History of the Peloponnesian War

Thucydides

Thucydides. Geschichte des Peloponnesischen Kriegs. Wahrmund, Adolf, translator. Stuttgart: Krais and Hoffmann, 1864.

In demselben Sommer noch setzten es die Aetoler, die schon früher den Ophioneer Tolophos, den Eurytaner Boriades und den Apodoter Tifander als Gesandte nach Korinth und Lakedämon geschickt hatten, durch, daß ihnen ein Hülfsheer gegen Naukaptos geschickt werde, weil dieß die Athener herbeigerufen habe. Es schickten denn auch die Lakedämonier um den Spätherbst drei tausend Schwerbewaffnete aus ihren Bundesgenossen. Von diesen waren fünfhundert aus Herakles, der damals neu gegründeten Stadt im trachinifchen Gebiete. Spartanischer Seits führte das Heer Eurylochos, und ihm standen bei die Spartiaten Makarios und Menedaws.

Da das Heer sich in Delphi gesammelt hatte, sandte Eurylochos einen Herold zu den Ozolischen Lokrern, denn durch deren Gebiet ging der Weg nach Naupaktos, und zugleich dachte er sie zum Abfall von den Athenern zu bewegen. Unter den Lokrern arbeiteten ihm besonders die Amphissäer in die Hand, weil sie wegen ihrer Feindschaft gegen die Phoker die Athener fürchteten, und sie selbst stellten auch zuerst Geißeln und überredeten auch die Andern, die vor dem heranziehenden Heere in Furcht waren, und zwar zuerst ihre Gränznachbarn, die Myoneer — denn dort ist es am schwersten in Lokris vorzudringen — und nach diesen die Jpneer und Messapier und Tritäeer und Chaläer und Tolophonier und Hessier und Oeanthier. Diese Alle schlossen sich auch dem Feldzug an. Die Olpäer stellten zwar

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[*]( 426 v. Chr. ) Geißeln, zogen aber nicht mit, und die Hyäer gaben nicht einmal Geißeln, bevor nicht ihr Flecken, der Polis heißt, genommen war.

Als nun Alles geordnet war und die Geißeln nach dem dorischen Kytinion in Sicherheit gebracht, marshcirte er durch das Gebiet der Lokrer auf Naupaktos los und nahm auf dem Marsche noch ihre Städte Oeneon und Eupolion ein, die sich nicht fügen wollten. Als sie auf naupaktifchem Gebiet angelangt und zugleich die Aetoler zu ihnen gestoßen waren, verheerten sie die Landschaft und nahmen die Vorstadt weg, die keine Mauern hatte. Auch nach Molykreion kamen sie, einer Pflanzstadt der Korinther, die jetzt den Athenern gehorchte, und nahmen sie. Der Athener Demosthenes, — denn dieser hielt sich seit dem Rückzug aus Aetolien immer noch in der Gegend von Naupaktos auf — hatte von dem Heeresznge Kunde erhalten, und da er für die Stadt fürchtete, so war er zu den Akarnanern gegangen und beredete sie — obwohl nur mit Mühe, wegen seines Abzuges von Leukas — Naupaktos zu Hülfe zu eilen. Sie gaben ihm denn auch auf Schiffen tausend Geharnischte mit, welche sich in den Platz warfen und ihn beschützten; denn es war Gefahr, daß er nicht Widerstand leisten könne, da die Mauer umfangreih cund der Vertheidiger nur wenige waren. Eurylochos aber und die Seinigen, da sie merkten, daß der Haufe noch hineingekommen und es unmöglich sei, die Stadt mit Gewalt zu nehmen, zogen sich zurück, aber nicht nach dem Peloponnes, sondern nach der ätolischen Landschaft, die jetzt Kalydon und Pleuron heißt, und in die dortige Gegend und nach dem ätolischen Proschion. Es waren nämlich die Amprakioten gekommen und überredeten sie, mit ihnen gegen das amphilochische Argos und das übrige Amphilochien und in Einem auch gegen Akarnanien einen - Versuch zu machen; denn, sagten sie, wenn sie dieser erst Meister geworden , so werde Alles aus dem Festland auf Seiten des lakedämonischeu Kampfbundes stehen. Eurylochos ließ sich auch bereden, entließ die Aetoler und blieb mit seinem Heere ruhig in jenen Gegenden ste- Heu, bis die Zeit käme, den Amprakioten zu Hülse zu ziehen, wenn sie wegen Argos etwas unternehmen würden. So ging der Sommer zu Ende.

Die Athener auf Sicilien unternahmen im folgenden Winter mit den hellenischen Bundesgenossen, und so viele der Sicilier

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unter der Gewaltherrschaft von Syrakns gestanden und von der Bun-[*]( 426 v. Chr. ) desgenossenschaft mit den Syraknsanern abgefallen, nun den Krieg gegen diese mitfochten, einen Zug gegen das sicilische Städtchen Jnessa, dessen Burg die Syrakusaner besetzt hielten. Sie griffen an, konnten es aber nicht nehmen und zogen wieder ab. Bei diesem Abzüge fielen die Syrakusaner von der Besatzung den nach den Athenern abmarshcirenden Bundesgenossen in den Rücken, schlugen im Angriff einen Theil des Heeres in die Flucht und tödteten eine nicht geringe Zahl. Danach machten Laches und die Athener von der Flotte einige Landungen auf der lokrischen Küste, besiegten in einem Treffen beim Flusse Kmkinos dreihundert Leute der Lokrer, die mit Proxenos, dem Sohne des Kapatou, zur Abwehr herbeigeeilt waren, nahmen die Waffen der Getödteten und zogen wieder ab.

In demselben Winter nahmen auch die Athener nach der Weisung eines Orakelspruchs die Reinigung von Delos vor ^'). Auch schon Peisistratos, der Tyrann, hatte nämlich die Insel früher einmal gereinigt, aber nicht die ganze, sondern nur was man von dem Tempel aus übersehen konnte. Jetzt aber wurde die ganze Insel gereinigt und zwar auf diese Weise. So viel Särge von Todten aus Delos waren, die schafften sie alle weg, und für die Zukunft, geboten sie, dürfe weder Einer auf der Insel sterben, noch auch ein Weib gebären, sondern die solle man nach Rhenea hinüberschaffen. Es liegt aber Rhenea so nahe bei Delos, das; Polykrates, der Tyrann der Samier, als er eine Zeitlang die See beherrschte und nach Unterwerfung der andern Inseln auch Rhenea genommen hatte, sie dem delischen Apollo als Weihgeschenk gab, indem er sie mit einer Kette an Delos sestband. Damals zuerst nach der Reinigung begingen auch die Athener das nach jedem vierten Jahre wiederkehrende Feste der Delien. Es strömte aber auch schon in alten Zeiten viel Volks nach Delos, sowohl von den Joniern, als von den benachbarten Inselbewohnern. Sie veranstalteten nämlich Wallfahrten mit ihren Weibern und Kindern, sowie [*]( 51) Nach dem heiligen Rechte der Insel sollte aus derselben weder eine Grabstätte sein, noch ein Hund gehalten werden. Dieß war aber eine Zeitlang in Vergessenheit gerathendaher die beiden Reinigungen. Die Vorsteher- schaft von Delos hatte für Athen eine politische Bedeutung, vergl. Anm. 50, und l, 8. )

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[*]( 426 v. Chr. ) jetzt die Jonier zum Fest der Ephesien ^), und es wurde dabei ein Wettkampf gehalten im Ringen und in den musischen Künsten und die Städte führten Chortänze auf. Daß dergleichen stattfand, beweist vorzüglich Homer in den folgenden Worten, die dem Lobgesang auf Apollon entnommen sind Doch wann Delos vor Allen das Herz dir erfreuet, o Phöbos, Dort dann sammeln sich dir schleppsäumige Männer Jaons, Sie, sammt ihren Gesprossen und Gattinnen, nahe dem Tempel. Dann auch im Kampfe der Faust, im Gesang und verschlungenen Reigen Deiner gedenkend, ersreuen sie dich in geordnetem Wettkampf.

Daß aber auch Wettkämpfe in den musischen Künsten stattfanden und Preisbewerber sich einstellten, beweist er ebenfalls, und zwar in folgenden Worten, die demselben Lobgesang entnommen sind. Nachdem er nämlich den delischen Chor der Frauen gepriesen hat, schließt er sein Loblied mit diesen Worten, in denen er auch seiner selbst gedenkt: Aus nun, und gnädig erzeige sich uns mit der Schwester Apollon I Seid mir, ihr Frauen, noch Alle gegrüßt! Doch meiner gedenkt auch Später einmal, wenn einer der erdanwohnenden Männer Wandernd daher euch fragt, gleich mir auch erprobet im Dulden: »Jungsraun, welcher der Männer ist euch als der lieblichste Sänger „Hier genaht, und welcher erfreute das Herz euch am meisten?" Dann antwortet mir Alle zumal in erfreulichem Einklang: Er, der erblindete Mann, der wohnt in der felsigen Chios.

So viel findet sich beim Homer, wodurh cbewiesen wird, daß schon in alter Zeit eine große Menschenmenge zum Fest nach Delos strömte. Später aber sandten die Inselbewohner und die Athener Chöre mit Weihopfern dahin. Die Veranstaltung mit den Wettkämpfen aber und das meiste Andere war durch die Ungunst der Umstände in Vergessenheit gerathen, wie natürlich, bis dann endlich damals die Athener die Wettspiele wieder einführten und dazu noch Pferderennen, die früher nicht stattgefunden hatten. ' i [*]( 52) Fest der tphesischen Artemis. Strabo S. S4S. ) [*]( 53) I Hymne aus Apollo V. He. 165. Der bei Thuk. gegebene Text ist von den gewöhnlichen etwas abweichend. Diese ganze Berufung aus Homer, wodurch für Athen Recht und Pflicht der delischen Vorsteherschast in Anspruch genommen wird, hält S. Hermann für eingeshcoben. (?) )

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In demselben Winter zogen die Amprakioten mit dreitau- [*]( 426 v. Chr. ) send Schwergerüsteten gegen das amphilochische Argos zu Felde, wie sie denn eben durch dieß Versprechen den Eurylochos vermocht hatten, seine Truppen da zu lassen, fielen in das argivische Gebiet ein und nahmen Olpä weg, eine starke Festung auf einem Hügel an der Seeseite, welche die Akarnaner in früheren Zeiten befestigt hatten und wo sie ihre gemeinsamen Gerichtstage abhielten. Von der Hauptstadt der Argiver, die am Meere liegt, ist sie ungefähr fünf und zwanzig Stadien entfernt. Von den Akarnanern nun eilte ein Theil nach Argos, denen dort beizustehen, die Andern lagerten sich in der Gegend des amphilochischcn Landes, das Krenä heißt, zu verhüten, daß die Peloponnesier unter Eurylochos nicht unbemerkt sich mit den Amprakioten vereinigen möchten. Sie schickten aber auch zum Demosthenes, der die Athener bei dem Einfalle in Aetolien angeführt hatte, daß er als Führer zu ihnen käme, und zugleich auch zu den zwanzig Schiffen der Athener, die sich in den peloponnesischen Gewässern befanden und von Aristoteles, dem Sohne des Timokrates, und Hierophon, Antimnestos' Sohn, befehligt wurden. Es sandten aber auch die Amprakioten bei Olpä einen Boten nach ihrer Stadt und ließen ausfordern, - mit gesummter Macht ihnen zu Hülfe zu kommen, denn sie fürchteten, Eurylochos möchte mit seinen Truppen nicht durch die Akarnaner durchbrechen können, und so müßten sie entweder sich ganz allein schlagen, oder, wenn sie sich zurückziehen wollten, werde auch das uicht mit genügsamer Sicherheit geschehen können.

Die Peloponnesier nun unter Eurylochos, sobald sie erfahren, daß die Amprakioten nach Olpä gekommen, brachen von Proschion auf und zogen in Eilmärschen zu Hülfe. Sie überschritten.den Acheloosfluß und marschirten durch Akarnanien, das wegen des Zuzugs nach Argos von Mannschaft entblößt war, rechts lassend die Stadt der Stratier und deren Verschanzung, links das übrige Akarnanien. Als sie das Gebiet der Stratier hinter sich hatten, zogen sie durch Phytia und dann an der Gränze von Medeon hin weiter durch Limnäa und betraten nun das Gebiet der Agräer, das nicht mehr zu Akarnanien gehört und ihnen schon freundlich gesinnt war. Als sie dann das wilde Thyamusgebirg erreicht hatten, überstiegen sie dasselbe und kamen in das argivische Gebiet hinab, ^ als es bereits Nacht war.

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[*]( 426 v. Chr. ) Hier kamen sie zwischen der Stadt der Argiver und dem Lager der Akarnaner bei Krenä unbemerkt durch und vereinigten sich mit den Amprakioten in Olpä.

Nachdem sie ihre Vereinigung bewerkstelligt, setzten sie sich mit Tagesanbruch bei der sogenannten Metropolis fest und schlugen ein Lager. Die Athener mit den zwanzig Schiffen liefen nicht lange danach , als Zuzug für die Argiver in den amprakischen Busen ein, und auch Demosthenes führte zweihundert messenische Schwerbewaffnete und sechzig athenische Bogenschützen zu. Die Schiffe nun gingen vor Anker, um von der See aus die Anhöhe von Olpä zu beobachten, die Akarnaner aber und eine geringe Zahl von Amphilochiern — denn ihre Mehrzahl wurde von den Amprakioten mit Gewalt zurückgehalten — hatten sich bereits bei Argos vereinigt und schickten sich an, den Gegnern eine Schlacht zu liesern, und zum Führer des gesammten Bundesheeres wählten sie neben ihren eigenen Feldherrn den Demosthenes. Dieser rückte nahe an Olpä heran und schlug ein Lager. Der breite Runs eines Waldbachs schied die beiden Theile von einander. Und fünf Tage blieben sie ruhig einander gegenüber stehen, am sechsten aber nahmen beide ihre Aufstellung zu einer Schlacht. Weil nun die Peloponnesier an Zahl stärker waren und ihre Aufstellung ihn überflügelte, so fürchtete Demosthenes eingeschlossen zu werden Und legte darum in einen durch Buschwerk versteckten Hohlweg einen Hinterhalt von Schwer- und Leichtbewaffneten, zusammen gegen vierhundert Mann, damit diese dem überflügelnden Theile der Feinde beim Zusammenstoß in den Rücken fallen sollten. Da nun beide Theile ihre Vorbereitungen getroffen hatten, so kam es zum Zusammenstoß. Demosthenes mit den Messeniern und einigen wenigen Athenern hatte den rechten Flügel, den andern die Akarnaner, wie sie sich grade nach einander aufgestellt hatten, und die anwesenden amphilochischen Wursspießträger; Peloponnesier und Amprakioten aber standen unter einander, nur die Mantineer standen mehr gegen den linken Flügel hin alle bei einander, jedoch nicht an der Spitze des Flügels, sondern da stand Eurylochos mit seinen Leuten, den Messeniern und dem Demosthenes gegenüber.

Als es nun bereits zum Handgemenge gekommen war und die Peloponnesier mit ihrem überragenden Flügel den rechten der Gegner

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umschlossen, so kamen die Akarnaner aus ihrem Hinterhalt zum Vor- [*]( 425 v. Chr. ) schein, fielen ihnen in den Rücken und brachten sie zum Weichen, so daß sie in ihrem Schrecken nicht mehr zur Abwehr Stand hielten, sondern auch den übrigen größeren Theil des Heeres mit sich zur Flucht fortrißen. Denn da diese den Heerhaufen des Eurylochos, bei dem überdieß die größere Stärke war, geschlagen sahen, so geriethen sie ihrerseits in noch größere Furcht. Die Messenier, die dort beim Demosthenes standen, thaten den besten Theil der Arbeit. Die Amprakioten aber und die Andern siegten auf dem rechten Flügel über ihre Gegner und trieben sie bis gen Argos vor sich her, wie sie denn in jenen Gegenden die streitbarsten Leute sind. Da sie aber wieder umwandten und den größten Theil des Heeres besiegt sahen, und auch die übrigen Akarnaner auf sie eindrangen, so retteten sie sich nur mit großer Noth nach Olpä und verloren dabei viele Leute; denn sie stürzten ganz ausgelöst und ohne alle Ordnung daher. Nur die Mantineer bewerkstelligten von dem ganzen Heere ihren Rückzug in bester Ordnung. Der Kampf währte aber bis zum Abend.

Am Tage danach übernahm, da Eurylochos und Violarios gefallen waren, Menedaws den Oberbefehl und war nun in großer Verlegenheit, wie er nach einer so großen Niederlage, wenn er dabliebe, die Belagerung werde aushalten können, da er zu Lande und durch die Attischen Schiffe auch zu Wasser abgeschnitten war, oder wie er sich im Falle eines Rückzugs durchschlagen sollte. Deßhalb machte er dem Demosthenes und den Feldherrn der Akarnaner Vorschläge wegen eines Waffenstillstandes und seines Abzugs und zugleich auch wegen Ueberlassuug der Todten. Die Todten nun gaben diese heraus, stellten selbst ein Siegeszeichen auf und begruben auch ihre eigenen Gefallenen, ungefähr dreihundert an der Zahl; auf den Abzug jedoch für Alle insgesammt gingen sie öffentlich nicht ein, heimlich aber gestatteten Demosthenes und seine Mitfeldherrn von den Akarnanern den Mantineern und dem Meneda'ios, wie auch den übrigen Führern der Peloponnesier und wer sonst von angesehenen Männern bei ihnen war, in aller Eile abzuziehen. Dadurch wollte er die Amprakioten und den großen Haufen der fremden Miethstruppen vereinsamen, mehr aber noch beabsichtigte er die Lake- [*]( Thukydides. III. ) [*]( 18 )

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[*]( 425 v. Chr. ) dämonier so bei den dortigen Hellenen in Verruf zu bringen, als Verräther, die nur sich selbst am meisten im Auge gehabt hätten. Jene hoben denn auch ihre Todten auf, begruben sie in der Geschwindigkeit so gut es ging und machten, denen es gestattet war, heimlich Anstalten zum Abzug.

Dem Demosthenes aber und den Akarnanern wurde nun gemeldet, daß die Amprakioten aus ihrer Hauptstadt mit gesammter Macht auf die erste Meldung von Olpä sich zur Hülse aufgemacht und durch das amphilochische Gebiet heranzögen, um sich mit denen in Olpä zu vereinigen, denn von dem was vorgefallen war, wußten sie noch nichts. Sogleich schickte er also einen Theil seines Heeres ab, auf den Straßen im Voraus Hinterhalte zu legen und die festen Punkte vorwegzunehmen, und zugleich schickte er sich mit dem übrigen Heere an, zur Unterstützung nachzurücken.

Unterdessen verließen die Mantineer und die im Vertrage mitbegriffen waren, die Stadt, vorgebend, sie wollten Kräuter und Holz sammeln, und entfernten sich mehr und mehr von den Mauern, immer in kleinen Gruppen bei einander, indem sie wirklich das suchten, was sie zum Vorwand genommen. Als sie sich dann schon ziemlich weit von Olpä entfernt hatten, beschleunigten sie ihre Schritte. Die Amprakioten aber und die Andern, wie sie grade so haufenweise bei einander standen und jene davon gehen sahen, machten sich auch auf die Beine und liefen hinterdrein, um jene noch einzuholen. Die Akarnaner glaubten nun zuerst, Alle insgesammt wollten gleicherweise ohne Vertrag durchgehen, machten sich hinter den Peloponnesiern her und es kam sogar vor, daß der Eine und Andere von ihnen nach den eigenen Feldherrn schoß, die abwehrten und sagten, es sei ein Vertrag abgeschlossen worden, denn man glaubte, es sei Verrath im Spiel. Dann ließen sie aber doch die Mantineer und die Peloponnesier abziehen und tödteten nur die Amprakioten. Dabei gab es aber viel Streit und Ungewißheit, ob Einer ein Amprakiote sei oder ein Peloponnesier. Ihrer zweihundert ungefähr hieben sie nieder, die Andern flüchteten sich aus das angrenzende Agräische Gebiet und der Agräer-König, Salynthios, der ihr Freund war, nahm sie aus.

Die Amprakioten aus der Stadt kamen unterdessen nach Jdomene. Dieß Jdomene besteht aus zwei hohen Hügeln, deren

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größeren die vom Heere des Demosthenes Vorausgesandten bei An- [*]( 425 v. Chr. ) bruch der Nacht unbemerkt voraus besetzt hatten, den kleineren hat-, ten bereits die Amprakioten erstiegen und blieben die Nacht über dort. Demosthenes und das übrige Heer rückten, nachdem sie ihr Mal genommen un8 sobald es Abend geworden, rasch vor, er selbst mit der Hälfte der Truppen gegen den Paß, die Andern über die amphilochischen Berge; und mit dem ersten Morgengrauen fällt er über die Amprakioten her, die noch im Schlafe lagen und von Allem, was vorgegangen, Nichts gemerkt hatten, vielmehr jene für Leute von den Ihrigen hielten. Demosthenes hatte nämlich absichtlich die Messenier vorangestellt und ihnen besohlen, die Feinde auf Dorisch anzureden, und die Vorposten sicher zu machen; auch waren sie durch das Auge nicht zu unterscheiden, da es noch dunkel war. So wie er nun über sie herfiel, flohen jene und wurden in großer Zahl ans dem Platze niedergemacht, die Andern suchten in die Berge zu entkommen. Weil aber die Wege im Vorhinein besetzt waren und zugleich die Amphilochier, ihrer eigenen Ortsgelegenheiten kundig, überdies; noch den Geharnischten gegenüber den Vortheil der leichten Bewaffnung hatten, jene hingegen, der Gegend unkundig, nicht wußten, wohin sie sich wenden sollten, so fielen sie in Schluchten und in die vorher gelegten Hinterhalte und kamen um. Und jeglichen Ausweg der Flucht versuchend wendeten sich Einige auch gegen das Meer hin, das nicht weit entfernt war, und da sie der attischen Schiffe ansichtig wurden, die zur selben Stunde, da die Schlacht vorfiel, an der Küste dahersegelteu, so suchten sie diese durch Schwimmen zu erreichen, denn in ihrer jetzigen Aufregung dachten sie, es sei besser, wenn es schon einmal sein müsse, von denen auf den Schiffen den Tod zu leiden, als von den barbarischen und ihnen so verhaßten Amphilochiern.

So waren die Amprakioten geschlagen worden und entkamen ihrer nur wenige in ihre Stadt; die Akarnaner aber nahmen den Todten ihre Rüstung ab, stellten Siegeszeichen auf und zogen sich dann auf Argos zurück.

Zu ihnen kam Tags darauf ein Herold der Amprakioten, die von Olpä aus auf agräifches Gebiet entkommen waren, die Verabfolgung ihrer Todten zu begehren, die nach der ersten Schlacht [*]( 13* )

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[*]( 425 v. Chr. ) niedergehanen worden, als sie mit den Mantmeern und den m den Vertrag Eingeschlossenen zu entkommen suchten, ohne in dem Vergleich mit inbegriffen zu sein. Da nun der Herold die Waffenrüstungen derer aus der Amprakiotischen Hauptstadt sah, wunderte er sich sehr über die große Menge; denn er wußte nichts von dem neuen Unglück, sondern glaubte, es seien die Waffen der mit ihnen selbst Ausgezogenen. Da fragte ihn Einer, worüber er sich so wundere, und wie viele von ihnen denn gefallen seien? Der so Fragende glaubte aber, der Herold sei von denen von Jdomene. Dieser nun meinte, ungefähr zweihundert. Darauf erwiderte der gefragt hatte: „Das scheint doch nicht nach diesen Waffen da, sondern es sind ihrer mehr als Tausend." „So können sie," sagte der Herold, „nicht von unsern Leuten sein." „Doch freilich," erwiderte Jener, „dafern ihr gestern bei Jdomene gefochten habt." „Aber wir haben gestern mit Niemanden zu thun gehabt, sondern vorgestern bei dem Abzüge." „Nun und wir haben gestern mit denen hier gefochten, die ans der Amprakiotischen Hauptstadt zu Hülfe heranzogen." Wie der Herold dieß hörte und nun wußte, daß der Zuzug aus ihrer Stadt zusammengehauen sei, so seufzte er tief auf, und ganz außer sich über die Größe des hereingebrochenen Unglücks, ging er zurück, ohne seines Auftrags zu gedenken und verlangte nicht weiter die Ausfolgung der Todten. Und in der That war im Verlaufe dieses Krieges dieß das größte Unglück, welches eine hellenische Stadt im Raume so weniger Tage erlitten hat. Die Zahl der Gefallenen habe ich nicht niedershcreiben wollen, weil die, welche allgemein angegeben wird, nicht in dem Verhältnis; zur Größe der Stadt steht, um glaublich zu ershceinen. Amprakia aber, das weis; ich gewiß, hätten die Akarnaner und Amphilochier im ersten Anschrei genommen, wenn sie hierin den Athenern und dem Demosthenes hätten folgen wollen, die zur Erstürmung aufforderten. Sie fürchteten jedoch, daß die Athener, wenn sie die Stadt erst hätten, ihnen noch schwierigere Nachbarn würden.

Danach schieden sie den dritten Theil der Waffenbeute für die Athener aus und vertheilten das Uebrige unter sich, nach den Städten. Der Antheil der Athener wurde ihnen jedoch auf der Fahrt abgenommen; was aber davon jetzt noch in den attischen Heilig

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thümern zur Schau steht, das sind die dreihundert Ganzrüstungen, [*]( 425 v. Chr. ) die für den Demosthenes ausgeschieden worden waren und die er selbst aus der Rückfahrt mitgebracht hat. Denn nach dieser That durfte er sich wegen des Unglücks in Aetolien schon nicht mehr vor der Heimkehr fürchten. — Die Athener auf den zwanzig Schiffen gingen nun nach Naupaktos. Die Akarnaner aber und Amphilochier schloßen nach dem Abzüge der Athener und des Demosthenes einen Vergleich mit den Amprakioten und Peloponnesiern, die zum Salynthios und den Agräern entkommen waren. Danach durften sie von Oeniadä aus abziehen, wohin sie sich nämlich vom Salynthios begeben hatten. Und für die Zukunft machten die Akarnaner und Amphilochier einen Frieden und Waffenbund mit den Amprakioten > auf hundert Jahre. Danach sollten weder die Amprakioten mit den Akarnanern zu Felde ziehen dürfen gegen die Peloponnesier, noch auch die Akarnaner mit den Amprakioten gegen die Athener; gegenseitig aber sollten sie sich ihr Gebiet vertheidigen helfen, und was die Amprakioten an Land oder an Geißeln von den Amphilochiern in Händen hatten, das sollten sie zurückgeben, auch der Stadt Anaktorion keine Hülse leisten, denn die war. den Akarnanern Feind. In diesen Punkten kamen sie überein und machten damit dem Krieg ein Ende. Danach schickten die Korinther eine Besatzung aus ihrer Bürgerschaft nach Amprakia, gegen drei hundert Schwerbewaffnete unter Führung des Xenoklidas und des Euthykles, die unter großen Schwierigkeiten auf dem Festlandswege dahin kamen. Solchen Verlauf nahmen die Dinge wegen Amprakiens.

Auf Sicilien unternahmen die Athener in demselben Winter von der See aus eine Landung gegen Himeräa,' während gleichzeitig die Sikelier vom Binnenlande aus über die Gränzen von Himeräa eindrangen, und auch gegen die äolischen Inseln segelten sie. Als sie dann in Rhegium wieder eingelaufen, trafen sie dort den Pythodoros, des Jsolochos Sohn, als Feldherrn der Athener, der den Laches in seinem Flottenkommando abgelöst hatte. Die Sikelischen Bundesgenossen hatten nämlich Schiffe nach Athen geschickt und diese überredet, sie mit einer stärkeren Flotte zu unter - [*]( 54) Laches war einer Anklage wegen abberufen worden. )

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[*]( 425 v. Chr. ) stützen. Denn auf ihrem Landgebiet waren die Syrakusaner Meister und auch von der See wurden sie durch eine geringe Zahl Schiffe von jenen abgeschnitten. Das nun wollten sie nicht länger mehr ertragen, und trachteten nun eine Flotte aufzubringen. Die Athener bemannten auch vierzig Schiffe, sie ihnen zuzusenden, einmal weil sie den Krieg so früher zu Ende zu bringen hofften, und dann auch, weil sie ihrer Flotte Gelegenheit zur Uebung geben wollten. Den einen der Feldherrn nun, den Pythodoros, sandten sie mit wenigen Schiffen ab; Sophokles, den Sohn des Sostratides, und Eurymedon, des Thukles Sohn, wollten sie mit der größeren Zahl der Schiffe später nachschicken. Pythodoros aber, der bereits an des Laches Statt das Kommando des Geschwaders übernommen hatte, segelte zu Winters Ende gegen die Verschanzung der Lokrer, welche Laches früher genommen hatte, wurde aber im Treffen von den Lokrern besiegt und zog sich wieder zurück.

Um eben diese Frühlingszeit brach auch der feurige Lavastrom aus dem Aetna 52), wie auch schon früher, und verwüstete den Katanäern einen Theil ihrer Ländereien. Denn diese wohnen am Aetna, der in Sicilien der höchste Berg ist. Dieser Ausbruch, sagen sie, sei im fünfzigsten Jahre nach dem vorangegangenen erfolgt, und im Ganzen, seitdem Sicilien von Hellenen bewohnt sei, wäre der Berg zum dritten Mal ausgebrochen. Das ist's, was in diesem Winter geschah, und damit ging das sechste Jahr dieses Krieges zu Ende, den Thukydides beschrieben hat. [*]( 55) Vergl. Humboldt, Kosmos, l. S. 45 l. (Krüger) )

Druck von C. Hoffmann in Stuttgart.