History of the Peloponnesian War

Thucydides

Thucydides. Geschichte des Peloponnesischen Kriegs. Braun, Theodor, translator. Leipzig: Insel-Verlag, 1917.

Inzwischen knüpfte Sitalkes wegen der Beschwerden, die ihn zu dem Feldzuge veranlaßt hatten, mit Perdikkas Unter- handlungen an, und da die Athener, die an sein Kommen nicht glaubten, zwar mit ihren Schiffen nicht erschienen waren, aber doch Gesandte und Geschenke an ihn geschickt hatten, so ent­ sandte er einen Teil seines Heeres gegen die Chalkidier und Bottiaier, nötigte sie, sich in ihre Städte zurückzuziehen, und verheerte ihnen daS platte Land. Während er mit seinem Heere in jenen Gegenden stand, begannen die Thessaler und Magneter weiter im Süden sowie die übrigen Untertanen der Thessaler und die Griechen bis an die Thermopylen zu fürchten, daß er damit auch ihnen ins Land kommen könne, und machten sich für alle Fälle bereit. Von gleicher Furcht befallen wurden aber auch die weiter im Norden, jenseits des Strymon,in der Ebene sitzenden unabhängigen Thraker, Päonier, Odomanter, Droer und Dersaier. Ja selbst bis nach Griechen­

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land hinein wurde es den Feinden der Athener bedenklich, ob er sich nicht infolge seines Bündnisses mit den Athenern ver­ anlaßt sehen würde, auch ihnen einen Besuch abzustatten. Er blieb jedoch mit seinem Heere in Chalkidike, Bottike und Make­ donien und verheerte das Land. Da er aber keinen der Zwecke, deretwegen er den Feldzug unternommen hatte, erreichte, auch sein Heer nichts mehr zu leben hatte und unter den Beschwerden des Winterfeldzuges litt, so ließ er sich von Seuthes, dem Sohne des Spardakos, seinem Neffen, der nach ihm der mäch­ tigste Mann war, überreden, plötzlich wieder abzuziehen. Seuthes aber war heimlich von Perdikkas gewonnen, indem er ihm seine Schwester zur Frau und außerdem eine reiche Mitgift ver­ sprochen hatte. Auf seinen Rat also zog Sitalkes, nachdem er dort im ganzen dreißig Tage und davon acht auch den Chalkidiern im Lande gewesen war, mit seinem Heere schleunig wieder nach Hause. Perdikkas aber gab später seine Schwester Stratonike dem Seuthes zur Frau, wie er es ihm versprochen hatte. So verlief der Feldzug des Sitalkes.

Die Athener in Naupaktos unternahmen in diesem Winter, nachdem die peloponnesische Flotte sich aufgelöst hatte, unter Phormion einen Zug nach Akarnanien. Sie landeten in Astakos und brachen von dort mit vierhundert athenischen Hopliten von der Flotte und dreihundert Messeniern ins Innere des Landes auf, vertrieben aus Stratos, Koronta und anderen Orten die ihnen verdächtigen Personen, führten Kynes, den Sohn des Theolytos, nach Koronta zurück und schifften sich dann wieder ein. Denn auch gegen Oiniadai, die einzige Stadt in Akarnanien, deren Bewohner den Athenern immer feindlich gewesen, in dieser Winterzeit noch etwas zu unter­ nehmen, hielten sie nicht für möglich. Der Acheloos, welcher vom Pindos durch das Land der Doloper, der Agraier und der Amphilocher und dann durch die akarnanishce Ebene an Stratos vorüberfließt und bei Oiniadai in die See mündet, bildet nämlich um die Stadt herum ein weites Übershcwemmungs­ gebiet und ist bei Winterwasser für Truppen unpasiserbar. Auch liegen die Echinadischen Inseln größtenteils Oiniadai

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grade gegenüber, unmittelbar vor den Mündungen des Ache­ loos, so daß der Fluß bei hohem Wasser hier beständig an­ schwemmt und mehrere von ihnen schon landfest geworden sind, wie das allen übrigen wahrscheinlich auch über kurz oder lang bevorsteht. Denn der Strom ist groß und führt viel Wasser und Schlamm; die Inseln aber liegen dicht beieinander, so daß der Schlick durch sie gefangen wird. Sie liegen nämlich quer voreinander und nicht in einer Linie und lassen das Wasser nicht auf gradem Wege in die See. Übrigens sind sie nur klein und unbewohnt. Der Sage nach soll Alkmaion, der Sohn des Amphiaraos, als er nach der Ermordung seiner Mutter unstet umhershcweifte, von Apollon durch ein Orakel veranlaßt worden sein, sich dies Land zur Wohnung zu wählen, indem er ihm bedeutete, er würde die Schreckbilder nicht los werden, bis er in einem Lande Unterkunft gefunden, welches zu der Zeit, wo er seine Mutter ermordet, noch kein Land ge­ wesen und noch nicht von der Sonne beschienen sei, weil alles andere Land durch seine Blutschuld befleckt wäre. Lange habe er nicht gewußt, wie er das anfangen solle, endlich aber habe er dann diese Anshcwemmungen an der Acheloosmündung ent­ deckt und sich überzeugt, daß hier in der Zeit seiner langen Wanderungen seit der Ermordung seiner Mutter Neuland genug entstanden wäre, um darauf leben zu können. So habe er sich in der Gegend von Oiniadai niedergelassen und hier die Herrschaft gewonnen. Später sei dann das Land nach seinem Sohne Akarnan benannt worden. So die uns über­ lieferte Sage von Alkmaion.

Die Athener unter Phormion aber fuhren von Akarnanien wieder nach Naupaktos und von da zu Anfang des Frühjahrs nach Athen zurück. Die erbeuteten Schiffe nahmen sie mit und ebenso die freien Leute, die sie in den Seeschlachten zu Gefangenen gemacht hatten, welche dann später Mann gegen Mann ausgewechselt wurden. Damit endete der Winter und das dritte Jahr des Krieges, den Thukydides beschrieben hat.

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