History of the Peloponnesian War

Thucydides

Thucydides. Geschichte des Peloponnesischen Kriegs. Wahrmund, Adolf, translator. Stuttgart: Krais and Hoffmann, 1864.

„Jetzt, ihr Bundesgenossen, dürften wir die Lakedämonier nicht mehr beschuldigen, daß sie den Krieg nicht beschlossen hätten, da sie uns eben in dieser Absicht jetzt versammelt haben. Und in der That geziemt es sich auch denen, welche die Oberleitung haben, ihren eigenen Angelegenheiten nur nach der rechtlichen Gleichheit Rechnung zu tragen, die gemeinsamen aber vor Allem in's Auge zu fassen, da sie ja auch in andern Stücken vor Allen die Ehre voraus haben. WaS aber nnS betrifft, so darf man diejenigen, welche mit den Athenern schon verkehrt haben, nickt erst aufmerksam machen, daß sie vor jenen auf ihrer Hut sein müssen; die aber nicht an einem Seehafen, sondern tiefer im Lande wohnen, müssen wissen, daß ihnen die Ausfuhr der Landesfrüchte ind der Eintausch der Dinge, welche das feste Land vom Meere empfängt, sehr erschwert werden wird, wenn sie jetzt den Seeanwohnern nicht beistehen. Sie sollen sich darum nicht als schlechte Beurtheilcr zeigen und sagen, daß sie das Nichts angehe, was wir hier vorbringen. Sie mögen sich nur gefaßt machen, daß das liebe! auch bis an sie heranbringen wird, wenn sie jetzt daS Küstenland im Stich lassen, und sollen überzeugt sein, daß sich die Berathung auch um ihr eignes Wohl dreht. Darum dürfen sie auch nicht zaudern, den Frieden mit dem Krieg zu vertauschen. Denn vernünftige Männer verhalten sich zwar ruhig, so lange sie nicht beleidigt werden, tapfere Männer aber stehen nicht an, den Krieg dem Frieden vorzuziehen, wenn ihr Recht gekränkt worden ist; wenn eS sich ihnen dann wohl schickt, gehen sie vom Krieg wieder zum Frieden über, und überheben sich weder des Glücks im Kriegs, noch erkaufen sie vergnügliche Ruhe deS Friedens durch Erduldung von Unrecht. Denn wer solches Genusses halber zaudert, der möchte wohl, wenn er in Gemächlichkeit verharrt, sehr bald um die Freude an der bequemen Ruhe betrogen werden, die ihn zum Zaudern verleitet. Wer sich aber im Kriege seines Glückes überhebt, der bedenkt nicht, wie trüglich die Zuversicht ist, auf die fein Uebermuth sich gründet. Denn eS ist schon mancher schlechte Plan gelungen, nur weil die Feinde zufällig noch übeler berathen waren, und noch weit öfter geschiehteS, daßdieanfhceinendvernünstigstenEntwürfe auf schimpfliche Weise in's Gegentheil umschlagen. Denn Niemand geht mit derselben Sicherheit an die That, mit welcher der Rath kommt, sondern Zuversicht henschtbeim Nath,ZagheitundHalbheitbeidcrThat."

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„Wir aber beginnen den Krieg, weil wir an unsern siechten gekränkt sind und erhebliche Beschwerden haben, ind wenn erst die Athener von uns bestraft und zurückgewiesen sind, weiden wir schon rechtzeitig Frieden machen. Daß aber der Sieg uns znsallen muß, ist aus vielen Gründen wahrscheinlich; denn für's Erste sind wir ihnen an Zahl und KrkgSerfahrung überlegen, und dann sind wir Alle gleicher Weise bereit, den Befehlen zu gehorchen lind auch eine Flotte, worin die Stärke jener liegt, werden wir nnS leicht verschaffen, theils aus den Mitteln, welche den Einzelnen unter uns zur Verfügung stehen, theils ans den Schätzen von Delphi nnd Olympia. Denn vermittelst einer Anleihe werden wir im Stande sein, ihnen durch höhere Löhnung ihr fremdes Seevolk abwendig zu machen, da ja die Athenische Macht mehr aus Söldneru, als ans Einheimischen besteht. Der unsrigen hingegen könnte dies nicht so leicht widerfahren, da sie mehr auf unseren eigenen Leuten, als auf Geldmitteln beruht. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird Eine Seeschlacht genügen, sie zu Grunde zu richten. Sollten sie aber doch länger Stand halten, . nun, so werden wir uns auch um so längere Zeit im Seewesen üben, und wenn wir es ihnen hierin erst einmal in Geschicklichkeit gleich gethan haben, so werden wir ihnen durch unsern Muth ganz gewiß obsiegen. Denn einen Vorzug, der uns angeboren ist, dürsten sich jene wohl nicht anlernen können; was sie aber an Geschicklichkeit voraus haben, müssen wir durch Uebung zu erwerben trachten. Die nöthigen Geldmittel werden wir schon herbeischaffen, oder es wäre doch fürwahr sehr schlimm, wenn die Athenischen Bundesgenossen, die zur Befestigung ihrer eigenen Knechtschaft beisteuern, nicht im Rückstand bleiben, und wir unser Geld schonen wollten, wo es sich um Bestrafung unserer Feinde und um unsere eigne Rettung handelt, und wo es darauf ankommt, uns eben dieser Geldmittel nicht berauben zu lassen, damit man uns mit unserem eigenen Gut nicht wehe thue".

..ES bleiben uns aber auch noch andere Wege der Krieg­ [*]( 195) Bezieht sich ans die den Doriern eigenthümliche (militärische) Subordination. Kr. ) [*]( 196) ES scheint also Delphi bereits den Phvkiern nicht mehr »uterwursig gewesen zu sein (Pvppv). Vgl. I, l>2 und Am». I7S ans Ende. )

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sührung: Aufforderung der Bundesgenossen zum Abfall, weil dadurch gerade ihre Einkünfte geschmälert werden, in denen ihre Kraft besteht; dann Anlegung von Befestigungen gegen das feindliche Gebiet hin, und noch manches Andere, was man jetzt nicht voraussehen kann. Denn der Krieg verläuft nicht nach abgeredeten Plänen, sondern gestaltet sich meist aus sich selbst heraus nach den zufälligen Umständen, und wer sich mit ruhiger Klugheit diesen anzupassen bemüht ist, der ist im Vortheil; wer aber hitzig drein geht, der thut in demselben Maße sich selbst weh ^5). Aber noch eins müssen wir beherzigen. Wenn einer oder der andere von uns mit einem gleichstarken Gegner Gränzstreitigkeiten auszusechten hätte, so ginge das an; nun aber sind die Athener so stark wie wir alle mit einander, und jedem einzelnen Staat weit überlegen. Wenn wir also nicht in unserem Bunde, und ebenso in jeder einzelnen Völkerschaft und jeder einzelnen Stadt ganz einmüthig zur Abwehr entschlossen sind, sondern Zwiespalt unter uns herrschen lassen, so werden sie unser ohne alle Mühe Meister werden, und man muß wissen, — mag es Einem auch schrecklich zu hören sein, — daß die Niederlage nichts Anderes bringt, als gradezu die- Knechtschaft. Unter diesen Umständen noch unschlüssig zu reden, ist eine Schande für den Peloponnes, und eine Schande wäre es, wenn so viele Staaten von einem einzigen sich mißhandeln ließen. Man müßte entweder denken, daß solches als gerechte Straft über uns verhängt sei, oder daß wir es aus Feigheit duldeten, und dann würden wir entartet scheinen gegen unsere Väter, welche Hellas die Freiheit wieder gegeben haben, da wir diese nicht einmal für uns selbst zu erhalten vermögen und die Zwingherrschaft einer einzelnen Stadt sich befestigen lassen, während wir doch darauf ausgehen, die Gewaltherrscher in den einzelnen Städten zu stürzen. Und wir sehen nicht, wie sich ein solches Betragen von den drei unglücklichsten Fehlern freisprechen läßt, dem Unverstande, der Schwäche und dem Leichtsinn. Diese Vorwürfe habt ihr nicht zu vermeiden gewußt und seid eben deßhalb zu dem gelangt, was schon so Viele in Schaden gebracht hat, zu der eingebildeten Ueberklugheit, deren Namen man in's Gegentheil, [*]( Angedeutet wird, daß die Besonnenhest der Pelvvoniiesier gegenüber der Leidenschaftlichkeit der Athener manche Begünstigungen gewähren werde. (Kr.) ) [*]( ThukydideS I. ) [*]( 8 )
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in Unklugheit, verkehrt hat, weil schon Mancher durch sie zu Fall gekommen ist."

„Doch was nützt es, bei der Vergangenheit länger mit Tadel zu verweilen, als es den Zweck der Gegenwart fördert? In Betreff der Zukunft jedoch müssen wir uns jeder Mühe unterziehen, um unseren Verhältnissen aufzuhelfen, denn von euren Vätern her wißt ihr, daß aus Mühsal die Tugend geboren wird. Und an der . Art sollt ihr Nichts ändern, wenn ihr auch jetzt an Reichthum und Macht etwas höher stehet; denn es wäre nicht gar geschickt, was in Armuth erworben worden ist, im Ueberfluß zu verlieren. Vielmehr dürst ihr aus vielen Gründen mit Zuversicht des Siegs zum Kriege schreiten, da ja auch der Gott den Aussvruch gethan und bei euch zu stehen versprochen hat, und auch das gesammte übrige Hellas, sei eS. nun aus Furcht, oder sei es des Vortheils wegen, aus eurer Seite kämpfen wird. Auch werdet ihr nicht die sein, die den Vertrag zunächst brechen, da ja auch der Gott, indem er euch den Krieg befiehlt, ihn schon für gebrochen erklärt; vielmehr werdet ihr die Verletzung, der Verträge zu bestrafen scheinen; denn nicht die brechen den Frieden, welche sich zur Wehr setzen, sondern die, welche zuerst angreifen." .

„Da euch also alle Umstände einen glücklichen Krieg verheißen, und wir gemeinschaftlich euch dazu ermuntern, weil ohne allen Zweifel sowohl für die Staaten, als für die Einzelnen das Heil hierauf beruht, so steht nicht länger an, den Potidäern zu Hilfe zu eilen, — sie sind Dorier und'werden von Jonern belagert, während früher das Gegentheil vorzukommen pflegte, — und sichert auch den Andern ihre Freiheit! Denn es ist schon nicht mehr an der Zeit, noch länger zuzusehen, während die Einen schon Bedrängniß leiden und den Andern gewiß dasselbe angethan wird, sobald nur bekannt ist, daß wir zwar hier zusammengekommen sind, aber nicht den Muth hatten, zu den Waffen zu greifen. Ueberlegt also, ihr Männer und Bundesgenossen, daß die Zeit der höchsten Noth schon gekommen und daß dieser Rath der beste ist, und beschließt den Krieg. Fürchtet nickt die Gefahr des nächsten Augenblicks, sondern habt den bleibenden [*]( 196) Die Korinther nämlich. )

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Frieden im Auge, den der Krieg uns bringen wird. Denn aus dem Krieg gewinnt der Frieden neue Stärke; aus Liebe zur Ruhe aber nicht kriegen wollen, hat mehr Gefahr. Zweifelt nicht daran, daß der Staat, der sich zum Zwingherrn in Hellas aufgeworfen hat, nicht Alle gleicherweise zu knechten gedenke. Wenn er die Einen bereits beherrscht, so sinnt er daraus, den Andern dasselbe Schicksal zu bereiten. So laßt uns also den Feind angreifen und demüthigen, damit wir selbst fernerhin in Frieden wohnen mögen und den schon geknechteten Hellenen die Freiheit wieder schaffen."

So sprachen die Korinther. Die Lakedämonier aber, nachdem sie Aller Meinung angehört hatten, forderten allen Bundesgenossen, so viele ihrer da waren, gleichviel ob aus größeren oder kleinen Staaten, der Reihe nach ihre Stimme ab, und es fand sich, daß die Mehrzahl für den Krieg stimmte. Den Beschluß allsogleich auszuführen war aber unmöglich, da es an der Vorbereitung fehlte; doch beschlossen sie, daß jeder Staat das Erforderliche ausbringen und Niemand sich säumig zeigen solle, und so verfloß unter den nöthigen Zurüstungen in der That kein volles Jahr, bis si§ in Attika einfielen und den Krieg offen begannen.

Inzwischen ließen die Lakedämonier durch ihre Gesandten bei den Athenern Beschwerde erheben, damit ihre Kriegserklärung um so begründeter ershceinen möge, wenn sie kein Gehör erlangten. Zuerst nun verlangten die Lakedämonier durch ihre Abgeordneten, daß die Athener den Frevel gegen ihre eigene Göttin sühnen sollten. Mit diesem Frevel verhielt es sich aber so. Es war in früherer Zeit ein athenischer Bürger, Namens Kylon, Olympiasieger, von edlem Ge-. schlecht und einflußreich, und Schwiegersohn des Megarensers Theagenes '97), welcher zu jener Zeit die Zwingherrschaft über Megara besaß. Aus dieses Kylon Anfrage in Delphi antwortete ihm der Gott, [*]( 197) TheageneS in Megara hatte sich als Befehlshaber eine bewaffnete Leibwache zu verschaffen gewußt, mit deren Hilfe er den Haß des Volkes gegen die Adeliche» nnd Reichen zum Sturz der Aristokratie beru tre, worauf er selbst die Tyrannis übernahm. Armut. Bellt. V, 4. S. Thuk. I. An. so. S. 2». Sein Schwiegersohn Kylon, von Geburt dem Adel angehörig und nicht ohne Beliebtheit beim Volk, versuchte nnn in Athen das Gleiche. Ol. 35 hatte er im DiauloS d. i. in der Doppel-Laufbahn gesiegt. ^ ) [*]( 8* )

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er solle am größten Feste des Zeus die Burg der Athener besehen. Nun nahm er vom Theagenes Hilfstruppen, und da sich auch seine Freunde bereden ließen, besetzte er zur Zeit der Olympischen SpieleUS die Burg, nm sich zum Zwingherrn zu machen; denn er glaubte, daß diese das größte Fest des Zeus seien, und für ihn ganz besonders, da er ja auch in Olympia gesiegt habe. Ob aber das größte Fest nur in Bezug aus Attika, oder auch sonstwo gemeint war, daran hatte er nicht gedacht, und auch das Orakel hatte darüber Nichts angedeutet. Es wird aber auch zu Athen ein Fest gefeiert, die Diasia auch das größte Fest des Zeus Meilichios genannt, an welchem außerhalb der Stadt dem Gott geopfert wird, — und zwar von den Meisten nicht Opfcrthiere, sondern die landesüblichen Kuchen. Er glaubte jedoch . die rechte Auslegung getroffen zu haben, und schritt zur Ausführung seines Vorhabens. Als es aber unter den Athenern bekannt wurde, so strömten sie in Schaaren vom Lande herein, lagerten sich in der Burg und hielten jene eingeschlossen. Nach einiger Zeit aber wurden sie der Belagerung überdrüssig, und die Meisten zogen ab und gaben den neun Archonten, welche damals die Staatsgcschäste fast allein besorgten UND, Vollmacht, die Einschließung und alles Uebrige nach Gutbefinden anzuordnen. Die belagerten Anhänger des Kylon geriethen wegen Mangels an Wasser und Lebensmitteln bald in große Noth, und Kylon selbst zwar und sein Bruder entkamen, die Andern aber, d'a sie sehr Noth litten, und einige schon Hungers tsarben, setzten sich als Hilfeflehende auf den Altar s^der Athene^ in der Burg. Als nnn die Athener, denen die Einschließung aufgetragen war, die Menschen im Heiligthnm tserben sahen, hießen sie dieselben weggehen, es solle ihnen kein Leid gethan werden. Trotzdem führten sie sie weg und todteten sie. Auch Einigen, welche sich im Vorübergehen auf die Altäre [*]( 198) Ol. as, I. (Kr.) ) [*]( 199) Am ?z. des Monats Anthesterion wurde dies Fest dem Zeus Mei» lichioS, d. i. dem gnädigen, im Gegensatz gegen den zürnenden, Mal, mattes, gefeiert, wobei das gesummte Volt unblutige Opfer: Kuchen, Nauch, und Trankopfer brachte. Vgl. Schumann, Griech. Alt. N. S. 48>. ) [*]( 200) d. h. ohne erst die Volksversammlung befragen zu dürfen. Erst durch Solon wurde die Macht der Archonten beschränkt. Böckh, Staatshaush. d. sieh. II. S- es. (Kr.) )
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der ehrwürdigen Göttinnen ^Erinyen oder Eumeniden^ gesetzt hatten, nahmen sie das Leben, und daher wurden sie sammt ihren Nachkommen Schuldbeladene und Frevler an der Göttin geheißen. Zwar verfolgten die Athener diese Gräuelbelasteten, und auch der Lakedämonier Kleomenes that dies mit Hilfe der empörten Athener, indem er die Lebenden austrieb und die Gebeine der Todten ausgraben und wegwerfen ließ. Sie kehrten aber später wieder zurück, und ihre Nachkommen leben bis aus den heutigen Tag in der Stadt 20'). [*]( 20l) Nach Andern soll auch Kylon selbst erschlagen worden sein. Da das Volk theilweise demselben nicht abgeneigt gewesen, und der Frevel gegen die Götter seine Erbitterung gegen die Aristokraten noch steigerte, so sahen sich diese genöthigt, eine Commission von 3 00 Adelichen niederzusetzen, welche die Schuldige» verbannte ^ wodurch besonders das Geschlecht der Alkmaoniden betroffen wurde — und zur Entsühnung der Stadt den EpimenideS aus Kreta herbeirief. ) [*]( Am Schluß der Anm. SV'" S. 2» ist gesagt worden, daß jene erregte Zeit auch theoretische Reformatoren hervorgebracht hat. Der merkwürdigste derselben ist Pythagoras ans SamoS (geb. um 6VV, gestorben uni 5011 v. Chr.), der, nachdem er den Orient und Aegypten bereist, das achäische Kroton in Ilnteritalien zum Schauplatz seiner Wirksamkeit machte. In den Bund seiner Schüler wurde Niemand ohne strenge Prüfung und Vorbereitung aufgenommen. Seine Lehren umfaßten Alles, „was in jener Zeit alS Kenntniß der göttlichen und menschlichen Dinge oder als Philosophie gelten konnte mit vorherrschender religiöser Färbung nnd verbunden mit strengen, fast asketischen Vorschriften-" Seine Schüler gehörten dem Stande der Vornehmen und Berechtigten an »nd gingen bald darauf aus, aus ihrem Bund einen herrschenden Priesteradcl, eine Art Brahmanent hum zu machen. Grundsatz war: „Gleich den unsterblichen Götter» die Freunde, die Anderen alle „Aber als Nieten zu achten, des NenncnS nicht würdig noch ZählenS." ) [*]( ES erfolgte deßhalb eine Reaction, die den Bund vernichtete: aber „die Vertreibung der Pythagoräer aus Großgriechenland glich nur dem Flugsamen, den Winde in ferne Gegenden tragen, glich einem Blnmeustaub von Orphisch- Pythagoräischen Ideen, welcher befruchtend über Hellas hinwehte." (Klein, («esch. d. Orama'S I. S. 73). — Ein anderer theosophischer Reformator ist EpimenideS aus Kreta. Als bald nach der Ermordung der Anhänger K>>lon'S Seuchen und anderes Unglück über Attika hereinbrach, erklärte die Pythia, daß Aihen wegen der Niedermetzelung jener Schutzflehente» fluchbelastet und der Sühne bedürftig sei, ind die Athener ließen deßhalb jenen EpimenideS aus Kreta herbeiholei. Um das Jahr Kvv v. Chr. kam er als Greis nach Athen und entsühnte die Stadt durch Opfer und Errichtung von Bild-)

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Diesen Gräuel also befahlen die Lakedämonier zu tilgen, gleich als ob sie vor allen Dingen den Göttern die Ehre geben wollten; daneben wußten sie aber auch, daß Perikles, des Xanthippos Sohn, mütterlicher Seits mit jenem Geschlecht verwandt war, und dursten sicher sein, mit den Athenern leichter fertig zu werden, wenn jener ausgetrieben würde. Zwar erwarteten sie nicht sowohl, daß ihm grade dies widerfahren müsse, aber doch, daß es in der Stadt böses Blut gegen ihn machen werde, da er ja dieser schlimmen Verwandtschaft wegen auch zum Theil am Kriege Schuld sei. Denn er war zu seiner Zeit der mächtigste Mann, und da er die Staatsgeschäste lenkte, wirkte er in allen Dingen den Lakedämonier« entgegen, und ließ nicht zu, daß man ihnen nachgebe, sondern es war sein Trachten, die Athener zum Krieg zu bewegen.

Hingegen befahlen aber auch die Athener den Lakedämoniern, den Gräuel von TänaroS zu tilgen. Denn vor Zeiten hatten die Lakedämonier einmal schutzflehende Heloten aus dem Poseidon- tempel zu TänaroS weggelockt und dann getödtet, was sie selbst auch für die Ursache des großen Erdbebens hielten, welches über Sparta kam Außerdem befahlen sie ihnen auch, den Frevel gegen die ^Athene^ ChalkioikoS zn sühnen. Mit diesem verhielt es sich [*]( spulen. Wie erzählt wird, boten sich freiwillig zwei vornehmc Jünglinge, KrarinvS nnd KlesibivS, als Opfer dar. Auch errichtete EpimenideS das Heiligthuin der Eumenideu, d. h. er verwandelte seinem Berufe gemäß die schuldrächcuden Erinyen in versöhnte Göttinnen. Auch nahm er Einfluß auf die Gesetzgebung, indem er den Luxus bei Opfern untersagte, die Trauereereiiivnien beschrankte und mehrere Verfügungen traf, um die gesellshcaftliche Stellung des weiblichen Geschlechts zu heben. Bald nach seiner Rückkehr starb er. Spartaner lind Argiver gaben vor, seinen Leichnam zu besitzen. Zu Arhen setzte man ihm Bildsäule». — Unter den durch KleomeneS auSgetriebenett und später wieder zurückgekehrten Familien befand sich auch die der Alkmäoniden. welcher PerikleS durch seine Mutter Agariste, eine Urenkelin deS Alkmärm, angehörte. ) [*]( 202) l, tot. ) [*]( 202*) ChalkioikoS, d. l. erzhäusig. Die Statue der Göttin und die eigentliche Kapelle waren von Eisen oder Brente, d. h. die Wände waren mit Brvncetafel» verkleidet, wie es auch beim Schatzhaus deS AtreuS in M»ke»ä der Fall gewesen zu sein scheint, dessen steinerne Wände noch jetzt in gleichen Zwlschcuräumen mit starken, tief eiligetriebenen Brviicenägeln bedeckt sind, die )

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also: Nachdem der Lakedämonier Pausanias von den Spartanern zum ersten Mal vom Oberbefehl im Hellespont abberufen und vor Gericht der Schuld ledig gesprochen wär, so wurde er zwar nicht mehr im Staatsauftrag ausgesandt, er nahm aber auf eigene Kosten einen Hermioneischen Dreiruderer und segelte ohne Geheiß der Lakedämonier nach dem Chersonnes, wie er vorgab, um die Hellenen zu unterstützen, in der That aber, um die Vortheile des PerserkönigS wahrzunehmen, wie er auch schon das erste Mal gethan hatte; denn er strebte nach der Herrschaft über die Hellenen. Er hatte aber seine Beziehungen zum König dadurch angeknüpft, daß er sich ihm zuerst auf folgende Weise gefällig erwies. Als er nach dem Abzug von KyproS bei seiner früheren Anwesenheit Byzanz erobert hatte, welches die Perser und unter diesen auch einige Verwandte des Königs besetzt hielten, so schickte er diese letzteren, welche mitgefangen worden waren, ohne Vorwissen der übrigen Bundesgenossen an den König, indem er vorgab, sie seien entsprungen. Dies hatte er mit Hilfe des Eretriers Gongylos ausgeführt, dem Byzanz und'die Kriegsgefangenen von ihm anvertraut worden waren. Denselben Gongylos sandte er denn auch mit einem Briefe an den König, der, wie sich später fand, also lautete: »Pausanias, der Feldherr Sparta's, schickt dir diese seine Kriegsgefangenen zu, um sich dir gefällig zu erzeigen; und meine Absicht ist, wenn auch du darein willigst, deine Tochter zu heirathen und Sparta und das übrige Hellas unter deine Botmäßigkeit zu bringen. Das glaube ich im Einvernehmen mit dir wohl durchführen zu können. Wenn du nun hierin etwas Annehmbares siehst, so schicke einen treuen Mann zur Meereskütse/durch den wir uns weiter bereden mögen."

So stand in dem Brief geschrieben. Xerxes aber freute sich sehr über denselben und schickte den ArtabazoS, des Pharnakes ^Sohn, an die Meeresküste mit dem Befehl, den Megabates abzulösen und an seiner Stelle die Statthalterschaft von Daökylion sMoskille am Marmora-Meer^ zu übernehmen, und gab ihm zugleich ein Antwortshcreiben unter Vorweisung des Siegels so schleunig als möglich an den Pausanias nach Byzanz zu bestellen; und wenn ihm Pausa­ [*]( wohl nur zum Festhalten solcher Erztoseln gedient hoben können. Pausan. IN, 17,3. )

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niaS in seinen Angelegenheiten einen Auftrag gebe, so solle er ihn treulichst und auf das Beste ausrichten. Dieser Artabazos kam an, that wie ihm besohlen war und übersandte auch den Brief, der Folgendes als Antwort enthielt: „Also spricht XerxeS der König zu Pausanias. Was die Männer betrifft, welche du mir von jenseits des MeereS aus Byzanz wohlbehalten zugeschickt hast, so ist dir in unserem Hause diese Gefälligkeit für immer angeschrieben^). Ich finde aber an deinen Worten Gefallen. Und so sei auch nun weder bei Tag, noch bei Nacht säumig, das zu betreiben, was du mir versprichst, und es soll weder an Gold oder Silber ^), noch an Heeresmenge fehlen, wenn dessen etwas von Nöthen ist. Benimm dich in deinen und meinen Angelegenheiten mit dem Artabazos, den ich zu dir geschickt habe, einem treuen Mann, offen und vertrauensvoll, so wie es für uns Beide am Schicklichsten und Zuträglichsten fein wird."

Pausanias nun, der schon vorher wegen seiner Anführung bei Platää bei den Hellenen in hoher Achtung gestanden war, überhob sich nun noch viel mehr, nachdem er dies Schreiben empfangen hatte, und er konnte schon nicht mehr nach hergebrachter Weise leben, sondern verließ Byzanz in persischer Kleidung und ließ sich auf dem Wege durch Thrakien von persischen und ägyptischen Lanzknechten begleiten, speiste nach persischer Art und konnte überhaupt seine Absichten nicht verbergen, sondern zeigte schon in kleinen Dingen, was er später mehr im Großen zu thun gedachte. Er erschwerte den Zutritt zu sich und benahm sich gegen Alle ohne Unterschied so hochmüthig, daß ihm Niemand mehr nahe kommen mochte. Und dies war nicht der geringste Grund, weßhalb der Oberbefehl an die Athener überging.

Schon das erste Mal, als die Lakedämonier dies erfahren, hatten sie ihm die Heimkehr geboten; da er aber jetzt wieder mit dem [*]( Diejenigen, welche sich bei den Persern um die königliche Fa»iilie oder um den Staat verdient gemacht hatten, wurden Orosangen genannt, und ihre Namen und Tharen in besonderen Registern verzeichnet. Vergl. Buch Esther, Kap. S, Herbst. s, 85. ) [*]( 204) Angedenket wird, daß der König alle erforderlichen Gelder und Truppen hergeben wolle. Einer Angabe nach erhielt Pausanias SO» Talente Goldes, Stab. 39, 31 . (Kr.) )

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Hermioneishcen Schiffe ausgelaufen war und ähnliche Absichten blicken ließ, auch nicht nach Sparta gekommen war, als ihn die Athener mit Gewalt von Byzanz vertrieben hatten, sondern zu Kolonä in der Landschaft Troas sich aufhielt und, wie gemeldet wurde, sich mit den Barbaren einließ, und daß aus seinem dortigen Aufenthalte nichts Gutes kommen werde, so hielten sie nicht länger zurück, sondern die Ephoren ordneten einen Herold mit dem Rollbrief an ihn ab und befahlen ihm. im Geleite des Herolds nach Hause zu kommen; wenn er nicht gehorche, so erkläre hiemit sein Vaterland den Krieg gegen ihn. Er aber, da er den Verdacht nicht verstärken wollte und vertraute, der Gefahr mit Geld begegnen zu können, kehrte zum zweiten Mal nach Sparta zurück. Zuerst nun erhielt er von den Ephoren Gefängniß — denn diese Befugniß haben die Ephoren gegen die Könige^ob) — bald aber arbeitete er sich wieder los, kam frei und erbot sich, sich Jedem vor dem Richter zu stellen, der etwas gegen ihn vorbringen wolle.

Einen deutlichen Beweis hatten nun zwar die Spartaner nicht, weder seine Feinde, noch auch der ganze Staat, so daß sie ihn hätten zur Strafe ziehen können; denn er war von königlichem Geschlecht und stand auch gerade jetzt in königlichem Amte, weil er als Vetter über den jungen König PleistarchoS, des Leonidas Sohn, die Vormundschaft führte. Da er aber der Sitte zuwider handelte und barbarische Gebräuche nachahmte, so erweckte er selbst starken Verdacht, als wolle er dem Bestehenden nicht als Gleicher unter Gleichen gerecht . werden, und man gab deßhalb Acht auf ihn, ob er nicht in irgend etwas gegen die bestehenden Gesetze verstoße; und als es ihm beifiel, [*]( 205) Nollbries, Skytale, bestehend ans einem glatten, runden Stab. Einen hatten die Ephoret, den andern, von ganz gleicher Größe, erhielt der ausziehende Feldherr. Wollten die Ephoren diesem eine Depesche zusenden, so wickelten sie um ihren Stab einen weißen Riemen, beschrieben denselben und schickten dann den Riemen allein dem Feldherrn zu. Dieser wickelte ihn um . seinen Stab und las ihn. „Wenn man aber fragt, wie denn Pausanias die Stytale haben konnte, da er doch die Stadt insgeheim verlassen hatte, so ist zu antworten, daß er die Skytale noch von seiner ersten Feldherrnschast her besaß." (Schol.) ) [*]( 206) Vgl. Anm. IZZ. )

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lauf den Dreifuß, welchen die Hellenen von der persischen Beute als als Bestopser nach Delphi geweiht hatten, für seine eigene Person den 'Zweizeiler schreiben zu lassen ^): Weil er die Mcdische Schaar als Führer der Grieche» vernichtet, Weihet dem delphischen Gott PausaniaS dies Geschenk, so ließen die Lakedämonier allsogleich diese Worte aus dem Dreifuß ausmeißeln, und schrieben an deren Stelle die Namen aller der Städte, welche zur Besiegung der Barbaren mitgeholfen und gemeinschaftlich dies Weihgeschenk aufgestellt hatten Dem PausaniaS aber machte man daraus ein Verbrechen, und weil es schon einmal so um ihn stand, so erblickte man in jener Handlung um so mehr etwas mit den ihm vorschwebenden Plänen Uebereinstimmendes. Nun kam ihnen auch zu Ohren, daß er mit den Heloten irgend etwas vorhabe; und dem war wirklich so, denn er hatte ihnen die Freiheit und das Bürgerrecht versprochen, wenn sie sich mit ihm empören und seinen ganzen Plan durchzusetzen helfen wollten^), Aber ^mch nicht einmal jetzt, trotz der Angabe einiger Heloten, wagten sie gegen ihn'eine harte Maßregel zn ergreisen; und sie verfuhren hierin, wie sie unter sich zn thun Pflegten, daß sie nämlich nie vorschnell ohne den unzweideu» tigsten Beweis gegen einen Spartaner mit Schärfe vorgingen ^ Erst — so wird erzählt — als der Bote, welcher den letzten Brief für den König an den Artabazos besorgen sollte, ein Argilischer Mann, [*]( 207) Ebenso wird in der Rede gegen die Neära S7 berichtet. Verf. des Distichons war SunönideS nach Pausan. s, s, I. Anthv!. Pal. 6, IS7. (Kr.) Anders lautet die Inschrift bei Divdor. XI, ZZ: Sieh' dies haben geweiht die Erretter der räumigen Hellas, Welche die Städte vom Gräu'l knechtischer Bande befreit. Dies könnte die spätere Inschrift sein, welcher dann noch die Namen der einzelnen Städte folgten. ) [*]( 208) Die Namen noch erhalten aus dem in Konstantinopcl auSgegravenen platäischen Wcihgeschcnke. L. Noß, Neue Jahrb. 73. S. 26S. (Pökel b. Kr). ) [*]( 209) Eben diese Befürchtung, die gegenüber dein Spartanischen Königthum überhaupt obwalten mußte, wird der Hauptgrund zur Beschränkung der früheren KonigSmacht gewesen sein. Vgl. Anan. 133. . ) [*]( 210) Den Heloten und Perioken gegenüber »uißte» die Lakedämonier unter einander selbst ein höchst rücksichtS- und achtungsvolles Benehmen walten lassen, um allen Schein inneren Zwistes zu vermeiden. ' ' )
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früher des Pausanias Lustknabe und ihm sehr ergeben, >'zum Angeber wurde; da ihm nämlich ausfiel, daß Keiner von den früheren Boten zurückgekehrt war, so schöpfte er Verdacht, macht zuerst das Siegel nach, um nicht verrathen zu werden, wenn ihn allenfalls seine Vermuthung täuschen oder Pausanias den Brief zurückfordern sollte, um etwas darin zu ändern, öffnet dann das Schreiben, und wie er denn vermuthet hatte, daß irgend ein derartiger Nebenauftrag darin enthalten sei, so findet er wirklich die Aufforderung, ihn selbst zu tödten. Nun, da jener den Brief vorlegte, glaubten zwar die Ephoren schon eher, aber sie wollten außerdem noch mit eigenen Ohren etwas aus dem Munde des Pausanias hören, und auf ihr Veranstalten begab sich der Mann als Hilfeflehender nach Tänaros, machte sich eine durch eine Scheidewand getheilte Hütte und verbarg darin-einige der Ephoren.s

Als nun Pausanias sich zu ihm begab und um den Grund fragte,-weßhalb er sich als Hilseflehender gebehrde, so vernahmen sie Alles aus's Klärlichste, da ihm der Mensch sowohl das seinetwegen Geschriebene vorhielt und auch die andern Punkte einzeln zur Sprache brachte, wie er ihm ja doch in den Geschäften mit dem Perserkönig niemals fahrlässig gedient habe, und nun trotzdem den Ehrenlohn haben solle, sich wie so viele andere seiner Diener tödten zu lassen, woraus jener zugestehend antwortete und ihn bat, doch jetzt seinen Groll fahren zu lassen, und ihm Sicherheit verbürgte, wenn er sich aus dem Tempel entferne, und in ihn drang, doch so schnell als möglich abzureisen, damit die Unterhandlungen nicht in's Stocken geriethen 2").

Als die Ephoren dies Alles deutlich gehört hatten, entfernten sie sich, um ihn in der Stadt verhaften zu lassen; denn sie hatten jetzt eine sichere Ueberzeugung gewonnen. Da er nun auf der Straße ergriffen werden sollte, so merkte er, wie erzählt wird, an der Miene eines Ephoren, der auf ihn zuging, was dieser im Schilde [*]( 211)Die stanze Episode von Kap. 126 an wurde ihrer Klarheit wegen von jeher bewundert Die alten Nhetoren äußerten hier über TliukydideS Αέων έγέλασεν ένταυσα, ,,Hier hat der Löwe einmal gelacht." — Die ganze Episode könnte wohl von Thnkyd schon früher niedergeschrieben gewesen sein. ' )

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führe, und da auch ein Anderer ihm aus Freundschaft versteckter Weise einen Wink gab, so lief er schnell zum Tempel der Athene Chalkioikos und erreichte denselben noch rechtzeitig, denn dieser heilige Grund befand sich ganz in der Nähe. Dort trat er, um nicht dem Wetter ausgesetzt zu sein, in ein kleines Gebäude, welches zum Tempel gehörte, und verhielt sich daselbst ruhig. Jene kamen zu spät, um ihn noch ergreifen zu können, und ließen das Dach und die Thüren wegnehmen und hielten ihn scharf bewacht. Als sie abgepaßt hatten, daß er in's Innere des Tempels getreten war, ließen sie ihn einmauern und hielten ihn umlagert, bis er ausgehungert war, und als er in dem Gebäude eben den Geist aufgeben wollte, bemerkten sie es und brachten ihn noch lebend heraus, kaum außen aber verschied er aus der Stelle. Sie wollten ihn zuerst in die Käadische Schlucht werfen, wie die andern Verbrecher, dann aber besannen sie sich anders und gruben ihn in der Nähe ein. Später jedoch befahl den Spartanern der delphische Gott, sein Grab an die Stelle zu versetzen, wo er gestorben sei, — und noch jetzt ruht er in dem Tempelhof, wie eine Schrift auf den Säulen anzeigt, — und da sie durch ihr Verfahren einen Frevel begangen hätten, so sollten sie der Chalkioikos statt eines Körpers zwei andere zur Sühne darbringen. Die Lakedämonier ließen nun zwei eherne Bildsäulen verfertigen und stellten sie gleichsam anstatt des Paufanias als Weihgeschenke auf.

Die Athener also verlangten ihrer Seits, daß die Lake-dämonier diesen Frevel tilgen sollten, als welchen ja auch der Gott selbst ihn erkannt habe. — Die Lakedämonier aber schickten Gesandte an die Athener und erhoben auch gegen den Themistokles die Anklage wegen Perserfreundschaft, denn die Untersuchung gegen den Pausanias habe dieselbe dargethan, und verlangten, er solle die Strafe erleiden. Die Athener ließen sich bereden, und da Themistokles, bereits durch das Scherbengericht verbannt? IV, damals in Argos wohnte, aber auch im Peloponnes umherreiste, so schickten sie mit den zur Verfolgung gleichfalls bereiten Lakedämoniern einige Leute aus, mit dem Befehl, ihn zu ergreifen, wo immer sie ihn träfen. [*]( 212) Der Tod des Pausn», fällt in Ol. 76,^ — 473 v. Chr.; Themi« stokle« war verbannt worden. Oh 76,l — 4 76 v. Chr. Krüger, Sind. S. 46, AS. )

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Themistokles erhielt jedoch zu rechter Zeit Wind und floh aus dem Peloponnes nach Kerkyra, da er sich dessen Einwohner verpflichtet hatte ^ Weg. Weil aber die Kerkyräer sich fürchteten, ihn bei sich zn behalten, da sie sich dadurch, wie sie sagten, die Lakedämonier und Athener zu Feinden machen würden, so ließ er sich von ihnen . nach dem gegenüberliegenden Festland bringen. Da ihm aber die zur Verfolgung Ausgesandten auf der Ferse blieben, — denn sie hatten erfahren, wohin er gehe, — so zwingt ihn die Noth, beim Molosserkönig Admet, der nicht sein Freund war, einzukehren. Dieser selbst war nicht zu Hause, und Themistokles tritt als Hilfeflehender vor sein Weib, und diese weist ihn an, daß er ihrer beider Knäblein nehme und sich auf den Herd setze. Als nun nicht lange darauf Admet nach Haus kommt, gibt er zu erkennen,-wer er ist, und bittet, wenn er ihm auch einmal bei den Athenern in einer Rede entgegengetreten sei, so möge er das am Flüchtlinge nicht rächen; denn jetzt könne auch ein viel Schwächerer, als der König sei, ihm Schlimmes zufügen; edel aber sei es nur, vom Gleichen in gleicher Lage Sühnung zu fordern; auch habe er nur in einer unbedeutenderen Angelegenheit gegen jenen gesprochen und nicht in einer Sache, wo es sich um das Leben handelte; wenn er ihn aber jetzt ausliefere, so nehme er ihm alle Hoffnung auf Rettung; und zugleich erzählt er, weßhalb er verfolgt werde.

Da heißt ihn Admet mit seinem Söhnlein aufstehen, — so wie er sich mit dem Kind im Arme niedergesetzt hatte, denn das war die kräftigste Art der Schutzbitte, — und wie nicht lange darauf die Lakedämonier und Athener ankommen und viel Redens machen, gibt er ihnen den Themistokles nicht heraus, sondern läßt ihn, weil er zum König reisen wollte, auf dem Landwege nach dem jenseitigen [*]( 212*)Die Flucht faut Ol. 76,4, 473 v. Chr. Krnger, Sind. I, S. 51. Themistokles hatte davon abgerathen, die Kerkyräer und Andere, welche sich am Kampfe gegen die Perser nicht hatten bctheiligen wollen, zu bestrafen, Herab. 7, lK8; nach Blut. Thennst. 24 aber, weil er als Nichter einen Streit, den sie mit Korinth hatten, zn ihrem Vortheil entschied. Dem »achgenannte» König Admet hingegen hatte er sich hinderlich erwiesen, indem er den Athenern ein von demselben angetragenes Bündnis inißrieth. )

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Meer bis nach Pydna, der Stadt Alexanders 2'3), geleiten. Dort traf er ein Lastschiff, welches gen Jonien segeln wollte, und da er es bestiegen hatte, wurde er durch einen Sturm mitten unter die athenische Flotte vershclagen, welche Naxos belagerte, und aus Besorgniß theilte er dem Schiffsherrn mit, wer er sei, — denn er war den Leuten im Schiff unbekannt, — und weßhalb er flüchtig gehe; wenn er ihn nicht retten wolle, so werde er angeben, daß er durch Geld bestochen ihn aufgenommen habe; seine Sicherheit liege darin, daß Keiner das Schiff verlasse, bis es weitersegele; wenn er ihm zu Willen sei, so wolle er es mit angemessenem Dank vergelten. Der Schiffsherr that nach seinem Willen, und nachdem er sich einen Tag und eine Nacht hindurch auf offenem Meer von der Flotte entfernt gehalten hatte, gelangte er später nach Ephesos. Themistokles lohnte ihm mit einem Geschenk an Geld, — denn von den Freunden zu Athen und aus Argos kam an, was er dort hinterlegt hatte, — und nachdem er dann in Gesellschaft eines Persers von der Seeküste auswärts in's Innere gereist war 2"), schickte er einen Brief an den König Artaxerxes, des Xerxes Sohn, der kurz vorher den Thron bestiegen hatte. Das Schreiben lautete: ,Ich Themistokles komme zu dir, der ich von allen Hellenen eurem Hause am meisten Böses angethan habe, so lange dein Vater uns bedrängte und mich zur Abwehr zwang, noch viel mehr Gutes aber, als ich in Sicherheit war und jener unter großer Fahrniß die Heimkehr beschickte. Und man ist mir Dank sür eine Wohlthat schuldig, — hier erwähnte er seine Meldung von Salamis aus wegen des Rückzugs / und wie der Abbruch der Brücke, den er fälschlich ersonnen hatte, damals durch ihn hintertrieben worden sei,— und da ich auch jetzt noch dir viel Gutes zu erweisen vermag, so bin ich zu dir gekommen, verfolgt von den Hellenen wegen meiner Freundschaft sür dich. Wenn ich aber ein Jahr hier verweilt haben werde, so will ich dir selbst eröffnen, weßhalb ich gekommen bin."

Der König nun, wie erzählt wird, bewunderte seine Klug- [*]( 213) Alexanders von Makedonien, vgl. Anm. 97. Das jenseitige Meer ist' daS Aestäische. ) [*]( 214) In Gesellschaft des sein theides, der sein und des Xerres Gastfreund war. Ausführlich erzählt bei Diodor XI, 56. )

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hcit und hieß ihn so thun, wie er geschrieben habe. Jener aber lernte in der Frist, die ihm zugestanden war, so gut er konnte, die Sprache und die Sitten des Landes, und nach Verlauf des Jahres stellte er sich dem König dar und gelangte bei ihm zu sehr großen Ehren, wie vordem nie ein Hellene, sowohl wegen des großen Ruhms, den er erworben hatte, als auch, weil er ihm Hoffnung auf Unterwerfung der Griechenvölker machte, vornehmlih caber, weil er sich ihm deutlich als ein kluger Mann erwies. Denn in Themistokles offenbarte sich eine außerordentliche Kraft des Geistes, und er ist darum mehr als ein Anderer der Bewunderung würdig. Durch den angebornen Verstand nämlich, denn er hatte weder vorher etwas gelernt, noch später durch, Lernen etwas nachgeholt, fand er für den Augenblick nach sehr kurzer Ueberlegung den besten Rath, und auch in zukünftigen Dingen war, er aus lang hinaus der beste Vorausseher dessen, was eintreffen sollte;, und was er vorhatte, das wußte er auch durch die Rede trefflich darzustellen, und auch Unersahrenheit in einem Ding hinderte ihn nicht, geschickt zu urtheilen, und was besser oder schlechter sei, sah er meist schon voraus, wann der Ausgang noch im Dunkeln lag; kurz, er ver-, mochte durch angeborne Geistesschärfe und mit rascher Ueberlegung das, was Noth that, am sichersten herauszufinden. Er starb an einer Krank-heit; doch sind auch solche, welche erzählen, daß er Gift genommen habe, weil er es für unmöglich erkannte, dem König sein Versprechen zu erfüllen. Sein Grabmal steht zn Magnesia in Asien auf dem, Markte; denn über jene Gegend war er Statthalter, da der König ihm zum Brote Magnesia gegeben hatte, welche Stadt jährlich fünfzig Talente einbrachte, zum Wein Lampsakos, denn diese Gegend galt damals für sehr weinreich, und zur Zuspeise Myus^). Die Angehörigen erzählen, daß seine Gebeine auf seine Anordnung nach der Heimath gebracht und in Attischer Erde beigesetzt worden, doch ohne. Wissen der Athener; denn als ein wegen Verrathes Flüchtiger durste er nicht begraben werden. — Mit Pausanias, dem Lakedämonier, und [*]( 215)So waren die Einkünfte von einer Aegyptischen Stadt für die Schuhe der Königin von Persien bestimmt, andere für ihren Schleier, wieder andere für ihren Gürtel. Bier Ortschaften' in der Nähe von Babylon dienten zur Unterhaltung der Hunde des Satrapen u. f. w. Ueber de» Tod des Themist. vgl. Blut. Them. u. Diod. 1 I, 58.)
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dem Athener Themistokles, welche unter den Hellenen ihrer Zeit zum höchsten Glanz emporgestiegen waren, hatte es also dies Ende genommen.

ES ist erzählt worden, welche Forderungen die Lakedämonier bei ihrer ersten Gesandtschaft wegen der Fluchbeladenen Verbannung gestellt hatten, und was dagegen von ihnen war gefordert worden. Indem sie jedoch später noch einige Mal Gesandte schickten, verlangten sie von den Athenern, sie sollten von Potidäa abstehen und Aegina freigeben und endlich erklärten sie ganz bestimmt und deutlich, der Krieg könne von den Athenern abgewendet werden, wenn sie den Beschluß wegen Megara's zurücknähmen, in welchem gesagt war, daß die Megarer weder in den Häfen des Athenischen Gebietes, noch auch auf dem Attischen Markte zugelassen werden dürsten. Die Athener nun gaben weder im Uebrigen nach, noch auch nahmet sie diesen Beschluß zurück, sondern führten vielmehr Beschwerde über die Megarer, daß sie heiliges Feld und nicht abgegrenztes Land angebaut hätten^und ihren entlaufenen Sklaven Unterstand gewährten. Als aber als letzte Gesandte von Lakedämon Rhamphios, Melenppos und Agesander ankamen und von dem, was man früher von ihnen zu hören gewohnt war, Nichts mehr erwähnten, sondern nur dies: „Die Lakedämonier wollen, daß der Friede bestehe, und das könnte geschehen, wenn ihr den Hellenen die Unabhängigkeit lasset," so hielten die Athener eine Volksversammlung, und nachdem sie die unter ihnen vorhandenen Meinungen angehört hatten, beschlossen sie die ganze Angelegenheit ein für alle Mal zu berathen und eine endgiltige Antwort zu ertheilen. Es traten nun Viele auf, um zu reden, und es zeigten sich die Ansichten vershcieden, sowohl dafür, daß man Krieg führen müsse, als auch dafür, daß jener Beschluß dem Frieden nicht im Wege bleiben, sondern zurückgenommen werden solle. Da trat auch Perikles auf, deS Xanthippos Sohn, damals der Vor­ [*]( 216) Das heilige Gebiet zwischen Attika und Megara, welches die Athener den Elcustnischen Göttinnen geweiht hatten- Hievon verschieden ist daS „nicht abgegränzte Land", das keinen Besitzer hatte, also auch nicht bebaut werden durste. — linter den entlaufenen Sklaven werden Sklaven der Aspasia genannt; vgl. die letzte Anm. des l. B. )

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züglichste unter den Athenern, in Wort und That der Erste, und spornte sie an, also redend: