History of the Peloponnesian War

Thucydides

Thucydides. Geschichte des Peloponnesischen Kriegs. Wahrmund, Adolf, translator. Stuttgart: Krais and Hoffmann, 1864.

Um dieselbe Zeit, als in jenen Tagen die Gesandten zusammentraten, fiel Skione. eine Stadt auf Pallene, von den Athenern zum Brasidas ab. Die Skionäer sagen, sie seien Palleneer aus dem Peloponnes, und ans der Rückfahrt von Troja seien ihre Alten durch jenen Sturm, welcher die Achaier'übcrfiel, an dieß Land verschlagen wörd.en'und, hätten sich da angebaut. Da sie abfallen wollten, fuhr BrasidaS zur Nachtzeit nach Stione hinüber, indem ein [*]( 10. Munychivn. Mond der Artemis. April — Mai. ) [*]( 11. T ha rg? li on . d. i. Frnchtmond. Mai — Juni. ) [*]( 12. Skirv p h ori on, i..Schirmmoni>, Juni — Juli. Anderwärts in Griechenland galten andere Aanien. i . ^ )

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befreundetes Kriegsschiff voraussegelte, welchem er selbst auf einem [*]( 423 v. Chr. ) Boote in einiger Entfernung folgte, damit, wenn er auf ein feind-< liches Schiff stoßen sollte, welches größer als sein Boot sei, daS Kriegsschiff ihn schütze; würde aber ein anderer Dreiruderer von gleicher Stärke wie das Kriegsschiff sich zeigen, so dachte er, werde derselbe nicht auf sein kleines Fahrzeug loSgehen, sondern auf daS große Schiff, und unterdessen könne er sich retten. Er kam übrigens hinüber, ließ die Skionäer zusammen kommen und sagte ihnen dasselbe; wie in AkanthoS und Torone, indem er hinzufügte, „daß sie ihm'des größten Lobes würdig erschienendenn obgleich Pallene bei der Landenge abgesperrt.sei, weil die Athener Potidäa im Besitz hätten, und sie demnach sich in Nichts von Inselbewohnern unterschieden, seien sie doch aus freier Bewegung der Freiheit beigetreten und hätten nicht in feiger Unthätigkeit abgewartet, bis ein ihnen offenbar zukommendes Gut mit Gewalt ihnen aufgenötbigt würde, und daS sei ein Beweis, daß sie auch unter anderen Umständen die größten Gefahren mannhaft bestellen würden. Wenn erst ihre Verhältnisse ganz nach ihren Wünschen geordnet seien, so werde er sie in Wahrheit für die treuesten Freunde der Lakedämonier halten und sie auch im Uebrigen zu ehren wissen."

Durch solcherlei Reden fühlten sich die Skionäer aufs Höchste-geshcmeichklt, und. Alle insgesammt, selbst auch die, welchen Anfangs die Unterhandlungen nicht behagt hatten, faßten Muth und gedachten den Krieg mit ausdauerndem Eifer zu tragen, und wie sie den Brasidas auch sonst ehrenvoll aufgenommen, so setzten sie ihm auch aus gemeinem Wesen einen goldenen Kranz au?, als dem, der Hellas befreie, und auch aus eigener Bewegung besuchten ihn die Bürger und ehrten ihn mit Kränzen und Binden, wie einen Sieger im Wcttkampf. Er aber ließ ibnen für den Augenblick einige Mannschaft als Besatzung zurück und ging wuder weg; bald danach kam er mit zablieicheren Tiurpen wieder, um vereint mit jenen eimn Versuch aus Mente und Potidäa zu machen; denn er dachte, daß die Athener der iniulaiischcn Lage wegen wohl mit einem Hülfeheere dorthin eilen winden, und er wollte idnen zuvorkommen; auch knüpfte er in diesen Städten Unterhandlungen wegen verräterischer Uebergabe derselben an.- [*]( 24* )

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[*]( 423 v. Chr. ) Und eben war er im Begriff, einen Handstreich auf diese Städte auszuführen, da kamen auf einem Dreiruderer diejenigen zu ihm, welche die Meldung vom Waffenstillstände überall hinzubringen hatten. Seitens der Athener Aiistonymos und von den Lakedämoniern Athenäos. Diese setzten den Brasidas in Kenntniß von dem Vergleiche, und sein Heer ging nun wieder nach Torone zurück. Auch alle Bundesgenossen der Lakedämonier in den Thrakischen Gränzgebieten nahmen den Vertrag an. Aristonymos erklärte sich damit in Betreff aller Uebrigen einverstanden, die Skionäer aber, sagte.er, könnten in den Vertrag nicht mit eingeschlossen sein, denn durch Berechnung der Tage hatte er gefunden, daß sie erst später abgefallen seien. Brasidas aber sprach Vieles dagegen und behauptete, eS sei früher geschehen, und gab die Stadt nicht heraus. Als nun Aristonymos hierüber Meldung nach Athen machte, waren die Athener sogleich bereit, gegen Skione zu Felde zu ziehen. Die Lakedämonier schickten nun Gesandte und ließen sagen, daß sie damit den Vertrag brechen würden, und hielten die Stadt fest, weil sie dem Brasidas Glauben schenkten; doch waren sie bereit, sich deßhalb einem Schiedsrichterspruch zu unterwerfen. Jene aber wollten es nickt erst auf einen NechtSspruch ankommen' lassen, sondern so schnell als möglich zu Felde ziehen, höchst erzürnt, daß nun schon sogar die auf den Inseln von ihnen abzufallen Lust hätten, im Vertrauen auf die hier doch ganz nutzlose Landmacht der Lakedämonier. Es war aber auch in Betreff der Zeit des Abfalls das Reckt in Wahrheit mehr auf Seiten der Athener, da die Skionäer zwei Tage später übergegangen waren. Von Kleon überredet, faßten sie also sogleich den Beschluß, Skione zu zerstören und die Einwohner zu todten; und hiezu rüsteten sie sich auch, indem sie alles Uebrige ruhen ließen.

Unterdessen fiel aber auch Mende von ihnen ab, eine Stadt auf Pallene und Pflanzort der Eretrier, und Brasidas nahm sie an, ohne damit Unrecht zu thun, wie er glaubte, da sie während deS Waffenstillstandes ganz offen zu ihm übertraten, und dann rückte er auch selbst den Athenern einige Punkte vor, worin sie den Vertrag gebrochen hätten. Um so eher wagten eS deßhalb auch die Mendäer, da sie den Brasidas ganz entschlossen und bereit fanden und sich auch damit rechtfertigen konnten, daß er ja auch Skione nicht herausgebe,

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und dann gab es auch hier Verräther, die nur in geringer Zahl [*]( 423 v. Chr. ) waren und, was sie einmal gewagt, nicht wollten rückgängig werden lassen, vielmehr aus Furcht, daß ihre Schuld an'S Licht kommen werde, die Mehrzahl gegen ihre Ueberzeugung mit ihnen zugehen zwangen. Die Athener, welche dieS sogleich erfuhren, gerietben nun noch mehr in Zorn und rüsteten gegen beide Städte. Brasidas aber, in Erwartung ihreS Ansegelns, brachte Weiber und Kinder der Skionäer und Mendäer nach dem Ehalkidischen Olymbos und sandte ihnen selbst fünfhundert xeloponnesische Schwerbewaffnete und dreihundert ChaZkidische leichte Schildträger zu, Alle unter dem Befehle des Polydamidas; und diese trafen nun bei sich, in Erwartung daß die Athener bald erscheinen würden, gemeinsam Anstalten zur Vertheidigung...

Unterdessen zogen Brasidas und PerdikkaS vereint zum zweiten Mal nach Lynkos gegen den Arrhibäos. Der Eine führte die Macht der Makedonier in's Feld, über die er herrschte, nebst Schwerbewaffneten auS den dort wohnenden Hellenen: jener aber außer den ihm übrig gebliebenen Peloponnesiern noch Chalkidier und Akanthier und aus den übrigen Städten nach Verhältniß ihrer Macht. Im Ganzen betrugen die schwerbewaffneten Truppen der Hellenen ungefähr dreitausend; Reiter seitens der Makedonier und Chalkidier zogen im Ganzen nahe an tausend Mann mit, und außerdem ein zahlreicher Haufe Barbaren. Im Gebiet des Arrhibäos eingedrungen fanden sie die Lynkester bereits zu ihrem Empfange bereit im Feld stehen und schlugen selbst ihnen gegenüber ein Lager. Von beiden Seiten hatten die Fußvölker Hügel besetzt, zwischen denen eine Ebene lag. In diese ritt zuerst die Reiterei beider Theile hinab und lieferte sich ein Reitertressen, und als dann zuerst die Lynkestischen Schwerbewaffneten ihrer Reiterei nach vom Hügel herab eilten und sich zum Gefecht bereit zeigten, führten auch Brasidas und Perdikkas ihnen ihre Leute entgegen, stießen mit ihnen zusammen nnd trieben die Lyn-, kester in die Flucht, von denen sie viele niederhieben; die Uebrigen flüchteten auf die Anhöhen und verhielten sich dort ruhig. Danach errichteten jene ein Siegeszeichen und blieben zwei oder drei Tage- ruhig liegen, wartend auf die Jllyrier, welche, vom Perdikkas um Sold gedungen, noch kommen sollten; daraus wollte Perdikkas gegen

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[*]( 423 v. Chr. ) die Dörfer des Arrhibäos ziehen und nicht mehr unthätig sitzen bleiben; Brasidas aber, der um Mende besorgt war, daß es, wenn die Athener zur See dort früher erschienen, unterliegen möchte, bezeigte dazu keine Lust, zumal auch die Illyrier nicht kamen, und wollte lieber zurückziehen.

Als sie nun hierüber nickt einig werden konnten, wurde gemeldet, daß auch die Illyiier den PerdikkaS verrathen und sich mit Arrhibäos vereinigt hätten, und nun hielten eS beide für daS Beste, den Rückzug anzutreten, weil sie jene als streitbare Manner fürchteten; doch wann man aufbrechen sollte, wurde ihrer Uneinigkeit wegen nicht ausgemacht, und als die Nackt einbrach, überfiel die Makedonier und die große Menge der Barbaren ein plötzlicher Schrecken, — wie es ja oft bei großen Heeren zu geschehen vflegt, daß sie ohne greifbaren Grund in panischen Schrecken gerathen — und im Glauben, daß ihrer eine vielfach größere Zahl heranziehe, als wirklich gekommen waren, und daß sie jeden Augenblick über sie herfallen würden, suchten sie auf der Stelle das Weite und eilten der Heimatd zu; und so wurde auch Peidikkasder Anfangs davon Nichts merkte, als er dann erfuhr, waS vorging, genöthigt noch früher abzuziehen, als er den Brasidas sprechen knurrte, denn beide Lager waren durch einen weiten Zwischenraum getrennt. Als Brasidas dann mit Tagesanbruch die Makedonier schon vorausgeeilt sah, und daß die Jllyrier und Arrhibäos sich zum Angriff anschickten, zog auch er seine Schwerbewaffneten in eine viereckige Ausstellung zusammen, nahm den leichten Haufen in die Mitte und gedachte so seinen Rückzug fortzusetzen. Um zur Abwehr auszufallen, wenn die Feinde wo angreifen sollten, bestimmte er die Jüngsten, und er selbst mit dreihundert Mann ausgewählter Truppen wollte als der hinterste aus dem Rückzug den vordersten Feinden, wenn sie angreifen würden. Widerstand leisten und sie-zurückweisen. Und bevor noch die Feinde sich in der Nähe zeigten, sprach er seinen Soldaten mit solchen Worten Zuversicht ein:

„Wenn ich nicht vermuthen müßte, ihr peloponnesilchen Männer, daß ihr in Bestürzung seid, weil die Bundesgenossen euch im Stich gelassen haben und die Angreifer Barbaren und sehr zahlreich sind, so würde ich nicht, indem ich euch Muth einspreche, euch auch zugleich zu belehren suchen. So aber will ich in Anbetracht,

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daß unsere Beistände aufgerissen sind und die Menge der Feinde groß [*]( 423 v. Chr. ) ist,'in kurzer Erinnerung und Ermunterung das Wichtigste euch vor-l zuhalten suchen. Tapfer zu sein im Kampfe, geziemt euch.nicht wegen jeweiliger Anwesenheit von Bundesgenossen, sondern wegen der angestammten Mannhaftigkeit; und ihr'dürst euch vor keiner Menge Fremder fürchten, denn ihr kommt ja auch nicht auS solchen Staaten wie diese, vielmehr aus solchen, in denen nicht Viele über Wenige herrshcen, sondern Wenige über Viele, und, auf keine andere Weise haben diese- Wenigen solche Herrschaft erlangt, als durch Sieg in der Schlacht."

„Was aber diese Barbaren betrifft, die ihr jetzt aus Unkunde fürchtet, so solltet ihr aus den Kämpfen, die ihr bereits mit barbarischen Makedoniern bestanden habt, wissen? daß sie unS nicht furchtbar werden können, und ich habe auch sonst Ursachen dieß zu schließen und weiß es auch von Ändern. Und wenn ein.Feind in der That Schwächen besitzt, welche den Anschein der Stärke haben, so wird Belehrung, welche über ihn die Wahrheit mittheilt, den Muth derer erhöhen, welche sich seiner erwehren sollen; ist aber der Feind in der That tapfer, so geht man ihm wohl kühner zu Leibe, wenn man es nicht vorher weiß. Bei diesen nun ist ihre Erscheinung vor dem Angriff den Unkundigen furchtbar. Denn schon ihre Zahl ist dem Auge schreckhaft, und das Getöse ihres Schlachtgeschrei's ist entsetzlich, und das eitle Schwenken ihrer Waffen hat etwas furchtbar Drohendes. Im Handgemenge aber mit denen, welche jenes Alles aushalten, sind sie nicht mehr dieselben; denn sie halten keine Linie ein und finden keine Schande darin, gegenüber der Gewalt vom Platz zu weichen, und da Flucht und Angriff bei ihnen gleicherweise rühmlich sind, so bleibt ihre Mannhaftigkeit unerwicsen. Eine Kampfweise, wobei Jeder auf eigene Faust handelt, bietet wohl leicht einen ehrenhaften Vorwand, sich durch Flucht zu retten. Und sie halten es für sicherer, euch aus gefahrloser Entfernung Furcht einzujagen, als mit euch handgemein zu werden; denn sonst würden sie wohl dieses vor jenem thun: So seht ihr denn klar, daß der Schrecken, der vor ihnen hergeht, in der That nur kurze Zeit taueit und nur Aug und Ohr trifft. Wenn ihr aber den Anprall dieser furchtbaren Dinge aushaltet und dann wieder zu rechter Zeit.euch in fester Ordnung langsam zurück­

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[*]( 423 v. Chr. ) zieht, , daß dergleichen ungeordnete Haufen denen, welche den ersten Anprall aushalten, anstatt sie anzugreifen, nur durch prahlerische Drohungen aus der Ferne ihre Tapferkeit zeigen, denen aber, welche vor ihnen weichen, auf den Fersen hitzig folgend ihren Muth beweisen, indem sie selbst in Sicherheit ifnd."

Als Brasidas dieß zur Ermunterung gesprochen, ließ er das Heer den Rückmarsch antreten. Die Barbaren aber, da sie dieß sahen, drangen unter großem Geschrei und Lärm an, im Glauben, daß er fliehe und sie nur über ihn herzufallen brauchten um ihn zu vernichten. Da aber dort, wo sie angriffen, die Ausfallenden ihnen die Stirne boten und Brasidas selbst mit seinen aueerlesenen Leuten ihrem Andrang Stand hielt, so wurde ihr erster Anprall wider Erwarten abgeschlagen, und auch weiter hin empsing man sie, wenn sie wieder angriffen, und wies sie zurück ; verhielten sie sich aber ruhig, so wurde der Rückzug fortgesetzt. Da ließ die Mehrzahl der Barbaren von den Hellenen des Brasidas in der Ebene ab, und es blieb nur eine Abtheilung zurück, um ihnen zu folgen und sie zu beunruhigen, die Uebrigen aber setzten im Lauf den flüchtigen Makedonien nach, erschlugen was sie noch erreichen konnten und besetzten vorauseilend den Paß, der als enge Straße zwischen zwei Bergen in das Land des Arrhibäos einführt; denn sie wußten, daß Brasidas keine andere Straße zum Rückzug habe; und als er sich bereits der schwierigen Stelle des Passes näherte, suchten sie ihn zu umringen, um ihn so abzufangen.

Er aber merkte ihre Absicht und befahl seinen dreihundert Mann, den Hügel, welchen er vornehmlich besetzen zu müssen glaubte, im Laufund ausgelöster Ordnung, so schnell Jeder könne, zu ersteigen und die schon gegen denselben anrückenden Barbaren wo möglich herabzuwerfen, ehe noch die zu ihrer Umzingelung bestimmte Mann-' schast heranrücke. Diese nun stürmten den Hügel hinauf und warfen die oben Stehenden, so daß das hellenische Heer seinen Marsch nach demselben leichter fortsetzen konnte; denn die Barbaren waren durch ihre Vertreibung von der Anhöhe in Schrecken versetzt worden und folgten ihrem Marsche nicht weiter, zumal sie auch jene schon auf den Grenzen angekommen und in Sicherheit glaubten. Brasidas aber,

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nachdem er erst die Höhen erreicht hatte, marschirte nun in größerer [*]( 423v. Chr. ) Sicherheit weiter und gelangte noch desselben TagS auf dem Gebiete, des Perdjlk.is zuerst nach Anissa. Seine Soldaten, selbst erzürnt über den voreiligen Rückzug der Makedonier, wann sie unterwegs deren Nindcrgespanne antrafen oder herausgefallene Gepäckstücke, wie. eS ja bei einem nächtlichen Rückzug, den der Schreck veranlaßt hat, nothwendig vorkommen muß, so spannten sie jene auS und hieben sie nieder, und eigneten sich diese als gute Beute an. Diese Vorfälle waren die erste Veranlassung, daß Perdikkas den Brasidas seitdem als seinen Feind ansah und von da an gegen die Peloponnesier einen Haß hegte, der seinen Absichten und seinem Verhältnisse zu den Athenern durchaus nicht entsprechend war; und im Widersprüche mit dem, was seine dringendsten Vortheile geboten, trachtete er, sich so geschwind als möglich mit Athen auszusöhnen und die Peloponnesier sich vom HalS zu schaffen.

Als Brasidas nach dem Rückzug aus Makedonien nach Torone kam, traf er die Athener bereits im Besitze von Mende, und da er sich nun nicht mehr für stark genug hielt nach Pallene überzusetzen und Hülfe zu gewähren, so blieb er in Torone ruhig liegen um diese Stadt zu decken. Um dieselbe Zeit nämlich mit den Ereignissen in LynkoS waren die Athener, wie sie sich ja auch hiezu gerüstet hatten, gegen Mende und Skione mit fünfzig Schiffen ausgesegelt, wovon zehn den Chiern gehörten. AuS ihrer Bürgerschaft führten sie mit sich tausend Schwerbewaffnete, dazu sechshundert Bogenschützen, tausend geworbene Thraker und leichte Schildträger auS den dortigen Bundesgenossen. Feldherrn waren Nikias, Sohn deS Nikeratos, und ' Nikostratos, des DiitrepheS Sohn. Von Potidäa mit den Schiffen in See g'hend landeten sie beim Heiligthum des Poseidon und marschirten gegen die Mendäer. Diese aber mit den dreihundert zu ihrer Hülfe anwesenden Skionäern und den Pelovonnesischen Hulsstruppen — im Ganzen siebenhundert Schwerbewaffnete — hatten sich außerhalb der Stadt unter ihrem Anführer Polydamidas auf einem Hügel festgesetzt, der eine starke Stellung gewährte. Ihnen suchte Nikias mit hünderlundzwanzig Leichtbewaffneten aus Methone nebst sechzig ausgewählten athenischen Geharnischten und sämmtlichen Bogenschützen auf einem Bergpfad beizukommen, wurde aber verwundet und konnte

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[*]( 423 v. Chr. ) sie nicht bewältigen. Nikostratos erstieg mit dem gesammten übrigen Heere aus einem anderen Zugang und weiteren Umwege den äußerst schwer zugänglichen Hügel, wurde jedoch auch ganz in Unordnung gebracht; und wenig fehlte, so bätte das ganze.Heer der-Athener eine Niederlage erlitten. Für diesen Tag nun, da die Mendäer und ihre Bundesgenossen nickt wichen, zogen sich die Athener zurück und schlugen ein Lager, und die Mendäer gingen in der folgenden Nacht wieder nach ihrer Stadt.

Tags daraus segelten die Athener nach der Landschaft von Skione, nahmen die Vorstadt und verheerten den ganzen Tag über das Gebiet, während Niemand gegen sie auszog, da auch in der Stadt etwas von Unruhen stattfand ; jene dreihundert Skionäer zogen auch in der. folgenden Nacht nach Hause ab. Tags darauf suchte Nikias mit der Hälfte des Heeres die Gränzgebiete der Skionäer heim und verwüstete zugleich das Land; Nikostratos aber mit den übrigen Truppen lagerte sich dicht vor dem oberen Stadtthore (von Mende), da, wo man nach Potidäa zugeht. Polydamidas nun — denn an derselben Seite innerhalb der Mauer standen die Mendäer und ihre Hülfstruppen zufällig auch Gewehr bei Fuß — stellte die Mendäer in Schlachtordnung und forderte sie auf auszurücken und jene anzugreifen. Da ihm aber Einer aus der Volkspartei widersprach — denn auch hier herrschte inneres Zerwürfniß und sagte, er werde nicht ausrücken und er ivisse nicht, weßhalb er kämpfen solle — so packte ihn jener mit der Hand und rüttelte ihn durcheinander. Da gerieth das Volk in Muth, ergriff die Waffen und fiel über die Peloponnesier und seine Gegner her, die es mit jenen gehalten hatten. Und im ersten Anfall schlugen sie sie in die Flucht, theils weil der Angriff ganz unerwartet kam, theils auch weil'jene darüber in Schrecken geriethen, daß den Athenern die Thore geöffnet wurden; denn sie glaubten jetzt, man habe sie einer Verabredung gemäß überfallen. Wer von ihnen nicht auf dem Flecke niedergehauen wurde, flüchtete nach der Burg, die sie auch vorher schon besetzt gehalten hatten. Alle Truppen der Athener aber — denn auch.Nikias war wieder zur Stadt zurückgekehrt, drangen jetzt in Mende ein, dessen Thore nicht in Folge eines Vergleiches geöffnet worden waren, und plünderten, als ob sie die Stadt im Sturm genommen hätten; und»

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nur mit Mühe hielten die Feldherrn ihre Leute gzurück, daß sie nur der [*](423 v. Chr. ) Menschenleben schonten. Danach erlaubten sie den Mendäern, den. Staat wieder nach hergebrachter Weise zu.ordnen und unter sich selbst zu Gericht zu sitzen, wenn sie den Einen oder den Andern als Ursache des Abfalls betrachteten. Die in der Burg aber sperrten sie ein, indem sie von beiden Seiten bis zum Meere hin eine Mauer zogen.und eine Trurpe zur Ueberwachung ausstellten. Nachdem iseMende so wieder gewonnen, zogen sie gegen Skione.

Die Skionäer aber und die Peloponnesier zogen ihnen selbst aus der Stadt entgegen und besetzten einen.vor derselben gelegenen starken Hügel, welchen die Gegner durchaus nehmen mußten, wenn sie die Stadt rings umschanzen wollten. Die Athener griffen hier kräftig an, warfen die ihnen entgegenrückenden Feinde fechtend herab, schlugen dann ein Lager, und nachdem sie ein Siegeszeichen errichtet, schickten sie sich an, rings um die Stadt Schanzen auszuwerfen. Nicht lange danach, als sie bereits an der Arbeit waren, erschienen die in der Burg von Mende belagerten peloponnesischen Hülsstruppen, welche trotz der Beobachtungstruppen sich zur. Nachtzeit am Meere hin den Durchweg erzwungen hatten, kamen auch meist glücklich durch das Belagerungsheer vor Skione und gelangten in die Stadt.

Während noch an-der Einschließung von Skione gearbeitet wurde, sandte Perdikkas Herolde zu den athenischen Feldherrn und schloß einen Vertrag mit den Athenern ab, aus Haß gegen den Brasidas wegen des Rückzuges aus Lynkos, unmittelbar nach welchem er auch die Unterhandlungen begonnen hatte. Damals sollte nämlich auch der Lakedämonier Ischagoras dem Brasidas zu Lande ein Heer zuführen^ Perdikkas aber, von Nikias nach dem Abschlüsse des Vertrags aufgefordert, den Athenern des Vertrauens halber,einen Beweis seiner Freundschaft zu geben, zugleich aber auch aus eigener Bewegung, da >er keine Peloponnesier mehr in seinem Lande sehen wollte, stiftete feine Gastfreunde in Thessalien, zu denen er nur die Mächtigsten im Lande wählte, dazu an, Heer und Rüstzeug der Peloponnesier nickt durch ihr Land zu lassen, so daß jene nicht einmal einen Versuch gegen die thessalische Gränze machten. ZschagöraS aber und Ameinias und Aristeus kamen indessen selbst zum Brasidas, in Sendung der Lakedämonier, um die dortigen Verhältnisse in Augen­

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[*](423 v Chr. ) schein zu nehmen, und brachten aus Sparta, — was eigentlich gegen ihr Gesetz ist — jüngere Männer mit, um sie als Oberbeamte über die Städte zu setzen 25) und diese nicht dem Ersten Besten anvertrauen zu müssen. Auch setzte Brasidas wirklich den Klearidas, Sohn deS KleonymoS, über Amphipolis, und den Pafitelidas, des HegesandroS Sohn, über Torone.

sIm selben Sommer rissen die Thebaner die Mauern der Thespier nieder unter dem Vorwurf, daß diese zu Athen hinneigten. Sie hätten dieß gern schon längst gethan, jetzt aber hatten sie dazu gute Gelegenheit, weil in der Schlacht gegen die Athener die Blüthe der jungen Thespier gefallen war 56).

In demselben Sommer brannte auch der Heratempel in Argos nieder, da die Priestenn ChryfiS ein brennendes Licht in die Nähe der Kränze gestellt hatte und dabei eingeschlafen war, so daß Alles unbemerkt in Brand gerieth und von den Flammen verzehrt wurde. Chryfis selbst floh noch in derselben Nacht aus Furcht vor den Argivern nach Phlius, und jene ernannten dem Gesetze gemäß eine andere Priesterin NamenS PhaeiniS. Von diesem Kriege hatte Chrysis, als sie entfloh, acht Jahre erlebt und das neunte zur Hälfte 57).

Als der Sommer schon zu Ende ging, war die Einschließung von Skione ganz vollendet, und die Athener zogen, nachdem sie eine Besatzung dort zurückgelassen, mit dem übrigen Heere ab.

In dem nun folgenden Winter fiel des Waffenstillstandes wegen zwischen Athenern und Lakedämoniern Nichts vor; die Mantineer und Tegeaten^) aber und ihre beiderseitigen Bundesgenossen [*]( 55) Zur Theilnahme an der Volksversammlung und zu Aemtern war nach dem Gesetz ein Alter von dreißig Jahren erforderlich. ) [*]( 56) Vergl. IV. Si. ) [*]( 57) Als der Krieg begann, war sie schon achtundvierzig Jahre Priesterin gewesen. Vergl. Il, DaS Ereigniß wird hier nur der Zeitbestimmung wegen erzählt. ) [*]( 58) Tegea in Arkadien hatte in den früheren Jahrhunderten tapfer gegen Sparta seine Freiheit vertheidigt, bis dieß sich freundlich zu ihm stellte und ihm auch in der Schlachtordnung deS Bundekheeres einen Ehrenplatz einräumte. Seitdem war eS mit Sparta treu verbunden, bis es sich im I. 469 an Argos anschloß, um im Bunde mit diesem die Hegemonie Sparta's zu brechen. Die Spartaner siegten aber bei Tegea und später noch einmal bei Dipäa, wo außer Mantinea alle Arkader aus Seiten Tegea't standen. Das einheitlich organisirte Sparta mit seinen ganz schars bestimmten )

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lieferten sich eine Schlacht bei Laodikion in der Landschaft OresthiS, [*]( 423: v. Chr. ) in welcher der Sieg unentshcieden blieb; denn beide Theile hatten einen der gegenüberstehenden Flügel in die Flucht geschlagen; auch errichteten beide Theile Siegeszeichen und sandten Waffenbeute nach Delphi. Nachdem nämlich aus beiden Seiten Viele gefallen waren und die Schlacht noch unentschieden geblieben, da die Nacht dem Kampf ein Ende machte, hatten die Tegeaten das Schlachtfeld die Nacht über behauptet und sogleich ein Siegeszeichen aufgestellt, die Mantineer aber hatten sich nach Bukolion zurückgezogen und errichteten erst später ein Siegeszeichen.

Zu Ende desselben Winters und schon gegen Frühlings- [*](423 v. Chr. ) ansang machte Brasidas auch einen Versuch auf Potidäa Er näherte, sich nämlich der Mauer und legte eine Leiter an, was soweit unbemerkt blieb; denn wahrend die Glocke umgetragen wurde 69), und ehe der Soldat, der sie weiter zu geben hatte, wieder zurück kam, war bei dem leeren Posten die Leiter angelegt worden. Da man sie aber dann sogleich bemerkte, noch bevor sie die Mauer erstiegen hatten, führte er sein Heer alsbald in Eile zurück und wartete nicht, bis es Tag geworden. So ging der Winter zu Ende und mit ihm das neunte Jahr des Krieges, den Thukydideö beschrieben hat. [*]( politischen Zwecken siegte über die Gelegenheitkbündlerei sonst tapferer und sreiheitliebender Kantone. Der peloponnesische Bund mit Sparta an der Spitze wurde wieder herze» stellt, und Tegea hielt seitdem wieder treu zu den Lakedämoniern. Ihre LandschastSgenossen aber, die Mantineer, blieben bei ihrer alten Neigung eS mit Nrgoe zu halten, welches sich ununterbrochen in Träumen von Wiederherstellung seiner alten Macht und Rache an den Spartanern wiegte und immer Bundesgenossen anzulocken thätig war. Diese Verschiedenheit der polnischen Neigung, beider «rkadischen Städte führte jetzt, im neunten Jahr dieses Kriege?, zu einem blutigen Kampfe. ) [*]( 59) Um die Wachen munter zu halten, wurde eine Glocke herumgetragen, wohl nicht von einer Runde, sondern, wie diese Stelle zeigt, von einem Posten zum andern. (Kr.) So blieb immer derjenige Posten, dessen Inhaber die Glocke weiterzutragen hatte, sür einige Zeit leer, welchen Umstand Brasidas hier benutzte. )

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