglich erkannte, dem König sein Versprechen zu erfüllen. Sein Grabmal steht zn Magnesia in Asien auf dem, Markte; denn über jene Gegend war er Statthalter, da der König ihm zum Brote Magnesia gegeben hatte, welche Stadt jährlich fünfzig Talente einbrachte, zum Wein Lampsakos, denn diese Gegend galt damals für sehr weinreich, und zur Zuspeise Myus^). Die Angehörigen erzählen, daß seine Gebeine auf seine Anordnung nach der Heimath gebracht und in Attischer Erde beigesetzt worden, doch ohne. Wissen der Athener; denn als ein wegen Verrathes Flüchtiger durste er nicht begraben werden. — Mit Pausanias, dem Lakedämonier, und [*]( 215)So waren die Einkünfte von einer Aegyptischen Stadt für die Schuhe der Königin von Persien bestimmt, andere für ihren Schleier, wieder andere für ihren Gürtel. Bier Ortschaften' in der Nähe von Babylon dienten zur Unterhaltung der Hunde des Satrapen u. f. w. Ueber de» Tod des Themist. vgl. Blut. Them. u. Diod. 1 I, 58.)
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dem Athener Themistokles, welche unter den Hellenen ihrer Zeit zum höchsten Glanz emporgestiegen waren, hatte es also dies Ende genommen.

ES ist erzählt worden, welche Forderungen die Lakedämonier bei ihrer ersten Gesandtschaft wegen der Fluchbeladenen Verbannung gestellt hatten, und was dagegen von ihnen war gefordert worden. Indem sie jedoch später noch einige Mal Gesandte schickten, verlangten sie von den Athenern, sie sollten von Potidäa abstehen und Aegina freigeben und endlich erklärten sie ganz bestimmt und deutlich, der Krieg könne von den Athenern abgewendet werden, wenn sie den Beschluß wegen Megara's zurücknähmen, in welchem gesagt war, daß die Megarer weder in den Häfen des Athenischen Gebietes, noch auch auf dem Attischen Markte zugelassen werden dürsten. Die Athener nun gaben weder im Uebrigen nach, noch auch nahmet sie diesen Beschluß zurück, sondern führten vielmehr Beschwerde über die Megarer, daß sie heiliges Feld und nicht abgegrenztes Land angebaut hätten^und ihren entlaufenen Sklaven Unterstand gewährten. Als aber als letzte Gesandte von Lakedämon Rhamphios, Melenppos und Agesander ankamen und von dem, was man früher von ihnen zu hören gewohnt war, Nichts mehr erwähnten, sondern nur dies: „Die Lakedämonier wollen, daß der Friede bestehe, und das könnte geschehen, wenn ihr den Hellenen die Unabhängigkeit lasset," so hielten die Athener eine Volksversammlung, und nachdem sie die unter ihnen vorhandenen Meinungen angehört hatten, beschlossen sie die ganze Angelegenheit ein für alle Mal zu berathen und eine endgiltige Antwort zu ertheilen. Es traten nun Viele auf, um zu reden, und es zeigten sich die Ansichten vershcieden, sowohl dafür, daß man Krieg führen müsse, als auch dafür, daß jener Beschluß dem Frieden nicht im Wege bleiben, sondern zurückgenommen werden solle. Da trat auch Perikles auf, deS Xanthippos Sohn, damals der Vor­ [*]( 216) Das heilige Gebiet zwischen Attika und Megara, welches die Athener den Elcustnischen Göttinnen geweiht hatten- Hievon verschieden ist daS „nicht abgegränzte Land", das keinen Besitzer hatte, also auch nicht bebaut werden durste. — linter den entlaufenen Sklaven werden Sklaven der Aspasia genannt; vgl. die letzte Anm. des l. B. )

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züglichste unter den Athenern, in Wort und That der Erste, und spornte sie an, also redend: