History of the Peloponnesian War

Thucydides

Thucydides. Geschichte des Peloponnesischen Kriegs. Wahrmund, Adolf, translator. Stuttgart: Krais and Hoffmann, 1864.

Thrasyllos aber, sobald er erfahren hatte, daß jener von' Milet abgefahren sei, ging ebenfalls sogleich von Samos mit fünfuudfünfzig Schiffen in See und beeilte sich, um wo möglich noch vor jenem in den Hellespont einzufahren. Als er aber hörte, daß jener zu Chios sei, so stellte er, in der Meinung, derselbe werde dort länger verweilen, auf Lesbos und dem gegenüberliegenden Festland Späher auf, damit eS ihm nicht entgehe, wenn die feindlichen Schiffe irgendwohin steuern sollten; er selbst aber fuhr nach Methymne und befahl, hier Mehl und die anderen Lebensmittel in Bereitschaft zu halten, damit er, falls längere Zeit verginge, von Lesbos aus Angriffe auf Chios machen könne. Zugleich wollte er auch vor Eresos auf Lesbos segeln, welche Stadt abgefallen war, um sie wo möglich einzunehmen. Es hatten nämlich Verbannte der Methymnäer, welche zu den Reichsten und Vornehmsten gehörten, von Kyme gegen fünfzig freiwillige Schwerbewaffnete herübergebracht und auf dem Festland Mannschaft in Sold genommen, Alle zusammen gegen dreihundert. Unter Führung des Thebaners AnaxandroS, welcher der Stammverwandtschaft wegen 6") zu ihnen gekommen, machten sie zuerst einen Angriff auf Methymne. Bei diesem Versuche aber wurden sie durch [*]( 60) Vergl. III. 2. )

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die Athener, welche schon vorher von Mytilene als Besatzung gekom- [*]( 41l v. Chr. ) men waren, zurückgeworfen und dann nochmals auf offenem Felde geschlagen, worauf sie sich durch das Gebirg zogen und Eresos zum Abfall brachten. Thrasyllos erschien nun mit sämmtlichen Schiffen . vor dieser Stadt und dachte sie zu erstürmen. Vor ihm war aber auch sehon Thrasybulos mit fünf Schiffen von Samos her daselbst erschienen, als ihm jene Ueberfahrt der Verbannten gemeldet worden war. Da er aber schon zu spät kam, so war er dann vor Eresos gegangen und hielt die Stadt blokirt. Auch vom Hellespont her stießen zwei Schiffe zu ihnen, die auf der Heimfahrt begriffen waren, und dazu noch die der Methymnäer. Im Ganzen waren siebenundsechzig Schiffe versammelt, mit deren Mannschaft sie unter Anwendung der Maschinen und aller anderen Mittel Eresos kräftigst zn bestürmen gedachten, um es wo möglich zu nehmen.

Mindaros und die peloponnesischen Schiffe hatten sich unterdessen in zwei Tagen aus Chios verproviantirt, wozu noch jeder Mann drei Vierzigstel-Stücke von den Chiern erhielt, wie sie daselbst in Gebrauch sind, und gingen am dritten Tag schnell von Chios in See, indem sie, um den Zusammenstoß mit den Schiffen vor Eresos zu vermeiden, nicht aus's hohe Meer hinaushielten, sondern, Lesbos links lassend, gegen das Festland hinschifften. Auf dem Phokäischen Gebiet landeten sie im Hasen von Karteria, nahmen hier das Frühmahl ein, segelten dann weiter an der Küste von Kyme hin und hielten das Spätmahl bei Argennusä auf dem Festland, gegenüber von Mytilene. Von dort segelten sie weiter, als es noch tiefe Nacht war, und kamen nach Harmatus am Festland, Methymne gegenüber, wo sie das Frühmahl nahmen und dann, weiter an der Küste hin rasch bei Lekton und Larissa und Hamaxitos und den an» dern dortigen Städten vorüber schiffend, bei Rhoiteion, schon am HelleSpont, etwas vor Mitternacht anlangten. Einige der Schiffe gingen auch vor Sigeion und andern Plätzen jener Gegend vor Anker.

Die Athener aber, welche mit achtzehn Schiffen vor Sestos lagen, als ihnen ihre Späher die Feuerzeichen gaben ^), [*]( 6l) vielleicht ein Vierzigste! des Stater, also — 3 Obolen. (Arnold.) ) [*]( 62) Vergl. II. 9». III. 22. 80 lKr.). )

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[*]( 4ll v. Chr. ) und fie auch an den feindlichen Küsten plötzlich die vielen Feuer erblickten, erkannten daraus, daß die Peloponnesier in den Hellespont eingelaufen seien, und zogen sich noch in derselben Nackt, so, wie sie waren, in aller Eile mehr gegen den Cbersonnes und fuhren längs der Küste gegen Elaius hin, um auf offenem Meere den feindlichen Schiffen zu entkommen. Und wirklich entgingen sie auch den sechzehn Schiffen bei Abydos, obgleich diesen schon vorher von den ansegelnden Freunden anbefohlen worden war, gute Wacht zu halten, wenn jene hinaussegeln wollten. Mit Sonnenaufgang aber kamen sie den Schiffen des Mindaros in Sicht und wurden von diesen sogleich in Jagd genommen. Zwar entkamen sie nicht alle, aber doch konnten sich die meisten nach JmbroS und Lesbos flüchten : die vier aber, welche zuhinterst segelten, wurden bei Elaius genommen. Eins davon, welches beim Tempel des Protesilaos auf deu Strand lief, nahmen die Feinde, mit sammt der Mannschaft, zwei andere, ohne die Bemannung, und eines leer bei Jmbros, welches sie in Brand steckten.

Danach vereinigten sich die Peloponnesier mit den sechs Fahrzeugen von Abydos und den übrigen und belagerten, in Allem sechsundachtzig Segel stark, während desselben ganzen TageS ElaiuS, und fuhren dann, da die Stadt nicht überging, nach Abydos zurück.

Die Athener aber, die sich in ihrem Vertrauen aus die ausgestellten Späher betrogen sahen und gar nicht geglaubt hätten, daß die feindlichen Schiffe unbemerkt vorüberfahren könnten, sondern in aller Sicherheit nur die Bestürmung der Mauern im Auge hatten, verließen jetzt, als sie die Nachricht erhielten, sogleich Eresos, um in aller Eile dem Hellespont zu Hülfe zu kommen. Auch nahmen sie zwei Schiffe der Peloponnefier, welche in allzu kühner Verfolgung sich zu weit in die offene See gewagt hatten und jetzt unter fie geriethen. Tags darauf kamen sie an und gingen bei ElaiuS vor Anker; dann zogen sie die nach JmbroS geflüchteten Schiffe an sich und rüsteten sich durch fünf Tage zur Seeschlacht.

Danach kam es denn auch zum Seekampf, und eS ging dabei also her. Die Athener stellten sich in Eine Linie und steuerten dicht an der Küste hin gegen Sestos, und die Peloponnefier, als sie dies bemerkten, kamen ihrerseits von Abydos hergesegelt. Als man

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nun beiderseits sah, daß es zum Kampfe kommen werde, dehnten die [*]( 411 v. Chr. ) Athener ihre Linie am Ehersonnes hin aus, so daß dieselbe, sechSundsiebenzig Segel stark, von Jdakos bis Arrhiana reichte; die Peloponnesier aber, achtundsechzig Segel stark, reichten von Abydos bis Dardanos. Den rechten Flügel der Peloponnesier hatten die Syrakusaner inne, den andern Mindaros und die besten Segler unter seinen Schiffen. Bei den Athenern befehligte auf dem linken Flügel Thrasyllos, aus dem rechten Thrasybulos, und die andern Feldherrn,' wie sie dazwischen eingetheilt waren. Die Peloponnesier beeilten sich nun, mit dem Angriff zuvorzukommen, dem rechten Flügel der Athener, den sie mit ihrem linken überragten, wo möglich die Ausfahrt auS der Meerenge zu verschließen und ihre Mitte gegen das Land hin zu drängen, das nicht weit entfernt war. Die Athener merkten dieß aber und dehnten da, wo die Gegner sie abzusperren gedachten, ebenfalls ihre Linie weiter aus und kamen ihnen an Schnelligkeit zuvor. Ihr linker Flügel aber überragte schon das Vorgebirge, welches Kynos-Sema genannt wird. In ihrem Centrum standen in Folge dessen die Schiffe in schwächerer und weit auseinander gezogener Linie, zumal sie hier auch an Zahl der Fahrzeuge im Nachtheil waren, wozu noch kam, daß das Vorgebirge Kynos-Sema einen spitzwinkeligen Vorsprung bildet, so daß man nicht sehen konnte, waS auf der andern Seite vorging.

Die Peloponnesier griffen nun in der Mitte an, trieben die Schiffe der Athener auf'S Ufer und verfolgten sie sogar auf dem Lande, waren also hier bei Weitem im Vortheil; die vom rechten Flügel unter Thrasybulos konnten wegen der Menge der sie bedrängenden Schiffe ihrem Centrum nicht zu Hülfe kommen, und die vom linken Flügel unter Thrasyllos eben so wenig, da Kynos-Sema deS Vorgebirges wegen von ihnen nicht gesehen werden konnte, und zugleich auch die Syrakusaner und die übrigen, die in nicht schwächerer Zahl ihnen gegenüber standen, sie sehr in die Enge trieben. Zuletzt aber wurden die Peloponnesier, weil sie siegreich waren, sorglos und fingen an, die Einen dieß, die Andern jenes Schiff zu verfolgen, wodurch ein Theil ihrer Flotte in Unordnung gerieth. Als die unter Thrasybulos ihrerseits merkten, daß die feindlichen Schiffe eben angreifen wollten, so hielten sie in der weiteren Ausdehnung ihres Flü-

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[*]( 411 v. Chr. ) gels inne, machten die halbe Wendung gegen den Feind, schlugen gleich den ersten Angriff desselben zurück und trieben ihn in die Flucht. Dann trafen sie auf den siegreichen Theil der peloponnesischen Schiffe, der in Verwirrung umherfuhr, stießen sie mit ihren Schnäbeln an und jagten die meisten ohne Schwertstreich in die Flucht. Auch die Syrakusaner waren ihrerseits schon vor denen unter Thrasyllos gewichen und eilten jetzt um so mehr davon zu kommen, da sie auch die andern fliehen sahen.

Während die Peloponnesier nach entschiedener Niederlage zuerst meist nach dem Meidios-Fluß und dann nach Abydos flohen, nahmen ihnen die Athener zwar nur wenige Schiffe ab — denn der schmale Hellespont gewährte den Feinden in nächster Nähe Zufluchtsörter — aber doch war ihnen dieser Sieg zur höchsten und gelegensten Zeit gekommen. Denn während sie bis dahin die Seemacht der Peloponnesier wegen der kleinen Schlappen, die sie erlitten, und wegen des Unglücks auf Sicilien gefürchtet hatten, durften sie jetzt aufhören, sich selbst in ihrer Meinung herabzusetzen und die Feinde für berufen zur Seemacht zu halten. Von den Schiffen der Gegner hatten sie acht Chiische, fünf Korinthische, zwei Amprakiotische und zwei Böotische. und von denen der Leukadier, Lakedämonier, Syrakusaner und Pelleneer je eins genommen; sie selbst hatten fünfzehn der ihrigen verloren. Nachdem sie auf dem Vorgebirge, wo Kynos- Sema liegt, ein Siegeszeichen aufgestellt, die Schiffstrümmer gesammelt und den Gegnern unter dem Schutze eines Vertrages ihre Todten herausgegeben hatten, schickten sie auch einen Dreiruderer nach Athen als Boten des Sieges. Als dieß Schiff ankam und die zu Hause das ganz unverhoffte Glück vernahmen, so faßten sie nach den eben erlittenen Niederlagen bei Euböa und den gefahrvollen Ereignissen während ihres inneren Zerwürfnisses wieder viel mehr Muth, und sie glaubten jetzt wieder, daß sie doch noch im Stande seien, den Sieg davonzutragen, wenn sie nur mit Eifer an'S Werk gingen.

Am vierten Tage nach der Seeschlacht, als die Athener ihre Schiffe bei Sestos in aller Eile wieder in Stand gesetzt hatten, gingen sie in See gegen das abgefallene Kyzikos, und als sie bei Harpagion und Priapos die acht Schiffe von Byzanz vor Anker liegen sahen, steuerten sie darauf los, besiegten die an'S Land Gegan

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genen in einem Gefecht und nahmen die Schiffe weg. Danach er- [*]( 411 v. Chr. ) schienen sie vor Kyzikos, das keine Mauern hatte, bewogen es wieder zum Uebertrltt und legten ihnen eine Geldzahlung aus. Zu gleicher Zeit segelten die Peloponnesier von Abydos nach Elaius, nahmen diejenigen von ihren Verlornen Schiffen, die noch seetüchtig waren, mit — die übrigen hatten die Elaiusier verbrannt — und schickten den Hippokrates und den Epikles nach Euböa, um die Schiffe von dort herüberzubringen.

Um eben diese Zeit war auch Alkibiades mit den drei-, zehn Schiffen von Kaunos und Phaselis nach Samos zurückgekehrt und meldete, daß er die Vereinigung der Phönikischen Schiffe mit denen der Peloponnesier abgewendet und den Thiffaphernes noch mehr für die Athener gewonnen habe als vorher. Dann bemannte er zu seinen Schiffen noch neun andere, trieb von der Stadt Haltkarnaffos viel Geld ein und befestigte Kos. Hieraus und nachdem er einen Statthalter auf Kos eingesetzt, schiffte er gegen den Spätherbst wieder nach Samos zurück.

Tissaphernes nun, als er hörte, daß die Schiffe der Peloponnesier von Milet nach dem HelleSpont abgesegelt seien, brach von Aspendos aus und eilte nach Jonien. Während die Peloponnesier noch im Hellespont waren, hatten die Antandrier, welche Aeolischer Abstammung sind, von Argos her auf dem Landweg über das Jda- Gebirg Schwerbewaffnete kommen lassen und dieselben in ihre Stadt gebracht, da sie von dem Perser Arsakes, des Tissaphernes Unterstatthalter, bedrückt wurden. Derselbe hatte nämlich auch den Deliern, welche sich in Adramyttion,angesiedelt hatten, als sie damals durch die Athener der Reinigung von Delos wegen vertrieben worden waren als seinen Freunden und Bundesgenossen, ihre besten Männer aus der Stadt gelockt, indem er Krieg gegen einen geheimzuhaltenden Feind vorgab. Er hatte dann abgewartet, bis sie ihr Frühmahl bereiteten, sie dabei von seinen Leuten umstellen und mit Speeren zusammenschießen lassen. Jene fürchteten nun wegen dieser That, daß er auch gegen sie etwas Gottloses im Schilde führe, und weil er ihnen auch sonst unerträgliche Lasten aufgebürdet, so verjagten sie seine Besatzung aus der Burg. [*]( 63) Vergl. V, 1. )

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[*]( 411 v. Chr. ) Als nun Tissavhernes auch von dieser That der Peloponnesier Nachricht erhielt, zu dem, was bereits in Milet und Knidos geschehen war — denn auch hier waren seine Besatzungen verjagt worden — so glaubte er, bei ihnen sehr schlecht angeschrieben zu sein, und da er befürchtete, daß sie ihm auch sonst noch Schaden thun möchten, und eS ihn zugleich auch sehr gekränkt hätte, wenn PharnabazoS in der viel kürzeren Zeit, seitdem er die Peloponnesier an sich gezogen, und mit geringerem Geldaufwand einen besseren Erfolg gegen die Athener erzielen sollte, so entschloß er sich, zu ihnen nach dem HelleSpont zu reisen, um sie wegen des zu AntandroS Geschehenen zu tadeln und sich gegen die Beschuldigungen der Phönikischen Schiffe und anderer Dinge wegen aus die möglichst glaubwürdige Weise zu rechtfertigen. Und zuerst brachte er, zu EphesoS angekommen, der Artemis ein Opfer ^). der Winter, der auf diesen Sommer folgt, abgelaufen sein wird, so ist das einundzwanzigste Jahr erfüllt^ 65). [*]( 64) DaS zuerst in diesem Satze verlangt noch einen Gegensatz, der etwas Bedeutenderes zugefügt hätte (Kr.). ) [*]( 65) Dieser Schlußsatz scheint unächt. )